ACHT
Bei der Fahrt durch das ländliche Flandern hingen Henriette und Torsten ihren eigenen Gedanken nach und sprachen nur wenig miteinander. Als sie die Ortschaft Wezel erreichten, spannten sich beide unbewusst an. Torsten hatte über die Touristeninformation eine kleine Pension im Nachbarort von Balen ganz in der Nähe von Sedersens Besitz ausfindig gemacht. Von dort aus war es möglich, die Hallen und die Villa zu Fuß zu erreichen. Außerdem hoffte er, ein Zimmer zu bekommen, von dem aus sie die Flugbewegungen auf dem winzigen Airport überwachen konnten. Diese Aufgabe sollte Leutnant von Tarow übernehmen, während er selbst sich draußen umsehen wollte.
Vorerst aber galt es erst einmal, ihr Quartier zu beziehen. »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie es mit mir in einem Doppelzimmer aushalten werden?«, fragte Torsten nicht zum ersten Mal.
Henriette lachte hell auf. »Wir hatten bereits in Den Haag ein Doppelzimmer, dann in Breda, und die letzten Nächte haben wir zusammen in einem einzigen Raum in Burcht verbracht. Glauben Sie, ich würde ausgerechnet jetzt anfangen zu zicken?«
»Nein, aber ich wollte Ihnen die Chance geben, endlich ein Zimmer für sich allein zu haben.«
Im Grunde hätte Henriette nichts dagegen gehabt, in einem Einzelzimmer zu wohnen. Sie befürchtete jedoch, von Renk nicht mehr umfassend informiert zu werden. »Keine Sorge. Ich halte es mit Ihnen schon aus. Immerhin schnarchen Sie nur selten!«
»Wenigstens was.« Torsten wollte noch etwas sagen, doch da meldete sich die Automatenstimme des Navigationssystems und wies Henriette an, bei der nächsten Einmündung rechts abzufahren. Da das Navi auch gleich eine weitere Richtungsänderung ankündigte, schwieg Torsten und sah zu, wie Henriette den Wagen geschickt über die schmalen Straßen am Rand von Wezel lenkte.
Kurz darauf kam ihnen ein Pkw entgegen, dessen Fahrer sich in der Mitte der Straße hielt. »He, was soll das?«, rief Henriette empört, als der andere keine Anstalten machte, rechts zu fahren. Stattdessen betätigte er ausgiebig die Lichthupe.
»So ein Affe!« Henriette fuhr in eine Einfahrt und ließ den fremden Wagen durch. Dabei fauchte sie so wütend, dass Torsten Angst hatte, sie würde wenden und dem Wagen folgen, um dem Fahrer die Meinung zu geigen.
Rasch legte er ihr die linke Hand auf den Unterarm. »Fahren Sie ganz normal weiter und sehen Sie sich nicht um.«
»Weshalb?«
»Haben Sie die Kleidung des Kerls gesehen?«
»Darauf habe ich nicht geachtet.«
»Hätten Sie aber tun sollen! Der Bursche trug die gleiche Uniform wie unsere lieben Freunde aus Breda. Ich glaube, ich habe den Burschen dort auch gesehen.«
»Meinen Sie, dass er uns erkannt hat?«, fragte Henriette besorgt.
»Ich glaube nicht, dass er in diesem Fall so großspurig aufgetreten wäre. Übrigens treibt er das gleiche Spiel jetzt mit einem anderen Autofahrer. Wir dürfen uns aber nicht in falscher Sicherheit wiegen. Auch wenn der Kerl uns jetzt nicht erkannt hat, so wird er sich irgendwann doch an uns erinnern.«
Henriette warf ihm einen irritierten Blick zu. »Aber was machen die Soldaten aus Breda hier?«
»Wir könnten dem Mann folgen und ihn fragen«, spottete Torsten und rief sofort: »Halt!«, denn Henriette machte Anstalten zu wenden. »Das war nur ein Scherz, Leutnant! Aber was diese Kerle angeht: Möglicherweise haben die sich hierher verzogen, weil sie nach dem Brand in ihrem Bau Angst haben, es könnten sich Leute um sie kümmern, denen sie lieber aus dem Weg gehen. Außerdem haben wir ja selbst die beiden Extremisten Eegendonk und Zwengel belauscht. Wahrscheinlich stellen die Militärschüler aus Breda so eine Art Prätorianergarde dieser Leute dar.«
»Damit haben wir den ersten Beweis, dass hier nicht alles stimmen kann.« Henriette lächelte nun wieder, als amüsiere sie sich bestens. Ihre Augen strahlten, und sie schien es nicht erwarten zu können, Sedersen und seinen Kumpanen in die Suppe zu spucken.
