Rosie
Es ist ein nebliger Herbsttag, und Rauchschwaden von verbrennenden Blättern hängen in der Luft. Ich bin aufgeregt, weil Mummy mit mir und Della zuerst shoppen und anschließend Mittag essen gehen will.
Wir fahren in ein riesiges Einkaufszentrum, wo es nach Popcorn und Kaffee aus dem Starbucks duftet. Im Hintergrund läuft Musik, und alles ist wunderschön erleuchtet, ich komme mir vor, als wäre ich in einer Märchenwelt. Als wir an den Läden vorbeigehen, stelle ich mir vor, ich würde hier wohnen, jeden Tag andere Sachen anziehen, all die Schuhe anprobieren, Pizza und Marshmallows essen und in den breiten, weichen Betten in den Schaufenstern schlafen.
Wir gehen in den Disney-Laden, wo Mummy Della eine MinnieMouse-Figur kauft, als Ersatz für die, die mein Vater ihr weggenommen hat, als er wütend auf sie war. Dann gehen wir ins Kino. Sie kauft uns ein Eis, und wir sitzen in tiefen Sesseln, die dieselbe Farbe haben wie Blut.
Danach müssen wir für Daddy Geburtstagsgeschenke kaufen. Etwas ganz Besonderes, das wir gemeinsam aussuchen. Das macht ihn bestimmt glücklich, meint sie. Es wäre doch toll, wenn wir ihm einen besonders schönen Geburtstag bescheren würden. Wir besorgen die Geschenke, die wir zu Hause hübsch einpacken, mit großen bunten Schleifen.
Mummy kocht ein ausgefallenes Abendessen, das sie sich schon ewig im Voraus überlegt hat. Sie sagt Della und mir, welche Kleider wir anziehen sollen, und bläut uns ein, dass wir ihn auf keinen Fall ärgern dürfen. Ausgerechnet an diesem Tag kriege ich einen Brief wegen des Skilagers von der Schule mit nach Hause. Ich weiß noch, dass ich unbedingt mitfahren wollte und es kaum erwarten konnte, Mummy davon zu erzählen. Aber noch bevor ich ihn ihr zeigen kann, kommt sie die Treppe herauf in unsere Zimmer.
»Los, zieht euch um«, flüstert sie. »Dann kommt runter, damit wir Daddy die Geschenke überreichen können. Das Dinner wird superlecker! Und bitte, Mädchen, zeigt euch von eurer besten Seite.«
Mir ist klar, was das bedeutet: keine Scherze und nur sprechen, wenn wir ausdrücklich dazu aufgefordert werden. Mein Mut sinkt, denn wenn ich ihr nicht vom Skilager erzähle und mich morgen in die Liste eintrage, sind alle Plätze weg. Trotzdem tue ich, was sie verlangt. Ich schlüpfe in das marineblaue Trägerkleid und die Spitzenbluse, die sie für mich herausgesucht hat, obwohl sie weiß, dass ich beides nicht gern trage. Später, bei der nächsten Gelegenheit, werde ich sie fragen.
Della kommt herein.
»Du siehst so hübsch aus«, sage ich zu ihr. Sie trägt dasselbe Kleid wie ich, nur in Rosa und mit kleinen Schmetterlingen drauf. »Soll ich dir die Haare machen?«
Della nickt und setzt sich auf mein Bett. Ich bürste ihr die Knoten aus dem Haar und binde es mit einem silbernen Haarband zu einem Zopf zusammen. Dann gehen wir nach unten und setzen uns leise aufs Sofa.
Mein Vater sitzt mit der Zeitung in seinem Sessel gegenüber und sieht nicht auf. Neben ihm steht ein Glas Whiskey.
»Mädels?«, sagt Mummy. »Wolltet ihr nicht etwas sagen?«
Ich schaue Della an. Was meint Mummy?
»Los …« Ein sorgenvoller Ausdruck tritt auf ihr Gesicht. »A-lles Gu-te …«
»Alles Gute zum Geburtstag, Daddy«, sagt Della, und ich mache ebenfalls den Mund auf. »Alles Gute zum Geburtstag.«
Nun sieht er tatsächlich auf und mustert uns.
»Danke«, sagt er leise.
