39

Die Strahlen der namenlosen gelben Sonne ergossen sich über die kleine Flotte und ließen die Schiffe in dem surrealistischen harten Helldunkel leuchten, das für den Raum charakteristisch ist. In der Mitte der Flotte schwebte eine fleckige, beschädigte Kugelgestalt von beträchtlicher Größe. Auf einer Seite markierte eine Serie abgeschnittener Masten die Positionen, wo einmal Sensoren und Radioanlagen für den Fernbereich montiert gewesen waren. Auf der gegenüberliegenden Hälfte waren die Triebwerke, die das Schiff einmal zwischen Faltpunkten und Planeten hin und her befördert hatten, durch einen einzigen Angriffsschlag zu Schrott verwandelt worden. Zwischen beiden waren die gesprengten Öffnungen zu sehen, durch welche die zwei Gruppen des Enterkommandos sich gewaltsam Zugang ins Innere verschafft hatten, stumme Zeugen des an Bord geführten Kampfes.

Die Discovery und die Mace hingen weniger als einen Kilometer vom Erztransporter im Raum. Landungsboote und Raumtransporter bewegten sich zwischen den drei Fahrzeugen hin und her. Die Aufklärer, welche an der Aufbringung des Ryall-Schiffes beteiligt gewesen waren, hielten sich außerhalb der Flotte, um gegen andere Fahrzeuge der Ryall Wache zu halten, die durch den örtlichen und bisher nicht identifizierten Faltpunkt in das System eindringen konnten.

»Techniker Scarlotti auf Kanal Sechs, Captain«, meldete Nachrichtenoffizier Haydn.

Richard Drake hatte den Vormittag mit seinem Ersten Offizier über Inventurmeldungen verbracht und war froh über die Unterbrechung. Er aktivierte den Kanal. »Drake hier. Melden Sie.«

Scarlotti, der erfahrenste EDV-Spezialist der Expedition, blickte mit ausdrucksloser Miene aus dem Bildschirm.

»Ich habe die Untersuchung des Ryall-Bordrechners beendet, Captain.«

»Und?«

»Die Schläge mit der Brechstange haben die Anlage unbrauchbar gemacht. Die Hälfte der Schaltkreise für Eingabe und Ausgabe ist irreparabel zerstört.«

»Und die Datenspeicher?«

»Scheinen unbeschädigt zu sein, Sir. Was dieser Rechner vor dem Angriff wusste, weiß er noch immer. Wäre aber ein Schlag zwei Zentimeter weiter rechts gefallen, würde es jetzt anders aussehen.«

»Und der Mechanismus zur Selbstzerstörung? Warum ging er nicht los?«

Scarlotti hielt einen sechseckigen Kasten fremdartiger Konstruktion vor die Kamera. Ein dickes Kabel ragte heraus.

»Das Ding ist korrodiert, Sir. Als sie den Mechanismus aktivierten, gab es einen Kurzschluss in der Leitung. Der Mechanismus wurde anscheinend vor vielen Jahren eingebaut und blieb dann sich selbst überlassen. Im Laufe der Zeit verrotteten die Isolierungen, und als sie ihn einschalteten, kam es zu besagtem Kurzschluss.«

Drake nickte. Die Nachricht überraschte ihn nicht sonderlich. Der Erztransporter hatte etwas von einem vernachlässigten alten Trampschiff. »Können Sie die gespeicherten Daten aus dem Rechner herausholen?«

»Ist bereits geschehen, Sir. Ich tat es, bevor ich anfing, im Innern des Rechners herumzustochern. Wollte keine automatische Datenlöschung auslösen.«

»Konnten Sie alles herausholen?«

»Ich denke schon, Sir. Beim Abruf gebrauchte ich drei verschiedene Techniken, dann verglich ich jeden Datensatz mit den beiden anderen. Alle drei sind bis zum letzten Bit identisch. Wenn in dem Rechner noch etwas gespeichert ist, dann ist es zu gut versteckt, als dass ich es ohne Kenntnis der Ryalltechnik finden könnte.«

