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Das Schlachtschiff Royal Avenger schwebte bewegungslos im Raum. Alle Sensoren waren aktiviert, alle Waffen feuerbereit. Dutzende von anderen Schiffen im Umkreis machten es genauso. Die wilde Jagd durch das System war seit mehr als drei Tagen vorbei, als sie den Faltpunkt Spica/Darthan erreicht hatten. Nun konnten sie nichts tun als beobachten und abwarten, die Schwärze mit Augen und Sensoren durchdringen und der ersten Anzeichen eines Feindes zu harren, der mit Sicherheit kommen musste.

Plötzlich blitzte in der Ferne ein Stecknadelkopf aktinischen Lichts in der Schwärze auf. Sensoren reagierten und lösten akustische Warnungen aus, die schnell wieder verstummten. Die Spannung im Lageraum war spürbar, bis eine ruhige Stimme meldete: »Korrekturtriebwerk!« Der Lageraum war zu groß, als dass die kollektiven Seufzer der Dienst tuenden Besatzung hörbar werden konnten, aber dass die Spannung sich schlagartig löste, verrieten die zusammensinkenden Schultern, als mehr als ein Dutzend Männer den angehaltenen Atem ausströmen ließen.

Irgendwo vor ihnen hatte ein anderes Mitglied ihrer Flottille gerade ein Korrekturtriebwerk gefeuert, um die Position einzuhalten und die langsame Abdrift auszugleichen, die durch die Anziehungskraft des Doppelsternsystems verursacht wurde, obwohl dies eine Milliarde Kilometer entfernt war. Dass der kurze Ausbruch von weiß glühendem Plasma überhaupt gesehen wurde, war ein Hinweis auf die Empfindlichkeit der Sensoren. Und dass sie solch eine Reaktion erzeugt hatte, war ein Hinweis auf die allgemeine Nervenanspannung.

»Warum kommen sie nicht, verdammt?«

»Geduld«, riet Phillip Walkirk seinem nervösen Offiziersbuschen. Der Junge hatte gerade erst das Ausbildungslager hinter sich und noch keinen Kampfeinsatz mitgemacht. »Sie werden früh genug hier sein.«

»Aber was zum Teufel hält sie auf? ... Äh, Entschuldigung, Sir.«

Phillip unterdrückte ein Lächeln. Es war eine Reaktion, mit der er allzu vertraut war. Der Umstand, dass ihr militärischer Vorgesetzter zugleich Thronfolger war, erzeugte in den Leuten unweigerlich eine Befangenheit im direkten Umgang, die sie zumeist erst nach Wochen oder Monaten ablegen konnten. Es war an der Zeit, dass er etwas tat, um die Normalität des Dienstverhältnisses zu fördern, nicht nur um seinem Burschen den Umgang mit ihm zu erleichtern, sondern auch mehreren anderen in Hörweite, unter denen es einige Veteranen gab, die es eigentlich besser wissen müssten.

»Sie werden früh genug hier sein, Simon«, antwortete er lauter als nötig und gebrauchte Simon Cadwalladers Vornamen, um ihm die Befangenheit zu nehmen, so weit es möglich war. »Wir dürfen nicht vergessen, dass das Sternsystem jenseits des Faltpunktes so groß wie unser eigenes ist und eine noch größere Sammlung von Planeten besitzt. Zunächst müssen sie die Warnungen empfangen, dann haben sie zu entscheiden, wie der Bedrohung zu begegnen ist; auch müssen sie die Schiffe versammeln, möglicherweise Verstärkungen von den anderen zwei Systemen an dieser Faltraumkette herbeirufen. Das erfordert Zeit. Selbst wenn sie die Schiffe voll ausgerüstet zur Verfügung haben, ist der Spica/Darthan-Faltpunkt ein paar Milliarden Kilometer über ihrem Stern. Er ist nicht einfach zu erreichen. Auch das erfordert Zeit.«

Phillip machte eine Pause und bemerkte, dass mehrere Gesichter sich von den Computerstationen ab und ihm zugewandt hatten. Gut. Nichts beruhigte die Ängste der Leute besser als eine Aufzählung der Probleme, mit denen der Feind zu ringen hatte. »Offen gesagt, ich hoffe, Sie werden sich so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen. Es würde mir nichts ausmachen, wenn sie warteten, bis unsere Orbitalfestungen heraufkommen. Sie müssen es inzwischen durch den Nebel geschafft haben und auf halbem Weg durch das System Eulysta sein.«

Allgemeines Kopfnicken. Jeder wusste, dass die Invasionsflotte, deren Teil sie waren, eine der mächtigsten war, die von der Menschheit jemals versammelt worden war, aber die sechshundert bereits versammelten Schiffe und die gleiche Zahl, die noch unterwegs war, würden Schwierigkeiten haben, den Durchbruch durch einen Faltpunkt zu erzwingen, der von Orbitalfestungen bewacht wurde. Einige dieser großen metallenen Planetoiden verfügten über Waffenvorräte, die sonst nur in planetarischen Arsenalen zu finden waren.

