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Als Erster verließ Richard Drake die Enge des Landungsboots und trat über den Süllrand der Luftschleuse hinaus auf eine Plattform, die etwas mehr als zwei Meter über dem Boden der hell beleuchteten stählernen Halle des Hangars lag. Die Leichtigkeit seines Schrittes ließ vermuten, dass das lokale Schwerefeld ungefähr ein Drittel Standard war, was zu der Rotationsrate der Avenger und seinem Aufenthaltsort in bezug auf die Zentralachse des Schlachtschiffes passte. Sein Atem dampfte, als er die kalte Luft tief einsog. Sie hatte einen trockenen, metallischen Geschmack und entsprach damit der üblichen Luft, wie sie aus den Wiederaufbereitungsanlagen von Raumfahrzeugen kam. Dieser charakteristische Geruch wurde besonders intensiv empfunden, kurz nachdem ein dem Vakuum ausgesetzter Raum wieder unter Druck gesetzt wurde. Drake fand die Kombination von geringer Schwerkraft und kalter Luft erfrischend. Er ließ seinen Blick durch das Innere des Hangars schweifen.

Der Bughangar von Royal Avenger war eine zylindrische Halle von etwa dreißig Metern Durchmesser und dreißig Metern Länge. Das vordere Tor wies einen komplizierten Mechanismus auf, der die beiden halb runden Flügel zurückklappte. Achtern schloss ein Schott mit einem weiteren Tor von zehn Metern Durchmesser den Hangar ab. Gegenwärtig war dieses luftdicht verschließbare Tor, das in die inneren Räume des Schiffes führte, geschlossen. Wäre der Hangar leer gewesen, so hätten seine zwanzigtausend Kubikmeter umschlossenen Raumes beängstigend wirken können. Gegenwärtig aber war auf dem zylindrischen Deck kaum genug Raum für die Molière.

Drakes Blick überflog das gute Dutzend Hilfsfahrzeuge, die im Hangar untergebracht waren. Direkt über ihm befanden sich vier kleine bewaffnete Aufklärer, deren Bauart jenen ähnelte, die an Bord der Discovery mitgeführt wurden. Das Fehlen aerodynamischer Konfigurationen kennzeichnete sie als Fahrzeuge, die für Operationen im Vakuum gebaut waren. Neben ihnen waren zwei gedrungene Rümpfe mit kurzen Tragflächen und Leitwerken, Raumtransporter, die Menschen und Material zur Oberfläche einer terrestrischen Welt und zurück befördern konnten. Neben Molières Tragflächenenden lagen mehrere Orbital-Arbeitsfahrzeuge für zwei und vier Mann Besatzung festgezurrt an Deck. Einige Liegeplätze waren leer; ob die Fahrzeuge im Bereich der Flotte Arbeiten verrichteten oder nur verlegt worden waren, um Raum für das altanische Landungsboot zu schaffen, war für Drake nicht festzustellen. Beeindruckt von der Zahl und Verschiedenartigkeit der sandarischen Ausrüstungen, wandte Drake seine Aufmerksamkeit den Sandarern selbst zu.

Zum Empfang war am Fuß der Treppe, die von der Rollplattform hinabführte, eine Ehrenformation angetreten, bestehend aus einer Doppelreihe von Marineoffizieren und einem zivilen Würdenträger. Drake erkannte Admiral Gower in der ersten Reihe. Zwei Plätze neben dem Admiral stand ein junger Mann in der Uniform eines Fähnrichs. Drake hatte Phillip Walkirk ja vor zwei Jahren während seines Besuches in Sandar kennen gelernt. Aber selbst wenn er den Kronprinzen nicht wiedererkannt hätte, wäre die Aufnahme des jungen Mannes in die erste Reihe der Ehrenformation Hinweis genug gewesen. Hinter den hochrangigen Offizieren stand eine zweite Reihe von Offizieren mittlerer Rangstufen. Den Offizieren gegenüber hatte eine Abteilung sandarischer Marinesoldaten Aufstellung genommen. Ihre scharlachroten Uniformen, spiegelblanken Helme und glänzenden Stiefel funkelten im Licht der Bogenlampen. Die Soldaten standen stramm und präsentierten ihre elektromagnetischen Gewehre. Drake stieg vorsichtig die Stufen hinunter auf das Deck und schritt auf Admiral Gower zu. Zwei Schritte vor dem Admiral nahm er Haltung an und salutierte.

