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Unter Raumfahrern gibt es ein altes Sprichwort: »Kein Schiff verlässt jemals eine Welt, bevor die Masse der Anträge, Formulare und Genehmigungen das Körpergewicht des schwersten Mannes an Bord übersteigt.«
In dem Monat, der auf die Rückkehr der Discovery nach Alta folgte, kam dieses Stück Volksweisheit Richard Drake immer häufiger in den Sinn. Schließlich begann er sich zu fragen, ob es die Wirklichkeit nicht unzulässig beschönige.
Die Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Regierung Altas und Clarence Whitlow fand sechs Tage nach dem Gespräch im Büro des Admirals im Plenarsaal des Parlaments statt, Ministerpräsident Reynolds, Jonathan Carstairs und Admiral Dardan repräsentierten Regierung, politische Parteien und Streitkräfte in der vom Live-TV übertragenen Zeremonie. Clarence Whitlow, in der vollen Pracht seiner Diplomatenuniform mit Schärpe, vertrat die Erde. Beide Seiten unterzeichneten den Vertrag mit der gebotenen Feierlichkeit. Als das Protokoll sicher in den alten Botschaftscomputern im Keller der Admiralität gespeichert und geschützt war, griff Whitlow in die Tasche, zog einen Aufzeichnungskristall heraus und überreichte ihn dem Ministerpräsidenten unter dem Applaus der zweihundert geladenen Gäste.
Die erfolgreiche Wendung war zum Anlass ganztägiger Feierlichkeiten gemacht worden, die in einem abendlichen Ball gipfelten. Richard Drake nahm widerwillig daran teil, fand aber zu seiner eigenen Überraschung Gefallen daran. Sein Vergnügen rührte zu einem guten Teil von den mehreren günstigen Gelegenheiten her, mit Bethany Lindquist zu tanzen. Beide vermieden es, ihre Meinungsverschiedenheit über Bethanys Teilnahme an der Expedition zu erwähnen, und im Laufe des Abends merkten sie, dass sie eine Anzahl gemeinsamer Interessen hatten. Drake hätte ihre Gesellschaft gern bis in die frühen Morgenstunden für sich in Anspruch genommen, sah sich aber mit zunehmend unfreundlicher werdenden Blicken von Carl Aster konfrontiert. Um Mitternacht entschuldigte er sich und verließ den Ball. Früh am nächsten Morgen ging er an Bord der Moliere, und zwei Stunden später händigte er dem Chefingenieur an Bord der Discovery die Programme für die Springertriebwerke aus. Den zugehörigen Computer online zu bringen war schwieriger als erwartet. Hundertfünfundzwanzig Jahre lang hatte der Kreuzer im Beschuss kosmischer Strahlung gelegen. Hin und wieder prallte eines dieser mikroskopischen Korpuskel auf einen wichtigen Teil der Schaltkreise, welche die Springertriebwerke steuerten. Manchmal war die so entstandene Veränderung groß genug, um in den periodischen, aber relativ primitiven Wartungsüberprüfungen aufzufallen (es waren die einzigen Überprüfungen, die ohne die Operationscodes des Computers möglich waren). In anderen Fällen aber war der Schaden zu subtil, um ohne weiteres entdeckt zu werden. Das Ergebnis war eine allmähliche Ansammlung einsetzender Fehler im Computer und seinen peripheren Geräten. Volle zehn Prozent der Computerschaltungen versagten in den selbsttätigen Prüfungsläufen, nachdem der Computer ans Netz angeschlossen worden war, und die ständigen Wartungsüberprüfungen in den folgenden zwei Wochen ergaben einen ähnlich hohen Prozentsatz.
Drake war gezwungen, mehr qualifizierte Techniker für den Computer einzusetzen, als er ursprünglich veranschlagt hatte. Das führte zu einer Personalknappheit bei der Überprüfung der übrigen Bordsysteme. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, improvisierte er, wo es möglich war. Nachrichtentechniker wurden mit der Überprüfung der lebenserhaltenden Systeme beauftragt, Waffentechniker befassten sich mit Radaranlagen und Infrarot-Suchgeräten. Triebwerkspezialisten halfen beim Ausgleich der elektromagnetischen Kraftfelder zur Fixierung des Masseumwandlers. Trotz der Personalknappheit bestand Drake darauf, dass jeder Teil des Schiffes mit peinlicher Gründlichkeit geprüft und erprobt werde. Jedes Teil, das auch nur den leisesten Verdacht erregte, wurde ersetzt, bis hinunter zur Kaffeemaschine in der Mannschaftsmesse.