»Können Sie die Daten lesen?«

»Nein, Sir. Ich kenne mich einigermaßen mit Ryall-Hardware aus, aber um das Zeug zu interpretieren, werden Sie einen sehr, sehr guten Softwaretechniker brauchen. Offen gesagt, ich kenne diesseits der Hauptflotte keinen, der so gut ist.«

»Wie viel Datenmaterial haben Sie?«

Scarlotti blickte auf einen Computerausdruck und las die Zahl ab. »Ungefähr zwei Billionen Bytes, Captain.«

»Wie lange würde es dauern, das Material zur Arrow im Antares-Faltpunkt zu senden?«

»Das gesamte Material, Sir?«

Drake nickte. »Es sei denn, Sie kennen eine Methode, nur die Daten herauszuziehen, an denen wir interessiert sind.«

Der Techniker blieb eine Weile still. Seine Lippen bewegten sich, als er im Kopf eine Überschlagsrechnung durchführte.

»Ich würde sagen, anderthalb Tage für die reine Übermittlung, gefolgt von zwei Tagen zur Überprüfung auf Sendefehler und Unklarheiten.«

»Sehr gut, Mr. Scarlotti«, sagte Drake. »Kopieren Sie Ihre Aufzeichnungen. Bringen sie eine Kopie hierher zur Discovery und senden Sie die andere an die Mace. Sobald Sie an Bord sind, bereiten Sie das Datenmaterial dann für die Sendung an die Arrow vor.«

»Wird gemacht, Captain.«

Der Datentechniker schaltete ab, und Drake wandte sich an Commander Marchant. »Das ist eine gute Nachricht. Drücken wir die Daumen, dass die Navigationsdaten noch intakt sind.«

Der Erste Offizier nickte. »Es wäre eine arge Enttäuschung, wenn sich herausstellte, dass wir nichts als die Wäschereiliste des Ryallkapitäns erbeutet haben.«

»Ich kann mir nicht denken, dass er mit der Brechstange seine Wäschereiliste auslöschen wollte.«

»Nein, Sir. Das glaube ich auch nicht.«

»Bleibt er bei seiner Geschichte?«

Marchant nickte. »Er sagt, die Präsenz der Ryall auf dem zweiten Planeten sei auf einen Bergbau- und Verhüttungskomplex beschränkt. Sein Schiff sei ein Erzfrachter, der die Produktion abtransportiere. Er befahre die Route regelmäßig.«

»Wann ist nach seiner Auskunft das nächste Schiff fällig?«

»Frühestens in sechs Monaten, Sir. Vielleicht noch später.«

»Wohin wollte er, als wir ihn abfingen?«

»Er weiß es nicht, Sir.«

»Sie meinen, er will es nicht sagen.«

»Nein, Sir. Ich meine, dass er es nicht weiß. Bei der Vernehmung hatten sie ihn an eine ganze Batterie von Sensoren gehängt. Er zeigte keinerlei physiologische Veränderungen, als er nach seinem Reiseziel gefragt wurde. Etwas oder jemand hat alle Navigationsdaten aus seinem Gedächtnis gelöscht. Er ist sogar ahnungslos, wenn Sie mit ihm über Faltpunkte sprechen wollen.«

»Und der Navigator?«

»Ich fürchte, Captain, dass der Navigator einer der beiden Zentauren war, die im Gefecht getötet wurden.«

»Na gut. Geben Sie Colonel Valdis an Bord der Saskatoon eine Zusammenfassung von allem, was wir über die Verteidigungsanlagen des Planeten erfahren haben. Vielleicht kann es ihm bei der Angriffsplanung nützen.«

»Ja, Sir. Was machen wir mit dem Erztransporter?«

»Wir werden der Bergungsmannschaft weitere drei Tage Zeit lassen, bevor wir ihn zerstören. Danach werden wir sehen, ob wir diesen geheimnisvollen Faltpunkt finden können, an den dieser Ossfil sich nicht erinnern kann.«

