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In der feuchten Luft ertönte ein leises Klicken.
»Verflucht!«, murmelte Esterhazy, entriegelte den Verschluss, nahm die defekte Patrone heraus und legte eine neue ein.
Klick.
Pendergast hob blitzartig sein Gewehr vom Boden auf und richtete es auf Esterhazy. »Deine gar nicht so schlaue List ist fehlgeschlagen. Ich habe dich seit deinem schlecht formulierten Brief, in dem du mich gefragt hast, welche Waffen ich mitbringe, in Verdacht. Ich fürchte, jemand hat die Munition in deinem Gewehr manipuliert. Und so schließt sich der Kreis: von den Platzpatronen, die du in Helens Gewehr gelegt hast, bis zu den Platzpatronen, die jetzt in deinem stecken.«
Esterhazy hantierte immer noch am Verschluss. Fieberhaft nahm er mit der einen Hand die defekten Patronen heraus, während er gleichzeitig mit der anderen in seiner Patronentasche nach neuer Munition kramte.
»Hör auf damit, oder ich bringe dich um!«, sagte Pendergast.
Aber Esterhazy ignorierte ihn. Er nahm die letzte Patrone heraus und schob eine neue in den Lauf, dann ließ er den Verschluss zuschnappen.
»Wie du willst. Die hier ist für Helen.« Pendergast drückte ab.
Ein dumpfes Kleng! erklang.
Pendergast, der die Situation sofort erkannte, drehte sich um und warf sich hinter einer Felszunge in Deckung, während Esterhazy einen Schuss abgab. Die Kugel prallte von einem Felsen ab und schlug kleine Stückchen heraus. Pendergast rollte sich weiter hinter die Deckung, warf sein Gewehr weg und zog den 32er Colt, den er als Ersatz mitgenommen hatte. Er stand auf, zielte und schoss, aber Esterhazy war schon auf der anderen Seite des kleinen Hügels in Deckung gegangen. Die Schüsse, die er abgab, prallten von den Felsen unmittelbar vor Pendergast ab.
Jetzt waren sie beide in Deckung, jeder auf einer Seite des Felshügels. Erneut hallte Esterhazys Lachen über das Land. »Sieht ganz danach aus, als ob deine gar nicht so schlaue List ebenfalls fehlgeschlagen ist. Hast du etwa geglaubt, ich würde dich mit einem funktionierenden Gewehr ins Moor hinausgehen lassen? Tut mir leid, alter Knabe, ich habe den Schlagbolzen entfernt.«
Pendergast lag auf der Seite und drückte sich schwer atmend an den Felsen. Eine Pattsituation – sie befanden sich beidseits des kleinen Hügels. Was bedeutete: Wer immer als Erster oben ankam …
Pendergast sprang auf und krabbelte spinnengleich den Tor hinauf. Er kam im selben Augenblick wie Esterhazy oben an; sie prallten aufeinander, schlangen mit aller Kraft die Arme umeinander und rangen auf dem höchsten Punkt des Felshügels, dann gingen sie zu Boden und stürzten, sich verzweifelt umklammernd, die Felswand hinunter. Pendergast schob Esterhazy von sich weg und brachte seine 32er in Anschlag, aber Esterhazy schlug mit dem Lauf seines Gewehrs danach. Die beiden Waffen klirrten wie Schwerter. Gleichzeitig löste sich aus beiden ein Schuss. Pendergast packte mit der einen Hand den Lauf von Esterhazys Gewehr, sie rangen, um in dessen Besitz zu kommen. Pendergast ließ seinen Colt fallen, wollte Esterhazy das Gewehr mit beiden Händen entreißen.
Das Handgemenge setzte sich fort, alle vier Hände auf demselben Gewehr. Die beiden Männer drehten sich und schlugen um sich, jeder versuchte, den anderen abzuschütteln. Pendergast beugte sich vor und biss Esterhazy in die Hand, tief ins Fleisch. Esterhazy schrie auf, gab Pendergast einen Kopfstoß, so dass dieser nach hinten taumelte, und versetzte ihm einen heftigen Tritt in die Seite. Durch den Zusammenprall stürzten beide Männer erneut auf das durch Frost aufgeplatzte Felsgestein, wobei ihre Tarnkleidung zerrissen wurde.
