KAPITEL LXXI
Die kleine Gruppe bestehend aus de Simara, Beatrice, de la Fleur, Fulminacci und Melchiorri verließ das Laboratorium und ging auf den Festsaal im Hauptgebäude zu, wo das große Bankett inzwischen begonnen haben musste.
»Diese Geschichte mit den Komplizen des Skorpions, die sich wie Hühner einfangen lassen, überzeugt mich irgendwie nicht«, flüsterte der Maler dem Freund zu.
»Nein, ich glaube auch nicht, dass es sich um Komplizen des Skorpions handelt, Giovanni.«
»Aber wer sind die Kerle dann?«
»Sicher weiß ich es nicht, aber ich glaube, es handelt sich um die Häscher, die Beatrice entführen sollten. Mutis Männer. Als sie keine Anweisungen vom Inquisitor erhielten, sind sie nervös geworden und haben in Gegenwart von Bruyères wachsamen Musketieren den Kopf verloren.«
»Wenn sie alles ausplaudern, geht es uns an den Kragen.«
»Ich glaube nicht, dass sie den Mund aufmachen werden.«
»Aber wenn sie nicht reden, landen ihre Köpfe noch vor Ende der nächsten Woche auf dem Henkersblock«, wandte der Maler ein.
»Ich vermute mal, dass sie lieber dieses Risiko eingehen, als den Zorn der heiligen Inquisition auf sich zu ziehen. Sie wissen ja nicht, dass Muti in diesem Moment schon zum Sklavenmarkt von Tunis unterwegs ist. Du hast die Kerker des Heiligen Offiziums gesehen und weißt, dass ein schneller, sauberer Tod nicht das schlimmste aller Übel ist.«
»Dann wäre diese ganze Geschichte jetzt also wirklich vorbei?«, sagte Fulminacci ungläubig.
»Ja, sieht so aus.« Die Gesichtszüge des Malers entspannten sich zum ersten Mal seit vielen Tagen, wenn sich auch ein leichtes Zittern seiner Hände bemächtigte. Er musste die Handflächen gegen die Oberschenkel pressen, um dieses unkontrollierbare Zucken zum Stillstand zu bringen.
»Das haben wir alles deiner Schlauheit zu verdanken, Baldassarre.«
»Und deinem Degen. Und dem des Bischofs. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dem Glück zu danken. Ohne eine ordentliche Portion Fortune hätten wir es nie geschafft.«
»Was willst du jetzt tun?«, fragte Fulminacci.
»Ich? Gar nichts, zum Donnerwetter! Ich werde schön im Dienste der Königin bleiben und das süße Leben an ihrem Hof genießen. Dir, mein Lieber, würde ich raten, dich gut mit Bellori zu stellen. Er ist der angesehenste Kunsthändler der Stadt. Ein Wort von ihm genügt, um einen Maler reich zu machen, auch wenn er so ein Stümper ist wie du.«
Zum ersten Mal seit rund einer Woche konnten die beiden Freunde aus vollem Herzen miteinander lachen.
Der Festsaal erstrahlte in aller Pracht; die Tische waren mit den feinsten Servietten aus flandrischem Leinen gedeckt, mit dem glänzendsten Silberbesteck und mit den zerbrechlichsten, kostbarsten Tellern aus China-Porzellan, bemalt mit Zechinengold. Tausend Kandelaber erfüllten den immensen Raum mit einem warmen goldenen Licht. Die Tischgäste hatten gerade ihre Plätze eingenommen, nachdem den ermüdenden höfischen Zeremonien Genüge getan war, als die vier den Saal betraten und an der Tür von einem höchst erstaunt guckenden Kardinal Azzolini in Empfang genommen wurden.
