KAPITEL LXVIII

 

Die kleine Versammlung löste sich schnell auf. Sobald sie aus dem Saal kamen, holten die Musketiere ihre Degen und Schwerter aus den Verstecken.

»Versucht, die Waffen unter den Mänteln zu verbergen«, legte ihnen der Bischof ans Herz, »und vermeidet es, falschen Alarm zu schlagen. Wir bewegen uns hier auf ganz dünnem Eis. Ein falscher Schritt, und der gesamte Einsatz schlägt fehl.«

Die Männer teilten sich auf und gingen in verschiedene Richtungen davon.

Fulminacci trottete hinter de Simara her.

»Verflixt, das ist wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen«, klagte er. »Außerdem hätte ich lieber meinen eigenen Degen mit diesen dummen Zahnstochern hier fühle ich mich überhaupt nicht wohl.«

»Der französische Stahl ist nicht schlechter als der Mailänder, Messer Sacchi. Ihr seid ein guter Fechter und werdet Euch ohne Probleme daran gewöhnen.«

»Wohin gehen wir jetzt?«

»Der Skorpion sucht nach den Jesuiten. Er ist kein Mann der halben Sachen.«

»Aber er hat sie vergiften lassen. Vielleicht denkt er, die Aufgabe ist damit erledigt, und haut ab.«

»Er kann sich des Erfolgs nicht gewiss sein. Gift ist keine so zuverlässige Waffe wie zwei Spannen gehärteter Stahl. Sperrt gut die Augen auf, Ihr und de la Fleur hattet als Einzige die zweifelhafte Ehre, dem Skorpion persönlich zu begegnen. Ich baue darauf, dass Ihr ihn erkennt, auch wenn er maskiert sein wird.«

Sie kehrten in das Festgetümmel zurück und schlenderten unter den Gästen umher, wobei sie sich bemühten, möglichst unbekümmert zu wirken. Das gelang dem Bischof perfekt, dem Maler aber weniger, dessen Nerven zum Zerreißen gespannt waren, sodass er beim geringsten Geräusch und der kleinsten unerwarteten Bewegung zusammenzuckte.

Das große Feuerwerkfinale war von höflichem Applaus begleitet worden, wie es sich für Damen und Herren dieses Rangs gehörte. Ihr bewunderndes Raunen war jedoch noch nicht ganz verstummt, ein Zeichen dafür, dass das Schauspiel den Panzer der Gleichgültigkeit durchdrungen hatte, mit dem sich die Reichen und Mächtigen gewöhnlich umgaben.

Zumindest in dieser Hinsicht fiel es Fulminacci nicht schwer, distanzierte Gelassenheit zur Schau zu stellen, denn bei der Jagd nach dem ungreifbaren Mörder hatte er nur einen schwachen Widerschein des prächtigen Lichterzaubers mitbekommen.

Sein angestrengtes Ausschauhalten nach dem Skorpion minderte seine Sorge um Beatrice nicht, die immer noch in Gefahr schwebte, auf Befehl des tückischen Muti entführt zu werden.

Melchiorri war ein kluger, mit allen Wassern gewaschener Mann, der Beatrice keiner Gefahr aussetzen würde, aber Fulminacci hätte es trotzdem bei weitem vorgezogen, selbst an ihrer Seite zu sein, um sie zu beschützen.

Angesichts all dieser Bedenken und Ängste ließ er irgendwann in seiner Wachsamkeit nach, doch sobald er es merkte, verbot er sich jede Ablenkung und konzentrierte sich wieder auf die Personen in seiner Umgebung.

Genau in diesem Moment fiel ihm etwas auf.

Melchiorri und Beatrice kamen gerade aus dem Keller heraufgestiegen, als Zane eintrat, der sich mit beiden Händen den schweren Bauch hielt.

Angesichts seiner gewaltigen Erscheinung fuhr Beatrice erschrocken zusammen, weil sie den Gefährten so vieler Abenteuer unter der Maskierung nicht gleich erkannte.