Bei alledem war die Discovery nicht Drakes einzige Sorge. Als Expeditionsleiter war er auch verantwortlich für die Beaufsichtigung der Vorbereitungen zur Aufnahme des wissenschaftlichen Personals sowie seiner Geräte und Instrumente an Bord des Passagierschiffes, das den Kreuzer begleiten sollte.
Im Jahr 2512 war die City of Alexandria ein überaltertes Passagierschiff gewesen, das den Antares-Haufen anflog. Es hatte sich auf einem seiner zwei jährlichen Besuche im System Valeria befunden, als der Faltpunkt verschwunden war. Im Gegensatz zu den Kreuzern hatte die neuerdings von der Außenwelt abgeschnittene Kolonie keinen zwingenden Grund gesehen, die Alexandria in Betrieb zu halten. Das Schiff war sogleich in eine sichere Umlaufbahn gebracht und eingemottet worden, um so auf den Tag zu warten, da es für interplanetarische Transporte innerhalb des Systems Valeria benötigt würde. Nach hundert Jahren hatte ein Syndikat von Investoren das Schiff erworben. Diese hatten geplant, es in einen fliegenden Vergnügungspalast umzuwandeln und Kreuzfahrten innerhalb des Systems anzubieten, doch war ihnen das Geld ausgegangen, bevor Umbau und Neuausstattung fertig gestellt waren. In den nächsten zwei Jahrzehnten war das alte Passagierschiff eine Art weißer Elefant gewesen und hatte wechselnde Besitzer gesehen. Als die Conqueror am Himmel Altas erschien, war das Schiff seit mehr als einem Jahr zum Verkauf ausgeschrieben. Richard Drake und Bela Marston saßen in ihren Schutzanzügen Seite an Seite auf der Sitzbank eines kleinen, eiförmigen Beibootes, das für Kurzstreckenflüge zwischen Schiffen und Stationen in Umlaufbahnen verwendet wurde. Es war nicht viel mehr als eine Kabine, die von Treibstofftanks und Steuerungstriebwerken umgeben war. Was dem Boot an Komfort mangelte, wurde jedoch von der spektakulären Aussicht durch den transparenten Kunststoff seines Rumpfes mehr als ausgeglichen.
Das Beiboot war mit seinen Landekufen zum Himmel und mit seiner blasenförmigen Kabine zum Planeten hin orientiert. Daher hing Alta über ihnen, eine in schwarzen Samt gebettete, riesige und erdrückende Kugel. Unmittelbar voraus lag ein weißer Wolkenwirbel über blauem Ozean, der sich bis zum Horizont erstreckte. Darüber und zur Linken schimmerte die Eiskappe des Südpols. Zur Rechten schob sich der Hauptkontinent wie ein gewaltiger stumpfer Keil ins Voss-Meer, gefolgt von den Paradiesinseln als Anhängsel.
» City of Alexandria meldet, dass das Andockportal jetzt frei ist, Captain«, sagte Marston. »Wir haben Erlaubnis, mit dem Andockmanöver zu beginnen.«
»Dann bringen Sie uns hin, Nummer Eins.«
»Ja, Sir.«
Drake blickte nach vorn, hinaus über die im Bug gebündelten Düsenöffnungen. Er suchte den Raum nach einem kleinen geometrischen Körper ab, und nach ein paar Augenblicken wurde er mit dem Anblick eines kleinen, im Raum hängenden Zylinders belohnt. Dieser wuchs im Laufe der nächsten Minuten, und kleinere Formen begannen in seinem Umkreis sichtbar zu werden. Während sie sich weiter näherten, konnten sie mit bloßen Augen sehen, dass der Zylinder mehrere Male in der Minute um seine Achse rotierte. Die City of Alexandria war ungefähr von gleicher Größe wie der Kreuzer, doch war das Passagierschiff im Gegensatz zu diesem nach einem zylindrischen Bauplan konstruiert. Die Wohnquartiere befanden sich um die Peripherie, wo die rotationserzeugte Schwerkraft sich am meisten auswirkte; die Laderäume befanden sich innenbords und nahe der Schiffsachse; Treibstofftanks und Triebwerke waren achtern untergebracht. Ungefähr in der Mitte öffneten sich mehrere große Luken in der Außenhaut des Schiffes, die wie tiefe Brunnen in die Laderäume führten. Eine weitere Öffnung, die am Schiffsbug in der Rotationsachse lag, diente als Andockportal, während das Schiff rotierte.