Auch Torsten war zufrieden. »Wie es aussieht, hat Petra wieder einmal ausgezeichnete Recherchearbeit geliefert. Jetzt liegt es an uns, handfeste Beweise zu beschaffen, damit die Kerle ausgehoben werden können.«
Der Anblick eines schmalen, für diese Gegend aber recht hohen Hauses lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung. »Ich glaube, da ist schon unsere Pension!«
Henriette bremste den Wagen und fuhr die enge, schräg nach oben führende Einfahrt hoch. Der Parkplatz neben dem Gebäude war klein, aber dennoch hatten zwei Fahrer ihre Autos so hingestellt, als wären sie die Einzigen auf der Welt. Henriette musste so nahe an die Hausmauer fahren, dass Torsten auf seiner Seite nicht aussteigen konnte.
Mit einem nicht zu deutenden Lächeln wandte sie sich ihm zu. »Der Wagen hier ist doch gepanzert, nicht wahr?«
»Ja, warum?«
»Weil ich mir überlege, meine Tür schwungvoller aufzumachen, damit diese Idiotenschaukel neben uns eine saftige Delle abbekommt.«
»Lassen Sie den Wagen leben. Es gäbe nur Ärger.« Torsten holte den Laptop und die übrigen Unterlagen vom Rücksitz, sagte sich dann aber, dass es vielleicht zu auffällig war, so bepackt als angeblicher Tourist in der Pension zu erscheinen. Daher wartete er, bis Henriette ausgestiegen war, und kletterte über die Fahrerseite ins Freie. Dann hob er seine Reisetasche aus dem Kofferraum. Zwar war diese gut gefüllt, aber mit ein paar Handgriffen schaffte er genug Platz für seinen Laptop.
Henriette reichte ihm ihre Reisetasche. »Können Sie mir meinen Laptop reichen, Herr Oberleutnant?«
»Gerne. Aber sobald Sie mit Ihren Sachen fertig sind, heißt es nicht mehr Sie und Oberleutnant, sondern Schatz und du!«
»Zu Befehl, Herr Oberleutnant!« Schelmisch lächelnd berührte Henriette mit ihrer Rechten die Stirn, als würde sie salutieren. Danach sah sie Torsten mit großen Augen an.
»Wärst du so lieb, meinen Koffer zu tragen, Schatz? Mir ist er zu schwer!« Damit trippelte sie lächelnd auf den Eingang des Hauses zu. Torsten seufzte und hob die beiden recht großen Gepäckstücke auf. Während er Henriette folgte, ließ er den Blick schweifen. Das Haus war dreistöckig, wobei das oberste Stockwerk bereits im Dachgeschoss lag. Das Dach hatte man mit grauen Ziegeln gedeckt, die nur wenig dunkler waren als der Rauputz der Außenmauern. Den einzigen Farbfleck stellte die große, dunkelrote Tür dar, die in einem auffallenden Kontrast zu der Eintönigkeit des Hauses stand. Über dem Eingang war ein schlichtes, weißes Schild mit schwarzer Aufschrift angebracht. Darauf stand der Name Leclerc, und daneben hatte man das Symbol für Übernachtung gemalt.
Die Pension befand sich am Ende der Straße, die in diesem Teil nur auf einer Seite bebaut war. Auf der anderen erstreckte sich ein schmales Waldstück, durch dessen Baumstämme man hie und da Mauer und Dächer der beiden großen Hallen sehen konnte, die zu Sedersens Besitz gehören mussten. Bei dem breiten Grünstreifen zwischen den Bäumen und der Mauer handelte es sich um den kleinen Flughafen. Da sich das graue Haus ausgezeichnet für die Überwachung des Flugverkehrs zu eignen schien, überlegte Torsten, wie er es anstellen konnte, ein Zimmer auf dieser Seite und möglichst im obersten Stock zu bekommen.
Die Haustür war nicht verschlossen, daher drückte Henriette sie auf und hielt sie fest, so dass Torsten mit den beiden Reisetaschen passieren konnte. Dahinter lag ein schmaler Flur, in dessen Mitte ein kleines Pult mit einer Glocke stand, die ein Souvenir aus der Schweiz zu sein schien.