»Monsignore«, rief er, an de Simara gewandt, »ich habe Euch schon mit Sorge erwartet. Habt Ihr vom Zustand des armen Pater Wiedenmann gehört?«
Der Bischof nickte. »Zum Ausgleich ist nun wenigstens der Skorpion zu seinen Ahnen gegangen beziehungsweise schmort im untersten Kreis der Hölle. Seine Komplizen sind festgenommen und werden streng bewacht. Hat die Königin von den Vorfällen erfahren?«
»Sie stand nur wenige Schritte entfernt, als es zu dem kleinen Gefecht gekommen ist. Sie hat sich gleichgültig gegeben, aber ich glaube, sie war sehr erschrocken.«
»Wir müssen das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Erzählt ihr, dass gerade ein Attentat auf sie vereitelt worden ist. Sagt, dass der Skorpion persönlich auf sie angesetzt worden war, zeigt ihr seine Leiche. Christine weiß, von wem die Rede ist, und wird einen Heidenschreck bekommen, der sie vielleicht endlich dazu bringt, die Reise nach Schweden anzutreten.«
»Eine ausgezeichnete Idee. Wir müssen allerdings auch noch diese andere Angelegenheit regeln«, flüsterte der Kardinal und deutete auf den Maler, der gemeinsam mit Melchiorri und Beatrice den ungeheuren Luxus bestaunte, den die Königin aufgeboten hatte.
»Das kann bis nach dem Essen warten, Eminenz. Lassen wir sie noch das Bankett genießen, sie haben es sich verdient.«
Ein paar Kammerdiener geleiteten die neuen Gäste an ihre Plätze, während die letzten Nachzügler in den Saal drängten, die – nach ihrem zerzausten, atemlosen Äußeren zu urteilen – aus irgendeinem Alkoven kamen, wo sie sich eine pikante Vorspeise gegönnt hatten. Azzolini nahm neben der Königin Platz und de Simara neben ihm. Die übrigen drei Plätze wurden der Reihe nach an den Großmeister, die strahlend schöne Beatrice und Fulminacci vergeben, der seine Kleidung wieder vervollständigt hatte, bevor er das Laboratorium verließ.
Die Gänge, die nun nacheinander aufgetragen wurden, schienen direkt aus dem Schlaraffenland zu kommen: Austern aus der Adria, serviert mit einem leichten, moussierenden französischen Weißwein, den der Maler noch nie gekostet hatte. In hauchfeinen Speck gewickelte Krebse, Seebarsch in süß-saurer Soße, mit Jungfischen gefüllte Langusten und weitere ähnliche Köstlichkeiten. Auf die Gaben des Meeres folgten die der Erde: Stockenten pastete, Krickentensülze mit getrüffelten Äpfeln, Foiegras im Teigmantel mit einem Kompott aus süßen Zwiebeln, Wild vom Spieß mit karamellisierten Pflaumen und Johannisbeersoße.
Die Weine, die jeden Gang begleiteten, waren vom Besten, was man bekommen konnte: trockene Weißweine von der Mosel, würzige Tropfen aus dem Elsass, vollmundige, blutrote Nektare aus dem Médoc, dem Burgund, aus Alicante, honigsüße Weine, fachmännisch gereift in den kühlen, feuchten Kellern Siziliens, Spaniens und der Provence.
Auf die Fleischgänge folgte ein Apfelsorbet, das perfekt begleitet von einem Schnaps namens Calvados eingenommen wurde und den Gästen erlaubte, mit frischem Elan dem triumphalen Einzug der süßen Nachspeisen entgegenzusehen: geeister sizilianischer Ricottakuchen mit Schokolade und kandierten Früchten, lauwarme normannische Apfeltartes mit Zabaione und als würdiger Abschluss die überwältigenden Wundergebilde aus Zucker, die den Stolz jedes namhaften Konditors darstellten.
Ganze Trupps von Bediensteten schleppten große, elegante Tabletts herein, auf denen diese Meisterwerke des Zuckerbäckerhandwerks angerichtet waren: filigrane, hohe Konstruktionen in Form der Spitztürmchen gotischer Kathedralen, luftige Brücken und schließlich die größte und verblüffendste Kreation: ein riesiger Thron aus gesponnenem Zucker, auf den der unvergleichliche Bartolomeo Stefani, der Koch der Könige, sein ganzes Können verwandt hatte. Während die vorhergehenden, schon sehr erstaunlichen Werke nur aus einfarbigem, leicht karamellisiertem Zucker bestanden, war dieses in den unverkennbaren Farben der Vasa gehalten: Himmelblau und Gold. Als Huldigung an den Papst, welcher der schwedischen Königin so wohlwollend seine Gastfreundschaft gewährte, war in der Mitte des Throns, an der Stelle, wo die Königin ihren Nacken angelehnt hätte, das aus Zuckerwerk nachgebildete Wappen der heiligen römisch-katholischen und apostolischen Kirche zu sehen.
