FÜNFZEHN

Als Geerd Sedersen an diesem Abend nach Hause kam, stand der Kasten mit dem Spezialgewehr 21 auf seinem Schreibtisch, und in einem der bequemen Ledersessel fläzte der Hüne mit dem Babygesicht.

»Na, Chef? Wie waren wir?«

Sedersen öffnete wortlos den Gewehrkasten und überzeugte sich, dass Waffe und Munition unbeschädigt waren. Dann erst nickte er dem Muskelprotz zu. »Sie und Jasten haben gute Arbeit geleistet, Rechmann. Nun kann ich endlich so über die Waffe verfügen, wie es mir beliebt!«

Es juckte Sedersen in den Fingern, das Gewehr zu laden und damit zu schießen. Doch dafür fehlte ihm ein lohnendes Ziel. Außerdem musste er sparsam mit der Munition umgehen, denn mehr als zwei oder drei Patronen pro Woche konnte sein Ingenieur nicht zusätzlich herstellen.

»Ist das Ding wirklich so gut, wie Karl behauptet?« Rechmann ärgerte es, dass nicht er Sedersen bei dessen Mordtaten hatte chauffieren dürfen. Doch sein Anführer wollte auf solchen Fahrten nicht mit ihm zusammen gesehen werden, denn er war offiziell als dessen Bodyguard angestellt. Zudem sah er selbst ein, dass Jasten ein weitaus unauffälligerer Typ war als er.

Sedersen wusste, dass Rechmann sich hinter Jasten zurückgesetzt fühlte, ging aber nicht darauf ein. »Das hier ist das beste Gewehr der Welt. Damit könnte ich den Präsidenten der Vereinigten Staaten vor der Eingangstür des Weißen Hauses erschießen, ohne dass die CIA oder irgendein anderer Geheimdienst dieser Welt herausfinden würde, wer es war.«

»Dazu müssten Sie die Waffe aber erst nach Amerika schmuggeln, Chef.«

»Das wäre das geringste Problem. Ich habe genug Geschäftspartner in den Staaten, so dass ich die Waffe in Einzelteile zerlegt in verschiedenen Warenlieferungen hinüberschaffen könnte. Auch die Amerikaner können nicht jeden Quadratzentimeter eines Containers unter die Lupe nehmen. Sie würden die Teile für Maschinenzubehör halten.«

»Da Sie gerade von Containern sprechen, Chef: Unser Gewährsmann beim Bund hat sich gemeldet. Die planen eine zweite eisenhaltige Hilfslieferung für Afrika. Werden wir uns auch um die kümmern?«

»Selbstverständlich! Treffen Sie die notwendigen Vorbereitungen. «

Wenn Sedersen diesen geschäftsmäßigen Ton anschlug, wusste Rechmann, dass er sich zurückzuziehen hatte. Zwar durchschaute er Sedersens Absichten und Pläne noch nicht, begriff aber, dass es um Einfluss, Macht und Geld ging, drei Dinge, die auch er sich erhoffte. Irgendwann einmal, sagte er sich, würde er in einem ähnlichen Büro sitzen und nur noch seine Anweisungen geben.

Unterdessen schaltete Sedersen seine Computeranlage ein und erhielt als Erstes die Nachricht, dass ein Anruf für ihn aufgezeichnet worden war. Er rief die Datei auf und vernahm eine gehetzte Stimme. »Ich muss dringend mit Ihnen sprechen, Herr Sedersen. Hier ist der Teufel los. Man hat mich heute zum dritten Mal in die Mangel genommen. Das halte ich nicht mehr länger aus! Inzwischen müssten Sie doch längst einen Kunden für dieses Ding gefunden haben. Denken Sie daran: Ein Teil des Geldes steht mir zu! Ich …« In dieser Art ging es noch einige Minuten weiter.

Sedersens Gesicht spannte sich von Satz zu Satz mehr an, und zuletzt hieb er mit der Faust auf den Schreibtisch. »Dieser Idiot! Der Kerl muss doch wissen, dass wir abgehört werden könnten. Verdammt! Der Mann wird noch zu einem Sicherheitsrisiko. «

Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab. So schnell, wie sie gekommen war, legte sich seine Unsicherheit, und ein grimmiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. Nun wusste er, was er zu tun hatte. Er drückte auf einen Knopf der Haussprechanlage. »Rechmann, kommen Sie noch einmal ins Büro. Ich habe einen Auftrag für Sie!«

Am liebsten hätte Sedersen sich selbst um seinen Ingenieur gekümmert, der offensichtlich die Nerven verloren hatte. Doch dazu fehlte ihm die Zeit. Rechmann würde wissen, wie dieser Auftrag am besten auszuführen war. Zufrieden setzte er sich an den Computer und verschickte mehrere kurze EMails. Als Rechmann im Büro auftauchte, war der Bildschirm wieder dunkel.

»Setzen Sie sich!«, befahl Sedersen und erklärte seinem Angestellten in knappen Worten, was getan werden musste.

Rechmann nickte. »Wird prompt erledigt, Chef. Wenn es keine unvorhergesehenen Zwischenfälle gibt, kann ich morgen Abend Vollzug melden.«

»Passen Sie auf, dass Sie nicht mit der Angelegenheit in Verbindung gebracht werden. An so einen Charakterkopf wie den Ihren würde man sich noch lange erinnern.«

Diese Anspielung auf sein Babygesicht brachte Rechmann zum Lachen. Sein Anführer durfte sich diese Bemerkung erlauben. Jedem anderen hätte er dafür das Gesicht eingeschlagen.

Die geheime Waffe
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