Es gab niemanden in der Flotte, der die Orbitalfestungen nicht gern in ihrer Vorhut gesehen hätte, wenn sie Spica angriffen. Der schnelle Vorstoß durch drei Sternsysteme der Ryall hatte es jedoch unmöglich gemacht. Die meisten Festungen brachten es auf Beschleunigungen bis zu einem Viertel g, und ihre Manövrierfähigkeit konnte man nur als schwerfällig bezeichnen. Jede Flotte, die auf sie wartete, würde bei ihrem Eintreffen die Ryall alarmiert und in voller Gefechtsstärke vorfinden.

Bisher war die Invasion besser verlaufen, als man geplant hatte. Nur zwei Ryallschiffe hatten die Invasionsflotte unterwegs angegriffen, und keines der beiden war auf Gefechtsentfernung herangekommen, bevor es zerstört worden war. Ein drittes, mit einiger Sicherheit als militärisch identifiziertes Schiff hatte ganz uncharakteristisch Fersengeld gegeben. Jetzt bewegte es sich mit einer Geschwindigkeit fort, die eine Verfolgung schwierig machen würde. Zahlreiche andere Fahrzeuge, die als Frachter eingeschätzt wurden, zogen sich gleichfalls vom Schauplatz der bevorstehenden Auseinandersetzung zurück, wenn auch in viel langsamerem Tempo. Sie alle würden schließlich eingefangen werden müssen, aber diese Aufgabe stand auf der gegenwärtigen Prioritätenliste weit unten.

Sechs andere Kampfgruppen hatten die restlichen Faltpunkte um Spica erreicht und eingeschlossen, die letzte erst vor zwölf Stunden. Die Entfaltung der Kampfgruppe Ssoltas war von der plötzlichen Ankunft von drei Ryall-Schiffen im Faltpunkt Spica/Ssoltas unterbrochen worden. Die Zeit hatte nicht gereicht, um festzustellen, ob die drei Kriegsschiffe oder bloß Transporter waren. Alle drei verglühten innerhalb von Sekunden nach ihrer Ankunft.

Nach Phillips Meinung war es bisher zu einfach gewesen. Obgleich er Anhänger der sandarischen Staatsreligion war – als das nächste Oberhaupt der Sandarischen Hochkirche musste er es sein –, hatte er wie die meisten Krieger zu allen Zeiten seine eigenen abergläubischen Vorstellungen. Er war davon überzeugt, dass die Kriegsgötter schließlich für einen Ausgleich sorgen würden, und dass die Leichtigkeit, mit der sie Spica erobert hatten, nur das Vorzeichen einer Serie furchtbarer Schlachten in der nahen Zukunft sein würde. Noch als er versuchte, Simon Cadwalladers Nervosität zu beruhigen, fragte ein ängstlicher kleiner Junge in ihm: » Wann werden sie kommen? «

»Ich löse Sie ab, Hoheit.«

Phillip blickte von der Meldung auf, die er für das Flottenkommando absetzte, erschrocken über die plötzliche Stimme an seinem Ohr. Er sah Commander Salton Connors, der kommandierender Offizier der nächsten Wache war. Ein Blick auf seinen Chronometer zeigte ihm, dass Connors fünfzehn Minuten zu früh war.

»Sie sind zu früh dran, Sal. Was ist los? Ist die Klimaanlage in Ihrer Kabine defekt geworden und Sie konnten nicht schlafen?«

»Admiral Gower möchte Sie sprechen.«

»Jetzt gleich?«

»Jetzt gleich.«

»Sagte er, worum es sich handelt?«

»Nun, Hoheit«, begann Connors, »ich glaube nicht, dass es meine Sache ist, den Admiral zu befragen, wenn er sagt, dass er die etwas vorzeitige Ablösung eines Offiziers wünscht und diesen Offizier zur Admiralskajüte befiehlt. Dieses Privileg überlasse ich Höhergestellten.«

»Sehr gut, Commander Connors«, sagte Phillip mit gespielter Förmlichkeit. »Ich betrachte mich als abgelöst.«

Connors sah, wie Phillip auf den Sendeknopf drückte. »Gibt es etwas für mich, bevor Sie gehen?«

»Nichts. Der Antimaterieprojektor Nummer Drei zeigte eine Fehlerwarnung an, als ich den Dienst antrat. Die Besatzung überprüft den Fall. Davon abgesehen ist alles in Bereitschaft.«

»Das will ich hoffen.«

Phillip benutzte denselben Niedergang, über den Connors den Lageraum erreicht hatte, und zog sich an einer Serie von Haltestangen weiter zu Admiral Gowers Kajüte. Auf sein Klopfen antwortete Gowers dröhnende Stimme mit der Aufforderung einzutreten.

