KAPITEL XXXVII

 

Der Palazzo Riario, der römische Wohnsitz der Königin von Schweden, lag an der Via della Lungara, einer langen Hauptverkehrsader, die den Vatikan mit dem volkstümlichen Viertel Trastevere, direkt unterhalb des Gianicolo, verband. Er befand sich nicht so weit vom Collegium Romanum entfernt, dass man die Strecke unbedingt zu Pferd hätte zurücklegen müssen, aber auch nicht in bequemer Fußnähe. Es war kein strammer Marsch bis dorthin, doch gewiss ein ordentlicher Spaziergang, bei dem auch der Tiber überquert werden musste.

Fulminacci aber merkte nichts davon. Die Angst um Beatrice verlieh ihm Flügel. Die Angst, aber auch das Wissen um die eigene Ohnmacht und um die Tatsache, dass das Schicksal der Freundin in den Händen mächtiger Kirchenleute lag, von deren Launen ihr Leben und ihre Zukunft abhingen.

Seine Stiefel waren das einzige Kleidungsstück in seinem Besitz, das nicht schon mehrere Jahre auf dem Buckel hatte. Er hatte sie sich in einem der seltenen Momente von Wohlhabenheit von einem Schuster maßanfertigen lassen, der ihm von seinem flämischen Freund empfohlen worden war. Obwohl sie noch fast neu waren, hatten das viele Laufen, die Verfolgungsjagden und die langen Märsche der vergangenen Tage sie doch arg strapaziert, sodass die dicken Ledersohlen dünn wie Pergament geworden waren. Bei jedem Schritt spürte der Maler die Unebenheiten des Steinpflasters unter seinen Füßen, doch in seiner gegenwärtigen Verfassung hätte er barfuß über glühende Kohlen gehen können, ohne den geringsten Schmerz zu spüren.

Um keine Zeit zu verlieren, hatten er und Zane sich hinter der Sisto-Brücke getrennt. Der Slawe würde mit der Nachricht für Bischof de Simara zur französischen Gesandtschaft gehen, und obwohl ihnen beiden klar war, dass seine Stummheit kein geringes Hindernis darstellte, hielten sie die Lösung für die beste. Wenn alles gut ging, würde der Bischof verstehen, dass höchste Eile geboten war, auch ohne sich direkt mit dem Überbringer der Nachricht verständigen zu können.

Während er eilig ausschritt, hatte Fulminacci über die Geschehnisse der letzten Tage nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Beatrice in einer engen Beziehung zu de Simara stehen musste. Anders war es nicht zu erklären, dass sie seiner Zeichnung so viel Bedeutung beigemessen und darauf bestanden hatte, sie zurückzuholen und schnellstens der französischen Gesandtschaft zu übergeben, indem sie noch vor Morgengrauen das Haus verließ. Außerdem hatte sie mehr als einmal dunkle Andeutungen über einflussreiche Freunde gemacht. Eingedenk dieser Hinweise lag es auf der Hand, dass Beatrice eine Agentin des Bischofs war.

Das überraschte ihn nicht. Er hatte Beatrice schon immer für eine rätselhafte Frau gehalten. Auch ihr Gewerbe als Kräuterweib und Kartenlegerin war vermutlich – jetzt, da er es in einem neuen Licht betrachtete – nur eine Tarnung für ihre eigentliche Tätigkeit. In Rom als Hauptstadt der Christenheit und Sitz des Papsttums wimmelte es von Spionen und Agenten aller europäischen Mächte, und nicht nur der. Dass seine Freundin auch zu diesem Kreis gehörte, war vielleicht bemerkenswert, aber keinesfalls verwunderlich.

