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Der Bildschirm an Bord des Schlachtschiffes Conqueror II der altanischen Marine leuchtete von geisterhaftem Feuer; seine Ursache waren energiereiche Partikel, die auf den Strahlenschutz prallten. Die Abschirmung absorbierte sowohl aufgeladene Partikel als auch hochenergetische elektromagnetische Strahlung, die vom Röntgen- bis in den Gammabereich ging und in tödlichen Dosen vom rasend schnell rotierenden Neutronenstern im Mittelpunkt des Nebels ausgestoßen wurden. Die von der Abschirmung absorbierte Strahlung wurde im sichtbaren Spektrum zurückgestrahlt und bildete wie ein permanentes Nordlicht schimmernde und sprühende Flächen multichromatischer Lumineszenz. Innerhalb der mit Energie aufgeladenen Umgebung des Antaresnebels leuchtete die Flotte wie eine Kette winziger schillernder Seifenblasen in einem höllischen Ozean. Eine spannungsreiche Woche war verstrichen, seit Conqueror II und ihre Begleitschiffe in den Nebel eingetreten waren. Einen Augenblick schwebten sie in der Schwärze des Weltraums, tief unter sich die gelblich weiße Kugel Napiers, im nächsten waren sie tief im leuchtenden Gas und Staub des Nebels, in dessen Zentrum der winzige Dynamo des Neutronensterns Antares ein ferner blendend weißer Punkt war. In den Teleskopen konnte man beobachten, dass der Reststern beinahe jede Minute von gewaltigen Explosionen heimgesucht wurde. Weiß glühendes Plasma wurde in den Himmel hinausgeschleudert, nur um auf die glühende Oberfläche zurückgerissen zu werden, bevor die Geysire aus Feuer Gelegenheit gehabt hatten, sich voll zu entwickeln. Das rapide rotierende Magnetfeld des Sterns riss sie wieder herunter.
Der Antares/Napier-Faltpunkt lag nahe seiner Praenova-Position hoch über dem Neutronenstern. Ziel war der Faltpunkt Antares/Eulysta, nur 200 Millionen Kilometer entfernt. In jedem normalen System hätten sie in eine flache, hyperbolische Umlaufbahn beschleunigt und gerade daraufzugehalten. Unglücklicherweise war in dieser Hölle von Strahlungen, die das Innere des Nebels ausmachte, nichts so einfach wie es schien. Der Neutronenstern strahlte jede Sekunde viele Gigawatt Energie ab, deshalb war es gefährlich, eine Annäherung von weniger als 700 Millionen Kilometern zu riskieren. Trotz der Tatsache, dass sie unsichtbar war, war sich jeder Bordastrogator der imaginären gekrümmten Oberfläche bewusst, welche die äußere Grenze der »Todeszone« markierte, jenes Raumvolumens um den Neutronenstern, innerhalb dessen ihr Strahlenschutz nicht mehr Sicherheit bieten würde als ein Blatt Seidenpapier. Deshalb führten Conqueror und der Rest der ersten Welle ein Manöver aus, das einer großen Schleife um die Peripherie des Nebels glich, als sie ihren Absprungpunkt ansteuerten. Dass dieses Manöver notwendig war, um am Leben zu bleiben, vermochte Richard Drakes Nerven nicht zu beruhigen. Er war ein Neuling im Flottenkommando und erfüllte seine Aufgabe mit gemischten Gefühlen. Conqueror II war das Flaggschiff der Invasionsflotte. Wie jedes Flaggschiff seit jener fernen Zeit, als die Griechen die Perser bei Salamis schlugen, beherbergte es zwei getrennte Kommandostrukturen. Ein Kapitän Erster Klasse namens Pelham Carter befehligte die Conqueror II. Er und Drake hatten früher schon zusammen gedient – einmal an Bord der Discovery, wo Carter Zweiter Offizier unter Drake gewesen war, und davor an Bord des Zerstörers Parthenon, wo sie beide zusammen Lieutenants gewesen waren.