»Fleet Captain Richard Arthur Drake, altanische Raumstreitkräfte, meldet sich zum Dienst, Sir!«

Gower erwiderte die Ehrenbezeigung mit millimetergenauer Präzision, dann streckte er Drake die Hand hin.

»Ich habe mich darauf gefreut, den Helden der Schlacht um Sandar persönlich kennen zu lernen, Fleet Captain«, sagte Gower. »Mein König bat mich, seinen ewigen Dank für Ihren Beitrag zur Abwehr des Ryallangriffs auf unsere Welt auszusprechen.«

»Viele Männer waren damals Helden, Admiral«, antwortete Drake. »Der Sieg gehörte ihnen allen, besonders jenen, die während des Abwehrkampfes ihr Leben gaben.«

Gower nickte. »Uns sind die Opfer, die Alta unseretwegen brachte, wohl bewusst. Ich kann Ihnen versichern, dass die Namen all Ihrer Gefallenen in die Liste unserer geehrten Toten mit aufgenommen worden sind.«

Drake lächelte. »Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, werde ich in unseren Schiffen eine Bekanntmachung dieses Inhalts anschlagen lassen.«

»Erlaubnis gewährt«, erwiderte der Admiral. »Aber genug von der Vergangenheit. Die Zeit ist gekommen, da wir unseren Verpflichtungen nachkommen müssen. Sind Ihre Leute bereit, in den Nebel vorzudringen?«

»Mit Feuereifer, Sir. Sie brauchen nur den Befehl zu geben.«

»Das werde ich tun, aber erst nachdem ich mich vergewissert habe, dass unsere zwei Flotten reibungslos zusammenarbeiten können. Zu diesem Zweck werden wir morgen um acht Uhr ein zweiwöchiges Flottenmanöver beginnen.«

»Wir werden bereit sein, Sir.«

»Einstweilen habe ich ein kleines Bankett für unsere Stabsoffiziere vorgesehen. Ich fürchte, die Küche ist nicht sehr verfeinert, aber der Mangel an Delikatessen sollte durch die Kameradschaft mehr als ausgeglichen werden.«

»Ich bin überzeugt, dass das Essen vorzüglich sein wird, Admiral.«

Gower wandte sich an den Offizier neben sich. »Fleet Captain Drake, ich habe die Ehre, Sie mit Commodore Valor Rossmore bekannt zu machen, Ritter von Rossmore und mein Stabschef.«

»Commodore.«

»Fleet Captain.«

Gower nahm Drake beim Ellbogen und führte ihn die Reihe der angetretenen Offiziere entlang. »Seine königliche Hoheit, Fähnrich Phillip Walkirk, Kronprinz von Sandar, Herzog von Cragston und erblicher Wildhüter des Schutzgebietes Alsenan.«

»Königliche Hoheit«, sagte Drake und verbeugte sich knapp.

»Zu Ihren Diensten, Sir«, erwiderte Fähnrich Walkirk.

»Graf Victor Husanic, Vorsitzender des Stabes königlicher Berater und der persönliche Vertreter Seiner Majestät auf dieser Expedition.«

Graf Husanic war ein hoch gewachsener weißhaariger Mann mit faltigem Gesicht und von gebeugter Haltung. Drake schätzte sein Alter auf mindestens sechzig Standardjahre, und er war überrascht, dass die Sandarer einen solchen Mann den extremen Belastungen aussetzten, denen Kriegsschiffbesatzungen bisweilen zwangsläufig unterworfen waren. Er nickte dem Adligen zu. »Graf Husanic.«

»Fleet Captain Drake«, erwiderte der andere, »auch ich möchte Ihnen meine Anerkennung dafür aussprechen, was Sie während der Schlacht um Sandar taten. Sie haben meiner Welt zuliebe ein erhebliches Risiko auf sich genommen, dem Sie sich mit Leichtigkeit hätten entziehen können.«

»Es schien, dass wir damals keine andere Wahl hatten, Sir.«

Admiral Gower räusperte sich gedämpft, und Drake warf ihm einen Blick zu.

»Graf Husanics Sohn nahm unter Commodore Bardak an der Schlacht teil, Captain«, sagte der Admiral leise.