Der Großmeister legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und wandte sich an den falschen Mönch. »Ist alles gut gegangen?«

Zane nickte, schlug sich mit der flachen Hand auf den Bauch und grinste schief.

»Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?«, fragte Melchiorri weiter.

Der Slawe schüttelte den Kopf.

»Sehr gut. Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Folgt mir.«

Der Großmeister ging zurück zu der Tür, aus der sie gerade gekommen waren, griff nach einer bereits brennenden Laterne und stieg die Treppe hinunter. Unten angekommen bogen sie nach links in einen schmalen Gang ein, den Beatrice bei ihrem vorherigen Aufenthalt nicht bemerkt hatte. Am Ende des Gangs gelangten sie in einen großen Raum mit einer niedrigen, gewölbten Decke, der mit allem möglichen Hausrat vollgestopft war.

Mit der Trittsicherheit eines Mannes, der seinen Weg genau kennt, schlängelte sich Melchiorri zwischen kaputten Stühlen, Kommoden mit durchgebrochenem Boden, wurmstichigen Betten und umgekippten Schränken hindurch und führte die Freunde zu einem großen Kleiderschrank an der hinteren Wand, dessen Türen er aufzog. Er bewegte einen Hebel, der als Kerzenleuchter getarnt war, worauf die Rückwand des Schranks sich quietschend auftat und einen niedrigen, engen Stollengang dahinter freigab, der direkt in das feuchte, schwere Erdreich gegraben worden war. Seine Wände und die Decke wurden durch mit Keilen und Spanneisen befestigte Balken abgestützt. Der Großmeister leuchtete in den Gang hinein und bedeutete den beiden anderen, ihm zu folgen.

»Passt du da durch?«, fragte er den umfangreichen Mönch.

Zane musterte die schmale Öffnung, nickte dann aber.

Die drei drangen in den Bauch der Erde ein, nur geführt von der Laterne, deren Schein in dieser feuchten, stickigen Umgebung schwächer geworden zu sein schien, als fürchtete sich die Flamme vor den gewaltigen Erdmassen, die auf die Stützbalken drückten.

»Wohin gehen wir?«, fragte Beatrice.

»Si vis pacem, para bellum«, zitierte Melchiorri und drehte sich mit einem schlauen Grinsen zu ihr um. »Wenn man vom wetterwendischen Wohlwollen der Mächtigen abhängig ist, sollte man sich immer einen Fluchtweg offenhalten. Sobald ich in den Palast eingezogen war, habe ich diesen Gang graben lassen, der direkt zum Fluss führt. Christine ist eine edle und großzügige Herrscherin, aber man weiß nie, was in ihrem Kopf vorgeht. Außerdem ziehe ich es vor, dass gewisse meiner… sagen wir… Geschäfte nicht vor aller Augen abgewickelt werden. Halten wir uns ran, der Tunnel ist zwar sicher, aber mir ist nie so ganz wohl hier unten.«

Der Gang machte eine Biegung und wurde noch niedriger und enger, sodass der arme Zane praktisch vornübergebeugt gehen musste, wobei seine breiten Schultern die Stützbalken an der Seite streiften.

»Bisher hat mir noch niemand erklärt, warum Zane in dieser Aufmachung herumläuft«, hakte Beatrice nach.

»Hab noch ein bisschen Geduld, mein Kind. Deine Neugier wird bald befriedigt werden. Aber ich kann dir bereits verraten, dass ich eine brillante Lösung für unser kleines Problem gefunden habe.«

»Welches Problem genau, Baldassarre? Soweit ich weiß, haben wir einen ganzen Haufen davon.«

»Dein Problem, um genau zu sein. Sagen wir, ich habe einen Weg gefunden, die Differenzen zwischen einer gewissen Kartenlegerin und dem Gericht des Heiligen Offiziums zu beseitigen. Kommt, wir sind gleich da.«

Nach einer letzten, abrupten Kurve standen die drei vor einer Mauer aus Laubwerk und Dornenbüschen. Melchiorri bewegte einen Hebel an einem schlichten Gerüst aus grobem Holz, und die Pflanzenmauer öffnete sich und entließ sie ins Freie.