Der Angriff auf den Planeten fand achtundvierzig Stunden später statt. Drake verbrachte drei Wachen ohne Unterbrechung auf der Brücke und koordinierte die Aktion über taktische Computerdiagramme und Meldungen. Er hätte sich die Mühe ersparen können. Die Ryall-Verteidiger hatten den sandarischen Marinesoldaten nicht viel entgegenzusetzen. Die Landungsboote der Saskatoon waren über der dem Corlis-Komplex entgegengesetzten Hemisphäre des Planeten in die Atmosphäre eingetreten. Von dort flogen sie in relativ niedriger Höhe um den Globus und landeten außer Sichtweite der Ryall-Installationen. Zweihundert Soldaten des sandarischen Marinekorps in voller Kampfausrüstung gingen von Bord und nahmen ihre Ausgangspositionen für den auf die frühen Morgenstunden angesetzten Angriff ein. Die Verteidiger des Bergwerkskomplexes wehrten sich tapfer, aber taktisch ungeschickt. Viele eröffneten beim ersten Zeichen eines Angriffs ein wildes, schlecht gezieltes Abwehrfeuer aus ihren behelfsmäßigen Waffen und hatten ihre Munition bald verschossen. Manche verteidigten Positionen, die sie besser geräumt hätten, während andere in guten Stellungen überrannt wurden, als verstünden sie nicht, was sie tun sollten. Nicht wenige wollten sich keinesfalls ergeben; sie mussten niedergeschossen werden.

Der schwierigste Teil des Angriffs war die Einnahme der kilometertiefen Bergwerksschächte, von denen mehrere in aller Eile für die Verteidigung hergerichtet worden waren. Eine Zeit lang sah es so aus, als müßten die Schächte durch Abschalten der Pumpen unter Wasser gesetzt oder, was schneller gegangen wäre, durch Sprengungen verschlossen werden. Die Pattsituation wurde jedoch aufgelöst, als ein Stoßtrupp des Marinekorps bei der Durchsuchung des Außenbereichs einen aufgelassenen Förderstollen fand, über Leitern zur ersten Ebene abstieg und durch Abbaustollen hinter die Positionen der Verteidiger gelangte. Als diese erkannten, dass sie den Feind im Rücken hatten, ergaben sie sich rasch.

Ehe noch der letzte Stollen durchsucht war, hatte sich die Masse der Marinesoldaten über das Gelände des Bergwerkskomplexes verteilt, um alle Schlupfwinkel der Ryall auszuräuchern. Am Ende der Aktion waren sie im Besitz von zwanzig lebenden Gefangenen und achtzehn gefallenen Feinden. Die eigenen Verluste betrugen sieben Tote und zwölf Verwundete.

Nachdem die Eroberung von Corlis abgeschlossen war, befahl Drake die Einstellung der Bergungsarbeiten an Bord des Erztransporters. Der letzte Arbeitstrupp, der von Bord ging, ließ dort einen nuklearen Sprengsatz zurück. Als die Schiffe der Expedition sich in sichere Entfernung zurückgezogen hatten, ließ Drake die Sprengladung zünden. Der Glutball der Explosion war auf den Bildschirmen länger als zehn Minuten sichtbar, und die Instrumente registrierten ihn noch nach Stunden.

Nach der Vernichtung des Frachters verlegte die kleine Armada ihre Operationen in den Raum, der offenbar das Ziel des Ryall-Schiffes gewesen war. Die Discovery startete eine Serie von Sonden, um die örtliche Gravitationskonstante zu messen, und nach einer Woche sorgfältiger Berechnungen und Messungen bestätigte sich das Vorhandensein eines Faltpunktes in der Nähe. Die Mace bezog Position im neu entdeckten Faltpunkt, um ihn gegen das Eindringen von Ryall-Schiffen zu bewachen. Nachdem Drake so seine Flanke gesichert hatte, ließ er die Discovery wieder Kurs auf Corlis nehmen.

