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Pendergast kletterte an der Seite der Yacht hinauf, klammerte sich dabei wie eine Klette außen an das Oberdeck und nutzte die Kanten der Fenster als Halt für Hände und Füße. Er gelangte zur Unterkante der Brückenfenster. Die Fenster der Kabinen waren zwar getönt, so dass man nicht hineinsehen konnte, aber die Brückenfenster waren durchsichtig. Als er hineinspähte, sah er im schwachen Lichtschein der elektronischen Geräte das Personal auf der Brücke: der Kapitän und ein bewaffneter Maat, der zugleich als Navigator fungierte. Dahinter, in der Skylounge, ging der eine Securitymann mit seiner automatischen Waffe auf und ab. Gelegentlich trat er dabei aufs Skydeck hinter der Lounge, drehte eine Runde und ging wieder hinein. Außerhalb der Skylounge war das Skydeck verlassen, bis auf einen leeren Whirlpool ohne Plane und einige Sitzgelegenheiten.

Die Brücke selbst war verschlossen und verriegelt. Eine Yacht wie diese musste selbstverständlich hohe Sicherheitsstandards haben. Die Fenster waren bestimmt bruchsicher und, nach der Dicke zu urteilen, vielleicht sogar kugelsicher. Er konnte da nicht reinkommen, auf keine Weise.

Pendergast bewegte sich so lange an der schrägen Wand entlang, bis er sich unmittelbar unter der Ebene der Fußreling befand, dort, wo die Glasschiebetüren von der Skylounge zum Skydeck hinausgingen.

Er griff in die Tasche, zog eine Münze hervor und warf sie so, dass sie klirrend gegen die Glastür prallte.

Der Mann in der Skylounge erschrak, dann ging er blitzartig in die Hocke. »Nast hier«, gab er flüsternd über Funk durch. »Ich habe was gehört.«

»Wo?«

»Hier, auf dem Skydeck.«

»Schau nach. Vorsichtig. Baumann, Eberstark, macht euch bereit, ihm Feuerschutz zu geben.«

Pendergast sah den Mann in undeutlichem Umriss, er kauerte hinter der Glastür und spähte nach draußen. Als der Wächter sich vergewissert hatte, dass das Deck frei war, stand er auf, schob die Tür auf und trat, die Waffe im Anschlag, vorsichtig nach draußen. Pendergast senkte den Kopf unter die Deckskante und sagte in rauhem, unkenntlichem Flüsterton ins gestohlene Headset: »Nast. Backbordseite, hinter der Reling. Schau mal nach.«

Er wartete. Kurz darauf erschien direkt über ihm und hinunterblickend der Kopf des Mannes als dunkle Silhouette. Pendergast schoss ihm ins Gesicht.

Der Getroffene stieß einen röchelnden Aufschrei aus, sein Kopf wurde nach hinten gerissen, dann sackte die Leiche nach vorn, wobei Pendergast ein wenig nachhalf, damit sie über die Reling fiel. Sie prallte auf die Deckskante des Hauptdecks, blieb daran hängen und kam teilweise ausgestreckt auf dem Laufgang zum Liegen. Pendergast packte einen Pfosten und sprang gerade aufs Skydeck, während er über Funk plötzlich lautes Durcheinandergerede hörte. Er sprang in den leeren Whirlpool und kauerte sich tief hinein. Jetzt wusste er, dass zwei weitere Männer auf dem Weg zum Skydeck waren.

Ausgezeichnet.

Fast augenblicklich kamen sie polternd aufs Deck heruntergerannt, der eine von achtern, der andere von vorn. Pendergast wartete auf die richtige Ausrichtung, dann sprang er aus dem Whirlpool und gab dabei einen Schuss ab, um die beiden Männer zu erschrecken. Erwartungsgemäß gaben sie Feuerstöße aus ihren automatischen Waffen ab, der eine stürzte zu Boden, getötet durch das Kreuzfeuer seines Partners; der andere warf sich auf den Boden und feuerte auf wilde, wirkungslose Weise.

Pendergast setzte den Mann mit einem Schuss außer Gefecht, dann sprang er über die Skydeckreling und landete auf dem darunter befindlichen Laufgang des Hauptdecks. Nasts Leiche verschaffte ihm eine angenehm weiche Landung. Dann sprang er über die Hauptdeckreling, wobei er sich an zwei Stahlstützen festhielt, um zu verhindern, dass er ins Meer stürzte. Einen Moment lang baumelten seine Beine über dem Wasser, während unter ihm der Schiffsrumpf leicht geneigt abfiel. Nach einer kurzen Anstrengung fand er auf der Abtropfkante eines der unteren Bullaugen mit den Füßen Halt.

Dort wartete er, während er sich unterhalb der Ebene des Hauptdecks an den Rumpf klammerte, und horchte. Erneut verriet ihm der Funkkontakt, was er wissen musste.