»Einfach, aber genial«, bemerkte Beatrice.

»Das hält die Neugierigen fern«, sagte der Großmeister, »und im Spätsommer kann man hier die köstlichsten Brombeeren ernten. Folgt mir.«

Sie gingen etwa hundert Schritt an dem grasbewachsenen Ufer entlang und kamen schließlich zu einer flachen Mole aus Stein, an der ein kleiner Lastkahn mit drei dunkel gekleideten Männern darin festgemacht war.

»Hallo, Giovanni!«, rief Melchiorri und hob die Hand zum Gruß. »Wie ich sehe, bist du pünktlich.«

»Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Geschäftsleute«, antwortete eine der dunklen Gestalten, die dabei ihren breitkrempigen Hut abnahm und sich als Giovanni da Camerino zu erkennen gab, das Oberhaupt der Compagnia degli Sbasiti. »Hast du die Ladung dabei?«

»Die Ladung ist bereit. Und auch dein Lohn natürlich. In barer Münze.«

»Es ist immer ein Vergnügen, mit dir Geschäfte zu machen, Baldassarre. Gut, beeilen wir uns. Es ist ein weiter Weg, und ich möchte, dass bis morgen früh alles erledigt ist.«

Zane ging dicht an das Boot heran, hob seine Kutte und begann die Schnallen zu lösen, mit denen der Sack um seinen Bauch befestigt war, wobei ihm der Großmeister mit seinen geschickten Fingern half. Mit einem dumpfen Aufprall fiel der Sack ins Gras.

Beatrice beobachtete das Geschehen verdutzt. Sie hatte tausend Fragen, wollte aber lieber warten, bis ihre Gefährten mit der Übergabe der Ladung fertig waren.

Die beiden packten den Sack an den Enden und hievten ihn mit der Unterstützung eines von Giovannis Kumpanen an Bord.

Melchiorri gab dem Anführer der Bettler einen Lederbeutel, der, als er den Besitzer wechselte, unüberhörbar klirrte und seinen metallischen Inhalt verriet.

»Denk daran, dass er auf der Fahrt aufwachen könnte«, sagte der Großmeister.

Zur Antwort zeigte ihm Giovanni wortlos einen dicken Knüppel.

»Gute Reise, und lasst euch nicht erwischen«, mahnte Melchiorri winkend, als das Boot mit einem langen Paddel vom Ufer abgestoßen wurde und in die Strömung glitt. Der flache Kahn erreichte in Kürze die Flussmitte und entfernte sich immer schneller von der Mole in Richtung der Tibermündung.

»So, jetzt habe ich aber genug gewartet«, sagte Beatrice. »Nun erklär mir, was das Ganze soll, und vor allem, was sich in dem Sack befindet, Baldassarre.«

»Dieser Sack stellt die Lösung deiner Probleme mit der Inquisition dar, liebe Beatrice.«

»Könntest du dich vielleicht für einen Moment klar ausdrücken, statt immer in Rätseln zu sprechen?«

»In dem Sack steckt Bernardo Muti. Zane hat ihn… sagen wir… abgeholt, nicht ganz mit seinem Einverständnis, versteht sich. Die Verkleidung unseres großen Freundes hat dazu gedient, den Inquisitor unbemerkt wegzuschaffen.«

»Bernardo Muti!«, rief Beatrice aus. »Tot, hoffe ich!«

Melchiorri schüttelte den Kopf.

