Historische Anmerkungen
Die Idee zu diesem Roman entstand aus der Faszination, die Athanasisus Kircher von Anfang an auf mich ausübte, als ich vor vielen Jahren von ihm erfuhr.
Kircher (* 1602, Geisa bei Fulda – † 1680, Rom) trat als sehr junger Mann in die Gesellschaft Jesu ein und widmete sein ganzes Leben der Wissenschaft. Von ihm sind bedeutende Werke zu den verschiedensten Gebieten erhalten: über Vulkanologie und Optik, Musiktheorie und Akustik. Er ist möglicherweise der Erfinder der Laterna magica, einer Vorläuferin des heutigen Kinos, und erwiesenermaßen der Erste, der wirksame Apparate zur akustischen Verstärkung entwickelte. Jahrzehntelang versuchte er, die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern, was ihm nicht gelang, aber er ahnte, dass es sich nicht um Ideogramme, sondern um phonetische Zeichen handelt. Kirchers Vermutung wurde von Champollion aufgenommen, der ihn in seinen Schriften zitiert. Kircher stand in Kontakt mit den wichtigsten Denkern der Epoche, darunter Gassendi, Leibniz und Newton, um nur einige zu nennen. Er selbst galt allgemein als der gelehrteste Mann seines Jahrhunderts.
Beim Verfassen dieses Romans habe ich, wie man sich vorstellen kann, ein oft unentwirrbares Geflecht aus Wirklichkeit und Fantasie geknüpft, aus historischen Fakten und erfundenen Ereignissen, aus realen Personen und rein literarischen Figuren.
Der Skorpion, der ungreifbare Mörder, ist ein Produkt meiner Fantasie, auch wenn finstere Gestalten wie er zu jener Zeit alles andere als selten waren. Der Meuchelmord war ein beliebtes politisches Mittel, dessen sich die Machthaber mit großer Skrupellosigkeit bedienten. Um mir ein kleines Urteil am Rande zu erlauben: Der menschliche Fortschritt in den Jahrhunderten, die seitdem vergangen sind, scheint in keinem Verhältnis zum wissenschaftlichen zu stehen.
Auch Giovanni Battista Sacchi, genannt Il Fulminacci, Maler, Bildhauer etc., ist natürlich eine Erfindung. Einige Charakterzüge hat er aber durchaus mit bekannten Künstlern des Barock gemein, die genauso gern und schnell zum Schwert griffen wie zum Pinsel, man denke nur an Michelangelo Merisi da Caravaggio.
Das Gleiche gilt nicht für Beatrice, für die man schwerlich ein historisches Vorbild finden dürfte, da die Rolle der Frau zu jener Zeit eine eher untergeordnete war. Weil ich dem Maler eine unabhängige, intelligente, besonnene und couragierte Frauenfigur zur Seite stellen wollte, habe ich mir erlaubt, die Grenzen der Historizität etwas zu dehnen, und hoffe auf die Nachsicht meiner Leserinnen und Leser.
Baldassarre Melchiorri, der Großmeister, wurde nach einer schillernden Persönlichkeit geformt, die in dieser Epoche eine gewisse Berühmtheit genoss: Giuseppe Francesco Borri, ein Mann, der den Aberglauben und die Verführbarkeit der Leute auszunutzen und sich zu bereichern wusste, indem er sich die denkwürdigsten Tricks und Schelmereien ausdachte. Heute würde man ihn als Scharlatan und Hochstapler bezeichnen, aber damals hatte er beträchtlichen Erfolg mit seiner Masche.
Bernardo Muti ist zwar ebenfalls meiner Feder entsprungen, erforderte aber am wenigsten Erfindungsgabe. Sowohl in der Romanliteratur als auch in der historischen Essayistik finden sich reihenweise solche Fanatiker und Glaubenstyrannen, die das Wort »Zweifel« nicht kannten. Die sogenannte heilige Inquisition war seit ihrer Gründung ein gefundenes Fressen für diese sadistischen, blutgierigen Männer, angefangen bei ihrem Gründer. Daher fiel es nicht schwer, eine Figur zu zeichnen, die abgrundtief böse und zugleich vollkommen glaubwürdig ist.
