VIERZEHN
Torsten traf Henriette bei Petra. Die beiden Frauen schienen sich gut zu verstehen, denn ihr Gelächter drang bis auf den Flur.
»Leutnant, packen Sie alles zusammen, was Sie für die nächsten drei oder vier Tage brauchen. Ich will Sie in einer halben Stunde unten am Fuhrpark sehen. Sie können doch Auto fahren, oder?«
»Torsten ist vor ein paar Wochen seinen Führerschein losgeworden und braucht daher einen Chauffeur«, klärte Petra Henriette auf.
Torsten drohte ihr mit der Faust, doch sie drehte ihm den Rücken zu und griff zur Tastatur. »Tz, tz! Du willst doch sicher, dass ich ein paar Sachen für dich herausfinde. Oder etwa nicht?«
Torsten musste trotz der beängstigenden Nachrichten, die er von Wagner erfahren hatte, lachen. »Dir kann man wirklich nichts vormachen. Ich brauche dringend alle Informationen, die du auf die Schnelle über die Waffenfabrik in Suhl zusammentragen kannst, in der das SG21 gebaut worden ist, sowie über deren Chefingenieur Gans. Außerdem interessieren mich die Leute, die gestern Nacht in der Fabrik Wache gehalten haben. Solltest du überdies etwas über diese Randale in Suhl herausfinden, hätte ich auch nichts dagegen.«
»Und das alles in einer halben Stunde? Wie stellst du dir das vor?« Noch während sie es sagte, huschten Petras Finger über die Tasten.
»Warum meinst du, habe ich dich gefragt? Von den anderen hier im Bau schafft das keiner!«
»Ist das ernst gemeint?«, hakte Petra nach.
Torsten nickte mit einem herzerweichenden Augenaufschlag. »Zutiefst ernst! Du bist nun einmal die Beste.«
Obwohl Petra nicht daran zweifelte, dass sie ein Genie war, lächelte sie erfreut und wies dann mit dem Kopf zu Tür. »Verschwinde und lass mich arbeiten! Ich bin in einer halben Stunde beim Fuhrpark und bringe dir alles, was ich herausgefunden habe, auf einer SD-Karte. Beeil dich aber, sonst bin ich schneller dort als du.« Damit hatte sie Torsten bereits vergessen und verschmolz mit ihrem Computer zu einer unschlagbaren Einheit.
Torsten machte nicht den Fehler, Petra noch einmal zu stören. Leise ging er hinaus und in sein Büro. Leutnant von Tarows Laptop war bereits verschwunden und ihr Drehstuhl korrekt unter den Schreibtisch geschoben.
»Die hat anscheinend einen Ordnungsfimmel!«, brummte Torsten und fragte sich, weshalb die Frau nicht bei einer Putzfirma angeheuert hatte. Verärgert, weil seine Gedanken sich mit seiner neuen Kollegin befassten und nicht mit dem Problem, das er zu untersuchen hatte, packte er alles zusammen, was er für notwendig hielt. Zuletzt schulterte er die Laptoptasche und wandte sich zum Gehen. An der Tür machte er noch einmal kehrt und schob seinen Stuhl ebenfalls unter den Schreibtisch. Dann eilte er davon, um Ersatzwäsche, Zahnbürste und Rasierzeug aus dem Raum zu holen, in dem er schlief.
Als er kurz darauf zum Fuhrpark kam, saß Leutnant von Tarow bereits hinter dem Steuer seines Wagens. Der Soldat, der für die Bewachung der Autos verantwortlich war, grinste, sagte aber nichts, sondern zog sich hastig zurück, als er Torstens angriffslustige Miene wahrnahm.
Von Petra war weit und breit nichts zu sehen. Daher blieb Torsten neben dem Wagen stehen und hoffte, dass er nicht noch einmal zurücklaufen musste, um die verlangten Unterlagen zu holen.
Henriette ließ das Seitenfenster herunterfahren. »Soll ich Ihr Gepäck in den Kofferraum legen, Herr Oberleutnant?«
Sie erhielt nur ein Knurren als Antwort. Doch er verstaute seine Sachen, nur die Tasche mit dem Laptop behielt er bei sich. Während die Zeiger seiner Uhr gnadenlos weiterwanderten, drehte er in Gedanken Petra den Hals um.
»Eine Frage, Herr Oberleutnant: Fahren wir die ganze Strecke nach Suhl, oder nehmen wir ein Flugzeug?«, fragte Henriette.
»Wir fahren! Mit dem Flugzeug sind wir kaum schneller, weil wir zuerst eine Flugmöglichkeit finden und uns am Ziel einen anderen Wagen besorgen müssten. Außerdem bin ich den Kasten hier gewöhnt.« Erst nachdem er es gesagt hatte, fiel Torsten ein, dass diesmal nicht er, sondern das Generalstöchterlein am Steuer sitzen würde. Er überlegte, ob er Henriette auffordern sollte, den Platz zu räumen, damit er selbst fahren konnte. Doch so pingelig, wie er sie einschätzte, würde sie es umgehend Wagner melden, und einen weiteren Fauxpas bei seinem Vorgesetzten konnte er sich wahrlich nicht leisten.