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Galatan vom Fernsucher lag in seiner Kontrollstation und nahm auf, was um ihn vorging. Das entfernte Summen der Maschinen, das ruhige Schnurren der Ventilatoren und leisen, zischenden Stimmen der Besatzungsmitglieder ließen seine Trommelfelle vibrieren. Die langsam ziehende Luft trug den Duft von Binsen und den durchdringenderen Geruch von Pigmenten mit sich, die am Schott der Zentrale noch nicht ganz getrocknet waren. Sein Blick ging über die impressionistischen Darstellungen, die ihm von der Gesundheit seines Schiffes berichteten, wo leuchtendes Gelb die matteren Farben des hohen Infrarot überwog. Galatan beobachtete, lauschte und ließ die Moleküle des Lebens seine kombinierte Wahrnehmung von Geschmack und Geruch kitzeln. Er beobachtete und empfand zum ersten Mal in der jüngsten Erinnerung Zufriedenheit. Es war gut, wieder im Raum zu sein, nachdem er eine Ewigkeit zuerst im Lazarett und dann mit seinem Schiff im Orbitaldock von Paraster zugebracht hatte. Er und Fernsucher waren wieder ganz und gesund und bereit, sich der Jagd auf zweibeinige Ungeheuer anzuschließen.
Das Leben hätte nicht besser sein können.
Auf seinem letzten Patrouillenflug war Fernsucher durch das System der orangeroten Sonne gekommen, wo Wächter den Alarm verbreiteten, dass Ungeheuer in großer Zahl durch das Sterntor quollen. Viele tapfere Krieger waren an jenem Tag zum Ei der Ahnen zurückgekehrt, aber ihr Opfer war nicht vergeblich gewesen. Die Schiffe Der Rasse, die nicht auf Wachdienst gewesen waren, hatten den bedrängten Verteidigern Hilfe geleistet. Der Gegenangriff war stark gewesen, und die Ungeheuer, am Rand eines Durchbruchs, wurden zurückgedrängt – mit knapper Not. Am Ende waren die beiden Flotten beinahe in Sichtweite gewesen, als sie einander mit Zerstörung überschüttet hatten. Langsam wurden die Ungeheuer zurückgedrängt. Eine Nachhut hatte rücksichtslos gekämpft, während ein Schiff nach dem anderen durch das Sterntor zurück verschwunden war. Gegen Ende des Kampfes, als der Sieg gesichert schien, war ein feindlicher Torpedo unweit vom Rumpf des Fernsucher detoniert. Der nukleare Sprengsatz war nahe genug gewesen, um zähe Platten der Rumpfverkleidung zu knittern, als wären sie von der Sommerhitze getrocknete Eierschalen. Zwölf hoch drei Schwanzlängen näher, und die Waffe hätte Fernsucher verdampft. Auch so waren zwei Drittel der Besatzung entweder getötet worden oder hatten Verletzungen erlitten, die von gebrochenen Skelettelementen bis zur Strahlenvergiftung reichten. Von den letzteren Opfern hatten viele ihre Verletzungen nicht überlebt.
Galatan selbst hatte fünf Zyklen in einem Lazarett verbracht, um sich von Verbrennungen und dem Verlust grauer Korpuskeln in seinem Blut zu erholen. Der erzwungene Müßiggang, als er auf dem Bauch lag und Beine, Hals und Schwanz unbeweglich waren, hatte ihm Zeit gegeben, zwischen den Anfällen von Übelkeit nachzudenken. Einige dieser Gedanken waren für einen von der Kriegerkaste nicht passend gewesen. Tatsächlich waren sie eines Mitglieds Der Rasse nicht würdig gewesen. Dieser Umstand hatte sie aber nicht daran gehindert, einfach aus dem Teil seines Gehirns herauszuschweben, das aus der Zeit vor intelligentem Denken stammte.