Valocchi, der flämische Maler, ist eine für seine Zeit sehr typische Gestalt. Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts wurde Rom von Künstlern aus den Niederlanden regelrecht überschwemmt, die nach ihrem bekanntesten Vertreter, Pieter Van Laer, genannt »Il Bamboccio« (»das Dickerchen«), als »Bamboccianti« bezeichnet wurden. Diese Bamboccianti nahmen den Lebensstil der Bohemiens im Paris des neunzehnten Jahrhunderts um zwei Jahrhunderte vorweg. Sie hatten eine Vorliebe für Völlerei und Glücksspiel, für Bordellbesuche und Raufhändel und stellten mehrere Jahrzehnte lang eine wahre Geißel für die Stadt dar. Eine ebensolche Geißel, aber auf längere Zeit und europaweit, waren die Bettlerbruderschaften. Schon seit dem hohen Mittelalter schlossen sich die zahlreichen Bettler sowohl in den Städten als auch auf dem Land zu Vereinigungen zusammen, die sich »Bruderschaften« nannten und richtige Satzungen und gewählte Obleute hatten. Manchmal hatten diese Bruderschaften so viele Mitglieder, dass ihre Vorsitzenden von Gleich zu Gleich mit den Ratsherren und Vögten der großen Städte verhandeln konnten. Die Confraternita degli Sbasiti, deren Oberhaupt zur beschriebenen Zeit tatsächlich Giovanni da Camerino hieß, war eine der mächtigsten und bestorganisierten.
Kardinal Decio Azzolini (* 1623, Fermo – † 1689, Rom) war lange Jahre einer der einflussreichsten Vertreter der katholischen Kirche. Seine »Squadron Volante« (»Fliegende Schwadron«) begünstigte sowohl die Wahl von Papst Alexander VII. (Fabio Chigi, * 1599, Siena – † 1667, Rom) als auch die seines Nachfolgers Clemens IX. (Giulio Rospigliosi, * 1600, Pistoia – † 1669, Rom). Azzolini war der Beschützer und Freund Christines von Schweden, mit der er die Liebe zu den Künsten und zur Wissenschaft und, wie böse Zungen behaupteten, auch das Bett teilte. Er lenkte die Geschicke der Kirche in einem der schwierigsten Momente ihrer Geschichte, als mit dem Westfälischen Frieden, der dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende setzte, die Macht und Führungsstellung des Heiligen Stuhls unaufhaltsam zu schwinden begann.
Auch Christine von Schweden (* 1626, Stockholm – † 1689, Rom) gehörte zu den großen Persönlichkeiten des Jahrhunderts. Nach dem vorzeitigen Ableben ihres Vaters Gustav Adolf (* 1594, Stockholm – † 1632, Leipzig) bestieg sie schon mit sechs Jahren den Thron und herrschte bis 1644 unter der Regierung des Kanzlers Oxenstierna. 1654 dankte sie zugunsten ihres Vetters Karl Gustav (später Karl X.) ab, trat zum Katholizismus über und zog von Schweden nach Rom, wo sie mit allen Ehren empfangen wurde und – mit kurzen Unterbrechungen – bis zu ihrem Tod lebte. Nicht zu Unrecht wurde sie als Liebling und Schutzbefohlene der Gesellschaft Jesu angesehen, die ihren Konfessionswechsel herbeiführte und bis zuletzt ihre dynastischen Ansprüche unterstützte.
Zum Schluss noch ein Wort zu den beiden Figuren, die die fiktivsten des Romans sind: Zane, der Slawe, und Bischof de Simara. Was Zane betrifft, so denke ich, dass man Männern wie ihm zu jener Zeit häufig begegnen konnte, wenn vielleicht auch eher in Venedig als in Rom. Im siebzehnten Jahrhundert war die Adria ein Schauplatz brutaler Seeschlachten um den Besitz Dalmatiens, und zwar zwischen der Republik Venedig, die das Gebiet ihrem See- und Handelsimperium einverleibt hatte, und den Türken, die bereits den gesamten Balkan erobert hatten und nun auch die Seewege kontrollieren wollten, um Österreich den Todesstoß zu versetzen. Zu diesen endlosen Scharmützeln und ausgewachsenen Seeschlachten leisteten Tausende von Matrosen, Söldnern, einfachen Bürgern und Händlern, die dem wechselnden Glück des Krieges folgten, ihren unfreiwilligen Beitrag an Schweiß, indem sie an die Ruderbänke der Galeeren beider Seiten gekettet wurden. Für die meisten war in Ermangelung einer reichen Familie, die sie freikaufen konnte, der Untergang des Schiffs die einzige Möglichkeit, sich ihrem schrecklichen Schicksal zu entziehen. Viele ertranken dabei, wie man sich denken kann, aber einige wenige, die kräftig genug waren oder mehr Glück hatten, konnten sich retten.
Zwar ist auch de Simara eine Fantasiefigur, doch kann ich sie nicht allein für mich beanspruchen, da sie auf der Erfindung eines maßgeblicheren Autors beruht. Leser, die noch nicht von allein darauf gekommen sind, wer sich hinter ihr verbirgt, brauchen nur den Namen von hinten nach vorne zu lesen…