Mit einem Geraschel blauer Seide und in einer Duftwolke von Parfüm schritt Bethany Lindquist durch den Korridor. Sie trug ein Abendkleid im modischen Stil und hatte ihr kastanienbraunes Haar aufgesteckt; ihr Make-up war subtil schattiert, um die hohen Backenknochen hervorzuheben. Eine goldene Halskette vervollständigte das Bild. Die Reaktionen der wenigen grinsenden Besatzungsmitglieder, denen sie begegnete, verrieten ihr, dass die Zeit, die sie vor dem Spiegel verbracht hatte, nicht vergeudet war.

Vor Richard Drakes Kabine klopfte sie leicht und wartete, bis die Tür sich öffnete. Richard strahlte in der vollen Pracht seiner Ausgehuniform. Er streckte die Hand aus und zog sie über die Schwelle.

»Wie schön du bist!«, rief er bewundernd aus.

»Danke, gnädiger Herr«, sagte sie und deutete einen Knicks an. »Die Einladung sprach von einem Diner, nicht wahr?«

»So ist es.«

Bethany ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und war nicht überrascht, nur zwei Gedecke auf dem Tisch zu sehen.

»Befürchtest du nicht, dass die Besatzung dich für extravagant und hochmütig halten wird?«, fragte sie.

»Lass sie. Es ist mir unangenehm, nicht in der Lage zu sein, mich deiner so anzunehmen, wie du es verdienst. Übrigens, wenn du morgen nach Corlis hinuntergehst, kann dies für einige Zeit unsere letzte Gelegenheit zu einem gemeinsamen Abendessen sein.«

Bethany lachte. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Annahme von Professor Alvarez' Angebot diese Reaktion hervorrufen würde, hätte ich ihn eher mit dir zusammengebracht.«

»Ich bin froh, dass du es überhaupt getan hast«, erwiderte Drake.

Am Vortag hatte Bethany in der Offiziersmesse der Discovery zu Mittag gegessen, als Professor Alvarez, Mitglied der Königlich Sandarischen Akademie, sich zu ihr gesetzt und ein Gespräch angefangen hatte.

Nach einer Viertelstunde, in der offenkundig geworden war, dass er mehr im Sinn hatte als bloß ein unterhaltendes Geplauder mit der einzigen Frau an Bord, hatte Bethany ihn gefragt: »Kann ich Ihnen mit etwas helfen, Professor?«

»Nun ... äh ... nun ja, da Sie es schon erwähnen, Miss Lindquist, Sie können. Ich würde gern über eine Angelegenheit von Bedeutung mit Ihnen sprechen.«

»Ich höre.«

»Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass ich das Studium der Ryalltechnik zu meiner Spezialität gemacht habe, insbesondere Informationssysteme, nicht wahr?«

»Ich weiß, dass Sie in dieser Hinsicht der einzige Fachmann sind, den wir an Bord haben, Professor.«

»Dann werden Sie auch gehört haben, dass die Marinesoldaten unten im Bergwerkskomplex eine große Rechenanlage erobert haben?«

Bethany hatte genickt. »Wie ich hörte, will man auch ihre Datenspeicher aussaugen.«

»Meiner Ansicht nach würde das kontraproduktiv sein, Miss Lindquist.«

»Wieso?«

»Sehen Sie«, sagte Alvarez mit plötzlicher Lebhaftigkeit, »wir haben dem Bordrechner des Erzfrachters eine Menge Informationen abgewonnen, doch fehlt uns die Möglichkeit, das Material zu entziffern. Wie wir speichern die Zentauren Daten in einer Form, die auf ihre Rechenanlagen zugeschnitten ist, aber nicht unbedingt auf sie selbst. Was wir haben, besteht aus allen Arten von Programmen, vermischt mit unterstützenden Daten. Selbst wenn es uns möglich wäre, die Programme von den Daten zu trennen, würden wir die Operationsweise der Programme verstehen müssen, um die Daten zu lesen. Verstehen Sie, was ich sagen will?«

Bethany nickte. »Niemand sagte, dass es einfach sein würde.«

»Richtig. Aber das sollte für uns kein Grund sein, es schwieriger zu machen, als es sein muss.«

