Rosie
Joanna hat eine Methode gefunden, wie sie es bewerkstelligen kann. Sie tut einfach, als wäre sie jemand anderes. Welcher Name? Sie nimmt den Erstbesten, der ihr in den Sinn kommt. Die eine Mutter, die sie flüchtig aus der Schule kennt. Die mit den Pferden, mit der sie schon mal Kaffee getrunken hat, die so unbesorgt wirkt, scheinbar alles bestens im Griff hat. Niemand sollte es so leicht im Leben haben.
»Kate …«, ruft sie mit grotesk-fröhlicher Begeisterung und tanzt durch die Küche.
»Kate …« Sie schenkt sich noch einen Wodka ein. »Prost!« Sie hebt das Glas und trinkt auf ihre neue Freundin.
»Kate … Du solltest es auch mal versuchen. Es ist, als würde der Geist fliegen, wenn man nur genug von dem Zeug trinkt.«
Eigentlich kennt sie Kate fast nicht. Sie gehen ab und zu mal Mittagessen, und Kate isst sogar, was sie auf dem Teller hat. Wohingegen Joanna bloß so tut, versteht sich. Aber Kate merkt es gar nicht.
Der Gedanke, dass Kate einspringt, amüsiert sie. Natürlich nicht die echte Kate – die ist viel zu brav und naiv, um auch nur auf so eine Idee zu kommen. Oder? Vielleicht ist sie ja doch kein so guter Mensch, wie sie immer vorgibt. Hat nicht jeder seine kleinen, dunklen Geheimnisse?
Sie lacht. Es ist ein irres, schrilles Lachen. Das Lachen einer Verrückten. Sie kippt ein weiteres Glas in einem Zug hinunter.
Dadurch verwandelt sie sich in Kate. Sie wird mit Kates Stimme sprechen, Kates Hände benutzen, in Kates Körper schlüpfen, und Joanna wird sich nichts zuschulden kommen lassen. Und wenn alles vorbei und wieder Normalität eingekehrt ist, wird Neal nach Hause kommen.