Über diesen Gedanken brütend und geschwind einen Fuß vor den anderen setzend, erreichte er schließlich das Portal des Palazzo Riario, wo er oberflächlich seine abgewetzten Kleider abklopfte und sich in der Pförtnerloge meldete. Dort trat ihm ein Page entgegen, der ihn in würdevoller Haltung nach seinen Wünschen fragte und ihn gleichzeitig darauf hinwies, dass sich der Dienstboteneingang auf der anderen Seite des Gebäudes befand. Fulminacci reagierte auf seine Herablassung so kultiviert und wohlerzogen wie möglich und legte kurz den Anlass seines Besuches dar. »Ich bedauere, guter Mann, die Königin hält sich zur Zeit nicht im Palast auf. Abgesehen davon bezweifle ich stark, dass sie Euch empfangen würde.«

»Wie ich Euch soeben erklärte«, erwiderte Fulminacci, »geht es um eine Sache von höchster Dringlichkeit. Ich überbringe eine Botschaft von Pater Kircher, und im Übrigen bin ich kein ›guter Mann‹, sondern Giovanni Battista Sacchi, Kunstmaler von einigem Ruf.«

»In dem Fall hinterlasst Eure Botschaft hier in der Pförtnerstelle. Kann sein, dass die Königin bei ihrer Rückkehr die Güte hat, einen Blick darauf zu werfen, obwohl ich mir dessen keineswegs sicher bin.«

Fulminacci, der schon unter normalen Umständen nicht dazu neigte, die andere Wange hinzuhalten, war nun gar nicht mehr bereit, es mit Geduld und Höflichkeit zu versuchen.

Seine Hand lag schon auf der Degenglocke, als der unangenehme Wortwechsel von einem Dritten unterbrochen wurde, der gerade noch rechtzeitig kam, um dem unglückseligen Pagen eine denkwürdige Lektion zu ersparen.

»Entschuldigt die Einmischung«, sagte der Neuankömmling, »aber ich habe mitgehört, dass Ihr Signor Sacchi, der Maler, seid. Der Großmeister hat mir viel von Euch erzählt und mich gebeten, Euch meine Dienste anzubieten, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Erlaubt mir, mich vorzustellen: Ich bin Jacopo Salinari, der erste Gehilfe des Großmeisters.«

Fulminacci nahm seine Rechte vom Degen, um die ihm dargebotene Hand zu schütteln.

Der Page, der sich nun überflüssig fühlte, zumal die Gelegenheit, sich wichtig zu machen, dahin war, entfernte sich mit steifen, gemessenen Schritten, als wäre ihm plötzlich ein übler Geruch in die Nase gestiegen.

»Dem Himmel sei Dank, dass ich Euch getroffen habe!«, rief der Maler und schüttelte die Hand des Gehilfen etwas zu kräftig. »Bitte bringt mich sogleich zu Ard… zum Großmeister, meine ich. Ich muss dringend mit ihm sprechen.« »Es tut mir sehr leid, Signore, aber er ist nicht im Palast. Wenn es wirklich dringend ist, kann ich euch zu ihm führen, obwohl ich Euch darauf hinweisen muss, dass es ein wenig Zeit in Anspruch nehmen wird.«

»Bitte tut das. Es geht um Leben und Tod.«

Sie durchschritten die Empfangshalle und dann einen langen Flur, der in den Nordflügel des Palastes führte. Überall herrschte ein reges Kommen und Gehen von Pagen, Lakaien und Hausmädchen, die mit den verschiedensten Aufgaben beschäftigt waren: Einige polierten die Spiegel, andere die Marmorböden, wieder andere wischten die Goldlackierung des Stucks ab, bis sie glänzte.

»Wie Ihr seht«, erklärte Salinari, »sind die Vorbereitungen für das Fest in vollem Gange.«

»Welches Fest?«, fragte der Maler verdutzt.

»Die Königin gibt übermorgen ein großes Frühlingsfest, und jetzt überschlagen sich alle, damit alles rechtzeitig fertig wird. Alles, was in Rom Rang und Namen hat, wird da sein. Pater Kircher hat mehrere von seinen verblüffenden Teufelsmaschinen zur Verfügung gestellt, um die Gäste zu unterhalten. Aber ich merke, dass Euch das alles nicht besonders interessiert…«

»Verzeiht meine Unhöflichkeit, doch im Moment steht mir einfach der Sinn nicht danach. Ihr ahnt nicht, was mir passiert ist…«

Da er Vertrauen zu dem Gehilfen gefasst hatte, begann der Maler mit großer Detailfülle zu erzählen, was ihm in letzter Zeit zugestoßen war, wobei er sich besonders inbrünstig bei dem Unglück aufhielt, das Beatrice ereilt hatte.