»Was wollen Sie damit sagen, Professor?«

Alvarez stemmte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich näher. »Ich habe mir gedacht, dass wir die gespeicherten Daten des Erzfrachters dem Rechner eingeben sollten, den die Marinesoldaten im Bergwerkskomplex gefunden haben, um auf diese Weise die Programme zum Laufen zu bringen. Alle Ryall-Rechenanlagen verwenden das gleiche Operationssystem, müssen Sie wissen.«

»Was versprechen Sie sich davon?«

»Wenn wir die Programme zum Laufen bringen«, erklärte Alvarez, »wird es nicht erforderlich sein, die ganze Masse von Informationen zu entziffern, um die Daten herauszuholen, die uns interessieren. Vielmehr brauchen wir den Rechner nur noch zu fragen, was wir wissen wollen. Wenn wir unsere Sache richtig machen, wird er es uns sagen!«

Bethany dachte darüber nach. »Haben Sie schon mit Captain Drake darüber gesprochen?«

Alvarez schüttelte den Kopf. »Nein. Ich fürchte, mir fehlt die Gabe, komplizierte Sachverhalte für Nichtfachleute leicht verständlich darzustellen. Sie wissen einiges über Informationssysteme der Ryall, deshalb können Sie mir helfen, ihm das Konzept zu erklären. Danach werde ich auch eine Assistentin unten im Bergwerk brauchen.«

»Heißt das, dass Sie mir den Posten anbieten, Professor?«

»Ja, wenn Sie ihn wollen.«

»Einverstanden. Erklären Sie mir, was wir im Einzelnen tun müssen, und dann sehen wir zu, dass wir einen Gesprächstermin beim Captain bekommen.«

Drake war sofort auf Alvarez' Vorschlag eingegangen, und zu dritt hatten sie in einstündiger Beratung die Voraussetzungen für das Projekt durchgesprochen; danach waren Bethany und Alvarez gegangen, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Dreißig Minuten später war Bethany von einem Besatzungsmitglied unterbrochen worden, das ihr einen versiegelten Umschlag übergeben hatte. Beim Öffnen hatte sie Richards Einladung zum Diner gefunden.

Drake nahm Bethany das Schultertuch ab und führte sie zum Ledersofa. Ein Steward in weißer Jacke, der sich sonst im Hintergrund hielt, servierte Aperitifs. Sie sprachen über Alvarez' Plan und über verschiedene andere, weniger wichtige Dinge, bis das Essen serviert wurde. Drake führte Bethany zum Tisch und hielt ihr den Stuhl, als sie sich setzte, dann nahm er den Platz ihr gegenüber ein. Zuvor hatte der Steward in der Mitte des Tisches drei Kerzen angezündet. Sobald sie sich gesetzt hatten, dämpfte er die Deckenbeleuchtung auf ihre Nachteinstellung. Bethany fand es schwierig, sich vorzustellen, dass dieser Steward mit seinen vollkommenen Manieren die übrige Zeit im Gefechtsstand einer Laserbatterie diente.

Schließlich wurde die Nachspeise gereicht, und Drake entließ den Steward, der wortlos einen mit dem besten Silberservice des Schiffes hoch beladenen Geschirrwagen hinausschob. Bethany verspeiste das letzte Stück Kuchen mit Eis, dann hob sie die Kaffeetasse an die Lippen, blickte ihn über den Rand hinweg an und sagte: »Das hättest du nicht tun müssen, weißt du.«

»Was hätte ich nicht tun müssen?«

»Dieses Festessen für mich auffahren lassen. Ich wäre auch so zu dir ins Bett gekrochen, und nicht erst heute. Ein belegtes Brot mit kaltem Fleisch und Salat von heute Mittag wären mehr als ausreichend gewesen.«

»Aber dies ist viel romantischer«, sagte er mit einer weit ausholenden Armbewegung. »Außerdem fürchte ich, dass ich Hintergedanken hatte, als ich dieses Diner plante.«

