Rosie
Sie braucht Kate jetzt nicht mehr, nur noch Joanna.
Sie muss nachdenken. Wischt das Messer ab, ehe sie es behutsam zur Seite legt. Sie darf es nicht hier liegen lassen. Sie zieht sich aus, als streife sie eine Haut ab, schlüpft in ihre Sportsachen, die sie zum Glück immer im Kofferraum hat. Nachdem sie ihre Schuhe und ihre Kleider, durchdrungen von ihren Tränen und meinem Blut, versteckt hat, fährt sie nach Hause. Sie muss etwas trinken.
Eigentlich ist alles ganz einfach. Sie wirft die Tasche mit ihren Sachen in eine Mülltonne. Morgen kommt die Müllabfuhr, und sie sind längst weg und verbrannt, bevor jemand etwas merkt. Sie lässt den Wagen wieder am Straßenrand stehen. Auf Zehenspitzen schleicht sie über die Kieseinfahrt und betritt das Haus. Niemand hat gemerkt, dass sie weg war. Niemand wird je davon erfahren.
Sie vergisst Delphine, wie immer.
Ihre Belohnung wartet im Kühlschrank. Das erste Glas merkt sie praktisch gar nicht. Erst nach dem dritten hört das Zittern allmählich auf. Nach dem fünften beginnt die Erinnerung zu verblassen. Als die Flasche leer ist, findet sie endlich Ruhe und Vergessen.
Bis zum nächsten Morgen. Ihr Schädel dröhnt, ihr Mund ist wie ausgedörrt. Ihr fällt wieder ein, was passiert ist, wie sie mich aufgegabelt, in den Wald geführt hat. Ihr wird übel, als auch alles andere in ihr Bewusstsein zurückkehrt. Dass sie ihr eigenes Baby getötet hat, statt meines. Hätte sie doch nur nie das Messer mitgenommen.
Es war ein Unfall, sagt sie sich. Ein grauenhafter Unfall, sie wollte doch nur helfen. Es sollte doch nicht derart außer Kontrolle geraten. Eins muss sie noch tun: einen Baum pflanzen. Einen Apfelbaum, der für Liebe und Unsterblichkeit steht. Die Liebe einer Mutter. Ihre Liebe.
Und sie muss genau aufpassen, was sie sagt, was sie tut, was die Leute mitbekommen. Jede Sekunde, jeden Tag. Noch mehr als zuvor. Sie muss sich eine Maske zulegen, ausdruckslos und neutral, so dass keiner sagen kann, wer sich dahinter verbirgt, eine Prinzessin oder eine Psychopathin. So lange, bis Neal merkt, wie sehr er sie braucht.
Sonst war alles umsonst.