FÜNFZEHN
Henriette empfand die Fahrt als angenehm. Um die Zeit hatten die Lkws die Autobahn verlassen und standen bei Rasthöfen und auf den Parkplätzen. Auch der Pkw-Verkehr nahm mit jeder Stunde ab, und so kam sie zuletzt so gut vorwärts, dass ihnen genug Zeit blieb, eine Pause einzulegen.
Während sie Sandwichs aßen und Tee tranken, dachte Torsten, dass ihre Fahrt mehr einem Ausflug ähnelte als einer Dienstfahrt. Wollte Wagner vielleicht, dass Leutnant von Tarow und er sich auf dieser Reise besser kennenlernten? Sein Instinkt sagte ihm jedoch, dass etwas im Busch war. Was es sein konnte, würde er hoffentlich Wagners Mail entnehmen können.
Während des Essens behielt Henriette ihre Armbanduhr im Auge. Sie durften sich nicht zu lange aufhalten, sonst wurde die Zeit für die letzte Etappe knapp. Im Stillen amüsierte sie sich über ihren Begleiter. Sie konnte sich vorstellen, dass dieser Auftrag nicht gerade nach seinem Geschmack war. Gewohnt, in fremder Umgebung jederzeit auf einen Feind zu treffen, würde er nun drei Tage in einem Konferenzzentrum herumsitzen müssen und durfte nicht einmal seine Pistole mitnehmen.
»Wie sieht es aus? Können wir weiter?« Torsten war mit dem Essen fertig und sah seine Begleiterin an. Diese kaute noch auf dem letzten Bissen herum, stand aber sofort auf und räumte die Tabletts zusammen.
»Lassen Sie mich das machen, oder wollen Sie, dass mich alle für einen verdammten Chauvi halten? Wir sind schließlich in Zivil. Aus dem Grund sollten wir auch unsere militärischen Ränge außen vor lassen. Sie sind für mich Fräulein von Tarow …«
Henriette unterbrach ihn. »Wenn, dann bitte Frau von Tarow. Sie können auch das von weglassen. Die Zeiten, in denen es mehr Bedeutung hatte, als für die Illustrierten interessant zu sein, sind schon lange vorbei.«
»Also gut, Frau Tarow. Wollen wir aufbrechen?«
»Wie Sie wünschen, Herr … äh, Renk!« Es machte Henriette Spaß, Torsten ein wenig aufzuziehen. Es ließ ihn nicht ganz so überlebensgroß erscheinen.
Torsten brachte die Tabletts weg und verließ die Raststätte. Henriette folgte ihm und blickte zum Sternenhimmel hoch, der sich wie ein gewaltiges Zelt über das Land spannte. Es war eine stimmungsvolle Nacht, und sie hätte gern ihren Begleiter darauf aufmerksam gemacht. Aber dann würde er sie wahrscheinlich noch weniger ernst nehmen als bisher. Daher setzte sie sich ans Steuer, überprüfte die Entfernung, die sie noch zurückzulegen hatten, und startete den Wagen.