Diese Gedanken an Sterblichkeit und was hätte sein können, waren eines Angehörigen von Galatans Beruf unwürdig. Ein Krieger hatte dem Tod gerade in die Schnauze zu blicken, unerschütterlich und kühl berechnend. Er sollte nicht starr vor Furcht liegen wie eine Made, die sich vor einem Schnellen Esser verbirgt. Doch genau so hatte Galatan mit seiner verletzten Schuppenhaut in einem Regenerationstank gelegen. Die Angst war über ihn gekommen wie Schichten von Schlamm, die aufwärts quollen, ihn zu ersticken. Die medizinischen Techniker hatten ihm versichert, dass die Reaktion normal sei, eine Folge davon, dass viel von seiner Zirkulationsflüssigkeit durch Strahlenvergiftung geschädigt war.
Galatan hatte gewusst, dass sie die Wahrheit sprachen, zumindest auf der Ebene, wo sein Bewusstsein lag. Es war jener Teil von ihm unter der Ebene autonomer Kontrolle, der sich weigerte, auf die Vernunft zu hören. Ein Krieger, hatte sein inneres Selbst proklamiert, muss furchtlos sein. Anders als die Ungeheuer waren die Krieger Der Rasse nicht ausgebildet. Sie waren ausgebrütet.
Diejenigen, welche über die Eier wachten, hatten einige Hundert Herzschläge, nachdem die weibliche Person, deren Ei er war, ihn im warmen, nassen Sand abgelegt hatte, entschieden, dass er ein Krieger sein würde. Die Nachfrage nach Kriegern war unersättlich gewesen, seit die ersten Schiffe der Ungeheuer am Himmel erschienen waren. Spezielle Hormone wurden im Eidotter injiziert, Hormone, die gewisse physiologische Veränderungen in dem neu gelegten, noch unentwickelten Jungen auslösten. Sie verbesserten seine Sinne, verliehen ihm schnellere Reaktionszeiten und verstärkten seine natürliche Aggression. Wie es im Leben meistens der Fall ist, wurden diese Verbesserungen jedoch mit einem Preis bezahlt. Die frisch geschlüpften Jungen der Kriegerkaste reiften um dreißig Prozent schneller heran als ihre Geschwister von der Arbeiterkaste, und ihre Lebensspanne war um einen vergleichbaren Faktor verkürzt. Auch waren die meisten Krieger durch die beschleunigte Reifung geistig weniger fähig als die Verwalterkaste.
Galatan war einer der wenigen Krieger, deren Gehirnentwicklung normal verlaufen war, eine Tatsache, die jene, welche die Jungen aufzogen, kurz nach dem Schlüpfen aus seinem Ei festgestellt hatten. Nachdem seine geistige Regsamkeit und schnelle Auffassungsgabe durch Versuche bestätigt worden waren, wurde er einem beschleunigten Ausbildungsplan zugewiesen. Während seine Eikameraden lernten, wo ihr Platz in einer Kampfeinheit war, lernte er die Kunst des Befehlens. Oft lag er während dieses rigorosen Ausbildungsprogramms bei Nacht auf seinem Schilfbett und fragte sich, wie es sein würde, ein einfacher Krieger zu sein, ohne andere Verantwortlichkeiten als seinen Pflichten und ohne die Last des Befehls auf dem Rücken.
Es war ein Traum, der oft wiederkehrte und ihn verfolgte, während er auf die Heilung seines Körpers wartete, und später, als er die Reparaturen seines beschädigten Schiffes überwacht hatte. Es war ein Traum, der noch jetzt unter der Ebene des Denkens lauerte.
»Schiffmeister.«
»Ja, Pelamau?«
»Ich habe ungewöhnliche Ablesungen vom Sterntor.«
»Welchem?«
»Dem Carratyl-Tor, Schiffmeister.«
»Was siehst du?«
»Es gibt mehrere Schiffe im Tor, und mit jedem Herzschlag erscheinen mehr.«
»Wie viele Schiffe?«
»Zwei Zwölfer, und während wir sprechen, werden es mehr.«
Galatan drückte lange Finger auf Tasten und brachte die Darstellung auf seinen Bildschirm. Pelamau hatte Recht. Zahlreiche Schiffe erschienen im Sterntor. Ständig tauchten neue auf, und es schien kein Ende zu nehmen. Verkehr von einer landwirtschaftlichen Welt sollte nicht so stark sein, es sei denn, dies war eine planmäßige Getreidesendung. Warum so viele Schiffe auf einmal? Es erinnerte ihn an die Konvois, die sie im System der orangeroten Sonne gebildet hatten, um die Ungeheuer daran zu hindern, ihre Versorgungsschiffe zu überfallen ...