Pendergast bekam die Hand auf den Abzug, zerrte und drehte und schoss erneut, um die Waffe leer zu bekommen. Dann ließ er das Gewehr los und verpasste Esterhazy einen Faustschlag an den Schädel, während Esterhazy das Gewehr wie einen Knüppel schwang und Pendergast einen heftigen Schlag auf die Brust versetzte. Pendergast packte den Gewehrschaft und versuchte erneut, Esterhazy die Waffe zu entwinden, aber mit einer überraschenden Bewegung riss dieser Pendergast nach vorn und versetzte ihm gleichzeitig einen üblen Tritt ins Gesicht, der dem FBI-Agenten fast die Nase gebrochen hätte. Blut spritzte überall hin; Pendergast taumelte nach hinten, schüttelte den Kopf und versuchte noch, ihn klar zu bekommen, als Esterhazy sich auf ihn stürzte und ihm erneut mit dem Gewehrkolben ins Gesicht schlug. Durch den Nebel und das Blut hindurch sah er, dass Esterhazy wieder Patronen aus der Munitionstasche kramte und ins Gewehr schob.
Pendergast kickte die Gewehrmündung mit dem Fuß hoch, sprang im selben Moment, als ein Schuss erklang, zur Seite, schnappte sich seine Pistole von dort, wo sie zu Boden gefallen war, rollte sich ab und erwiderte das Feuer. Aber Esterhazy hatte sich schon hinter dem Tor in Deckung gebracht.
Pendergast nutzte die kurze Feuerpause, sprang auf und rannte den Felshügel hinunter. Dabei erwiderte er mehrmals das Feuer, damit Esterhazy in Deckung bleiben musste, solange er davonspurtete. Unten am Hügel angekommen, sprintete er ins Moor, auf eine Senke zu, wo er rasch von dichtem Nebel eingehüllt war.
Dort, umgeben von einem Schwingrasenmoor, blieb er stehen. Der Grund unter seinen Füßen wackelte eigenartig, wie Pudding. Er tastete mit der Schuhspitze herum, stieß auf festeren Boden und begab sich tiefer ins Foulmire. Dabei trat er von Hügelchen zu Hügelchen, von Stein zu Stein und versuchte, sich von den sumpfigen Flächen fernzuhalten, während er gleichzeitig möglichst viele Meter zwischen sich und Esterhazy legte. Im Laufen hörte er mehrere Schüsse aus der Richtung des Tors, die ihr Ziel jedoch weit verfehlten: Esterhazy schoss auf Schemen.
Pendergast bog in einem Dreißig-Grad-Winkel ab und verlangsamte seine Schritte. Das Moor bot kaum Deckung, nur hier und da waren Gruppen zerbrochener Felsen zu sehen; einzig der Nebel würde ihm Schutz bieten. Was bedeutete, dass er sich weiterhin im Moor versteckt halten musste.
Er bewegte sich so schnell, wie es ihm klug erschien, und blieb häufig stehen, um mit der Fußspitze zu tasten. Esterhazy würde ihm mit Sicherheit folgen, ihm blieb ja auch nichts anderes übrig. Außerdem konnte er hervorragend Spuren lesen, vermutlich sogar noch besser als er. Im Gehen zog Pendergast ein Taschentuch hervor und drückte es sich gegen die Nase, um den Blutfluss zu stillen. Er spürte, wie die Enden einer gebrochenen Rippe aufeinanderrieben – Folge des wüsten Handgemenges. Insgeheim warf er sich vor, kurz vor Verlassen des Jagdhotels sein Gewehr nicht überprüft zu haben. Die Gewehre wurden im verschlossenen Waffenraum aufbewahrt, wie es den Vorschriften entsprach. Esterhazy musste mit irgendeiner List an die Waffe herangekommen sein. Ein, zwei Minuten, dann war der Schlagbolzen entfernt. Pendergast hatte seinen Gegner unterschätzt; das würde ihm nicht noch einmal passieren.
Plötzlich blieb er stehen und inspizierte den Boden. Dort erblickte er auf einer Fläche mit Kiessand die Fährte des Hirschs, den sie aufgescheucht hatten. Pendergast horchte und spähte in die Richtung, aus der er gekommen war. Der Nebel hob sich in Fetzen aus dem Mire und gab kurz den Blick frei auf die endlose Moorlandschaft und die fernen Berge. Der Tor, auf dem er und Esterhazy miteinander gerungen hatten, lag in Nebel gehüllt, sein Verfolger war nirgends zu sehen. Über allem lag ein graues Licht, im Norden war der Himmel dunkel, hier und da zuckten Blitze – ein heraufziehendes Gewitter.
Pendergast lud seinen Colt nach und begab sich noch weiter ins Moor. Dabei folgte er der kaum erkennbaren Fährte des Hirschs, der einen unsichtbaren, nur ihm bekannten Weg nahm, der sich sehr geschickt durch Schwingrasenmoore und Flächen mit Treibsand hindurchschlängelte.
Es war noch nicht vorbei. Esterhazy war ihm dicht auf den Fersen. Aber es konnte nur ein Ende geben: Einer von ihnen würde nicht zurückkehren.