Da sich niemand sehen ließ, nahm Henriette die Glocke und läutete. Einen Augenblick später schoss eine mittelgroße, untersetzte Frau in einer geblümten Kittelschürze um die Ecke. Ihre Hände waren feucht, und eine ihrer grauen Strähnen hing ihr in die Stirn.
»Goede dag«, grüßte sie und sah Henriette und Torsten über den Rand ihrer Brille hinweg neugierig an.
»Guten Tag! Mein Name ist Renk. Ich habe über die Touristeninformation ein Zimmer für zwei Personen bei Ihnen bestellt.« Obwohl Torsten gut Niederländisch sprach, verwendete er seine Muttersprache.
Die Pensionswirtin sah ihn interessiert an. »Ah, der Herr ist Deutscher.« Danach betrachtete sie Henriette mit einem zweifelnden Blick. »Ihre Frau?« Sie sprach ein Mittelding zwischen Niederländisch und Deutsch.
Torsten schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind noch nicht verheiratet.«
Die Miene der Frau wurde abweisend. »Ich weiß nicht, ob ich unverheirateten Leuten ein Doppelzimmer geben kann.«
Jetzt bemerkte Torsten das silberne Kruzifix, das die Pensionswirtin um den Hals trug, und stöhnte innerlich auf. Eine bigotte Frau mit antiquierten Ansichten hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Wir wollen bald heiraten«, log er.
»Ihre Braut ist aber nicht von hier«, fuhr die Frau fort und verwendete das Wort »hier« für den gesamten Westen Europas.
»Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen«, erklärte Henriette mit einer gewissen Schärfe.
»Dann gehören Sie sicher zu den Boatpeople, die vor diesen schrecklichen Kommunisten aus Vietnam geflohen sind«, schloss die Belgierin aus ihren Worten.
Henriette war stolz auf die philippinische Herkunft ihrer Mutter und wollte der Pensionswirtin schon sagen, dass sie sich irrte. Doch da begann diese einen längeren Vortrag über ein befreundetes Ehepaar, das auch so ein armes Waisenkind aus Vietnam adoptiert hatte. »Die sind später nach Brüssel gezogen«, setzte sie hinzu und nahm dann ihr Gästebuch zur Hand. »Also, da Sie nun einmal hier sind, will ich Sie nicht wieder wegschicken. Aber ich kann Ihnen nur ein Zimmer auf die Straße hinaus geben!«
Torsten hätte die Frau am liebsten umarmt. Das war nämlich genau das, was er wollte. Dagegen zog Henriette ein zweifelndes Gesicht. »Muss das sein? In der Nacht hört man sicher den Verkehr, und dann ist da auch noch der Flughafen.«
»Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Am Abend ist hier auf der Straße nichts los, und es kommen auch keine Flugzeuge mehr. Selbst am Tag starten und landen nur wenige Maschinen. Früher war das anders. Als die Leute des Aeroclubs noch Vorführungen gemacht haben, war hier viel los. Jetzt landen nur noch ein paar Geschäftsleute dort, die nicht den Umweg über die Lufthäfen von Antwerpen oder Eindhoven machen wollen.
Mein Neffe war früher als Platzwart bei dem Club angestellt. Aber als der Flughafen von anderen Leuten übernommen worden ist, hat es ihm dort nicht mehr gefallen, und er musste sich eine Stelle in Turnhout suchen. Die, die dort jetzt den Ton angeben, sind komische Typen. Nun, ich will nichts gesagt haben!« Die Frau sah sich unwillkürlich um, als hätte sie Angst, belauscht zu werden.
Torsten und Henriette wechselten einen Blick. Ihr Misstrauen war geweckt, und beide beschlossen jeder für sich, Frau Leclerc zu einem günstigeren Zeitpunkt noch einmal über die Verhältnisse auf dem Flugplatz auszuhorchen. Torsten hoffte, dass sie ihm sogar etwas über jene Hallen erzählen konnte, die Sedersen gekauft hatte.
Zufrieden schrieb er seinen Namen in das Gästebuch und setzte die Tarnadresse in München hinzu, die aus nicht viel mehr als einem Briefkasten bestand. Danach schob er das Heft Henriette hin. Diese trug sich ebenfalls ein, verzichtete dabei aber auf das von in ihrem Namen und wählte als Adresse die gleiche, die ihr Begleiter angegeben hatte.