»So?«, fragte Drake. »In welchem Schiff?«

» Warwind, zweite Welle«, antwortete Husanic. Drake nickte ernst, als er begriff. Die Streitkräfte, welche den eindringenden Ryall entgegengeworfen wurden, bestanden aus drei Angriffswellen. Die erste und dritte Welle hatte während der Schlacht schwere Verluste erlitten. Die zweite Welle war bis zum letzten Schiff vernichtet worden.

»Mein Beileid zu Ihrem Verlust«, sagte Drake mit gedämpfter Stimme.

Husanic nickte ernst. »Ich danke für Ihr Mitgefühl, Captain. Ich fürchte, das vergangene Jahrhundert hat Sandar allzu viele Verluste abverlangt. Vielleicht wird diese Expedition das ändern.«

»Ich hoffe es, Sir.«

»Nun, Captain Drake«, sagte Admiral Gower, »ich denke, es ist Zeit, dass wir Ihre Leute kennen lernen.«

Die Vorstellung seiner Mannschaft nahm weitere zehn Minuten in Anspruch. Nachdem Bethany Lindquist und Stan Barrett dem Admiral, dem Kronprinzen und Graf Husanic vorgestellt worden waren, wurden die weiteren Vorstellungen eine Art Ritual. Die altanischen Offiziere schritten die Stufen von der Plattform herab und begrüßten der Reihe nach ihre angetretenen sandarischen Offizierskameraden. Jedem Ankömmling wurde dann ein sandarischer Offizier zugeordnet, der Gelegenheit erhielt, ein paar Höflichkeiten mit ihm auszutauschen, bevor der Admiral anregte, dass die sandarischen Offiziere ihre Gäste durch das Schiff führten. Darauf verließen sie den Hangar zu zweit oder zu viert durch die luftdichte Tür im Schott, und als die letzten seiner Leute das Ritual hinter sich gebracht hatten, entdeckte Drake, dass seine Gruppe auf drei Personen zusammengeschmolzen war: ihn selbst, Bethany und Stan Barrett. Bis auf die steif und starr ihre Gewehre im Präsentiergriff haltende Abteilung der Marinesoldaten war auch die Zahl der Sandarer geschrumpft. Admiral Gowers Gruppe bestand aus ihm selbst, dem Kronprinzen und Graf Husanic.

»Ich dachte, wir sechs würden einen Rundgang zur Brücke machen, Captain«, verkündete Gower, »worauf wir uns für ein paar Gläser in meine Kajüte begeben werden, bevor das Abendessen serviert wird. Seine Majestät war so gütig, Royal Avenger mit Wein aus seinen privaten Kellern zu bevorraten. Ich denke, Sie werden ihn recht gut finden.«

»Ich bin bereit, die beiden Botschafter zu unterhalten, wenn Sie und Captain Drake über politische und taktische Fragen sprechen möchten, Sergej«, erbot sich Graf Husanic.

»Dafür wird später noch genug Zeit sein, Victor«, erwiderte der Admiral. »Außerdem sind Sie, Miss Lindquist und Mr. Barren die eigentliche Macht hinter den Kulissen dieser Expedition, nicht wahr?«

»Manchmal frage ich mich, ob es wirklich so ist«, erwiderte der ältere Mann. »Nach meiner Erfahrung ist es den Militärs am liebsten, wenn wir Zivilisten unsere Meinungen für uns behalten.«

»Bitte, Victor, Sie schockieren unsere Gäste mit solchem Zynismus. Ich bin sicher, dass Captain Drake kein Befürworter militärischer Vorherrschaft ist.«

»Nein, Sir. Wir Altaner sind von Kindheit auf in der alten Tradition ziviler Kontrolle über das Militär erzogen worden.«

»Tatsächlich?«, fragte Husanic mit leichtem Lächeln. »Sie würden sich wundern, wenn Sie wüssten, wie jung die Entwicklung dieser Tradition ist.«

»Sie sprechen wie ein Historiker, Graf«, sagte Bethany.

