ZEHN
Während Henriette und Torsten in Frau Leclercs Pension Kaffee tranken und sich Pralinen schmecken ließen, bereitete Geerd Sedersen den Tod des Wirtschaftsführers van Houdebrinck vor. Am liebsten hätte er den Mann mit seinem Supergewehr erschossen. Aber um das höhere Ziel, das Attentat auf den König, nicht zu gefährden, wollte er das SG21 nicht einsetzen, denn er durfte die Behörden in Belgien keinesfalls auf diese Waffe aufmerksam machen.
»Stimmen die Informationen, die Sie uns über van Houdebrinck gegeben haben?«, fragte Sedersen, während er die Notizen überflog, die er von Zwengel erhalten hatte.
»Selbstverständlich! Gaston van Houdebrinck wird morgen an der Segelregatta vor Oostende teilnehmen. Sein Boot hat das Kürzel GVH 1.«
»Eingebildet ist der Kerl wohl gar nicht. Aber uns kann es nur recht sein, dass er sein Schiff mit seinen Initialen und einer Eins hat kennzeichnen lassen. Auf diese Weise ist es leicht zu finden. Was schlagen Sie vor, Rechmann?« Sedersen blickte seinen Vertrauten auffordernd an.
Dieser starrte sinnend vor sich hin. »Wenn wir ein paar Pfund Sprengstoff mit einem Funkzünder auf van Houdebrincks Kahn unterbringen können, ist er geliefert.«
»Übernehmen Sie das?«, fragte Sedersen.
Rechmann schüttelte den Kopf. »Das würde ich gerne. Aber wenn mich jemand sieht, wird er mich mit Sicherheit gut beschreiben können. Auch wenn die hiesige Polizei meist sämtliche Hühneraugen zudrückt, wird sie bei einem Mord an einem ihrer größten Wirtschaftsbosse den Arsch aus dem Sessel wuchten. Bringt dann jemand den Attentäter mit mir in Verbindung, können wir unsere weiteren Pläne vergessen.«
»Und wer soll die Sache durchführen?«, fragte Sedersen scharf.
»Karl! Wenn jemand die Gabe hat, unauffällig aufzutreten, dann ist er es.«
Es hätte Rechmanns Lobeshymne nicht bedurft, denn Sedersen wusste selbst, was er an Jasten hatte. »Ich bin einverstanden. Sprengstoff und Zünder haben wir genug, und es wird Zeit, dass wir mehr in die Luft gehen lassen als nur ein Segelboot.«
Zwengel verzog das Gesicht. »Wir sollten es nicht übertreiben. Ein paar verprügelte Ausländer und verjagte Wallonen sehen uns die Leute nach. Aber wenn wir zu viel Terror machen …«
Sedersen wusste, dass der Mann damit den Mord bei Lauw meinte, doch er war nicht bereit zurückzustecken. »Falls Sie es noch nicht begriffen haben sollten: Das hier ist kein Spiel, sondern der Kampf um die Macht in Flandern. Wir können nur gewinnen, wenn wir unsere politischen Gegner radikal ausmerzen. Kompromisse gibt es nicht!«
Vor wenigen Wochen hatte Zwengel bei einer Veranstaltung beinahe dieselben Worte benutzt, doch aus Sedersens Mund klangen sie härter und bedrohlicher. Sich gegen den Deutschen zu stellen wagte Zwengel jedoch nicht, und so tröstete er sich damit, dass mit van Houdebrinck sein schärfster Kontrahent beseitigt würde.