Das Passagierschiff wurde zusehends größer und massiger, als das Beiboot näher kam. Raumfähren hingen vor dem Bug der Alexandria und warteten auf Einlass ins Andockportal. Marston manövrierte das Beiboot durch die Versammlung der geflügelten Fähren und ging in Position vor den geschlossenen Toren des Portals. Als wären sie kybernetisch ferngesteuert, öffneten sich Tore bei ihrer Annäherung weit und gaben den Blick ins Innere frei. Marston beobachtete das rotierende Portal, dann gab er seinem Steuerknüppel eine geschickte Drehung und mit einem plötzlichen Ausbruch gedämpften Geräusches feuerten die Düsen zur Stabilisierung der Fluglage. Innerhalb mehrerer Sekunden schien sich die Rotation des Schiffes zu verlangsamen und dann ganz aufzuhören. Marston vergewisserte sich durch Augenschein und Instrumentenablesung, dass die Rotation des Beiboots mit der des Schiffes synchron verlief, dann schob er den Steuerknüppel nach vorn. Langsam glitt das Beiboot in das Riesenmaul des Schiffes.
Drinnen wurden sie weit vom Portal zu einem Vertäuungspunkt dirigiert. Sobald ihr Fahrzeug festgemacht war, überprüften Drake und Marston ihre Anzüge auf Druckfestigkeit, dann ließen sie die Luft aus dem Beiboot ins Vakuum entweichen. Drake schnallte sich los, zog sich aus der Enge der Kabine und Hand über Hand weiter eine Sicherheitsleine entlang in die annähernd schwerelose Abteilung. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Erster Offizier folgte, hangelte er weiter zu einer Luftschleuse. Kenil Fallan, der Kapitän der Alexandria, erwartete sie auf der anderen Seite.
»Haben wir Erlaubnis, an Bord zu kommen, Sir?«, fragte Drake.
»Erlaubnis erteilt und willkommen, Captain«, erwiderte Fallan. Marston wiederholte die alte Formalität und erhielt die gleiche Antwort. Nachdem so dem Brauch Genüge getan war, grinsten Drake und Fallan und schüttelten sich die Hand.
»Diese neuen Ärmelstreifen sehen mächtig eindrucksvoll aus, Kenil.«
»Wie ich höre, hast du mich für sie empfohlen, Richard.«
Drake zuckte die Achseln. »Der Admiral traf die endgültige Entscheidung.«
»Jedenfalls danke.«
»Gern geschehen. Nun, wie entwickelt sich dein neues Kommando?«
»Nicht gerade so wie in unseren Tagen als Offiziersanwärter an Bord der Dagger, als Putzen und Wienern ganz oben auf der Tagesordnung stand, aber die Besatzung ist erstklassig. Die Leute haben alles auseinander genommen, was auseinander genommen werden kann, haben sich mit Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten abgemüht, bis sie blau im Gesicht waren, und insgesamt gute Arbeit geleistet. Die Zivilisten sind ein anderes Kapitel. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass sie nicht überall hingehen und alles tun können, was sie wollen und wann sie es wollen. Bei jeder Wache muss ich irgendwelche kleinlichen Streitigkeiten unter den Wissenschaftlern schlichten.«
Drake nickte. »Darum sind wir hier. Sind alle versammelt?«
»Ja.«
»Dann gib uns ein paar Minuten Zeit, damit wir diese Anzüge ablegen können, und anschließend werden wir ihnen die Leviten lesen.« »Sehr gut. Komm mit, ich zeige dir, wo die Spinde sind.«
AN: Fleet Captain Richard Drake#
Kommandierender Offizier
Interstellare Expedition Eins
BETRIFFT: Operationsbefehl
Interstellare Expedition Eins
1. Sie werden hiermit beauftragt, aus den Marineschiffen Discovery und City of Alexandria sowie den Cryogentankern Suitana und Haridan die Einsatzgruppe 001, Interstellare Expedition Eins, zu bilden.