»Wie mir scheint, liegt Euch sehr viel an dieser jungen Frau«, bemerkte Salinari verschmitzt.

»Wo denkt Ihr hin?«, fuhr Fulminacci pikiert auf. »Sie ist nur eine Freundin. Eine sehr gute, liebe Freundin.«

»Das glaube ich Euch nicht recht, lieber Sacchi, aber das ist Eure Angelegenheit. Kommt, wir gehen hier entlang.«

Sie traten durch eine Terrassentür, die in den Park führte, und eilten einen langen, von Buchsbaumhecken eingefassten Weg hinunter. Als sie am Fluss angekommen waren, führte Salinari seinen Gast zu einem Treppchen, über das man auf einen kleinen Anleger gelangte. Dort wartete einer der typischen kleinen Flusskähne mit niedrigen Seitenwänden und flachem Kiel auf sie. Sie stiegen ein und setzten sich auf die Bänke, worauf der Bootsführer, ein rüstiger, kräftiger Mann, sogleich energisch zu rudern anfing.

Dankbar streckte Fulminacci seine vom vielen Gehen schmerzenden Beine aus und betrachtete seinen Begleiter eingehender.

Er war etwa zwanzig Jahre alt, mittelgroß und von schlanker Gestalt. Seine feinen Gesichtszüge, die man fast weibisch nennen konnte, drückten eine spöttische Dreistigkeit aus, die schon an Unverschämtheit grenzte.

Noch so ein gebildeter Gauner, dachte der Maler. Arduino hat wirklich ein Talent dafür, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben.

»Kennt Ihr den Großmeister schon lange?«, fragte der junge Mann.

»Das kann man wohl sagen«, antwortete Fulminacci, »obwohl wir uns einige Jahre nicht gesehen haben.«

»Verzeiht, wenn ich impertinent erscheine«, bohrte Salinari weiter, »aber da Ihr Euch einer langen Bekanntschaft mit ihm rühmen dürft, könntet Ihr mir vielleicht seinen wahren Namen verraten? Ich bin überzeugt, dass Baldassarre Melchiorri nur ein Künstlername ist.«

Fulminacci war etwas befremdet von der Direktheit des Jünglings, der sich erlaubte, ihm derart persönliche Fragen zu stellen, ohne ihn näher zu kennen.

»Soweit ich weiß«, antwortete er schließlich, »ist Baldassarre Melchiorri sein echter Name. Zumindest nannte er sich so, als wir uns in Mailand kennenlernten.«

»In Mailand? Wie interessant, ich wusste nicht, dass der Großmeister je in Mailand ansässig war. Davon hat er mir nie erzählt. Eure Verschwiegenheit ehrt Euch, aber ich werde seinen richtigen Namen schon irgendwann herausbekommen.« Fulminacci biss sich auf die Zunge und verfluchte die Einfältigkeit, mit der er in eine so offensichtliche Falle getappt war. Unter dem Vorwand, eine bestimmte Information erfahren zu wollen, hatte Salinari ihm eine andere entlockt. Er nahm sich vor, in Zukunft besser aufzupassen, was er sagte. Diese Sorte von Abenteurern hatte die Kunst, anderen Informationen abzulisten, zu einer Wissenschaft erhoben.

»Darf man mal erfahren, wohin es eigentlich geht?«, fragte er barscher als beabsichtigt.

»Habt noch ein wenig Geduld, Messer Sacchi. Ich bringe Euch an einen der geheimsten und exklusivsten Orte der Stadt. Einen überaus anregenden Ort, der Euer Künstlerauge erfreuen wird. Befasst Ihr Euch mit Vedutenmalerei?«

»Gelegentlich. Wenn ich einen guten Auftrag dafür bekomme, lehne ich ihn gewiss nicht ab«, antwortete Fulminacci und war erleichtert, dass das Gespräch sich auf die Kunst verlagerte. »Persönlich bevorzuge ich allerdings größere Themen, egal ob weltlich oder religiös. Umfangreiche Werke, Fresken, großformatige Gemälde, auch wenn zur Zeit keine gesteigerte Nachfrage danach besteht.«

»Was wirklich schade ist«, sagte Salinari mitfühlend. »Der Chigi-Papst hat sich in der Tat als großer Geizhals entpuppt. Aber er stammt auch aus einer Bankiersfamilie, was soll man da anderes erwarten?«

