Rosie

Anfangs unternehmen Joanna und Neal noch häufiger etwas. Sie gehen zu Partys, flirten, tanzen, lachen. Neal wirbelt sie über die Tanzfläche, während alle anderen zusehen und sich gern ein Scheibchen von ihrem Glück abschneiden würden; sie würden sie gern kennenlernen, in der Hoffnung, dass sich etwas von ihrem Strahlen auf ihr eigenes trübes Leben überträgt.

Ich beobachte, wie meine Familie allmählich Gestalt annimmt, Stück für Stück, allesamt sorgsam ausgewählt: der handgefertigte Stuhl, die topmoderne Nobel-Küche, ein Traum aus Granit und poliertem Stahl, die Designerlampe, die zeitgenössischen Kunstwerke. Zuerst eine perfekte Tochter, dann eine zweite. Die besten Schulen. Die perfekten Freunde.

Außenstehende sehen ein großes Haus in einer ruhigen Nebenstraße, frisch gestrichene Fenster, einen gemähten Rasen, üppige Blumenbeete, eine gekieste Einfahrt, so dass jeder mitbekommt, wenn schicke Autos vor- und wieder wegfahren. Manchmal erhascht man auch einen Blick auf die Gesichter der Mädchen, eingerahmt von hellem Haar. Und wenn man genau hinsieht, fällt einem der unergründliche Ausdruck in ihren Augen auf, der ahnen lässt, dass nichts von dem, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt, je nach außen dringen wird.

Neal und Joanna sind nicht wie alle anderen. Sie führen ein wunderbares Leben. Sie sind attraktiv, charmant, verströmen eine ganz eigene Energie. Er fährt Autos, um die ihn sämtliche Männer beneiden, ihr Haus ist ein Vorzeigeobjekt, wie es im Buche steht. Dennoch braucht man all die kleinen, unsichtbaren Teilchen, die eine Familie erst zusammenschweißen – das Gelächter, das wie Musik in den Ohren klingt, oder die gemeinsamen Geheimnisse und Träume, die viel wichtiger sind als Ruhm und Schmuck.

Denn wenn einer Familie all das fehlt, die Liebe, zerfällt das wunderschöne Haus mit all den schönen Sachen zu Staub. Das farbenfrohe Gemälde an der Wand verblasst immer mehr, das schicke Sofa geht in Flammen auf, die Blumen, die in den Beeten anfangs noch blühen, welken und verdorren schließlich. Die Reisen zu all den exotischen Zielen zerplatzen wie Seifenblasen, so dass nichts als flüchtige Erinnerungen bleiben und die Familie, die keine Schwerkraft besitzt, einfach fortgetragen wird.