2. Sie werden das Kommando über die Einsatzgruppe 001 übernehmen und sie für die Expedition vorbereiten.
3. Nach Abschluss der Vorbereitungen werden Sie die Einsatzgruppe zum Valeria-Napier-Faltpunkt führen, wo Sie durch den Faltraumübergang ins System Napier eintreten werden.
4. Die Einsatzgruppe wird die folgenden Aufträge ausführen:
4.1 Sie werden die gegenwärtige politische Situation im menschlich besiedelten Raum erkunden und einschätzen. Insbesondere werden Sie feststellen, ob jenseits des Systems Valeria interstellare Kriegshandlungen stattfinden. Sofern es Ihnen möglich ist, werden Sie die Identität der Krieg führenden Parteien, relative Stärke und die Ursachen des Konflikts feststellen.
4.2 Sie werden die Auswirkung der Antares-Supernova auf die Struktur des Faltraums untersuchen.
4.3 Sie werden insbesondere die Auswirkung der Antares-Supernova auf das System Napier untersuchen.
4.4 Sie werden den Ihrem Kommando unterstellten Wissenschaftlern und Parlamentariern jede im Rahmen Ihres Auftrags mögliche und zweckmäßige Unterstützung gewähren.
5. Einsatzgruppe 001 kann zusätzliche Faltraumübergänge durchführen, wenn solche nach Ansicht des Kommandeurs erforderlich sind, um die Ziele der Mission zu erreichen. Zusätzliche Übergänge sollen jedoch nicht allein zur Erreichung untergeordneter Ziele durchgeführt werden.
6. Die Einsatzgruppe 001 ist autorisiert, das Minimum an Gewalt anzuwenden, das zur Erreichung des ersten Ziels der Mission erforderlich ist, oder in Selbstverteidigung zu handeln, sollten fremde Streitkräfte eine feindselige Haltung einnehmen.
7. Alle Daten, die das Schlachtschiff Conqueror betreffen, sollen als Staatsgeheimnis betrachtet und nichtaltanischem Personal nicht zugänglich gemacht werden.
8. Die Einsatzgruppe 001 wird nach Erreichen des ersten Ziels der Mission oder nach Ablauf von 181 Tagen nach dem ersten Faltraumübergang zum System Valeria zurückkehren.
(Unterzeichnet)
Gareth Reynold
Ministerpräsident
Republik Alta(Unterzeichnet)
Luis Emilio Dardan
Admiral
Raumstreitkräfte
Wie ursprünglich geplant, sollte die Expedition jenseits des Faltpunktes eine militärische und wissenschaftliche bewaffnete Aufklärung sein. Da sie in potenziell feindlichen Raum eindringen würde, lagen Verantwortung und Befehlsgewalt allein bei den Raumstreitkräften.
Die Hauptziele der Expedition waren ziemlich geradlinig: Feststellung, wie es zur Zerstörung der Conqueror gekommen war, Kartierung der Veränderungen in der Struktur des Faltraumes und Klärung des Schicksals von New Providence nach der Supernova. Wären dies die einzigen Ziele gewesen, so hätte die Einsatzgruppe 001 auf die Discovery und einen einzigen Tanker beschränkt bleiben können. In Zusammenarbeit mit der Admiralität hatte die Universität von Alta zwei kleine wissenschaftliche Arbeitsgruppen zusammengestellt. Die erste bestand aus Fachleuten der Gebiete Anthropologie, Archäologie, Geschichte, Politologie, Psychologie und Soziologie. Ihre Aufgabe war die Einschätzung der Folgen und Auswirkungen, die der Ausbruch der Supernova auf die anderen Systeme des Antares-Haufens gehabt hatte. Die zweite Arbeitsgruppe bestand aus den Astronomen und Physikern, die ursprünglich von Admiral Dardan und Stan Barrett verpflichtet worden waren, um die Struktur des Faltraumes innerhalb des Systems Valeria zu kartieren. Sie sollten in jedem der besuchten Systeme die gleiche Arbeit übernehmen und so ein Gesamtbild von den großräumigen Auswirkungen der Supernova auf die Struktur des Faltraumes schaffen.
