ZWANZIG

Erst als Chen seinen Wagen hinter dem Lokal geparkt hatte und ausstieg, wagte er, den Zettel hervorzuziehen. Es handelte sich um ein zusammengefaltetes Bierflaschenetikett. Zuerst starrte er verständnislos darauf. Dann öffnete er es vorsichtig und musterte die Rückseite. Hier hatte jemand etwas mit Bleistift notiert.

Chen las es und steckte den Zettel sofort wieder weg. Sein Gesicht war grau, als er in das Lokal ging und nach seiner Mutter und seiner Schwester rief.

»Und? Haben die Kerle wenigstens bezahlt?«, wollte seine Mutter wissen.

Chen zog die Geldscheine aus der Hosentasche und reichte sie ihr. »Zumindest einen Teil! Aber seht euch das hier an.« Schnell sah er sich um, ob sie allein waren, dann reichte er den Zettel seiner Mutter.

»Was soll das?«, fragte diese und überließ das Etikett ihrer Tochter, da diese das Niederländische besser lesen konnte als sie.

Attentat auf königliche Familie geplant. Bei Trauerfeier für G. v. Houdeb. Außerdem Gefangene im Keller der Villa. Deutsche. Bitte um Hilfe.

Die junge Frau wurde blass. »Woher hast du das?«

Ihr Bruder zog den Kopf ein. »Einer der Kerle hat ihn mir gegeben. Es ist ein Flame, keiner der Deutschen oder Niederländer. «

»Das geht uns nichts an! Steck den Zettel in den Ofen. Danach vergessen wir ihn.« Aufgeregt wollte die Mutter ihrer Tochter das Etikett aus der Hand reißen. Diese versteckte es jedoch hinter dem Rücken.

»Mama, wenn das hier wahr ist – und alles sieht danach aus –, dürfen wir nicht so tun, als wüssten wir nichts davon.«

»Wem willst du etwas sagen? Den hiesigen Behörden? Die leiten es doch sofort an diese Schufte weiter. Du weißt, was die uns angedroht haben!«

»Sie wollen uns das Haus anzünden und mich vergewaltigen. Ja, das weiß ich nur zu gut!« Die junge Frau hatte Angst vor den Kerlen, fühlte sich aber auch verpflichtet, Jefs Nachricht weiterzugeben. Schließlich sah sie ihren Bruder an. »Was sagst du dazu, Chen?«

»Am liebsten würde ich es machen, wie Mama es gesagt hat, und das Ding verbrennen.«

Die ältere Frau wollte schon aufatmen, aber ihr Sohn ballte die Fäuste und presste sie in einer hilflosen Geste zusammen. »Aber wenn keiner diese Schurken aufhält, wird Belgien auseinanderfallen! Was uns blüht, wenn dieses Gesindel an die Macht kommt, haben sie uns schon spüren lassen. Also werde ich in Schloss Laeken anrufen und die königliche Familie warnen.«

»Nimm das alte Handy, das uns jemand vor ein paar Wochen als Bezahlung für ein Mittagsmenü zurückgelassen hat. Dann weiß wenigstens niemand, dass wir es waren, die den König angerufen haben«, drängte die Mutter.

Die beiden Geschwister sahen sich kurz an und nickten.

»Das ist eine ganz gute Idee, Mama. Warte, ich hole es.« Chens Schwester eilte davon und kehrte kurz darauf mit einem abgenutzten Handy zurück. »Ich hoffe nur, dass noch genug Geld auf der Karte ist.«

»Es muss reichen!« Chen wusste ebenso gut wie seine Schwester, dass sie, wenn sie jetzt zum Kiosk gingen, um das Handy aufladen zu lassen, hinterher nicht mehr den Mut aufbringen würden, es zu benutzen.

Die geheime Waffe
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