Dieses letzte Meisterwerk wurde von den Speisenden mit lautem Applaus empfangen, auf den eine ausgedehnte Ovation an Christine folgte, die allerkatholischste Königin von Schweden, wenn auch zur Zeit ohne Thron, sowie an den Heiligen Vater Alexander VII., der leider zu sehr mit einem aussichtslosen Kampf gegen seine Nierensteine beschäftigt war, um die Feier mit seiner erhabenen Anwesenheit zu krönen.
Fulminacci hatte nach diesem Abend voller Schrecken und Gefahren den vielen Köstlichkeiten, vor allem den flüssigen, tüchtig zugesprochen, sodass er sich nun in einem Zustand befand, den man vielleicht nicht gerade als Trunkenheit bezeichnen konnte, wohl aber als fortgeschrittene Heiterkeit. Kurzum, wenn er nicht besoffen war, so doch deutlich beschwipst.
In seinem Eifer, die Lebensmittelbestände der Königin zu dezimieren, bekam er das Gespräch nicht mit, das sich neben ihm zwischen dem Großmeister und Beatrice entspann.
»Finden die Speisen deine Zustimmung, Beatrice?«, fragte Melchiorri höflich, während der Maler noch einmal mit Nachdruck den Verzehr der Entenpastete in Angriff nahm.
»Puh«, schnaufte sie, »ich kann nicht sagen, dass sie nicht gut sind, im Gegenteil. Aber mit dem Geld für dieses Bankett hätte man alle Armen der Stadt satt bekommen können. Was für eine Verschwendung! Außerdem ist es unerträglich heiß hier drin.«
Sie nahm ihre feine Serviette aus flandrischem Leinen und fächelte sich Luft zu. Dabei verfing sich der mit Spitze und Stickerei verzierte Rand der Serviette in ihrer Halskette und zog den Anhänger hervor, der bis dahin in ihrem Dekolletee verborgen gewesen war: eine kleine Scheibe in Form des abnehmenden Mondes, die mit winzigen Edelsteinen besetzt war.
»Wo… Woher hast du diesen… diesen reizenden Anhänger, Beatrice?«, hauchte der Großmeister mit plötzlich ganz dünner Stimme.
Die junge Frau nahm das kleine Schmuckstück in die Hand und betrachtete es, als sähe sie es zum ersten Mal.
»Das? Ach, das ist ein Familienerbstück. Meine Mutter hat es mir gegeben.«
Melchiorri schluckte schwer.
»Es ist sehr… sehr hübsch… Verzeih, wenn ich dir eine so persönliche Frage stelle, aber weißt du, woher deine Mutter es hatte?«
»Sie hat es eigentlich schon immer gehabt. Ich glaube, dieser Mistkerl von meinem Vater hat es ihr mal geschenkt.«
Melchiorri war sichtlich blass geworden und musste seine bebenden Hände unterm Tisch verstecken.
»Das sind harte Worte über jemanden, der dir das Leben geschenkt hat.«
»Liegt wohl daran, dass das das Einzige ist, was er mir gegeben hat«, erwiderte Beatrice mit finsterem Gesicht. »Dieser Bastard hat meine Mutter kurz vor meiner Geburt sitzen lassen und sich nie mehr gemeldet. Ich hoffe, er ist tot oder, besser noch, ein Gefangener der Türken.«
»Und deine Mutter? Ist sie…?«
»Oh nein, meiner Mutter geht es gut, Gott sei Dank. Sie hält sich zur Zeit in Frosinone auf, am Krankenbett einer alten Tante, die im Sterben liegt, aber sie wird in wenigen Tagen nach Rom zurückkehren. Ich stelle sie dir gern einmal vor, Baldassarre. Sie wird dir bestimmt gefallen. Sie ist eine außergewöhnliche Frau.«
Melchiorri schluckte erneut und konnte seine Augen nicht von dem Anhänger lösen, der im makellosen Dekolletee der Kartenlegerin baumelte.
