NEUNZEHN

Auf der anderen Seite des Schiffes kamen sie wieder an die Wasseroberfläche. Da Torsten ohne Sauerstoff-Flasche hatte tauchen müssen, war er halb erstickt und so erschöpft, dass er sich nicht mehr aus eigener Kraft über Wasser halten konnte. Henriette packte ihn gerade noch rechtzeitig, zog ihn an sich und sorgte mit langsamen, aber kraftvollen Bewegungen ihrer Schwimmflossen dafür, dass sie nicht wieder versanken.

»Nehmen Sie meine Sauerstoff-Flasche, bis ich die Ihre wieder festgeschnallt habe. Dann geht es Ihnen besser.« Henriette koppelte ihren Versorgungsschlauch von der Tauchmaske ab und steckte ihn an Renks Maske.

Torsten atmete das Sauerstoffgemisch mit tiefen Zügen ein und nickte ihr erleichtert zu. »Danke! Ich musste den Atem länger anhalten, als ich gerechnet hatte. Aber jetzt geben Sie mir das Ende des Verbindungskabels. Ich will nicht, dass uns jemand zufällig hören kann.«

Sofort stöpselte Henriette den Stecker des Kabels wieder ein »Hören Sie mich?« Als er etwas brummte, schnallte sie ihm die Sauerstoff-Flasche auf den Rücken und reichte ihm seinen Atemschlauch. Dann drehte sie kurz das Ventil auf und blies das Wasser heraus. Es war so schmutzig, dass Torsten es selbst in dem diffusen Zwielicht der Laternen auf der anderen Seite des Hafenbeckens sehen konnte.

»Was haben Sie mit dem Schlauch gemacht?«, fragte er verwundert.

»Ich? Nichts! Das dürfte der Schlamm sein, den die Schiffsschrauben aufgewirbelt haben!«

»Auch egal! Es muss gehen.« Auf seine Anweisung presste Henriette noch einmal Luft durch den Schlauch, dann klinkte sie ihn in seine Maske ein.

»Jetzt könnte ich meine Flossen brauchen«, brummte er.

»Ich gebe sie Ihnen und halte Sie fest, bis Sie die Dinger angezogen haben.« Henriette packte mit einer Hand seinen Gürtel und hielt ihm mit der anderen die erste Flosse hin.

Torsten zog die Beine an und schlüpfte hinein. Die andere Flosse folgte, und so konnte er nun selbst mit langsamen Bewegungen Wasser treten.

»Geschafft! Jetzt sollten wir verschwinden«, sagte er, nachdem er auch noch den Rest seiner Ausrüstung an sich genommen und verstaut hatte. Trotz seiner Erschöpfung schleppte er den Scooter hinter sich her, denn er wagte es nicht, das Gerät im Hafengelände einzusetzen.

Ehe Henriette ihm folgte, blickte sie noch einmal zu dem Containerriesen hoch, der wie ein Berg über ihnen aufragte. Es kam ihr immer noch wie ein Wunder vor, dass das Schiff sie weder erdrückt noch in die Schraube gezogen hatte. Die Nachwirkungen ihres verzweifelten Kampfes um ihr Überleben spürte sie jedoch am ganzen Körper. Ihr tat alles weh, und an einigen Stellen brannte die Haut, als wäre sie mit Säure eingerieben worden. Außerdem war Wasser unter den Neoprenanzug geraten und vermittelte ihr ein Gefühl, als hätte sie in die Hose gemacht. Sie zischte eine leise Verwünschung.

Sofort hielt Torsten an. »Ist etwas mit Ihnen?«

»Nein!« Henriettes Antwort klang zu schroff, um wahr zu sein.

Mitten im Hafen konnte Torsten ihr nicht helfen. Daher fragte er nicht nach, sondern befahl ihr knapp, ihm zu folgen. Der Rückweg durch die einzelnen Hafenbecken dehnte sich zu einer Ewigkeit, und sie glaubte schon nicht mehr, dass sie die Kattendijksluis je erreichen würden. Doch kurz darauf tauchte die Schleuse vor ihnen auf. Diesmal war das flussnahe Tor geschlossen, so dass sie ein längeres Stück ohne Deckung über Land laufen mussten, um es zu umgehen und in die Schelde steigen zu können. Aber auch jetzt verließ sie das Glück nicht, denn der zurückkehrende Ausflugsdampfer zog die Aufmerksamkeit der Hafenarbeiter auf sich.

Im Fluss angelangt, schaltete Torsten den Scooter ein und forderte Henriette auf, sich an dem Griff auf ihrer Seite festzuhalten. Er hatte bemerkt, dass ihre Schwimmbewegungen unregelmäßig und kraftlos wurden, und versuchte, ihr Mut zu machen. »Mit dem Gerät ist der Rückweg trotz der Gegenströmung weitaus leichter zu bewältigen.«

Henriettes Neugier überwog ihre Schmerzen. »Darf ich fragen, was Sie im zweiten Container entdeckt haben?«

»Ein Auto mit einer Leiche. Das wird Wagner gar nicht gefallen.«

»Mir gefällt das auch nicht!«, rief Henriette entsetzt aus.

