SECHZEHN

O bwohl Henriette und Torsten den Scooter mitschleppten, kamen sie besser voran als erwartet. Ihnen kam nicht nur zugute, dass sie mit der Strömung schwimmen konnten, sondern auch der Umstand, dass es auf der Strecke keine Brücken gab und in der Nacht nur wenig Schiffsverkehr herrschte. Torsten überprüfte mehrmals das Kommunikationskabel, das ihn mit Henriette verband, sparte sich aber seinen Atem für den Tauchgang und gab ihr nur die notwendigsten Anweisungen, die sie zu seiner Erleichterung sofort befolgte.

Da ihre Taucherbrillen mit Restlichtverstärkern ausgerüstet waren, erwies sich die Dunkelheit nicht als großes Hindernis, wie Henriette befürchtet hatte. Dennoch orientierte sie sich mit allen Sinnen. Als sie ein sich näherndes Geräusch vernahm, tippte sie Torsten an.

»Ich höre was«, meldete sie so leise, dass er es kaum verstand.

»Ein Schiffsmotor. Warten Sie, ich sehe mal nach, wie weit der Kasten von uns entfernt ist!« Mit einem einzigen Flossenschlag schoss er zur Oberfläche, kam aber nur mit dem halben Kopf aus dem Wasser. Nicht weit von ihnen entfernt tuckerte ein Ausflugsdampfer die Schelde hoch. Sein Deck und die Innenräume waren hell erleuchtet, und man konnte Musik, fröhliche Stimmen und lautes Lachen vernehmen.

»Die feiern Antwerpen bei Nacht«, gab er Henriette durch, als er wieder abtauchte, und wies sie mit einer Berührung an der Schulter an weiterzuschwimmen.

»Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unter einen solchen Kasten geraten. Eine Schiffsschraube wirkt wie ein Hackmesser, und ich habe keine Lust, als blutiges Bündel irgendwo weiter stromabwärts ans Ufer gespült zu werden.«

»Ich auch nicht.« Henriette horchte, um den Abstand zu dem Ausflugsschiff bestimmen zu können. Kurz darauf hatten sie den Dampfer passiert und schwammen schneller. Ein tiefschwarzer Schatten tauchte zu ihrer Rechten auf und schien sie förmlich zu erdrücken.

»Was ist das?«, fragte Henriette erschrocken.

»Der Steen, die alte Burg von Antwerpen. Das Ding tut uns mit Sicherheit nichts!« Torsten lachte leise und winkte seiner Begleiterin, enger bei ihm zu bleiben. Die Burg blieb hinter ihnen zurück, und bald darauf machte der Strom eine Biegung nach links.

Hier begann das Hafengelände, und Torsten befahl Henriette, auf das Ufer zuzuhalten. »Wir dringen über die Kattendijksluis ein. Dort herrscht weitaus weniger Betrieb als weiter oben. Allerdings müssen wir schnell sein und dürfen nicht vergessen, auf die vorbeifahrenden Autos zu achten.«

»Okay!« Henriette biss die Zähne zusammen und schwamm auf die Schleuse zu.

Zu ihrem Glück waren die Krampen, die eine ins Wasser führende Leiter bildeten, recht breit, und so konnten sie gleichzeitig an der Mauer vor dem geschlossenen Schleusentor hochsteigen. Kurz vor der Kante der Ufermauer sahen sie sich noch einmal um und kletterten dann rasch an Land. Trotz der hinderlichen Flossen liefen sie im Schatten eines mehrstöckigen Gebäudes rasch über die betonierte Fläche und gelangten ungesehen auf die andere Seite des Schleusentors. Torsten hatte zunächst noch erwogen, den Scooter vor der Schleuse an den Krampen der Leiter festzubinden, aber die Gefahr, dass das Ding durch einfahrende Schiffe und Schleusenbewegungen beschädigt wurde, war ihm zu groß. Zudem konnte er nicht mit Sicherheit sagen, ob sie das Hafengebiet an dieser Stelle verlassen würden.

»Das hätten wir geschafft. Jetzt müssen wir wieder ins Wasser«, sagte Torsten und begann, mit dem Scooter belastet an den eisernen Griffen hinabzuklettern, die von der Kaimauer nach unten führten.

Henriette folgte ihm und achtete währenddessen darauf, dass der Kommunikationsdraht nirgends hängen blieb. Kurz darauf tauchten beide unter und drangen in das Kattendijkdok ein. Um zum Churchilldok zu gelangen, in dessen Nähe laut Petra die gesuchten Container stehen sollten, mussten sie weitere Bereiche des Hafens durchqueren. Obwohl in der Nacht nur einzelne Frachter entladen wurden, war das gesamte Gelände taghell ausgeleuchtet. Dennoch kamen sie unbemerkt voran und bogen schließlich in das Becken des Churchilldoks ein.

Dort entdeckten sie beim Auftauchen einen Sicherheitsmann, der mit einem Hund patrouillierte.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Henriette besorgt.

Torsten kontrollierte noch einmal seinen GPS-Kompass und wies mit der Rechten auf eine große Lagerhalle, vor der zwei Reihen Container standen. »Dort muss ich hin. Ich lasse die Flossen und die Sauerstoff-Flasche hier bei Ihnen. Unser Verbindungsdraht ist lang genug. Wenn etwas Auffälliges geschieht, warnen Sie mich.«

Henriette nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie das weitläufige Gelände unter Beobachtung halten sollte, ohne selbst entdeckt zu werden. Sie war so angespannt, dass einzelne Muskeln unkontrolliert zuckten, während sie den Wachmann beobachtete, der eben in Richtung Kanaldok B1 verschwand.