»In einer bescheidenen Weise bin ich es, Milady.«

»Ich auch!«

»Wirklich?« Die Augen des alten Grafen leuchteten erfreut auf. »Welches ist Ihr Spezialgebiet?«

»Die neuere Geschichte der Erde, Sir.«

»Ausgezeichnet! Das ist auch mein Laster, obwohl ich bekennen muss, dass ich heutzutage allzu wenig Zeit habe, ihm zu frönen. Würden Sie einem alten Mann gefällig sein und beim Bankett heute Abend neben mir sitzen? Es kommt nicht oft vor, dass ich Gelegenheit finde, mit einem Berufshistoriker über meine Liebhaberei zu sprechen.«

»Es ist mir eine Ehre, Sir.«

Der Graf bot Bethany den Arm und führte sie durch die Tür ins Innere des Schiffs. Die übrigen vier schlossen sich ihnen an. Drake ging an Admiral Gowers Seite, während Stan Barrett dem Kronprinzen Gesellschaft leistete.

Sobald sie die bewohnten Bereiche des Schlachtschiffes betraten, fand Richard Drake Grund zur Beunruhigung. Rasche Blicke in einige der Abteilungen, die vom Korridor ausgingen, bestärkten ihn in seiner Überzeugung, dass die Royal Avenger ein älteres Schiff war, als er gedacht hatte. Wohin er auch sah, überall gab es Zeichen umfangreicher und neuerer Veränderungen und Umbauten, Spuren alter Anlagen, die herausgerissen worden waren, um neuen Platz zu machen. Der Gesamteindruck war der eines Schiffes, das schon bessere Zeiten gesehen hatte.

Nicht, dass die Avenger unsauber oder vernachlässigt gewesen wäre. Das Schiff war sauber genug, um von den Decks zu essen. Jede Oberfläche schien erst kürzlich gestrichen, alle Armaturen waren poliert und glänzten, und sogar die Luftfilter der Ventilatoren waren frei von verräterischen Staubansammlungen. Aber die Ausrüstung war alt, und vieles schien fehl am Platz. An manchen Stellen waren die Narben von Schweißnähten noch unter der frischen Farbe sichtbar. Selbst die stählernen Decks trugen die Spuren jahrzehntelanger Benutzung.

»Wie alt ist die Royal Avenger, Admiral?«, fragte Drake, als sie einen langen Korridor durchschritten, der alle zehn Meter von der luftdichten Tür eines Schotts unterbrochen wurde.

»Das Schiff wurde vor fünfundsechzig Standardjahren in Dienst gestellt«, antwortete Gower. »In den letzten dreißig Jahren war es eingemottet in einer Umlaufbahn. Wir stellten es eigens für diese Expedition wieder in Dienst. Keine Sorge, Captain. Die Royal Avenger ist alt, aber sie kann noch kämpfen.«

»Ja, Sir«, sagte Drake. Er war überrascht, welche Bestürzung er über die Bestätigung seines Verdachts empfand. Schließlich konnte sein eigenes Schiff auf eine stolze Geschichte zurückblicken, die annähernd 150 Jahre umspannte. Mit welchem Recht kritisierte er ein Schiff, das während des vergangenen Jahrhunderts gebaut worden war? Dennoch sorgte er sich, weil die Sandarer offenbar so knapp an Schiffen waren, dass sie sich gezwungen sahen, dieses Relikt wiederzubeleben.

Die Feuerleitzentrale des Schiffes war eine Abteilung, die keine Anzeichen von Alter erkennen ließ. Alle Geräte und Anlagen schienen nagelneu zu sein. Die meisten waren moderner als alles, was Alta besaß, ein sichtbarer Hinweis auf den technischen Rückstand, den Alta während der langen Isolation erlitten hatte. Drake überblickte die Reihen der Arbeitsstationen aus dem glasverkleideten Befehlsstand des Admirals und beobachtete mit Interesse die Aktivitäten der Leute an den Konsolen. Gleichzeitig lauschte er mit halbem Ohr den Erläuterungen, die Admiral Gower Bethany und Stan Barrett gab.

»Nun, die Feuerleitzentrale überwacht jeden Aspekt eines Gefechts. Die Konsolen stehen in Verbindung mit sechs großen Rechnern. Sie werten die Daten der Sensoren aus, verfolgen die Bewegungen des Gegners und liefern ständig aktualisierte Prognosen seiner wahrscheinlichen Strategie. Diese Prognosen und die übrigen Daten wie Entfernung, Geschwindigkeit und so weiter werden koordiniert und steuern den Waffeneinsatz. Ich verfolge den Gefechtsverlauf hier ...« Er zeigte zu einem würfelförmigen Hologramm, das eine Seitenlänge von zwei Metern aufwies. »Wenn ich es für erforderlich halte, kann ich Korrekturen der Taktik anordnen, die dann von den Computern zur Grundlage der weiteren Berechnungen und Entscheidungen gemacht werden.