Bei dem Gedanken an Ungeheuer zuckte Galatan nervös mit dem Schwanz und begann seinen Bildschirm für die Spektralanalyse einzurichten. Es erforderte nur ein Dutzend Herzschläge, um seinen schrecklichen Verdacht zu bestätigen. Ein anderer Finger drückte auf eine Taste, und plötzlich hallte der Todesschrei eines Zahnfisches durch das Schiff und katapultierte jedes Mitglied seiner Besatzung automatisch in Jagdstimmung. Um ihn her streckten sich Schwänze, drehten sich Hälse, um die Schnauzen in seine Richtung zu schwenken.
Er schaltete den Befehlskreis ein, sobald der Alarm verklungen war. »Krieger des Fernsucher. Auf eure Posten. Seid bereit für die Jagd.«
»Was ist geschehen?«, fragte Essenau, ein Eigefährte Pelamaus und sein Stellvertreter aus einem kleinen Bildschirm vor ihm.
»Ungeheuer! Wir haben Ungeheuer im Sterntor Carratyl. Sie strömen in mehr als Flottenstärke heraus! Die Rasse ist in Todesgefahr! Auf eure Posten. Wir haben einen Kampf zu führen!«
»Durchbruch beendet, Admiral.«
»Gut, Lieutenant. Geben Sie mir eine Lagedarstellung über die Verteilung der Flotte.«
Lieutenant Enid Powell, eine der ersten Frauen, die an der neu errichteten Marineakademie in Homeport graduiert war, blieb einen Moment still, während Radarsignale von ihren langen Reisen durch den umgebenden Raum zurückkehrten.
»Wir haben zweihundertacht Schiffe im Faltpunkt, Sir. Die Sandarer scheinen sich zu formieren und nehmen Kurs in Richtung auf den Faltpunkt Spica/Darthan, beschleunigen mit drei g. Die zweite Welle ist noch nicht formiert, keine gemeinsamen Bewegungen.«
»Senden Sie einen Befehl, dass sie sich beeilen sollen!«
»Jawohl, Sir.«
»Was ist mit der Opposition?«
»Kein Feindschiff im Faltpunkt, Sir. Die Computerauswertung der Sensoren hat sechsundfünfzig Ryall-Schiffe im Wahrnehmungsbereich identifiziert. Die meisten befinden sich offenbar auf den regulären Schifffahrtswegen. Keines ist uns nahe.«
»Gut. Zeigen Sie mir Spica!«
Spica, das Zentralgestirn der Ryall-Hegemonie, war tatsächlich ein Doppelstern. Der größere war ein bläulich weißer Unterriese von der Spektralklasse B 1 von etwa siebenfachem Sonnendurchmesser und elffacher Masse. Sein Begleiter, Alpha Virginis-B, war ein Zwerg der Spektralklasse B 2 mit einer Masse von sieben Sonnen. Die beiden Sterne waren einander nahe genug, dass sie für eine vollständige Umkreisung ihres gemeinsamen Gravitationszentrums nur vier Tage benötigten. Die beiden umarmten einander mit langen spiralartigen Bändern aus Sternmaterial, die zwei individuelle Fusionsbrennöfen in ein komplexes Paar aus glühendem Plasma machte; der kleinere der beiden Sterne war infolge der Gezeitenwirkung merklich eiförmig.
