VIER

Die Militärschule lag ein Stück außerhalb von Breda und war bis vor wenigen Jahren ein Hotel gewesen. Nun wurden hier Offiziere für die Niederländischen Streitkräfte und für befreundete Armeen ausgebildet. Torsten hatte nach dem Zwischenfall in dem Restaurant noch einmal Petra angerufen und um Informationen gebeten. Unter der Hand hieß es, dass hinter dieser Schule militärische Kreise steckten, die dem nationalistischen Spektrum zugeordnet wurden und dort mehr zu sagen hatten als das niederländische Verteidigungsministerium. Allerdings musste es auch dort Verantwortliche geben, die das Treiben an der Schule tolerierten.

Torsten fragte sich, ob Wagner sie hierhergeschickt hatte, um Einblick in die Vorgänge an diesem Institut zu bekommen. Es machte ihn schon misstrauisch, dass das Gebäude großräumig von einer Mauer aus Betonplatten umgeben war, die ihn fatal an die Berliner Mauer erinnerte. Als sie sich dem Wachtposten am Tor näherten und Henriette das Seitenfenster herabließ, verzog dieser angewidert das Gesicht.

»Guten Tag. Oberleutnant Renk und Leutnant von Tarow. Wir sind für einen Kurs angemeldet.«

»Welcher Idiot hat das veranlasst?«, platzte der Mann heraus, ohne den Gruß zu erwidern.

»Hier sind unsere Papiere!« Renk streckte sich so weit, dass er mit der Hand zum Fenster an der Fahrerseite kam, und hielt dem Wachtposten seinen Militärausweis unter die Nase.

Der Soldat zog die Stirn kraus, als er Namen und Rang aufgelistet sah, aber nicht die Einheit, zu der Torsten gehörte. Auch auf Henriettes Ausweis war diese nicht verzeichnet.

»Die Ausweise könnten gefälscht sein«, erklärte der Wachtposten. »Außerdem – was haben Moffen hier bei uns verloren? «

»Diese Beleidigung will ich überhört haben«, erklärte Renk. »Und jetzt lassen Sie uns durch! Oder ist die niederländischdeutsche Waffenbrüderschaft aufgekündigt worden?«

Der Niederländer starrte noch einmal auf die Ausweise und zeigte dann auf eine Art Baucontainer, der neben dem Tor aufgebaut war. »Sie müssen sich beim Offizier der Wache melden! «

»Gerne, wenn Sie uns reinlassen!« Torsten unterdrückte seinen Unmut. Ein ähnlich abweisendes Verhalten hatte er noch nie beim Betreten eines Schulungszentrums erlebt.

Der Wachtposten kämpfte kurz mit sich, ließ dann den Schlagbaum herunter und eilte selbst zum Container. Wenig später kam er mit einem Mann zurück, der die Rangabzeichen eines Leutnants trug.

»Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?«, schnauzte dieser Torsten an und versuchte, Henriette nicht zu beachten.

Torsten hielt auch ihm seinen Ausweis unter die Nase. »Renk und von Tarow, Deutsche Bundeswehr. Wir sind zur Weiterbildung hierher abkommandiert worden.«

»Da muss ich nachsehen!« Der Leutnant verschwand wieder in seinem Container und blieb einige Minuten drinnen. Unterdessen waren andere Autos gekommen und hupten, weil Henriettes und Torstens Wagen die Zufahrt versperrte.

Der Wachtposten wurde nervös und klopfte auf das Autodach. »Fahr ein Stück zurück und mach den Weg frei!«

»Was soll der Unsinn? Wir sind hier angemeldet und wollen rein!« Langsam begann es in Torsten zu brodeln, da kehrte der Leutnant zurück.

»Sie beide sind uns zwar angekündigt worden, aber das muss ein Irrtum sein. Diesen Kurs gibt es bei uns nicht. Daher ist es besser, wenn Sie wieder nach Hause fahren.«

»Ich lasse mich nicht von einem Leutnant abwimmeln, der sich wichtigmachen will, sondern verlange, mit einem Mann zu sprechen, der hier etwas zu sagen hat. Und jetzt machen Sie den Schlagbaum auf! Sie sehen doch, dass auch schon einige darauf warten, eingelassen zu werden.«

Henriette hatte Renk noch nie so arrogant erlebt wie in diesem Augenblick. Der Mann wusste sich wirklich auf alle Situationen einzustellen. Auch der Wachoffizier war ihm nicht gewachsen und gab seinem Untergebenen einen Wink, den Schlagbaum zu öffnen.

»Der Parkplatz ist links neben dem Hauptgebäude. Melden Sie sich sofort an der Pforte. Die werden Ihnen bestätigen, dass Ihre Anmeldung ein Irrtum ist!« Damit trat der Leutnant zurück und ließ den Wagen passieren. Während die anderen Autos folgten, ohne aufgehalten zu werden, wandte sich der Wachtposten an seinen Vorgesetzten.

»Was ist, wenn das die beiden sind, die Maart und dessen Freunde vorhin zusammengeschlagen haben?«

»Ich wette keinen lumpigen Cent dagegen. Oder glaubst du, es gibt hier noch ein zweites Paar, das aus einem Moffen und einer Schwarzen besteht?« Der Leutnant spie angeekelt aus. »Ich werde den Kameraden durchgeben müssen, dass sie nicht gewalttätig werden dürfen. Gerade jetzt können wir uns kein Aufsehen leisten, denn die Sesselfurzer in ’s-Gravenhage haben uns ohnehin schon auf dem Kieker.«

»Ich glaube nicht, dass wir Maart und die anderen daran hindern können, dem Moffen die Schnauze zu polieren.« Der Wachtposten klang so, als würde er es am liebsten selbst tun.

Auch dem Leutnant juckte es in den Fäusten. Als misstrauischer Mensch sah er jedoch einen gewichtigeren Grund hinter dem Auftauchen der beiden Deutschen. »Das haben uns sicher die Arschlöcher im Ministerie van Defensie eingebrockt. Der Deutsche und seine schwarze Begleiterin sind deren Lockvögel. Wenn denen etwas passiert, schließen sie uns die Schule.«

»Dann machen wir sie eben ein paar Kilometer weiter südlich wieder auf«, antwortete sein Untergebener.

Der Leutnant nickte mit nachdenklicher Miene. »Das werden wir sowieso bald tun müssen. Hier wird die Luft allmählich dünn.«

»Also können wir unserem deutschen Waffenbruder und seiner Schwester ungehindert zeigen, dass sie keine ehrlichen Niederländer verprügeln können, ohne gewaltigen Ärger zu kriegen.«

Der Leutnant war nicht ganz derselben Meinung, wusste aber, dass er sich gegen seine Kameraden nicht würde durchsetzen können. Außerdem, sagte er sich, dass die Deutschen selbst schuld waren. Was mussten sie die Nase auch in Dinge stecken, die sie nichts angingen.

Die geheime Waffe
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