»Glauben Sie etwa, ich würde darüber lachen? Da steckt eine elende Teufelei dahinter. Wenn die Container verschifft werden, kommen sie erst irgendwo in Afrika wieder an Land. Dort würde der Tote wahrscheinlich sofort verbuddelt werden, und kein Schwein würde je erfahren, um wen es sich handelt. «

»Und wie wollen Sie verhindern, dass er auf ein Schiff geladen wird? Vielleicht werden sie gerade auf den Kasten gehievt, der uns so viele Probleme bereitet hat.« Henriette fühlte sich müde und zerschlagen und sah deswegen alles in trübem Licht.

»Das will ich nicht hoffen. Petra wird sich etwas einfallen lassen müssen«, erklärte Renk und schaltete den Scooter auf volle Leistung.

Die geheime Waffe
cover.html
e9783641072001_cov01.html
e9783641072001_toc01.html
e9783641072001_p01.html
e9783641072001_c01.html
e9783641072001_c02.html
e9783641072001_c03.html
e9783641072001_c04.html
e9783641072001_c05.html
e9783641072001_c06.html
e9783641072001_c07.html
e9783641072001_c08.html
e9783641072001_c09.html
e9783641072001_c10.html
e9783641072001_c11.html
e9783641072001_c12.html
e9783641072001_c13.html
e9783641072001_c14.html
e9783641072001_c15.html
e9783641072001_c16.html
e9783641072001_c17.html
e9783641072001_p02.html
e9783641072001_c18.html
e9783641072001_c19.html
e9783641072001_c20.html
e9783641072001_c21.html
e9783641072001_c22.html
e9783641072001_c23.html
e9783641072001_c24.html
e9783641072001_c25.html
e9783641072001_c26.html
e9783641072001_c27.html
e9783641072001_c28.html
e9783641072001_c29.html
e9783641072001_c30.html
e9783641072001_c31.html
e9783641072001_c32.html
e9783641072001_c33.html
e9783641072001_c34.html
e9783641072001_c35.html
e9783641072001_c36.html
e9783641072001_p03.html
e9783641072001_c37.html
e9783641072001_c38.html
e9783641072001_c39.html
e9783641072001_c40.html
e9783641072001_c41.html
e9783641072001_c42.html
e9783641072001_c43.html
e9783641072001_c44.html
e9783641072001_c45.html
e9783641072001_c46.html
e9783641072001_c47.html
e9783641072001_c48.html
e9783641072001_c49.html
e9783641072001_c50.html
e9783641072001_c51.html
e9783641072001_c52.html
e9783641072001_c53.html
e9783641072001_c54.html
e9783641072001_c55.html
e9783641072001_c56.html
e9783641072001_p04.html
e9783641072001_c57.html
e9783641072001_c58.html
e9783641072001_c59.html
e9783641072001_c60.html
e9783641072001_c61.html
e9783641072001_c62.html
e9783641072001_c63.html
e9783641072001_c64.html
e9783641072001_c65.html
e9783641072001_c66.html
e9783641072001_c67.html
e9783641072001_c68.html
e9783641072001_c69.html
e9783641072001_c70.html
e9783641072001_c71.html
e9783641072001_c72.html
e9783641072001_c73.html
e9783641072001_c74.html
e9783641072001_c75.html
e9783641072001_c76.html
e9783641072001_c77.html
e9783641072001_p05.html
e9783641072001_c78.html
e9783641072001_c79.html
e9783641072001_c80.html
e9783641072001_c81.html
e9783641072001_c82.html
e9783641072001_c83.html
e9783641072001_c84.html
e9783641072001_c85.html
e9783641072001_c86.html
e9783641072001_c87.html
e9783641072001_c88.html
e9783641072001_c89.html
e9783641072001_c90.html
e9783641072001_c91.html
e9783641072001_c92.html
e9783641072001_c93.html
e9783641072001_c94.html
e9783641072001_c95.html
e9783641072001_c96.html
e9783641072001_c97.html
e9783641072001_c98.html
e9783641072001_p06.html
e9783641072001_c99.html
e9783641072001_c100.html
e9783641072001_c101.html
e9783641072001_c102.html
e9783641072001_c103.html
e9783641072001_c104.html
e9783641072001_c105.html
e9783641072001_c106.html
e9783641072001_c107.html
e9783641072001_c108.html
e9783641072001_c109.html
e9783641072001_c110.html
e9783641072001_c111.html
e9783641072001_c112.html
e9783641072001_c113.html
e9783641072001_c114.html
e9783641072001_c115.html
e9783641072001_c116.html
e9783641072001_c117.html
e9783641072001_c118.html
e9783641072001_c119.html
e9783641072001_c120.html
e9783641072001_c121.html
e9783641072001_c122.html
e9783641072001_c123.html
e9783641072001_c124.html
e9783641072001_c125.html
e9783641072001_c126.html
e9783641072001_c127.html
e9783641072001_c128.html
e9783641072001_c129.html
e9783641072001_p07.html
e9783641072001_c130.html
e9783641072001_c131.html
e9783641072001_c132.html
e9783641072001_c133.html
e9783641072001_c134.html
e9783641072001_c135.html
e9783641072001_c136.html
e9783641072001_c137.html
e9783641072001_c138.html
e9783641072001_c139.html
e9783641072001_c140.html
e9783641072001_c141.html
e9783641072001_c142.html
e9783641072001_cop01.html