Das ultraviolett geladene Sonnenlicht, die durch das Pulsieren des größeren Sterns bedingten Helligkeitsschwankungen und die Variationen der Partikelstrahlung – bedingt durch die viertägige Orbitalperiode des Doppelsterns – wirkten alle zusammen, um jeden Planeten des Systems aller Hoffnung auf Leben zu berauben. Damit nicht genug, hatte der verschwenderische, bläulichweiße Doppelstern Spica eine Lebenszeit, die in Millionen Jahren statt in Milliarden gemessen wurde – eine unzureichende Zeitspanne, um selbst unter günstigsten Bedingungen die Entwicklung von Leben zu ermöglichen. Spicas Wert lag nicht in lebenspendenden Eigenschaften. Was immer an Planeten den Doppelstern umkreiste, hatte Umweltbedingungen, die mit Sicherheit tödlich für ungeschützte Menschen und Ryall waren. Die Konzentration von 18 Sonnenmassen, verbunden mit der Verzerrung der Raumzeit durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit, waren jedoch nahezu ideal für die Ausbildung von Faltpunkten. Wo Antares, ein sehr viel größerer, aber mehr diffuser Stern vor dem Supernovaausbruch nur ein halbes Dutzend Faltpunkte besessen hatte, besaß Spica deren acht. Und es gab nicht nur mehr Faltpunkte, sondern sie waren dem zentralen Doppelgestirn viel näher, was die Transitzeiten zwischen den Faltpunkten beträchtlich kürzer machte, als dies im menschlichen Herrschaftsbereich als normal angesehen wurde.
Dieser letztere Umstand, nämlich dass Schiffe im Transit nur Tage von einem Faltpunkt zu einem anderen benötigten, statt die Wochen, die in den meisten von Menschen besiedelten Systemen erforderlich waren, hatte lange Zeit den Kriegsanstrengungen der Ryall genützt. Gelang es der Invasionsflotte, alle acht Faltpunkte unter Kontrolle zu bringen, würde dieser Vorteil der Menschheit zufallen. In diesem Fall würden die Ryall gezwungen sein, die weiten Umwege zu machen, um ihre Angriffe durchzuführen. Die Menschheit hingegen wäre in der Lage, ihre Streitkräfte durch den Vorteil der inneren Linien nach den jeweiligen Notwendigkeiten rasch von einem Schwerpunkt zum anderen zu verlagern.
»Schön«, sagte jemand, als der Doppelstern auf dem Bildschirm erschien. Die Gasausbrüche von Protuberanzen waren zahlreich und strömten sichtbar entlang Linien magnetischer Kraft. Gigatonnen von Plasma in turbulenter Bewegung erzeugten ein ständiges tosendes Hintergrundrauschen auf den meisten Radiofrequenzen, das jede Kommunikation in diesen Bereichen unmöglich machte. Glücklicherweise benötigte die Flottenkommunikation nicht diese Frequenzen – das war eines der ungezählten Details, die in die Vorbereitungen für diese größte Entscheidungsschlacht eingegangen waren.
In der Betrachtung der mächtigen Himmelskörper in ihrem immerwährenden Reigen erinnerte sich Drake seiner Überraschung, als man zuerst entdeckt hatte, dass Spica das Kernstück des feindlichen Machtbereiches war. Denn wie alle Sterne mit alten Namen war Spica einer der hellsten am Erdenhimmel – Nummer 17, um genau zu sein. Seit Jahrtausenden hatten seine Vorfahren zu Spica aufgeblickt, wenn der Stern tief am sommerlichen Nachthimmel stand, und sich gefragt, welche Geheimnisse er barg. Hätten sie es gewusst, wären ihre Empfindungen wohl weniger schwärmerisch gewesen.
Die ständig wechselnden Formen der Plasmaeruptionen um das Sternpaar wirkten hypnotisch. Gedankenverloren starrte Drake hinein, als wären es die flackernden Flammen eines Lagerfeuers. Es bedurfte einer bewussten Anstrengung, um die Aufmerksamkeit wieder seinen Aufgaben zuzuwenden.