Carters Aufgabe war es, das Schlachtschiff zu fliegen und im Kampf zu befehligen, während der strategische und taktische Einsatz der Kampfgruppen dem Admiral und seinem Stab vorbehalten blieb. Um die Invasion als Ganzes zu überblicken und zu jeder Zeit über die Positionen und Fortschritte der einzelnen Kampfgruppen im Bilde zu sein, wurde Drake von annähernd hundert Stabsoffizieren und Helfern unterstützt. Diese bildeten die Flotteneinsatzleitung FEL und lieferten dem Admiral die Informationen, die er benötigte, um jederzeit über die Gesamtentwicklung der Schlacht im Bilde zu sein. Die FEL hätte an Bord eines jeden Schlachtschiffs der Flotte sein können und konnte tatsächlich im Notfall innerhalb kurzer Zeit auf ein anderes Schiff verlegt werden. Soweit es Drake betraf, war die Conqueror nur ein farbig leuchtendes Symbol unter vielen in seiner holographischen Lagedarstellung und konnte wie die anderen Einheiten überall dort eingesetzt werden, wo sie im Verlauf der Operation benötigt wurde. Sein Problem als Admiral bestand darin, dass seine Untergebenen zu tüchtig waren. Sie verrichteten ihre Arbeit ohne Anleitung und überließen sehr wenig seiner Entscheidung. Zwar wusste er, dass sich das nach dem ersten Kontakt mit den Ryall ändern würde, aber einstweilen lief alles an ihm vorbei und er hatte kaum etwas zu tun. Nach 160 Stunden im Antaresnebel war er drauf und dran, die Wände hochzugehen. Weil das für einen Admiral ungebührlich wäre, gab er sich notgedrungen damit zufrieden, an seinem Platz zu sitzen und gelangweilt dreinzuschauen.
»Gibt es schon etwas, Carey?«, fragte er den Nachrichtenoffizier, der zu seiner Rechten an der Konsole saß. Zu den Vorrechten des Flottenbefehlshabers gehörte der Adlerhorst, ein privater Arbeitsplatz unter einer Panzerglaskuppel, hoch über der Flotteneinsatzleitung, wo er ungestört und in Ruhe seine Entscheidungen treffen und Befehle erteilen konnte. Drake schauderte bei dem Gedanken. Er bevorzugte das geschäftige Hauptdeck der Flotteneinsatzleitung, wo er von seinem Stab umgeben war. Die Konsole, an der er saß, war normalerweise der Platz seines Stabschefs, aber Commander Parkinson war zur Zeit für die mittlere Wache eingeteilt und gab seinem Admiral die willkommene Gelegenheit, inmitten des Geschehens zu sein.
»Nein, Sir. Kein Kontakt mit Gruppe Antares. Die Entfernung ist noch etwas zu weit für unsere Laser. In dieser Suppe ist ihre Reichweite erheblich reduziert. Zweifellos wird sich die Gruppe Antares bei uns melden, sobald sie Kontakt herstellen kann.«
»Danke«, sagte Drake. Er hätte gern mehr gesagt, hielt sich aber zurück, um seine Ungeduld zu verbergen. Stattdessen sah er sich im Zentralraum der Einsatzleitung um. Die Veränderung in nur acht Wochen war auffallend. Als sie Alta verlassen hatten, war ein volles Viertel der Datenanschlüsse außer Betrieb gewesen, bei vielen hatten Bündel von Kabeln aus den abgenommenen Verkleidungen gehangen, und die Bildschirme anderer hatten nichts als vielfarbig flimmernde Störungsbilder gezeigt. Die vorzeitige Abreise hatte bedeutet, dass eine Menge Arbeit unterwegs erledigt werden musste, aber endlich hatten sie den großen Zylinder mit seinen großen Auslegergondeln einsatzbereit gemacht.
Conqueror II und ihre Begleitschiffe, die hundert Jahre alten Schlachtkreuzer Discovery, Dagger und Dreadnought zusammen mit Dutzenden neuerer Schiffe, die im Laufe der letzten drei Jahre aus den orbitalen Werften gekommen waren, hatten Alta unmittelbar nach Eingang der Meldung verlassen, dass die Ryall in den Nebel eingedrungen waren.