»Es heißt, um seine Gesundheit sei es schlecht bestellt…«

»Das stimmt. Er hat eine verstopfte Niere und kann das Bett nicht verlassen. Wenn er einem feierlichen Anlass beiwohnen muss, setzen die Angestellten der päpstlichen Kammer jedes Mal einen unglaublichen Apparat in Gang, um ihn transportieren zu können. Ich habe einen Bekannten beim päpstlichen Ärztekollegium, der mir versichert hat, dass er nicht mehr lange leben wird. Ein halbes Jahr, maximal ein Jahr noch.«

»Bestimmt ist die Kurie schon auf der Suche nach einem Nachfolger. Wisst Ihr etwas darüber?«

»Ach, Namen werden viele genannt. Alle tun sie sehr geschäftig, aber ich glaube, am Ende wird sich wieder Azzolinis fliegende Schwadron durchsetzen.«

»Meint Ihr, der Kardinal hat eine Chance, Papst zu werden?«

»Er selbst wohl nicht. Zu viel Tratsch über seine Beziehung zu Königin Christine. Er wäre ein zu schwacher Kandidat, glaube ich. Nein, Azzolini wird mit gewohntem Geschick alle Hebel in Bewegung setzen und seine Rivalen gegeneinander ausspielen, bis der Kardinal, der ihm genehm ist, sich im letzten Moment behauptet. Hoffen wir bloß, dass es nicht Rospigliosi wird, denn dann müssten der Großmeister und ich über eine Luftveränderung nachdenken.«

»Rospigliosi wird doch von allen als gemäßigt geschildert.«

»Das ist nur Fassade. Rospigliosi ist der große Sohn einer unbekannten Mutter. Wenn er Papst wird, müssen sich eine Menge Leute im Purpurgewand ganz schön umstellen, glaubt mir.«

Inzwischen war das Boot mit der Strömung ein gutes Stück flussabwärts gefahren, hatte das Augustus-Mausoleum passiert und die dichter besiedelten Stadtteile hinter sich gelassen.

Jetzt verließ es die Flussmitte und hielt auf das rechte Ufer zu, an dem eine verfallene und derart von Vegetation überwucherte Ruine stand, dass man ihren einstigen Zweck nicht mehr erkennen konnte.

»Die Aureliansthermen«, sagte Salinari mit Blick auf die massigen Strebepfeiler aus abgebröckelten Ziegelsteinen. »Wir sind gleich da.«

Die Barke trieb von der Hauptströmung weg und fuhr in eine Schleife mit ruhigerem, trüberem Wasser hinein. Als das verfallene Bauwerk erreicht war, legten sie nicht an, sondern glitten unter einem hohen Bogen hindurch in einen Tunnel, der ins Erdinnere zu führen schien. Mit geübten Bewegungen zündete Salinari eine Fackel an, damit der Fährmann sich in der Dunkelheit orientieren konnte. Sie folgten einigen Windungen, bis sie ein breiteres Gewässer, eine Art unterirdischen See, erreichten, an dessen anderem Ufer mehrere Boote verschiedener Formen und Größen festgemacht waren. Der Fährmann legte neben ihnen an, sprang ans Ufer und befestigte den Bug des Bootes mit einem Tau an einem Eisenring.

»Wir sind da«, rief Salinari munter und hüpfte geschmeidig auf die kleine Mole.

»Wo ist Melchiorri?«, fragte der Maler, der wegen seiner abgelaufenen Sohlen, die auf dem rutschigen Untergrund wenig Halt fanden, etwas vorsichtiger ausstieg.

»Folgt mir, Messere, es ist nicht mehr weit.«

Von dem Assistenten geleitet ging Fulminacci über einen kleinen Platz mit einem abgenutzten, aber wunderschönen Mosaikboden und betrat dann einen Gang mit Tonnengewölbe. Als er einen Blick auf dessen Wände warf, musste er einen überraschten Ausruf unterdrücken. Die alten, etwa hundert Schritt langen Mauern waren von oben bis unten mit Fresken bedeckt. Diese stellten allegorische Szenen dar, die dem Maler unbekannt waren, obwohl er sich aufgrund seines Berufs und der Epoche, in der er lebte, einer gründlichen Kenntnis der klassischen Mythologie rühmen durfte.