»Liegen Meldungen vor, Commander?«
»Die zweite Welle verlässt den Faltpunkt, Admiral«, sagte sein taktischer Berater, Commander Jerome Considine. »Die dritte Welle trifft eben ein.«
»Gibt es Erkenntnisse über feindliche Schiffsbewegungen?«
»Wir haben drei Bogeys, die militärisch sein können. Einer davon wahrscheinlich, zwei möglicherweise.«
»Was tun sie?«
»Angriffsabsichten sind nicht zu erkennen, Sir. Vielleicht versuchen sie herauszufinden, wer wir sind.«
»Die wissen, wer wir sind, Commander. Die Glut aus unseren Triebwerken hat unsere Identität verraten, sowie wir beschleunigten.«
»Ja, Sir. Dann würde ich sagen, dass sie den Alarm verbreiten.«
»Das würde ich auch sagen. Sehen wir, ob wir etwas dagegen tun können. Meine Empfehlung an den Kapitän. Sagen Sie ihm, er soll diesen Eimer in Bewegung setzen.«
»Selbstverständlich, Sir.«
Eine Minute später setzte das tiefe Vibrieren der Maschinen wieder ein, und mit ihm hörte die Schwerelosigkeit auf. Es war eine sanfte Hand, die ihn in die weiche Umarmung seines Liegesitzes drückte, und er genoss den Augenblick. Allerdings würde diese sanfte Hand sich bald in die Backen eines stählernen Schraubstocks verwandeln, der ihn zu erdrücken suchte.
»Welche Schiffe haben wir im System, Falada?«
»Wir haben drei Zwölfer Frachter, einen Zwölfer Personaltransport, einige verschiedene Fahrzeuge und zwei andere Jagdschiffe, Schiffmeister.«
»Welche Jagdschiffe?«
» Weitreicher und Heimatsee.«
»Beide vom dritten Rang. Nicht viel, womit wir angesichts der gesamten Flotte der Ungeheuer arbeiten können. Zeig mir die Verteilung all unserer Schiffe.«
Der Bildschirm vor Galatans Liegeplatz leuchtete auf und zeigte ein schematisches Diagramm der Zwillingssonnen. Um die Inselsymbole, die Sterntore waren, lag ein Gesprenkel von Echozeichen.
»Welches Schiff ist das?«, fragte Galatan und wies auf einen kleinen leuchtenden Punkt nahe dem Sterntor nach Darthan.
»Das ist Bewahrer des Kelp, ein Maschinentransporter auf dem Weg von Darthan nach Cor. Er kam vor einem halben Halbzyklus durch das Sterntor.«
»Wie hoch ist seine Geschwindigkeit?«
Der für die Überwachung der Sensoren zuständige Krieger-Techniker las den Wert ab.
»Zu hoch. Er wird niemals rechtzeitig umkehren können. Was ist mit diesem anderen?«
Das zweite Echozeichen gehörte einem Erztransporter, der unterwegs zum Heimatsystem war. Er war doppelt so weit von Cor entfernt wie der Maschinentransporter, aber wenigstens bewegte er sich in die passende Richtung.
»Gib Morgennebel Befehl, dass er seine Ladung abwerfen und mit Höchstgeschwindigkeit das Sterntor ansteuern soll. Mach ihm deutlich, dass dies ein Kriegerbefehl ist und das Schicksal Der Rasse auf dem Spiel steht.«
»Ja, Schiffmeister.«
Galatan studierte die taktische Lage und wählte nacheinander Schiffe aus, die den Alarm durch die Sterntore zu den Welten jenseits davon tragen sollten. In drei Fällen wählte er zwei Schiffe aus. Unterdessen entging ihm nicht, dass die Flotte der Ungeheuer sich aufteilte. Er war nicht überrascht, als sich abzeichnete, dass sie acht Gruppen zu bilden schienen – sieben zur Einnahme der sieben Sterntore außer dem Carratyl-Tor, und einen großen Verband, der kein bestimmtes Ziel zu haben schien. Dies, so viel war ihm klar, würde die Reserve sein. Sie würde in einem zentralen Bereich Position beziehen, wo sie jedes der angegriffenen Sterntore unterstützen konnte, wenn der unvermeidliche Gegenangriff begann.
