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New York City
Die Essensschlange vor der Mission in der Bowery Street rückte langsam zu den Tabletts vor, vorbei an der vorderen Reihe der im Refektoriums-Stil aufgestellten Tische.
»Verdammt«, sagte der Mann direkt vor ihm. »Nicht schon wieder Hähnchen mit Klößen.«
Zerstreut griff Esterhazy sich ein Tablett, nahm sich von dem Maisbrot und schlurfte weiter.
Er war immer noch unterhalb des Radars. Tief darunter. Von Boston aus hatte er den Bus genommen und hatte aufgehört, Kreditkarten zu benutzen und Geld aus dem Automaten zu ziehen. Er benutzte den Namen auf seinem falschen Pass und hatte sich ein neues Handy unter dem angenommenen Namen gekauft. Untergekommen war er in einem billigen Wohnheim an der Second Street, wo vorzugsweise Bargeld genommen wurde. Wenn irgendmöglich, ernährte er sich mit Hilfe von karitativen Essensausgaben wie dieser. Er hatte noch einen ordentlichen Batzen Bargeld von der Reise nach Schottland übrig, so dass er sich momentan um Geld keine Sorgen machen musste, und er würde auch noch eine Weile damit auskommen. Pendergasts Ressourcen waren beängstigend umfassend, da wollte er kein Risiko eingehen. Außerdem wusste er ja, dass sie ihm jederzeit mehr geben würden.
»Scheiß grüner Wackelpudding«, beschwerte sich der Mann vor ihm. Er war um die vierzig, trug ein dünnes Ziegenbärtchen zur Schau und war mit einem verwaschenen Holzfällerhemd bekleidet. Sein blasses, unsauberes Gesicht war von jeder Art Laster und Verdorbenheit gezeichnet. »Wieso gibt’s nie mal roten Wackelpudding?«
Die Banalität des Bösen, dachte Esterhazy, während er ein Hauptgericht auf sein Plastiktablett stellte, ohne auch nur hinzusehen. Das war keine Art zu leben. Er musste aufhören mit dem Weglaufen und wieder in die Offensive gehen. Pendergast musste sterben. Zweimal hatte er versucht, Pendergast zu töten. Aller guten Dinge waren drei, so hieß es doch; vielleicht würde es ja beim dritten Mal klappen.
Jeder hat eine Schwachstelle. Finden Sie seine, und nutzen Sie sie aus.
Er trug sein Tablett zu einem der Tische und setzte sich auf den einzigen freien Platz neben dem Mann mit dem Ziegenbart. Er hob die Gabel, stocherte geistesabwesend in seinem Essen herum und legte das Besteck wieder hin.
Jetzt, wo er darüber nachdachte, erkannte Esterhazy, wie wenig er im Grunde über Pendergast wusste. Der Mann war mit seiner Schwester verheiratet gewesen. Aber obwohl sie ein freundschaftliches Verhältnis gehabt hatten, war er immer distanziert geblieben, kühl, eine unbekannte Größe. Wenn es Esterhazy nicht gelungen war, ihn zu töten, dann teilweise deshalb, weil er ihn nicht wirklich verstand. Er musste mehr über ihn in Erfahrung bringen: seinen Aktionsradius, seine Vorlieben, seine Abneigungen, seine Bindungen, was ihn antrieb, woran ihm etwas lag.
Wir werden uns gut um Sie kümmern. Wie wir es stets getan haben.
Esterhazy schaffte es kaum, den Bissen herunterzuschlucken, während der Satz in seinem Kopf nachhallte. Er legte die Gabel wieder hin und wandte sich dem ziegenbärtigen Vagabunden neben sich zu. Er starrte ihn an, bis der Mann aufhörte zu essen und aufschaute.
»Haste ’n Problem?«
»Hab ich tatsächlich, ja.« Esterhazy schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Und weswegen?« Der Mann war sofort misstrauisch.
»Jemand verfolgt mich«, sagte Esterhazy. »Bedroht mein Leben. Ich kann ihn nicht abschütteln.«
»Dann leg das Schwein doch um«, sagte der Mann und begann wieder, seinen Wackelpudding zu schlürfen.
»Das ist ja das Problem. Ich komme nicht nahe genug an ihn ran, um ihn zu töten. Was würden Sie tun?«
Die tiefliegenden Augen des Mannes funkelten vor lauter Bosheit, und er legte den Löffel hin. Das war etwas, das er verstand. »Du musst ihn über jemanden erwischen, der ihm nahesteht. Jemand Schwaches, Hilfloses. Eine Frau.«
»Eine Frau«, wiederholte Esterhazy.
»Nicht irgendeine Frau, seine Alte. An einen Mann kommt man am besten über seine Alte ran.«
»Das klingt logisch.«
»Scheiße, klar macht es Sinn. Ich hatte mal Zoff mit ’nem Dealer, Digger, wollte ihn in den Arsch treten, aber er hatte immer seine Leute um sich rum. Na, er hatte ’ne kleine Schwester, echt lecker …«
Es war eine lange Geschichte, aber Esterhazy hörte gar nicht mehr hin. Er war tief in Gedanken versunken.
Seine Alte …