»Lebendig und gesund, auch wenn er mit ordentlichen Kopfschmerzen aufwachen wird, fürchte ich.«

»Wäre es nicht besser gewesen, ihn endlich abzustechen und in den Fluss zu werfen?«, sagte Beatrice mit Augen, die Blitze schleuderten. »Ich werde erst Ruhe finden, wenn diese blutrünstige Bestie in der Hölle schmort!«

»Tut mir leid, Beatrice, aber wie ich dir bereits sagte, lehne ich Blutvergießen ab. Du kannst jedoch beruhigt sein, denn auf Bernardo Muti wartet Schlimmeres als der Tod.«

»Wohin bringen sie ihn?«

»In den Hafen von Ostia, wo er auf eine Tartane mit Kurs auf Tunis verladen wird.«

»Ich verstehe nicht…«

»Bernardo Muti wird als Sklave auf dem Markt verkauft werden. An die Türken.«

»Madonna! Dieser Mistkerl wird es noch bitter bereuen, nicht gleich abgemurkst worden zu sein.«

»Darauf könnte ich wetten«, erwiderte Melchiorri. »Auch abgesehen von meiner persönlichen Abneigung gegen Mord wäre es übrigens keine Lösung gewesen, ihm einfach die Kehle durchzuschneiden. Wir hätten die Leiche entweder vernichten müssen, was viel schwieriger ist, als man glaubt, oder sie wäre früher oder später aufgefunden worden. Und einen Mord am stellvertretenden Inquisitor hätte niemand auf die leichte Schulter genommen, egal, wie viele Feinde Muti in Rom hat. Man hätte eine Untersuchung eröffnet, weitreichende Ermittlungen angestellt, und irgendjemand wäre irgendwann darauf gekommen, den Mord mit uns in Verbindung zu bringen. Dann hätten wir wirklich Ärger am Hals gehabt. Auf diese Weise aber löst Muti sich einfach in nichts auf. Man wird trotzdem eine Untersuchung einleiten, das ist klar, aber ohne eine Leiche wird man wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass der Inquisitor einen Unfall erlitten hat, aus Versehen in den Fluss gefallen ist oder sonst etwas. Muti hat zudem, wie gesagt, viele Feinde, mächtige Feinde. Einer davon wird das Gerücht streuen, dass es sich um eine Flucht handele, und den Namen irgendeiner Frau damit in Zusammenhang bringen. Ich habe bereits dafür gesorgt, die eine oder andere Andeutung in den richtigen Kreisen fallen zu lassen. Die ganze Angelegenheit wird als Burleske enden. Und wir sind ihn los, ohne dass auch nur der Schatten eines Verdachts auf uns fällt.«

»Ein wahrhaft teuflischer Plan«, sagte Beatrice lachend, deren Ärger sich in Bewunderung verwandelt hatte. »Aber wie habt ihr es geschafft, ihn unbemerkt zu entführen?«

»Wenn man es mit dem Teufel zu tun hat, muss man zu teuflischen Methoden greifen«, lautete der lakonische Kommentar des Großmeisters. »Die Entführung war in der Tat der komplizierteste Teil. Die entscheidende List stellte ein Abführmittel dar.«

»Ein Abführmittel?«, fragte Beatrice mit vor Erstaunen geweiteten Augen.

»Genau. Unter Mithilfe eines Verbündeten ist es mir gelungen, Muti ein Laxativ zu verabreichen. Er musste plötzlich dringend die Latrinen aufsuchen, wo Zane ihn schon erwartete, der ihn schnell überwältigte und in dem Sack fortschaffte. Den Rest hast du selbst gesehen.« »Unglaublich! Muti hat aber doch sicher noch seine Leute im Palast. Um mich zu entführen, meine ich.«

»Gewiss. In diesem Moment warten sie vermutlich ungeduldig auf ein Zeichen ihres Auftraggebers. Tja, da können sie lange warten.«

»Werden sie nicht irgendwann auf eigene Faust zuschlagen?«

»Das kann man nicht ganz ausschließen, ist aber unwahrscheinlich. Muti bedient sich gewöhnlich der übelsten Schurken Roms, die sich vor nichts und niemandem fürchten – außer vor dem Inquisitor, der jagt ihnen Angst ein. Ohne ein ausdrückliches Signal von ihm werden sie nicht in Aktion treten, weil sie wissen, dass ein Fehlschlag durch eigenmächtiges Handeln sie mehr kosten wird als das Leben. Trotzdem sollten wir auf alle Fälle die Augen offen halten.«