Während er die Echozeichen der feindlichen Flotte verfolgte, wurde ihm bewusst, dass er die Bedeutung der Zwillingssonnen für die Zivilisation niemals realistisch eingeschätzt hatte. Dieses eine System war der Mittelpunkt, durch den praktisch der gesamte Handelsverkehr zwischen den Heimatwelten lief. Und hier war er, hatte die volle Macht der feindlichen Flotte vor sich, und nur drei Kampfschiffe standen zur Verfügung, um das wichtigste Stück Vakuum im Universum zu verteidigen. Wenigstens hätten die Herrschenden jedes Sterntor mit einem Dutzend schwerer Festungen umgeben sollen.
»Schiffmeister. Malan vom Weitreicher signalisiert.«
»Schick sein Signal zu meiner Station.«
Ein Bildschirm leuchtete auf und zeigte eine vertraute, ergraute Schnauze. »Galatan, alter Freund. Du hast sie gesehen, natürlich.«
»Ich habe, Malan.« Darauf erklärte Galatan die Botschaften, die er ausgesandt hatte, um jenen Schiffen, die den Sterntoren am nächsten waren, die Verbreitung des Alarms zu befehlen. Malan spreizte die Ohren in einem Ausdruck unausgesprochener Zustimmung. »Ich erfuhr das, als ich zum Schiffmeister des Morgennebel durchkam . Er war zornig über den Verlust seiner Ladung.«
»Ich nehme an, du hast ihm die Bedeutung klar gemacht.«
Sein Schiffmeisterkollege stieß ein belustigtes Gurgeln aus.
»Als ich mit ihm fertig war, versuchte er in das Ei zurückzukriechen.«
»Gut.«
»Wie erreichten die Ungeheuer Carratyl?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Galatan. »Meines Wissens gibt es kein Sterntor zwischen diesem System und dem Raum der Ungeheuer.«
»Es muss ein neues Tor gewesen sein, das von diesem verfluchten Bösen Stern in ihrer Region geschaffen wurde.«
Galatan signalisierte seine Zustimmung. Obwohl das Licht der Supernova in der Region der Ungeheuer noch kein von Der Rasse bewohntes System erreicht hatte – es war noch nicht genug Zeit vergangen –, hatten Jene Die Den Himmel Beobachten längst davon gewusst. Sie hatten die These aufgestellt, dass ein explodierender Stern verantwortlich sei, als fremde Sternschiffe erstmals im Heimatraum erschienen. Gefangene Zweibeiner hatten die Vermutung bestätigt. Es war leicht, sich den Tod des Sterns als ein lange vergangenes Ereignis vorzustellen. Es war leicht, aber falsch. Die expandierende Druckwelle der Nova richtete noch in der gesamten Region Verwüstungen an und würde es noch lange tun, nachdem Galatan zum Großen Ei zurückgekehrt war, selbst wenn er es am Ende eines langen Lebens tat – was sehr unwahrscheinlich schien.
»Was werden wir tun, alter Freund?«, fragte Malan.
»Tun?«
»Wo wird unser Leben am besten geopfert, um diese Invasion zu verzögern?«
Das war eine Frage, die Galatan sich bereits vorgelegt hatte. Als Krieger hatte er geschworen, Die Rasse mit seinem Leben zu verteidigen. Das war der Grund, Sinn und Zweck seiner Existenz. Als Abkömmling Tausender Generationen von Jägern, darunter solchen, die den Schnellen Essern in ihre Schlupfwinkel gefolgt waren, konnte er nicht weniger tun. Doch seine Zyklen im Streckverband, während sein von Strahlung verbrannter Körper heilte, hatten ihn grüblerisch gemacht. Vielleicht war es bloße Feigheit, aber er konnte nicht sehen, welchen Nutzen Die Rasse davon haben würde, wenn er in der gegenwärtigen Situation sein Leben und das seines Schiffes opferte.
»Wie ist dein Treibstoffvorrat?«, fragte er.
Malan sagte es ihm.