Übrigens, Drake, ich brauche sechs Ihrer besten Offiziere zur Einarbeitung in Positionen meines Gefechtsstabes.«

»Ich werde die Dienstpläne durchgehen und Ihnen morgen um diese Zeit die Namen mitteilen.«

»Ausgezeichnet! Selbstverständlich werde ich Ihnen sechs meiner Offiziere überstellen, auf dass sie an ihre Stelle treten.«

»Admiral«, sagte Stan Barrett, »Sie sprechen, als erwarteten Sie irgendwann im Laufe dieser Expedition einen Angriff der Ryall.«

»Nein, Mr. Barrett, das ist nicht der Fall. Ich bin jedoch der Meinung, wir sind für den Fall, dass solch ein Angriff erfolgen sollte, vorbereitet.«

»Aber sicherlich werden wir ungefährdet sein, sobald wir in den Ringnebel eintreten.«

»Warum sagen Sie das?«

»Es versteht sich von selbst«, sagte der altanische Botschafter. »Nur durch einen unwahrscheinlich glücklichen Zufall entdeckten wir, dass der Ringnebel befahrbar ist. Solange die Ryall nicht ihre eigene Version des Conqueror Zwischenfalls haben, sollten sie ein solches Unternehmen für unmöglich halten.«

»Haben Sie schon daran gedacht, dass die Ryall möglicherweise Zeugen waren, wie Conqueror in den Ringnebel vorstieß?«

»Dann werden sie glauben, dass das Schiff vernichtet wurde.«

»Angenommen, ein Schiffskapitän oder Navigator der Ryall würde sich für den Fall interessieren und ein paar Berechnungen anstellen, um zu sehen, was mit einem Schiff geschieht, das in den Nebel vordringt?«

»Nun«, meinte Barrett, »ich denke, er würde erkennen, dass ein verbessertes Feld zur Strahlenabschirmung einem Schiff das Überleben im Innern des Ringnebels ermöglichen würde.«

»Richtig«, antwortete Gower. »Und für diesen Fall werden wir uns bereithalten.«

Das Begrüßungsbankett fand in der Offiziersmesse auf dem äußeren Deck statt. Die Rotationsrate der Royal Avenger war so, dass die Gravitation im Bereich der äußeren Hülle 0,95 Prozent der Erdschwere betrug – das war der genaue Wert für Sandars Oberfläche. Wie alle bewohnten Räume an Bord des zylindrischen Schiffes war die Offiziersmesse für einen häufigen Wechsel zwischen der ›außen ist unten‹ – Orientierung der Rotation mit der ›achtern ist unten‹ – Orientierung des Fluges mit arbeitenden Triebwerken eingerichtet. Zwei lange Metalltische waren auf das leicht gekrümmte Deck geschraubt und standen parallel zueinander. Beschläge am rückwärtigen Schott zeigten, wo sie verschraubt wurden, wenn das Schiff mit arbeitenden Triebwerken beschleunigte.

Admiral Gower und seine Gruppe trafen zwei Minuten vor 20:00 Uhr in der Offiziersmesse ein. Der Raum war bereits voll mit altanischen und sandarischen Offizieren, von denen viele in angeregter Unterhaltung miteinander waren. Einige der sandarischen Offiziere waren Frauen, und diese waren ausnahmslos Mittelpunkte der größten Gruppierungen. Als Drake seinen Platz in der Mitte des Tisches ansteuerte, fing er Gesprächsfetzen auf und war erfreut, wie gut die beiden Nationalitäten miteinander auszukommen schienen. Mit dem Eintreffen des Admirals legte sich das Stimmengewirr, die versammelten Offiziere suchten die ihnen zugewiesenen Plätze an den beiden Tischen auf und setzten sich. Marinesoldaten, die als Stewards dienten und weiße Jacken trugen, bewegten sich die Tische entlang, füllten Weingläser und stellten Teller mit Appetithappen auf die weißgedeckten Tische. Nach einigen Minuten erhob Admiral Gower sich von seinem Platz und klopfte mit einem Löffel an sein Weinglas.