»Mein… Mein Gott«, brachte er nur heraus, »das ist ja… das ist ja unglaublich.«

»Ziemlich beeindruckend, nicht wahr?«, erwiderte Salineri betont gelassen. »Ein außerordentlicher Wandschmuck und sehr gut erhalten, wenn man bedenkt, dass er dreizehnhundert Jahre in dieser feuchten Umgebung hinter sich hat.«

»So… So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte Fulminacci, völlig verzückt von der schlichten und doch ausdrucksstarken Anmut der abgebildeten Szenen. »Seht Euch nur die Qualität der Farben an! Das Rot vor allem ist so leuchtend und satt, als wäre es erst vor wenigen Stunden aufgetragen worden. Und diese Dichte der Pigmente. Ich glaube, es gibt heute in ganz Europa keinen Künstler mehr, der Fresken von solcher… solcher…«

»Es handelt sich um eine Technik, die leider mit dem Fall des Römischen Reichs verloren gegangen ist. ›Wachsmalerei‹, so nennt sie mein Meister. Melchiorri hat sie gründlich erforscht und ist überzeugt, mit genügend Zeit und Mitteln ihr Geheimnis lüften zu können. Im Moment weiß er nur eines sicher, nämlich dass bei dieser Technik mit Wärme gearbeitet wurde, vermutlich unter Verwendung von Wachs. Aber das wird er Euch alles selbst ausführlicher erklären. Wie gesagt befinden wir uns hier im Innern der antiken Aureliansthermen. Aurelianus war ein Soldaten kaiser, der nach Erlangung der Herrschaft seinen Legionären etwas Gutes tun wollte und die Wände seiner Thermen mit Szenen aus dem Mithraskult bemalen ließ, der verbreitetsten Religion unter den Truppen, die ihn auf den Cäsarenthron gehoben hatten. Seht einmal genau hin, Messere – findet Ihr nicht, dass diese Szenen eine Reihe von auffälligen Ähnlichkeiten mit der Ikonologie der heiligen Mutter Kirche aufweisen? Seltsam, nicht wahr?«

Aus dem Gang kamen sie in eine elegante achteckige Halle, die ganz aus vielfarbigem Marmor in allen Schattierungen von Grün und Blau bestand, was dem Raum eine Art Unterwasseratmosphäre verlieh, auch wenn die schön geformten Becken in den acht Nischen jetzt trocken waren. Der Boden war mit einem großen, runden Mosaik geschmückt, das Neptun auf seinem Thron darstellte, umgeben von Nymphen, Najaden, Nereiden, Tritonen und vielen anderen mythologischen Wesen. Doch sie hatten keine Zeit, sich in das Reich des Meeresgottes zu versenken. Rasch durchquerten sie die Halle, gingen unter einer schön geformten Bogentür hindurch und betraten einen weiteren, größeren Raum, in dessen Mitte ein halbkreisförmiger Aufbau aus Holz stand. Der Saal wurde von zahlreichen Kerzenständern taghell erleuchtet, die so aufgestellt worden waren, dass das Licht vorwiegend auf diesen mittleren Bereich fiel. In dem großen Halbrund saßen mehrere Dutzend Leute, von denen ein paar unverkennbar purpurfarbene Gewänder trugen.

Niemand drehte sich um, als die beiden hereinkamen. Alle blickten gebannt auf die tiefer gelegene Fläche vor der Holztribüne, wo ein einfaches Tischchen zu sehen war, an dem zwei Personen saßen. Neben dem Tischchen erhob sich ein Postament mit einem großen Vogel aus Metall darauf, der seine Flügel halb ausgebreitet hatte. An der Seite dieses Vogels konnte der Maler die aufrechte Gestalt des Großmeisters Baldassarre Melchiorri erkennen, prächtig gekleidet in den Überrock des Vorstehers seines imaginären Ordens.

»Was ist das? Was machen diese Männer da?«, erkundigte sich Fulminacci.

»Sie spielen das Phönixspiel, was sonst? In was für einer Welt lebt Ihr eigentlich, Maestro Sacchi?«