»Nicht sehr viel.«
»Wir sind auf der Heimreise zur Überholung und Neuausstattung. Du?«
»Frisch aus dem Dock, auslaufend.«
»Dann solltest du den Angriff auf die nächste Gruppe führen. Wir werden dich unterstützen. Vielleicht können wir Heimatsee bewegen, sich uns anzuschließen.«
»Ich werde nicht angreifen.«
Der Schock in den Augen seines alten Freundes war offensichtlich.
»Wir müssen!«, erwiderte Malan. »Die Rasse hängt von uns ab.«
»Zu welchem Zweck? Können wir auch nur einen Herzschlag gegen irgendeine der Gruppen überleben, die jetzt im Begriff sind, die Sterntore zu besetzen?«
»Schlägst du vor, dass wir die Flucht ergreifen und in Sicherheit schwimmen?«
»Nein, alter Freund. Ich schlage vor, dass wir unseren Treibstoff verbrauchen, um Geschwindigkeit in Richtung des Himmelsdrachens zu gewinnen«, sagte er mit Bezug auf das auffallendste Sternbild am Himmel von Darthan, das sogar hier im Bereich der Zwillingssonnen noch zu erkennen war.
»Das ist fort vom Feind.«
»So ist es, und wenn wir genug Geschwindigkeit gewinnen, werden sie kaum die Energie verausgaben wollen, um uns zu verfolgen.«
»Du willst davonlaufen?«
»Ich möchte am Leben bleiben, um Jenen Die Herrschen zu dienen, sobald der Feind durch die Sterntore vorbricht. Die daheim werden nicht wissen, was sie erwartet. Indem wir unsere Schiffe nicht wegwerfen, können wir ihnen wichtige taktische Information geben, wenn die Zeit kommt. Es kann der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage sein.«
»Ich denke, du suchst eine Scheinbegründung für deine Feigheit, mein Freund.«
»Gebrauche dein Gehirn, Malan. Wir können jetzt angreifen und zerstört werden, oder wir können uns zurückziehen, den rechten Augenblick abwarten und von Nutzen sein, wenn Jene Die Herrschen unsere Flotte zusammenrufen und die Blockade durchbrechen. Wenigstens können wir unsere Schiffe für diesen Kampf retten. Willst du, dass unsere Flotte blind angreift?«
»Sie wird blind angreifen, ob wir hier sind oder nicht.«
»Aber wir werden imstande sein, ihnen zu signalisieren, sobald wir durch das Tor kommen. Wir können sie auf die Verteilung und die Stärke der Ungeheuer aufmerksam machen. Allein diese Information würde das Opfer einer kleinen Flotte wert sein.«
»Deine Verletzungen haben dir den Verstand benebelt. Ich schlage vor, dass du das Kommando über dein Schiff deinem Zweiten Schiffmeister übergibst und dich wieder ins Einweichbecken legst.«
Galatan unterdrückte den Zorn – und die Scham –, die Malans Worte erzeugten. »Tue, was du für richtig hältst, alter Freund. Mein Schiff wird sofort beginnen, in die Richtung des Himmelsdrachens zu beschleunigen.«
»Lebe wohl, Schiffmeister Galatan«, sagte Malan förmlich und zeigte damit seine Missbilligung. »Mein Schiff und ich werden dem Feind entgegenschwimmen.«
Die Plötzlichkeit, mit der das Signal endete, war genauso ein Tadel, wie wenn Malan ihn angezischt hätte. Galatan empfand tiefe Traurigkeit bei dem Gedanken, dass sein Freund in den Tod ging und schlecht von ihm dachte. Jeder Instinkt drängte ihn, sich zusammen mit Malan in einem todesverachtenden Angriff auf die Gruppe zu werfen, die Kurs auf das Tor nach Darthan genommen hatte. Nur sein Intellekt sagte ihm, dass es falsch sein würde. Ein letztes Mal überlegte er, was er tun sollte, dann berührte er den Schalter, der seine Stimme zu allen Mitgliedern seiner Besatzung tragen würde. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, und fand, dass kein Ton herauskommen wollte. Er versuchte es wieder ...
Der Befehl, den er schließlich gab, war der schwierigste seines ganzen Lebens.