Frau Leclerc war sichtlich erleichtert, dass ihre neuen Gäste offensichtlich zusammenlebten und auf eine Ehe zusteuerten, und wurde sofort freundlicher. »Ich könnte Ihnen vielleicht doch ein Zimmer auf den Garten hinaus geben. Es ist erst ab nächster Woche reserviert.«
»Leider bleiben wir länger hier«, antwortete Torsten mit gespielter Enttäuschung. »Aber Sie haben ja gesagt, dass es vorne nicht zu laut ist. Das halten wir sicher aus. Meinst du nicht auch, Schatz?«
Henriette nickte. »Sicher tun wir das. Vielleicht ist es sogar schöner, wenn wir den Flugzeugen beim Starten und Landen zusehen können. Ich finde das faszinierend.«
»Da werden Sie nicht viel zu sehen bekommen. Wie ich schon sagte, tut sich da kaum was. Eigentlich könnte mir das ja recht sein – wegen des Lärms meine ich –, aber früher sind oft Flieger bei mir abgestiegen, die bequem zu Fuß zu ihren Maschinen kommen wollten. Die Leute, die jetzt dort landen, schlafen drüben in der Villa. Ich weiß gar nicht, ob sie das dürfen. Schließlich ist das kein Hotel. Aber es traut sich ja keiner, was zu sagen.« Die Pensionswirtin kniff die Lippen zusammen, als habe sie schon mehr berichtet, als sie eigentlich wollte, und forderte ihre Gäste auf, ihr nach oben zu folgen.
Die Treppe war überraschend breit und führte in schnurgerader Linie in das nächsthöhere Geschoss. Als Frau Leclerc laut überlegte, ob sie ihre Gäste nicht im ersten Stock unterbringen sollte, winkte Torsten ab. »Ich bin lieber ganz oben, müssen Sie wissen. Es gefällt mir, nur noch Gott über mir zu wissen.«
»Ich habe ein schönes Zimmer oben. Aber das Bad ist eine Etage tiefer«, erklärte die Pensionswirtin.
»Wie ist es mit der Toilette?«, fragte Henriette.
»Wir haben in jedem Zimmer eine Toilette einbauen lassen. Mit den Bädern ging das nicht, weil nicht genug Platz dafür war.«
»Hoffentlich ist die Toilette vom restlichen Zimmer abgetrennt«, flüsterte Henriette Torsten zu.
Er nickte mit verkniffener Miene und dachte bei sich, dass es mit einem männlichen Untergebenen doch weniger Probleme gab als mit einer Frau, die viel Aufhebens um ihre Intimsphäre machte.
Unterdessen hatten sie das Dachgeschoss erreicht, das mit der Deckenverkleidung aus Holz und den mit einer Blümchentapete beklebten Wänden einen wohnlichen Eindruck machte. Das Zimmer, in das Frau Leclerc sie führte, war größer als erwartet, hatte aber Dachschrägen zu beiden Seiten. Der Platz, an dem Torsten aufrecht stehen konnte, war nur wenige Quadratmeter groß und wurde zudem durch einen kleinen Tisch und zwei zierliche Stühle eingeengt.
Torsten sah sich nach der Toilette um und entdeckte eine durch eine Wand abgetrennte Stelle unter der Dachschräge, an der sich eine Tapetentür befand. Er öffnete diese und sah dahinter die Kloschüssel und ein winziges Waschbecken. Da der Raum maximal einen Meter fünfzig hoch war, würde sich sogar Henriette bücken müssen, wenn sie das stille Örtchen benutzen wollte. Trotzdem atmete er auf, denn die abgetrennte Toilette würde ihnen das Zusammenleben auf engstem Raum erleichtern.
»Ich glaube, hier gefällt es mir«, sagte er und merkte dann erst, dass er noch keinen Blick zum Fenster hinaus geworfen hatte. Rasch holte er dies nach und lobte sich dann selbst für die Wahl des Quartiers. Von hier aus konnten sie sowohl die beiden Hallen wie auch das gesamte Flugfeld unter Beobachtung halten.
In einem hatte Frau Leclerc allerdings recht. Viel machte der Flugplatz wirklich nicht her. Eine Art Hochsitz mit einer geschlossenen Kanzel diente als Tower, und neben der Landebahn standen mehrere Maschinen, darunter auch ein alter, grau lackierter Doppeldecker mit belgischem Hoheitszeichen.