»So?«

»Das heißt, ich hätte sagen sollen, dass ich einen weiteren Hintergedanken hatte. Erinnerst du dich an ein Gespräch, das wir kurz nach der Rückkehr aus Sandar führten? Du zeigtest dich besorgt, dass die Gefangenen, mit denen wir sprachen, uns vielleicht nur sagten, was die Sandarer uns hören lassen wollten.«

Sie nickte. »Ich dachte, man hätte sie vielleicht gezwungen, sandarische Propaganda nachzuplappern.«

»Denkst du noch immer so?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Inzwischen habe ich genug gelernt, um zu wissen, dass die Aussagen von Gefangenen in Vernehmungsprotokollen genau kontrolliert werden. Ich frage mich allerdings, ob solche Aussagen nicht bisweilen zu Fehldeutungen führen.«

»Wieso?«

»Da die meisten Gefangenen der Militärkaste der Ryall angehören, liegt es auf der Hand, dass unsere Einschätzung der Ryall als Spezies stark von der Betrachtungsweise der Militärkaste beeinflusst ist. Wie sollten wir auch wissen, ob diese Betrachtungsweise von der Kaste der Wirtschaftsführer geteilt wird, die diesen Bereich der Hegemonie beherrschen, oder von den anderen Kasten?«

»Möchtest du das gern in Erfahrung bringen?«

»Wie?«

»Wir fingen die Betriebsleiterin der Bergbau- und Verhüttungsanlage Corlis zusammen mit anderen neunzehn Ryall. Wenn du unten bist, wäre es mir lieb, wenn du sie für uns verhören würdest.«

»Warum ich, Richard?«

»Weil die Sandarer konditioniert sind, die Ryall als den unerbittlichen Feind der Menschheit zu sehen. Wenn wir uns allein auf Colonel Valdis' Vernehmungsspezialisten verlassen, wird alles, was wir erfahren, durch diese Einstellung gefärbt sein. Du jedoch bist relativ unvoreingenommen, wenn es um unser Verhältnis zu den Ryall geht. Du weißt einiges über ihre Psychologie und Physiologie. Du hast die Zentauren lange genug studiert, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie dir die Wahrheit sagen. Kurzum, du bist für den Job ideal geeignet. Was meinst du dazu?«

Statt ihm direkt zu antworten, sagte Bethany: »Weißt du, Richard, dass mein Onkel sich beinahe geweigert hätte, mich an dieser Expedition teilnehmen zu lassen?«

»Warum, in Gottes Namen?«

»Er machte sich Sorgen, meine Liebe zu dir würde mich für die Tatsache blind machen, dass meine erste Pflicht der Erde gilt.«

»Was hat das mit unserem Thema zu tun?«

Bethany zuckte die Achseln. »Vielleicht nichts. Trotzdem, wir wissen beide, dass die Aussagen von Gefangenen normalerweise als vertraulich und manchmal sogar als streng geheim eingestuft werden. Es ist auch wohl bekannt, dass Vernehmungspersonal nicht über seine Arbeit sprechen soll.«

»Das heißt?«

»Das heißt, ich möchte von vornherein klarmachen, dass es mir freisteht, alles, was ich erfahre, dem Interstellaren Rat mitzuteilen, sobald wir die Erde erreichen.«

»Darin sehe ich kein Problem, Bethany.«

Sie lächelte. »In diesem Fall betrachte ich es als eine Ehre, diese Gefangene zu verhören, Richard. Um ehrlich zu sein, ich hätte es dir nie verziehen, wenn du den Auftrag jemand anderem gegeben hättest. Seit ich weiß, dass es so etwas gibt, habe ich davon geträumt, mit einem Mitglied der Wirtschaftsführerkaste zu sprechen. Ich habe ein paar Theorien, die ich gern erprobt hätte.«

»Gut! Nachdem das geregelt ist, lass uns über etwas anderes sprechen«, sagte er und ergriff sie bei den Händen. »Du siehst heute Abend besonders bezaubernd aus, mein Liebes ...«