»Das bezweifele ich nicht«, murmelte er schwach.
Am Ende des üppigen Mahls erhoben sich die Gäste und folgten der Königin hinaus auf die weitläufige Rasenfläche, wo auch der erste Teil des Fests stattgefunden hatte. Dort wurden neue Erfrischungen gereicht, süße, duftende Sorbets und Tassen voll bitterer, gewürzter Schokolade.
Azzolini nutzte die Gelegenheit, um an den Maler heranzutreten, der sich nach wie vor in Gesellschaft der jungen Wahrsagerin befand. Melchiorri dagegen war, kurz nachdem sich das Bankett aufgelöst hatte, auf mysteriöse Weise verschwunden. Im Gefolge des Kardinals befand sich der allgegenwärtige de Simara, der sich überraschend schnell von seiner Verwundung zu erholen schien. »Messer Sacchi«, begann der Kardinal, »ich möchte Euch den Dank der heiligen Mutter Kirche und meine persönliche Anerkennung für den Beitrag aussprechen, den Ihr zur Beilegung dieser schmerzlichen Angelegenheit geleistet habt. Um unserer Dankbarkeit auf konkrete Weise Ausdruck zu geben, habe ich mit dem General des souveränen Ordens der Malteserritter gesprochen, der einen fähigen Künstler braucht, um einige wichtige Werke in mehreren Gebäuden seiner Bruderschaft ausführen zu lassen. Er will sich gern Eurer Meisterschaft anvertrauen und erwartet Euch so bald wie möglich, damit mit den Arbeiten begonnen werden kann.«
Endlich!
Fulminaccis Herz machte einen Sprung. Endlich, nach so viel Mühe, Leid und Entbehrungen wendete sich das Blatt, und er bekam die Chance, der Welt sein Können zu zeigen!
Nur mit Mühe bezähmte er seine Begeisterung.
»Ich werde dem General mit Freuden zur Verfügung stehen, für jeden Auftrag, mit dem er mich betraut«, brachte er stammelnd hervor.
»Sehr gut, das wäre also abgemacht«, sagte der Kardinal sichtlich zufrieden. »Morgen bei Sonnenaufgang legt ein Schiff im Hafen von Ostia ab. Der Kapitän wird Euch gern an Bord nehmen.«
»Ein Schiff? Ich verstehe nicht…«
»Gewiss, Messer Sacchi! Die Malereien müssen im Sitz des souveränen Ordens ausgeführt werden, auf der Insel Malta. Und wie wollt Ihr die Insel erreichen, wenn nicht mit einem Schiff? Ihr seid doch wohl nicht Astolfo, der die Lüfte auf dem Rücken eines Hippogryphen durchpflügt?«
Der Kardinal lachte laut über seinen eigenen Scherz, und alle Umstehenden stimmten mit ein, manche mehr, manche weniger belustigt.
»Ich vermute, dass unser Fräulein Beatrice Euch bei dieser neuen, friedlicheren Unternehmung begleiten möchte«, bemerkte Azzolini, als sein Heiterkeitsausbruch verebbt war. Beatrice wollte widersprechen, doch ein langer Blick des Bischofs genügte, und die Worte erstarben auf ihren Lippen.
Sie schluckte ein paarmal, dann senkte sie den Blick.
»Wie Euer Eminenz befiehlt…«, murmelte sie.
Das Herz des Malers jubelte erneut vor Freude.
»Und der gute Großmeister«, fuhr Azzolini fort, »den wollen wir doch nicht vergessen?«
Es wurden Diener ausgeschickt, um Melchiorri herbeizuholen. Sie suchten den Palast von oben bis unten ab, fanden aber nicht die geringste Spur von ihm.