»Kann man sich den Flugplatz einmal ansehen?«, fragte Torsten die Pensionswirtin, als wäre er ein normaler deutscher Tourist, der sich keine Sehenswürdigkeit entgehen lassen wollte.
»Früher wäre das kein Problem gewesen. Aber seit die neuen Leute dort das Sagen haben, werden sogar kleine Jungs verscheucht, die sich die Flugzeuge ansehen wollen.« Erneut klang Frau Leclercs Stimme bitter und ein wenig ängstlich.
Noch während Torsten überlegte, wie er sie dazu bringen konnte, mehr von den neuen Besitzern des Flugplatzes zu erzählen, spielte sie ihm mit der nächsten Bemerkung in die Hände. »Wie steht es mit dem Mittagessen? Ich habe heute etwas mehr gekocht, weil ein paar Freundinnen zu mir kommen wollten. Doch da die Bahnlinie von Antwerpen hierher gesperrt worden ist, mussten sie leider absagen. Man hat an den Gleisen verdächtige Gegenstände gefunden, müssen Sie wissen. Es ist wirklich unerfreulich, was derzeit in unserem Belgien passiert.« Die Frau seufzte und erklärte dann, sie hätte genug Käsesoufflé und Fritten für ihre neuen Gäste, wenn diese so gut sein würden, ihre Einladung anzunehmen.
»Das tun wir gerne. Vorher aber wollen wir noch auspacken«, antwortete Torsten erfreut.
»Ich erwarte Sie beide in fünfzehn Minuten!« Frau Leclerc lächelte ihm und Henriette zu und verließ eilig den Raum, um Vorbereitungen für die Bewirtung zu treffen.
Henriette wartete, bis die Tür hinter ihr geschlossen war, und sah Torsten dann fragend an. »Ich muss mal für kleine Mädchen.«
»Dort hinter der Tür!«
Henriette öffnete und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das ist eher für ganz kleine Mädchen!« Dann schlüpfte sie mit eingezogenem Kopf in das Gelass und schloss die Tür hinter sich.
Torsten öffnete seine Reisetasche, holte den Feldstecher heraus und trat ans Fenster. Nun sah er das Flugfeld, die dort geparkten Maschinen und die beiden großen Hallen dahinter so deutlich, als stünde er direkt davor. Es tat sich nicht viel. Der Tower schien unbesetzt zu sein, und es war nur ein einzelner Mann zu sehen, der die Landebahn entlangschlenderte. Er trug eine Art Uniform und hatte ein Pistolenkoppel und einen Schlagstock umgeschnallt.
Torsten richtete seine Aufmerksamkeit nun auf die Villa, die von hier oben trotz der Mauer, die das Grundstück umgab, wenigstens teilweise auszumachen war. Das Haus wirkte vernachlässigt, während der riesige Parkplatz, der zwischen dem Gebäude und einer der beiden Hallen lag, genauso neu aussah wie die Mauer. Bis auf ein paar Fahrzeuge war die Fläche leer. Einige Augenblicke später aber erschien eine Gruppe junger Männer in Turnhosen und Trikothemden, die von einem Mann in Uniform angeführt Runden drehten. Mehr konnte Torsten nicht erkennen, denn die Mauer versperrte ihm den Blick auf das Erdgeschoss der Villa und große Teile des Grundstücks.
Trotzdem war er mit seinen ersten Beobachtungen zufrieden. Sorgfältig notierte er sich die Nummern der Flugzeuge, die er später an Petra weitergeben wollte. Sie würde herausfinden, wem die Maschinen gehörten.
»Wenn Sie noch zur Toilette gehen wollen: Ich bin fertig!«
Torsten gab seinen Beobachtungsposten auf, legte das Fernglas auf den Tisch und ging zur Toilettentür.
»Sie können inzwischen Ihre und meine Sachen in den Schrank hängen!« Es war die Rache dafür, dass Leutnant von Tarow ihn vorhin zum Kofferträger degradiert hatte.
Das war auch Henriette klar, aber sie ging mit einer Handbewegung darüber hinweg und war bereits fertig, als Torsten sich aus dem Toilettenverschlag herausschraubte.
»Die Viertelstunde, von der Frau Leclerc gesprochen hat, ist gleich um. Ich glaube, wir können hinuntergehen«, sagte er und öffnete ihr höflich die Tür.