Unglücklicherweise war die Vorstellung der Admiralität von einer ›schlanken‹ Expedition bei einer Anzahl einflussreicher Persönlichkeiten nicht auf Gegenliebe gestoßen. Die Ankündigung, dass der Faltpunkt wieder offen sei, hatte eine elektrisierende Wirkung auf die Gesellschaft Altas gehabt. So hatte es nicht lange gedauert, bevor die ersten Anfragen von Einzelpersonen und Gruppen eingegangen waren, die sich der Expedition anschließen wollten.
Die erste derartige Anfrage kam von der Heiligen Ökumenischen Kirche von Alta. Seine Eminenz, der Bischof von Homeport, erschien persönlich in der Admiralität, um sein Anliegen zu vertreten.
»Sicherlich anerkennen Sie die Bedeutung, welche die Wiederherstellung der Verbindung mit unserer Mutterkirche auf Erden für uns hat«, sagte der Bischof.
»Ich bin nicht sicher, dass ich das beurteilen kann, Euer Eminenz«, erwiderte Dardan.
»Es geht nicht nur um die Angleichung des kanonischen Rechts, das in der Zwischenzeit, bedingt durch die staatliche Gesetzgebung, Veränderungen erfahren hat, sondern vor allem um die Notwendigkeit, dass unsere Mutterkirche die während der langen Isolation von uns vorgenommenen Ernennungen von Bischöfen und Priesterweihen bestätigt. Und schließlich geht es um die Angleichung der kirchlichen Lehre, die im Laufe eines Jahrhunderts ohne Zweifel Veränderungen erfahren hat, von denen wir nichts wissen.«
»Aber sicherlich kann dies alles auf eine künftige Expedition warten, Euer Eminenz, zumal noch völlig offen ist, ob diese Expedition bis zur Erde vordringen wird.«
»Ich glaube, Admiral, dass unser Anliegen keinen Aufschub duldet. Zumindest sollte ein Kardinal der Kirche zu uns kommen, um die anstehenden Fragen zu klären. Und wir müssen dem Heiligen Vater eine Petition überreichen, dass er für die Kirchenprovinz Alta einen eigenen Kardinal ernennt.«
Dardan seufzte. »Wie viele Emissäre möchten Sie entsenden?«
»Nicht viele, mein Sohn.« Der Bischof überlegte etwas.
»Nicht mehr als dreißig.«
Das war zu viel. »Eher sehen Sie mich in der Hölle, bevor Sie meine Schiffe mit dreißig Geistlichen vollpacken, Eminenz!«
»Das mag durchaus sein, mein Sohn«, erwiderte der Bischof freundlich.
Das nächste Verlangen nach Beteiligung war vom Industriellenverband gekommen, der die fünfzig größten Unternehmen Altas vertrat. Nachdem das Präsidium des Industriellenverbandes erfahren hatte, welcher Empfang dem Bischof zuteil geworden war, umging es die Admiralität und wandte sich ans Parlament, wo es über seine Abgeordneten die Teilnahme einer Delegation von zweiundzwanzig Vertretern des Verbandes ›an dieser ersten interstellaren Handelsmission in mehr als einem Jahrhundert‹ zu erwirken suchte.
Eine Woche nach der Unterzeichnung des Whitlow/Alta-Abkommens lagen dem Parlament nicht weniger als dreiundsechzig ähnliche Anfragen vor.
Die Admiralität konterte den Industriellenverband und die anderen Antragsteller mit dem Argument, dass eine Expedition in ein Kriegsgebiet kein Ort für überzählige Zivilpersonen sei. Das Parlament setzte einen Ausschuss zur Untersuchung der Frage ein. Da ihm der erhebliche politische Einfluss verschiedener Antragsteller nur zu bekannt war, entschied der Ausschuss, dass eine begrenzte Zahl von parlamentarischen Freibriefen zur Teilnahme an der Expedition vergeben werden sollte und wies die Admiralität an, für die so Begünstigten Raum an Bord der City of Alexandria zu finden.