Und sie waren nicht allein.
Überall im Hegemonialbereich der Menschen hatte die Meldung, dass die Ryall in den Nebel eingedrungen waren, fieberhafte Aktivität ausgelöst. Mehr als tausend Schiffe hatten in aller Eile Personal, Munition und Konsumgüter an Bord genommen und aus ihren Umlaufbahnen den jeweils nächsten Faltpunkt angesteuert. Schlachtschiffe, Kreuzer, Zerstörer, Fregatten, Hochgeschwindigkeitsaufklärer und Dutzende von spezialisierten Versorgungsschiffen waren zu den Systemen um Antares geströmt. Die Schiffe von der Erde und den Welten am östlichen Rand des von Menschen besiedelten Raumes versammelten sich im System Goddard, während die Koloniewelten Alta und Sandar ihre Flotten über Napier und New Providence schickten. Andere Flotten versammelten sich in den Systemen Klamath, Braxton und Grundel. Alle Flotten würden über einen der Faltpunkte in den Nebel eintreten, die schon vor dem Novaausbruch existiert hatten und im Inneren des Nebels noch offen waren. Dann würden sie sich am siebten Faltpunkt um Antares versammeln, dem neuen, der durch die Hintertür in die Ryall-Hegemonie führte.
Im Gefolge der Kampfschiffe waren die noch zahlreicheren Hilfsschiffe wie Tanker, Frachter, Reparaturschiffe und Leichter. Wäre jemand imstande gewesen, die Bewegungen so vieler Schiffe zu verfolgen, so hätte er bald entdeckt, dass der Antaresnebel rasch zum Mittelpunkt militärischer Macht wurde. Die Einsatzplanung sah vor, dass aus der Flottenversammlung acht Kampfgruppen gebildet wurden, die an der Invasion teilnehmen sollten.
Und das war noch nicht alles, was auf dem Weg nach Spica den Nebel passieren würde.
Nach den Kampfschiffen und ihren Versorgern kamen die größten mobilen Waffen, die je von Menschen konstruiert worden waren. Überall im menschlich besiedelten Raum verließen schwere Orbitalfestungen ihre Wachstationen und begannen ihren manövrierfähigeren Brüdern zu folgen. Die schwerfälligen Festungen würden Monate benötigen, um Spica zu erreichen, doch wenn sie dort anlangten, würde das Kräftegleichgewicht innerhalb der Ryall-Hegemonie sich auf die Seite der Menschheit verlagern. Das zumindest war der Plan. Die Wirklichkeit mochte zu völlig anderen Plänen zwingen, aber das war die Natur des Krieges.
»Meldung kommt durch, Admiral«, sagte Nachrichtenoffizier Carey. »Es ist eine Datensendung, ohne Stimme. ›Von Captain Virgil Tennyson, Kommandeur Gruppe Antares, an Flottenadmiral Richard Drake. Botschaft beginnt: Willkommen in der Hölle, Admiral. Gut zu sehen, dass Sie so viele Freunde mitgebracht haben. Botschaft Ende. Tennyson.‹«
»Schicken Sie folgende Antwort, Carey: ›Erfreut, mit Ihnen in der Hölle zu sein, Captain. Sie haben nicht zufällig hier irgendwo einen Faltpunkt gesehen?‹«
»Gut, dass wir uns persönlich sprechen können, Admiral«, sagte Captain Tennyson zwei Stunden später aus einem von Drakes Bildschirmen. Das Bild war gesprenkelt infolge vielfarbiger Interferenzen, und der Ton war alle paar Sekunden kurzzeitig weg, aber die Stimme klang erleichtert. Der Commander der terranischen Marine war ein noch junger Mann von ungefähr dreißig Standardjahren. Nur seine Augen waren alt, eine verbreitete Krankheit unter jenen, die zu viel vom Krieg gesehen hatten.