»Hoheit, gut, dass Sie gekommen sind. Wie ist die Besatzung?«

»Nervös, Sir. Die Leute wünschen sich Aktion.«

»Ich auch. Dieses Sitzen und Warten kann einem auf die Nerven gehen. Trotzdem, wenn es dann wirklich losgeht, werden wir alle wünschen, dass die Echsenleute noch einen oder drei Monate gewartet hätten.«

»Sie wollten mich sprechen, Sir?«

»Wie würde Ihnen ein eigenes Kommando gefallen, Hoheit?«

»Kommando, Sir?«

»Das sagte ich.«

»Ein Kriegsschiff?«

»Der leichte Kreuzer Queen Julia. Der Kapitän erkrankte während des Hochgeschwindigkeitsfluges und ließ sich gerade jetzt auf die Krankenliste setzen und ins Lazarett bringen. Verdammt schlechte Zeit, um krank zu werden, wenn Sie mich fragen. Sein Erster Offizier ist zu unerfahren, um im Falle eines Gefechts das Schiff zu führen.«

»Meinen Sie, ich sei bereit für ein Kommando, Sir?«

»Mehr als die meisten Offiziere Ihres Alters, Hoheit. Außerdem werden Sie eines Tages uns alle kommandieren, wenn Sie am Leben bleiben, und es gibt keine bessere Zeit als die Gegenwart, um Erfahrung zu sammeln.«

»Dann nehme ich an, Sir. Ich fühle mich geschmeichelt und bin dankbar für Ihr Vertrauen.«

»Sorgen Sie dafür, dass das Schiff in Gefechtsbereitschaft ist, und mein Vertrauen wird sich als wohl begründet erweisen.«

»Wann soll ich das Kommando übernehmen, Sir?«

»Wie bald können Sie zu Boot Nummer Drei kommen?«

»In zehn Minuten, nach einem Besuch in meiner Kabine.«

»Nicht nötig. Ich habe all Ihre Habseligkeiten einpacken lassen. Sie sind in dem Boot, das auf Sie wartet. Niemand kann voraussagen, wann die Ryall durch den Faltpunkt kommen werden. Ich möchte, dass Sie an Bord sind und das Schiff im Griff haben, wenn es dazu kommt.«

»Ja, Sir. Danke, Sir.«

Walkirk hielt sich mit einer Hand an einer unter der Decke verlaufenden Stange fest und salutierte zackig.

Admiral Gower, der angeschnallt an seinem Arbeitsplatz saß, erwiderte den militärischen Gruß genauso zackig. Die Augen des alten Mannes blickten dabei fest in die seines jungen Schützlings.

»Geben Sie auf sich acht, Phillip. Nachdem dieser Krieg vorbei ist, werden wir einen König brauchen, und ich möchte nicht derjenige sein, der Ihrem Vater sagen muss, dass Sie nicht heimkommen werden.«

»Sie auch, Admiral. Wir brauchen Männer wie Sie, um die Ryall in Schach zu halten.«

Richard Drake war ebenfalls nervös, wenn auch in einem größerem Maßstab. Wie praktisch jeder andere Flottenoffizier konnte er nicht glauben, wie gut die Operation bisher verlaufen war. Tatsächlich war alles so gut gegangen, dass er sich fragte, ob er etwas übersehen haben könnte.

