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Zunehmend beunruhigt hörte Esterhazy, was Falkoner in sein Funkgerät sprach. »Szell. Hammar. Antwortet.«
In seinem Headset ertönte statisches Knistern.
»Verdammt noch mal«, entfuhr es Esterhazy. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie ihn unterschätzen!« Frustriert schlug er mit der Hand aufs Schott. »Sie haben ja keine Ahnung, mit was für einem Gegner Sie es zu tun haben! Er wird sie alle umbringen! Und sich anschließend uns vorknöpfen!«
»Es steht ein Dutzend bewaffnete Männer gegen einen.«
»Aber Sie haben kein Dutzend mehr!«, erwiderte Esterhazy wie aus der Pistole geschossen.
Falkoner spuckte auf den Boden, dann sagte er in sein Headset: »Kapitän? Bitte melden.«
»Hier spricht der Kapitän, Sir«, ertönte die ruhige Stimme. »Ich habe Schüsse im Salon gehört. Auf einem der Tender ist ein Feuer ausgebrochen …«
»Das weiß ich selber. Wie sieht’s auf der Brücke aus?«
»Hier oben ist alles okay. Gruber ist bei mir, wir haben uns eingeschlossen, alles verriegelt und sind schwer bewaffnet. Was ist da unten eigentlich los?«
»Pendergast hat Berger und Vic Klemper ausgeschaltet. Ich habe Szell und Hammar in den großen Salon geschickt, kann sie jetzt aber nicht erreichen. Halten Sie die Augen offen.«
»Ja, Sir.«
»Halten Sie Kurs. Und warten Sie auf weitere Anweisungen.«
Esterhazy starrte Falkoner an. Dessen kantige Gesichtszüge wirkten immer noch ruhig und gesammelt. Er drehte sich zu Esterhazy um und sagte: »Ihr Mann scheint jede Aktion vorauszusehen. Wie kann das sein?«
»Er ist ein Teufel«, sagte Esterhazy.
Falkoners Augen wurden schmaler. Es schien fast so, als wollte er etwas sagen, aber dann wandte er sich ab und sprach ins Headset. »Baumann?«
»Hier.«
»Deine Position?«
»Obere VIP-Kabine. Mit Eberstark.«
»Klemper ist erledigt. Du übernimmst die Leitung. Ich möchte, dass du und Eberstark euch Nast auf dem Skydeck anschließt. Du gehst die Achterleiter rauf. Eberstark, du gehst die Hauptleiter hoch. Wenn die Zielperson dort ist, nehmt ihr sie ins Kreuzfeuer. Geht äußerst vorsichtig vor. Wenn ihr die Zielperson nicht seht, bestreicht ihr drei das Skydeck und die oberen Decks, von vorn nach hinten. Vergesst, was ich darüber gesagt habe, ihn lebendig zu fassen. Erschießt ihn.«
»Ja. Erschießen.«
»Ich möchte, dass Zimmermann und Schultz auf dem Hauptdeck auf Posten gehen und jeden aus dem Hinterhalt angreifen, der auf der einen oder anderen Treppe herunterkommt. Wenn ihr ihn nicht auf dem Skydeck erwischt, wird die Zangenbewegung oben ihn nach unten und nach vorn treiben, wo die beiden warten.«
»Verstanden.«
Esterhazy ging in dem schmalen Maschinenraum auf und ab und überlegte wie wild. Falkoners Plan war gut. Wie konnte Pendergast – selbst Pendergast – fünf mit automatischen Maschinenpistolen bewaffneten Männern auf einem engen Schiff entkommen, wenn sie ihn von zwei Seiten unter Beschuss nahmen?
Er betrachtete Falkoner, der immer noch ruhig in sein Headset sprach. Er erinnerte sich voll Entsetzen an den begierigen Ausdruck in Falkoners Augen, als er den Journalisten gefoltert und getötet hatte. Es war das erste Mal, dass er gesehen hatte, dass Falkoner an etwas Spaß hatte. Und er erinnerte sich an Falkoners Augen, als er gesagt hatte, man müsse Pendergast festnehmen: derselbe gierige Blick der Vorfreude, wie Durst. Obwohl es im Maschinenraum warm war, fröstelte es ihn. Allmählich ging ihm auf, dass – selbst wenn Pendergast getötet werden würde – seine Probleme mit dem Bund bei weitem noch nicht vorbei waren. Mehr noch: Es konnte sein, dass sie gerade erst anfingen.
Es war ein gravierender Fehler gewesen, die Aktion auf die Vergeltung zu verlegen. Denn jetzt war auch er diesen Leuten ausgeliefert.