»Sehr erfreut, Captain. Wie ist die Lage?«
»Ruhig, Sir. Im Faltpunkt ist nichts erschienen, seit wir im unteren Bereich unseren Eindringling erledigten. Wir glauben, es könnte ein Forschungsschiff gewesen sein.« »Warum glauben Sie das?«
»Es war klein und unbewaffnet, Sir. Wir hatten nicht den Eindruck, dass sie uns oder unseren Torpedo sahen, bevor wir sie töteten.«
»Wissen Sie etwas über die Anwesenheit von Ryall auf der anderen Seite des Faltpunktes?«
»Nichts, Sir. Wir nahmen an, dass sie die andere Seite beobachten, entweder auf das Wiedererscheinen ihres vermissten Schiffes warten oder aber zu bestimmen suchen, was schief ging. Hätten wir einen Aufklärer durchgeschickt, so würden wir wahrscheinlich entdeckt worden sein und hätten den Vorteil der Überraschung verloren.«
»Ich bin froh, dass Sie einen Kopf auf den Schultern haben, Captain.« Bei ihrem ersten Besuch des Nebels waren sie blindlings nach Eulysta vorgestoßen, während sie eine alternative Route zum menschlichen Herrschaftsbereich gesucht hatten. Um ihre Anwesenheit geheim zu halten, hatten sie die Erzaufbereitungsanlage auf Corlis zuerst erobert und dann zerstört.
Was Drake keine Ruhe ließ, war die Möglichkeit, dass sie etwas übersehen hatten. Ein paar der Bergleute konnten entkommen sein. Oder sie hatten bei der abschließenden Aufräumaktion verräterische Spuren hinterlassen, Fußabdrücke vielleicht, oder eine leere Proviantverpackung. Es genügte die Entdeckung eines einzigen Gegenstandes von nachweislich menschlichem Ursprung auf Corlis, und das Oberkommando der Ryall würde das System Eulysta mit Kriegsschiffen aufrüsten. Schon jetzt konnte der Faltpunkt Eulysta/Antares im Zentrum einer Flotte von Schlachtschiffen liegen, alle bereit, das erste Schiff der Menschen, das im interstellaren Tor erschien, zu verdampfen.
Wenn das der Fall war, dann würde die »Überraschung«, auf die sie zählten, auf deren Seite sein.
Wie Admiral Belton während einer ihrer Sitzungen in der Planungsphase bemerkt hatte, war die Mission der Kampfgruppe Spica eine interstellare Version der alten Triple Crown beim Pferderennen. Eulysta war der erste Preis. Die Eroberung würde den Erfolg der Invasion zwar nicht garantieren, aber ein Misslingen würde ihre Pläne zunichte machen. Sicherlich hatte Eulysta für sich genommen strategischen Wert. Der Besitz des Systems und seiner zwei Faltpunkte würde die Ryall um ein weiteres System der Menschen-Hegemonie zurückdrängen. Er würde auch die Kriegsanstrengungen der Ryall völlig durcheinander bringen, bis es ihnen gelänge, Carratyl zu befestigen, das nächste System von Eulysta einwärts.
Dennoch wäre die Einnahme eines einzigen entlegenen Sternsystems ein armseliger Trostpreis, wenn sie nicht mehr erreichten.
»Haben Ihre Sensoren etwas von unseren nachfolgenden Streitkräften ausgemacht, Tennyson?«
»Ja, Sir. Außer Ihrer eigenen Kampfgruppe verfolgen unsere Sensoren dreihundertsieben andere Schiffe innerhalb des Nebels. Die meisten sind auf der langen Umlaufbahn von den Faltpunkten der anderen Seite, und dort erscheinen jeden Tag weitere. Bis Sie Eulysta kontrollieren, wird es hier einen Verkehrsstau geben.«
»Das höre ich gern. Wir werden die Gesellschaft dann brauchen. Lieutenant, wie ist unsere Eintrittszeit?«
Die Frage war an Lieutenant Olivia Parker gerichtet, deren Konsole an den Navigationsrechner auf der Brücke des Schiffes angeschlossen war. Frauen an Bord von Kriegsschiffen waren in der altanischen Marine noch selten, obwohl ihre Zahl mit jeder neuen Absolventenklasse der Militärakademien wuchs. Der Krieg gegen die Ryall hatte Alta wie die übrigen Welten des menschlichen Hegemonialbereichs gezwungen, alle Kräfte und Hilfsquellen zu mobilisieren, trotz der langen Tradition der Koloniewelten, die den Einsatz von Frauen in Kampfeinheiten verurteilte. Auch Drake war ein Anhänger dieser Tradition, obwohl er die Zeichen der Zeit erkannte und sich den bitteren Notwendigkeiten eines langwierigen und verlustreichen Krieges nicht verschließen konnte.