»Wenn Sie sich jetzt beeilen, könnten Sie es schaffen!«, raunte sie ihrem Vorgesetzten zu.

Torsten hatte sich aller Ausrüstungsgegenstände entledigt, die er nicht benötigte, übergab sie Henriette und kletterte zum Kai hoch. Oben spähte er vorsichtig über die Kante und prüfte, ob jemand in der Nähe war. Dann schwang er sich aufs Trockene und spurtete los.

Henriette, die ebenfalls bis zur Kante hochgeklettert war, sah, wie er im Laufen das Verbindungskabel ausrollte, ohne dass es sich nur einmal straff zog. Obwohl die Container, von denen teilweise bis zu sieben übereinandergestapelt worden waren, ihn nach kurzer Zeit verdeckten, schien er sie noch zu sehen.

»Vorsicht! Sie strecken den Kopf zu weit über die Kaimauer !«, hörte sie ihn sagen. Dann wurde es still.

Die geheime Waffe
cover.html
e9783641072001_cov01.html
e9783641072001_toc01.html
e9783641072001_p01.html
e9783641072001_c01.html
e9783641072001_c02.html
e9783641072001_c03.html
e9783641072001_c04.html
e9783641072001_c05.html
e9783641072001_c06.html
e9783641072001_c07.html
e9783641072001_c08.html
e9783641072001_c09.html
e9783641072001_c10.html
e9783641072001_c11.html
e9783641072001_c12.html
e9783641072001_c13.html
e9783641072001_c14.html
e9783641072001_c15.html
e9783641072001_c16.html
e9783641072001_c17.html
e9783641072001_p02.html
e9783641072001_c18.html
e9783641072001_c19.html
e9783641072001_c20.html
e9783641072001_c21.html
e9783641072001_c22.html
e9783641072001_c23.html
e9783641072001_c24.html
e9783641072001_c25.html
e9783641072001_c26.html
e9783641072001_c27.html
e9783641072001_c28.html
e9783641072001_c29.html
e9783641072001_c30.html
e9783641072001_c31.html
e9783641072001_c32.html
e9783641072001_c33.html
e9783641072001_c34.html
e9783641072001_c35.html
e9783641072001_c36.html
e9783641072001_p03.html
e9783641072001_c37.html
e9783641072001_c38.html
e9783641072001_c39.html
e9783641072001_c40.html
e9783641072001_c41.html
e9783641072001_c42.html
e9783641072001_c43.html
e9783641072001_c44.html
e9783641072001_c45.html
e9783641072001_c46.html
e9783641072001_c47.html
e9783641072001_c48.html
e9783641072001_c49.html
e9783641072001_c50.html
e9783641072001_c51.html
e9783641072001_c52.html
e9783641072001_c53.html
e9783641072001_c54.html
e9783641072001_c55.html
e9783641072001_c56.html
e9783641072001_p04.html
e9783641072001_c57.html
e9783641072001_c58.html
e9783641072001_c59.html
e9783641072001_c60.html
e9783641072001_c61.html
e9783641072001_c62.html
e9783641072001_c63.html
e9783641072001_c64.html
e9783641072001_c65.html
e9783641072001_c66.html
e9783641072001_c67.html
e9783641072001_c68.html
e9783641072001_c69.html
e9783641072001_c70.html
e9783641072001_c71.html
e9783641072001_c72.html
e9783641072001_c73.html
e9783641072001_c74.html
e9783641072001_c75.html
e9783641072001_c76.html
e9783641072001_c77.html
e9783641072001_p05.html
e9783641072001_c78.html
e9783641072001_c79.html
e9783641072001_c80.html
e9783641072001_c81.html
e9783641072001_c82.html
e9783641072001_c83.html
e9783641072001_c84.html
e9783641072001_c85.html
e9783641072001_c86.html
e9783641072001_c87.html
e9783641072001_c88.html
e9783641072001_c89.html
e9783641072001_c90.html
e9783641072001_c91.html
e9783641072001_c92.html
e9783641072001_c93.html
e9783641072001_c94.html
e9783641072001_c95.html
e9783641072001_c96.html
e9783641072001_c97.html
e9783641072001_c98.html
e9783641072001_p06.html
e9783641072001_c99.html
e9783641072001_c100.html
e9783641072001_c101.html
e9783641072001_c102.html
e9783641072001_c103.html
e9783641072001_c104.html
e9783641072001_c105.html
e9783641072001_c106.html
e9783641072001_c107.html
e9783641072001_c108.html
e9783641072001_c109.html
e9783641072001_c110.html
e9783641072001_c111.html
e9783641072001_c112.html
e9783641072001_c113.html
e9783641072001_c114.html
e9783641072001_c115.html
e9783641072001_c116.html
e9783641072001_c117.html
e9783641072001_c118.html
e9783641072001_c119.html
e9783641072001_c120.html
e9783641072001_c121.html
e9783641072001_c122.html
e9783641072001_c123.html
e9783641072001_c124.html
e9783641072001_c125.html
e9783641072001_c126.html
e9783641072001_c127.html
e9783641072001_c128.html
e9783641072001_c129.html
e9783641072001_p07.html
e9783641072001_c130.html
e9783641072001_c131.html
e9783641072001_c132.html
e9783641072001_c133.html
e9783641072001_c134.html
e9783641072001_c135.html
e9783641072001_c136.html
e9783641072001_c137.html
e9783641072001_c138.html
e9783641072001_c139.html
e9783641072001_c140.html
e9783641072001_c141.html
e9783641072001_c142.html
e9783641072001_cop01.html