So kam es, dass Richard Drake fünfzig ausgewählte Repräsentanten aufgeladen wurden, verbunden mit der Anweisung, ihnen ›in jeder Weise behilflich zu sein‹. Zusätzlich zu je zwei Vertretern der beiden großen politischen Parteien und einer Delegation von vier Geistlichen gab es jeweils zwei Repräsentanten des Industriellenverbandes, des Dachverbandes der Gewerkschaften, der Lehrervereinigung, der Unabhängigen Handelsunternehmen und des Ärzteverbandes. Kleineren Interessengruppen wurde nur ein einziger Repräsentant zugestanden. Jeder der Ausgewählten erhielt einen Kabinenplatz und eine Arbeit an Bord. Einige waren sogar nützlich, denn beispielsweise wurden die Ärzte zu Schiffsärzten an Bord der Alexandria ernannt, so dass die Marineärzte, die sie ersetzten, auf die zwei Cryogentanker verteilt werden konnten.
Die vier Politiker an Bord des Passagierschiffes sollten als diplomatische Vertreter dienen, falls die Expedition ein bewohntes System ansteuerte. Man war übereingekommen, dass die beiden Parteien sich in die diplomatischen Anstrengungen der Expedition teilen sollten. Stan Barrett und Alicia Delevan, die dem Raumfahrtausschuss des Parlaments angehörte, sollten gemeinsam als Botschafter auftreten. Drake hatte den Gedanken einer Aufteilung diplomatischer Autorität ungünstig gefunden, behielt seine Meinung über die Regelung aber für sich.
Mehrere Tage zuvor hatte Drake an Bord der Discovery den Besuch eines Mitglieds dieser diplomatischen Delegation empfangen. Er war in die Aufarbeitung seines verwaltungstechnischen Papierkriegs vertieft gewesen, als jemand an die Tür seiner Kabine geklopft hatte. Als er von seiner Arbeit aufgeblickt hatte, war Carl Aster bereits eingetreten.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Aster?«
»Ich möchte auf dieses Schiff versetzt werden, Captain«, hatte Aster gesagt.
»Tut mir leid, ich habe keinen Platz, Sie unterzubringen. Wir müssen so viele Ersatzteile und Versorgungsgüter an Bord nehmen, dass wir auch so schon aus den Nähten platzen. Sogar die Duschkabinen sind mit Lebensmittelvorräten angefüllt. Es wird einen Monat dauern, bis wir uns so weit durch die Vorräte gegessen haben werden, dass einige Duschen wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden können.«
»Verdammt noch mal, Mann! Meine Verlobte ist an Bord dieses Schiffes.«
»Dann werden Sie und Bethany heiraten?«, hatte Drake überrascht gefragt. »Meinen Glückwunsch!«
»Es ist noch nicht offiziell, aber wir haben eine klare Vereinbarung. Sicherlich können Sie meinen Wunsch verstehen, mit ihr zusammen zu sein.«
»Ich verstehe vollkommen, Mr. Aster. Aber das ändert nichts an der Sache. Ich persönlich hätte Miss Lindquist am liebsten auf die Alexandria versetzt, wenn sie in ihrer Funktion hier nicht unabkömmlich wäre. Immerhin würde sie dort mit anderen Frauen zusammen sein.«
Aster hatte an seiner Unterlippe genagt. »Ich hatte gehofft, wir könnten dies unter uns regeln, Captain. Wenn ich aber über Ihren Kopf hinweg handeln muss, werde ich das tun.«
»Die Antwort wird trotzdem nein sein. Nun, wenn Sie mich entschuldigen wollen, ich habe zu tun.«
Aster war hinausgestampft. Drake hatte halb damit gerechnet, Anweisung zur Verlegung des Politikers auf das Flaggschiff der Expedition zu erhalten. Als keine kam, fand er, dass der Gedanke, Bethany Lindquist und Carl Aster auf zwei verschiedenen Schiffen zu wissen, ihn beträchtlich aufmunterte.