»Die Flotte wird die Grenze zum Faltpunkt in 47 Minuten überqueren, Sir.«
»Sehr gut. Wir werden die Stunde null auf 13:00 ansetzen. Tennyson, geben Sie das weiter. Wir gehen in ...«, Drake blickte auf die Chronometerdarstellung in der unteren rechten Ecke seines Bildschirms, »... 218 Minuten von jetzt hinein.«
»Jawohl, Sir! Ich wünschte, ich könnte mit Ihnen gehen.«
»Ich hätte Sie gern bei uns, Captain. Doch wie auch immer, Ihre Aufgabe ist hier. Wenn etwas schief geht, werden wir Ihre Gruppe benötigen, um jeden Gegenangriff durch den Faltpunkt aufzuhalten.«
»Verstanden, Sir. Auch diejenigen dienen, die nur dasitzen und warten und Daumen drehen ...«
Drake lächelte. Er verstand die wehmütige Stimmung des anderen. Nach mehr als einem Jahrhundert Krieg sollte dies die letzte große Offensive sein. Trotz der erwarteten Gefahren hatte es unter den Flottenoffizieren heftigen Wettbewerb um die Teilnahme an der Operation gegeben.
»Das ist richtig, Captain. Aber keine Sorge, bevor dies vorbei ist, wird es für jeden von uns mehr als genug Kampfeinsätze geben.«
»Auch wahr, Admiral. Wie ich sagte, willkommen in der Hölle. Ich werde Ihre Befehle an den Rest der Flotte weitergeben. Sie wird bereit sein. Wachgruppe Antares, Ende.«
»Kampfgruppe Spica, Ende.«
»An alle. Achtung. Klarmachen zum Faltraumübergang. Alle Abteilungen melden Bereitschaft.«
Das Echo der Durchsage war kaum verhallt, als aus allen Abteilungen des Schiffes Bereitschaftsmeldungen eingingen. Drake war nicht überrascht. Pelham Carter führte ein straffes Regiment an Bord; seine Abteilungsleiter hatten schon vor drei Tagen ihre Bereitschaft zum Transit gemeldet.
Zuversichtlich, dass die Conqueror einsatzbereit war, lauschte er über die Kanäle des Flottenkommandos den Einheiten der terranischen Marine, die ihn von Napier begleitet hatten. Admiral Beltons Leute bereiteten den Transit mit einer professionellen Selbstverständlichkeit vor, die jahrzehntelange Kriegserfahrung verriet. Der Funkverkehr zeichnete sich durch Kürze aus. Nicht, dass keine Kommunikation stattfände; jede Sekunde gingen zwischen den Bordcomputern vielfache Gigabytes hin und her, als sie sich für den Kampf bereit machten.
Während des Kampfgeschehens würden die Computer der Conqueror II die Offensivbewaffnung des Schiffes weitgehend beherrschen. Künstliche Gehirne würden Feindbewegungen berechnen, Waffen auf die jeweiligen Ziele richten, in geeignetem Moment feuern und den unvermeidlichen feindlichen Torpedos und Raketen ausweichen. Computer würden Trefferschäden bewerten, luftdichte Türen und Luken kontrollieren und Reparaturtrupps zu den am schwersten getroffenen Partien des Schiffes dirigieren. Sie würden mit den anderen Schiffen der Flotte über gesicherte Verbindungen kommunizieren und die taktischen Manöver der Conqueror mit denen der anderen Schiffe in der Kampfgruppe koordinieren. Würde ein Schiff durchlöchert und die Besatzung getötet, würden die Computer und Feuerleitsysteme weiterkämpfen, solange ihre Energiezufuhr es zuließ. So war es dem namensgleichen Vorgängerschiff der Conqueror in der zweiten Schlacht von Klamath ergangen. Selbst nachdem zahlreiche Treffer einen großen Teil der Besatzung getötet und die Überlebenden in Rettungskapseln gezwungen hatten, hatte TSNS Conqueror weitergekämpft.