Sie hatten getan, was sie konnten, um die Verteidigung zu stärken. Sie hatten sieben Faltpunkte mit 70.000 Antimaterieminen verseucht. Sieben Kampfgruppen hatten sich um die sieben Faltpunkte versammelt, bereit, jede Streitmacht, die auf ihre Seite der Faltpunkte durchbrechen würde, mit dem Feuer von Lasern, Raketen und Antimaterieprojektoren zu überschütten. Die Stärke der jeweiligen Kampfgruppen beruhte auf Erkenntnissen und Vermutungen des militärischen Nachrichtendienstes über die militärische Stärke und Bedeutung der Sternsysteme hinter den betreffenden Faltpunkten. Die stärkste Kampfgruppe war Admiral Sergej Gower und seiner sandarischen Kampfgruppe zugeteilt worden, die den Faltpunkt Spica/Darthan einschloss. Die zweitstärkste Kampfgruppe konzentrierte sich auf den Faltpunkt Spica/Talintan, und so weiter. Conqueror II hatte 80 Schiffe um sich, einschließlich der Tanker und Versorgungsschiffe. Dies war die Reserve, bereit, jede der Kampfgruppen nach Bedarf zu unterstützen.

Es sollte alles klappen. Tatsächlich garantierten die Berechnungen der Computer, dass es klappen würde – vorausgesetzt, die Ryall spielten ihre Rolle so, wie es erwartet wurde. Als er dasaß und über die Verteilung der Streitkräfte grübelte, konnte Richard Drake die lautlose Stimme eines seiner früheren Ausbilder, eines Admirals, sagen hören: »Es sollte klappen, wenn die Amerikaner die ihnen zugedachte Rolle spielen.«

»Achtung!«

Als Phillip Walkirk zu der Luftschleuse kam, die zum Liegeplatz von Boot Nummer Drei führte, nahm eine Ehrenwache von Marinesoldaten in Kampfanzügen ohne Helme Haltung an. Ihre Stiefelsohlen waren mit Haken am Metallgitter des Bodens festgemacht, um zu verhindern, dass sie davonschwebten. Phillip blieb stehen und erwiderte ihren militärischen Gruß, unbeholfener als in Admiral Gowers Büro. Ein Dutzend behandschuhter Hände flogen an die Hosennähte, als der Sergeant der Marinesoldaten die Hand vom Mützenschirm nahm.

»Danke für die Ehrenbezeigung, Sergeant. Verabschieden Sie alle Offiziere in dieser Weise, wenn sie abkommandiert werden?«

»Nein, Sir. Wir hörten, dass Sie von Bord gehen würden, und organisierten dies spontan.«

»Ich danke Ihnen, glaube aber nicht, dass jetzt der beste Zeitpunkt ist, Ihre Gefechtstationen zu verlassen.«

»Kein Problem, Sir. Wir sind die zur Schadenkontrolle dieser Abteilung bestimmte Gruppe. Unser Posten ist hier. Deshalb sind wir alle in Kampfausrüstung.«

»Verstehe. Sehr gut. Sind meine Piloten schon da?«

»Jawohl, Sir. Sie sind an Bord des Bootes und gehen die Checkliste durch. Auch Ihre Sachen sind an Bord.«

»Danke. Weitermachen.«

Die Marinesoldaten sahen ihm neugierig nach, als er durch die Luftschleuse und an Bord des Kurierbootes ging. Seine Reisetasche und sein Raumanzug waren an Bord, der Anzug auf einen Sitz geschnallt, als wäre er ein Mitpassagier. Dann ging er nach vorn zur Pilotenkanzel; einer der Piloten war ein Lieutenant, der andere eine junge blonde Frau, ein Fähnrich. Beide kamen ihm sehr jung vor.

»Ihr Passagier ist eingetroffen. Sie können starten, sobald Sie bereit sind«, sagte er, als er sich auf dem Klappsitz zwischen ihnen anschnallte.

»Wäre es nicht bequemer in der Kabine, Hoheit?«, fragte der Lieutenant höflich.

»Es ist mir lieber, wenn ich hinausschauen kann«, erwiderte Phillip.

»Befehl, Sir. Passagiere müssen in der Kabine reisen.«

»Sie ... können für Ihren zukünftigen König keine Ausnahme machen?«

Die beiden wechselten einen Blick, den Phillip inzwischen hinlänglich kannte.

»Selbstverständlich, Hoheit. Dann können wir jetzt starten.«

Zwei Minuten später verließ das Kurierboot den Liegeplatz an Bord der Royal Avenger und flog in den freien Raum hinaus. Während sie einen weiten Bogen um das Schiff zogen, betrachtete Phillip das alte Schlachtschiff voll Zuneigung. Mit Unterbrechungen war es fünf Jahre lang seine Heimat gewesen, und es jetzt am Vorabend der Schlacht zu verlassen, erzeugte gemischte Gefühle in ihm. Andererseits hatte er seit dem Eintritt in die Marine von einem eigenen Kommando geträumt, und wenn die Umstände auch nicht so waren, wie er es sich vorgestellt hatte, wäre ihm nicht im Traum eingefallen, das Kommando über ein eigenes Schiff abzulehnen. Wenn er die richtigen Entscheidungen traf, im Kampf seinen Mann stand und Glück hatte, ging er siegreich daraus hervor. Selbst wenn er nicht überlebte, würden jene, deren Aufgabe es war, den Ablauf von Schlachten zu studieren, nach der Analyse des Schlachtgeschehens wissen, ob er seine Pflicht getan hatte. Wenn seine Entscheidungen töricht waren, oder wenn er in der Menschenführung, als Taktiker und Schiffsführer ungeschickt war, würden sie es auch wissen.