»Möchtest du jetzt gern deine Geschenke aufmachen, Schatz?«, fragt Mummy, wobei mir auffällt, wie sorgfältig auch sie sich zurechtgemacht hat. Sie trägt eines ihrer Cocktailkleider, ihre goldene Halskette und Brillantohrringe und duftet nach Parfum.
»Oh ja, bitte«, ruft er mit dieser aufgesetzt fröhlichen Stimme, so wie jedes Jahr. »Ich liebe Geschenke!«
Ich sitze da, beobachte, wie Della ihm die pelzbesetzten Handschuhe überreicht, die sie für ihn ausgesucht hat, und warte nur darauf, dass er sich darüber lustig macht, was er sich jedoch erstaunlicherweise verkneift. Dann macht er die Karte auf, die sie mit liebevollen Zeichnungen verziert hat. »Danke, Delphine. Wie nett.«
Als Nächstes bin ich dran. Von mir bekommt er einen Weltatlas, weil er doch so viel reist. Vielleicht entdeckt er ja noch viele andere Länder, die er bereisen kann, alle ganz weit weg. Er sieht mich verwirrt an. »Komisches Geschenk«, bemerkt er. »Wofür soll der sein? Gehört die Karte dazu?«
Als er den Umschlag öffnet, reißt er eine Ecke der Karte ab, die er kaum eines Blickes würdigt. »Kaputt«, sagt er. »Na ja, egal …« Er zerknüllt sie und lässt sie auf den Boden fallen.
Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Kränkung hinunterzuschlucken. Ich hasse diesen Geburtstag, hasse es, dieses lächerliche Kleid tragen, dieses ganze lächerliche Theater spielen zu müssen – nur damit er glücklich ist, wie Mummy es ausdrückt.
Dann öffnet er Mummys Geschenke – große, aufwändig verpackte, mit Schleifen verzierte Päckchen –, während sie angespannt danebensitzt.
»Sehr gut, Joanna«, sagt er schließlich, umgeben von einem ganzen Stapel neuer Kleider. »Gut gemacht. Ich glaube, jetzt möchte ich zu Abend essen.«
Mummy läuft in die Küche und holt die Flasche Wein, die sie vorgewärmt hat. Er gießt etwas in ein Glas, lässt die dunkelrote Flüssigkeit kreisen und schnuppert daran.
»Mmm, nicht übel«, bemerkt er.
Nachdem wir gegessen haben – Della und ich wortlos, Mummy überfürsorglich, Daddy halbwegs zufrieden –, stehe ich auf, um den Tisch abzuräumen.
»Ziemlich überstürzt, was?«, sagt er scharf, obwohl ich immer den Tisch nach dem Essen abräume. »Man könnte glatt glauben, dass du etwas von mir willst.« Er schenkt sich noch ein Glas Wein ein.
Ich spüre, wie meine Wangen glühen. »Nein«, antworte ich und schüttle den Kopf. »Das stimmt nicht.«
Er hebt eine Braue und wirft mir einen wissenden Blick zu. Mein Blick fällt auf die Arbeitsplatte in der Küche, wo der Brief liegt, den ich Mummy zeigen wollte.
»Lüg mich nicht an.« Er schlägt mit der Faust auf den Tisch.
»Sie will nichts von dir.« Mummy tritt neben ihn. »Oder, Rosanna?«
»Ich wollte dir den Geburtstag nicht verderben«, sage ich.
»Tja, hast du aber.« Seine andere Faust landet auf dem Tisch.
Doch statt mich anzuschreien, kneift er die Augen zusammen und sieht mich an. »Heute ist mein Geburtstag, und meine Tochter lügt mich an«, sagt er mit leiser, eisiger Stimme. »Wunderbar, nicht?«
Ich schweige, denn wenn ich ihn jetzt frage, ob ich ins Skilager mitfahren darf, ist es sowieso verkehrt, und wenn ich ihn um Entschuldigung bitte, ist auch das nicht richtig. Ich sehe einen Blutstropfen auf Dellas Unterlippe.
So liefen die Geburtstage bei uns zu Hause ab. Immer nach demselben Schema. Hasserfüllte Scharaden und grausame Gemeinheiten in hübschen Kleidern zwischen teuren Geschenken.