»Zwei Minuten zum Transitsprung. Alle Schiffe melden Status.«
Der traditionelle Befehl war überflüssig. Drake konnte den Status der zehn kleinen Schiffe, aus denen die Vorhut bestand, auf seinem Bildschirm sehen. Umgeben waren die grünen Echozeichen von weiteren 120 gelben Echozeichen, welche die Schiffe darstellten, die den Transitsprung in den Herrschaftsbereich der Ryall machen würden, sobald sie den Startbefehl empfingen. Das Ganze war umgeben von den trübroten Umrissen des Faltpunktes und den zwölf purpurroten Echozeichen, welche die Schiffe der Wachgruppe Antares zeigten.
Zur Vorhut der Kampfgruppe zählten die zehn stark bewaffneten und hoch beschleunigenden Schiffe des Alpha-Geschwaders. Sie würden als Erste in geschlossener Formation den Sprung ins Unbekannte auf der anderen Seite des Faltpunktes vornehmen. Fanden sie den Faltpunkt unbewacht, würden neun der zehn Schiffe sofort zu Eulystas zweitem Faltpunkt beschleunigen, der zum System Carratyl führte. Das zehnte Schiff des Geschwaders würde in den Nebel zurückkehren, um der Flotte Meldung zu machen, bevor es nach Eulysta zurückkehrte und versuchen würde, in einer langen Aufholjagd den Anschluss an das Geschwader wiederzufinden.
Die Besatzungen des Alpha-Geschwaders waren für diesen Einsatz eigens ausgewählt und trainiert worden. Das Durchschnittsalter betrug 22 Jahre, und jeder der Piloten war in hervorragender körperlicher Verfassung. Das war notwendig, denn der größte Teil ihrer Reise würde unter Beschleunigungen bis zu zehnfacher Erdschwere stattfinden.
»Eine Minute bis Transit.«
»Sind Ihre Leute bereit, Captain Parsons?«, fragte Drake das allzu junge Gesicht in einem seiner Bildschirme.
Lieutenant und stellvertretender Kapitän Victor Parsons blickte ihn an und nickte. Seine Lippen bewegten sich nicht. Dass jede Höhlung in seinem Körper mit sauerstoffhaltiger Flüssigkeit gefüllt war, um ihm das Ertragen des bevorstehenden Beschleunigungsdrucks möglich zu machen, ließ sprachliche Verständigung nicht zu. Nichtsdestoweniger antwortete eine computergenerierte Stimme: »Bereit, einem Ryall auf den Schwanz zu treten, Sir.«
»Das überlassen Sie Ihren Kameraden. Kehren Sie sofort hierher zurück, sobald Ihre Maschinen aufgeladen sind. Es macht mir keinen Spaß, hier im Dunkeln zu sitzen, ohne zu wissen, was mir bevorsteht. Je eher wir Klarheit haben, desto besser.«
»Verstanden, Admiral.«
»Viel Glück, Captain. Machen wir ihnen die Hölle heiß!«
»Jawohl, Sir. Asgard Ende.«
»Flotteneinsatzleitung Ende.«
»Zehn ... neun ... acht ...« Das altbekannte Frösteln überlief Drakes Rücken, als die Startzählung der Computerstimme ertönte. Er merkte, dass er instinktiv den Atem anhielt, und zwang sich tief durchzuatmen, als die Zahlen die letzten paar Sekunden anzeigten. »... drei ... zwei ... eins ... los!«
Auf dem Bildschirm der Lagedarstellung verschwanden zehn kleine grüne Echozeichen und mehr als hundert gelbe wechselten zu grün.
»Schalten Sie die Zwei-Minuten-Uhr ein, Mr. Carey. Befehl an die Kampfgruppe Spica. Alle Schiffe bereit zum Faltraum-Übergang.«