Als jemand, der seit frühester Jugend auf seine künftige Führungsrolle vorbereitet worden war, ergriff Phillip begierig die Gelegenheit, sich an einem Standard zu messen, der nicht manipuliert werden konnte, um den Thronfolger in ein günstiges Licht zu rücken. »Sollen wir die direkte Route zu Queen Julia nehmen, Sir?«, fragte die blonde Kopilotin. Ihre Stimme hatte einen Unterton, der ihm verriet, dass sie scherzte. Sein neues Kommando war auf der anderen Seite vom Faltpunkt, und jeder Versuch, direkt hinüberzuqueren, würde unzweifelhaft die Aufmerksamkeit einer Antimateriemine auf sich ziehen.

»Der Umweg außen herum wird gut sein, Fähnrich.«

»Ja, Hoheit.«

Das Triebwerk lief an, beschleunigte das Boot für ein Dutzend Sekunden – und der narbenbedeckte Rumpf der Royal Avenger blieb achtern zurück. Im Laufe der nächsten halben Stunde wurden mehrmals die Korrekturtriebwerke gezündet, damit sie die zu einem weiten Kreis auseinander gezogene Formation der Flotte umrundeten, stets darauf bedacht, außerhalb der unsichtbaren Grenze zu bleiben, entlang der die Kampfgruppe angeordnet war. Alle Waffen der Kampfgruppe waren einwärts auf das leere Raumvolumen gerichtet, das den Faltpunkt darstellte. Dort würde kein Platz für ein Kurierboot sein, falls während ihrer Passage die Schlacht losging.

Trotz seiner erwartungsvollen Erregung fand Phillip die Reise bald eintönig und schlief ein. Zwar blieb er selbst auf dem Klappsitz angeschnallt, aber seine Arme schwebten frei in der leicht angewinkelten Position, die ein menschlicher Arm annimmt, wenn er in Schwerelosigkeit entspannt ist. Auf eine Geste seiner Kopilotin hin wandte der Lieutenant den Kopf, um den leise schnarchenden zukünftigen König anzusehen, dann tauschte er ein wissendes Lächeln mit ihr. Danach beschränkten sie ihre Gespräche auf ein Minimum.

Eine halbe Stunde später sagte die Kopilotin mit leicht erhobener Stimme: »Hoheit, wachen Sie auf!«

Phillip ließ ein kurzes schnaubendes Geräusch hören und richtete sich auf.

»Wir sind da, Sir. Dort ist Queen Julia«, sagte sie und zeigte hinaus.

Durch das Panzerglas war ein Spielzeugschiff zu sehen, eine zylindrische Konstruktion mit Serien kleinerer zylindrischer Treibstofftanks um die Mitte. Vorn befanden sich diverse Buckel und Öffnungen, hinter denen sich die Partikelstrahler, Laser und Raketenabschussrampen verbargen. Zwei große Parabolantennen waren auf die Mitte des Faltpunktes gerichtet, desgleichen eine Anzahl anderer Antennen und Sensoren.

»Ein schönes Schiff...«, sagte Phillip, dann brach er ab und starrte mit offenem Mund. Weit entfernt in der Schwärze war etwas in einem Punkt violettweißer Strahlung explodiert. Eine Sekunde, und ein weiteres halbes Dutzend Blitze folgte der ersten Explosion. Plötzlich schien das leere Vakuum so voll von Leuchtkäfern wie ein Sommerabend im königlichen Baumgarten.

Die beiden Piloten saßen wie erstarrt da, als ständig weitere Explosionen den schwarzen Himmel vor ihnen erhellten.

»Was ist das?«, fragte die Kopilotin.

»Antimaterieminen! Im Faltpunkt sind Schiffe. Der Angriff der Ryall hat begonnen!«

Phillip öffnete den Mund, um ihnen zu befehlen, dass sie ihn rasch zu seinem Schiff bringen sollten, als ihr Universum von einer Explosion grellweißen Lichts ausgelöscht wurde.