»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten.« Sofort wurde es still, als Gower die Gesichter seiner Zuhörer überflog. Dann nickte er zufrieden und fuhr fort: »Meine Damen und Herren. Jenen unter Ihnen, die von Alta gekommen sind, entbiete ich unser Willkommen. Ich hoffe, dass Sie seit Ihrer Ankunft etwas vom Flaggschiff gesehen haben und dass Sie mehr sehen werden, bevor Sie zu Ihren eigenen Schiffen zurückkehren. Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, sie zu stellen. Das ist der einzige Weg, wie Sie mehr über uns erfahren können.

Zunächst eine allgemeine Bemerkung. Jeder von Ihnen verdient beglückwünscht zu werden. Sie haben Ihren Platz in dieser Expedition verdient, weil Sie die Besten sind, die unsere Völker und Welten aufzubieten haben. Und Sie müssen die Besten sein, weil wir eine übermenschliche Aufgabe vor uns haben. Diese Aufgabe wird vielerlei Aspekte offenbaren und unser aller vollen Einsatz erfordern.

Unsere vordringliche Aufgabe wird es sein, unsere verschiedenen Flotten zu einem einzigen Instrument zusammenzuschweißen. Das sollte nicht schwierig sein, schließlich stammen unsere Völker beide vom guten alten Schlag von New Providence ab. Wir haben eine gemeinsame Herkunft, Geschichte und Tradition. Und wir haben noch etwas gemeinsam: Wir bekämpfen denselben unerbittlichen Feind. Geteilte Gefahr hat sich immer als ein mächtiges Bindemittel erwiesen, und ich erwarte, dass es auch diesmal nicht anders sein wird.

Es wäre jedoch töricht, wenn wir unsere Augen vor der Tatsache verschließen würden, dass unsere Völker sich in den vergangenen annähernd hundertdreißig Jahren auseinander entwickelt haben. Wir Sandarer sind im Krieg gehärtete Monarchisten, und ihr Altaner werdet uns wahrscheinlich für zu autoritär, gefühllos und zynisch halten. Wenn Sie den Schlüssel zu unseren Persönlichkeiten finden wollen, müssen Sie sich vergegenwärtigen, dass kein heute lebender Sandarer jemals etwas anderes als Krieg und Kampf gekannt hat. Ihr Altaner seid parlamentarische Demokraten, die niemals mit den Notwendigkeiten und Folgen der Kriegführung konfrontiert worden sind. Es ist anzunehmen, dass wir in Ihnen gewisse Dinge vermissen werden, die wir als militärische Tugenden betrachten.

Dass es Reibungen zwischen uns geben wird, ist unvermeidlich. Wenn es geschieht, bitte ich Sie, dass jeder von Ihnen dem anderen etwas zugute halten und sich um Verständnis bemühen wird. Vergegenwärtigen wir uns stets, dass unsere einzige Sicherheit in guter Zusammenarbeit miteinander liegt.« Gower legte eine Pause ein, um seine Worte ins Bewusstsein der Zuhörer dringen zu lassen. »Nun, ich glaube, Ihr Vizekommandeur hat Ihnen noch etwas zu sagen.«

Drake stand auf und sprach von der Erde und den starken Flotten, die der Interstellare Rat aussenden würde, um den beiden Kolonien zu helfen, sobald die Verbindung wiederhergestellt wäre. Er sprach von der endgültigen Vertreibung der Ryall aus dem Aezersystem und dem Raum der Menschheitshegemonie. »Uns, die wir hier versammelt sind, ist die Aufgabe zugefallen, die Menschheit wieder zu vereinigen«, schloss er. »Lassen wir uns kein Versäumnis unserer Pflichterfüllung zuschulden kommen.«

Admiral Gower hob sein Weinglas und bedeutete den anderen, es ihm gleichzutun. »Meine Damen und Herren, auf Seine Majestät den König und Seine Exzellenz, den Ministerpräsidenten. Möge Gott ihnen Weisheit, ein langes Leben und den Sieg gewähren!«

Als der erste Toast ausgebracht war, hob Drake sein Glas und sagte: »Auf die Erde!« Die Wände dröhnten, als zwei Dutzend Stimmen seine Worte wiederholten.