KAPITEL XXVII

 

Capitaine de la Fleur zeigte sich wenig zufrieden mit dem Ablauf der Aktion. Dabei war es dank der Porträtzeichnung, die de Simara mehrfach hatte kopieren lassen, zuerst recht einfach gewesen, die Herberge auszumachen, von der aus der Gesuchte sein Unwesen trieb. Mehrere Bewohner des Viertels hatten nach anfänglicher Zurückhaltung, die bei dem verbreiteten Misstrauen gegenüber den Sbirren nur natürlich war, den Mann wiedererkannt. Einige großzügig verteilte Münzen hatten auch die widerstrebendsten Zungen gelöst, und durch die gesammelten Hinweise hatten er und seine Leute den Ort ermitteln können, an dem sie den Mann, nach dem sie schon seit Monaten suchten, finden würden.

Es handelte sich um ein Gasthaus an einem Platz, auf dem ein kleiner Markt abgehalten wurde. Der Capitaine musste zugeben, dass das Versteck mit Verstand gewählt worden war. Der Vordereingang befand sich direkt am belebtesten Teil des Marktes, weshalb es schwierig wäre, ihn mit einem größeren Aufgebot von Männern durch das Gedränge zu erreichen. Die Ostseite ging auf eine Verbreiterung der Straße hinaus, sodass man von dort gut beobachten konnte, wer sich dem Haus näherte, und an der Westseite stand ein niedrigeres Gebäude, das ebenfalls den Blick frei ließ. Die Hinterseite grenzte an eine enge Gasse, hinter der sich ein wahres Labyrinth von Sträßchen ausbreitete, die alle zum Fluss führten.

Daher war es besonders wichtig, die Bewegungen der verschiedenen Einheiten genau aufeinander abzustimmen, damit der Gesuchte nicht flüchten konnte, bevor sie das Haus umstellt hatten.

Gerade diese Annäherungsphase war es, die dem Offizier die meisten Sorgen bereitet hatte, und zwar nicht ohne Grund, wie sich sogleich herausstellte, als seine Männer den Marktplatz betraten.

Er hatte dafür gesorgt, dass alle einfache Kleidung trugen und ihre Waffen unter den Mänteln verborgen hielten, aber es stellte sich gleich heraus, dass die Operation überstürzt verlief. Die Männer rückten viel zu schnell vor, vor allem die Italiener, die ihm von Kardinal Azzolini zur Verfügung gestellt worden waren. De la Fleur war von Anfang an dagegen gewesen, eine gemischte Truppe aus Franzosen und Italienern einzusetzen. Er hätte es bei weitem vorgezogen, nur mit seinen eigenen Leuten zuzuschlagen, die gut aufeinander eingespielt waren und ihm prompt und widerspruchslos gehorchten. Bischof de Simara jedoch hatte ihn darauf hingewiesen, dass sie erstens nicht wussten, über wie viele Männer der Skorpion in der Herberge verfügte, und zweitens ohne die Italiener auf zu große Schwierigkeiten bei der Befragung der Bevölkerung stoßen würden, da die Franzosen in der Ewigen Stadt von jeher mit Argwohn betrachtet wurden.

Der Capitaine war gezwungen gewesen, den Anweisungen seines Vorgesetzten Folge zu leisten, aber die Probleme, die sich bei der Durchführung der Aktion zeigten und größtenteils auf Sprachbarrieren zurückzuführen waren, bestärkten seine Vorbehalte. Nur zwei von seinen Männern sprachen ein verständliches Italienisch und keiner von den Italienern ein Wort Französisch. Darüber hinaus war aus Gründen, die ihren Ursprung in der jüngsten Vergangenheit hatten, sofort ein Konkurrenzdenken zwischen den beiden Gruppen entstanden, als wollte jede der anderen ihre Überlegenheit beweisen.

So kam es, dass seine Leute, angestachelt von den Italienern, zu schnell über den Platz marschierten und den Eingang der Herberge erreichten, bevor die anderen Zeit gehabt hatten, das Haus zu umstellen.

Als sie in das Lokal eindrangen, war der Skorpion schon entflohen.

Dafür trafen die Musketiere auf den erbitterten Widerstand dreier Galgenvögel, die aus den Zimmern im ersten Stock gestürzt kamen und bis an die Zähne bewaffnet waren.

Wegen des geringen Manövrierraums auf der Treppe wurde es ein heftiger und wirrer Kampf. De la Fleur beglückwünschte sich zu der Weitsicht, mit der er die Waffen seiner Männer ausgesucht hatte. In der Annahme, dass sie in einer beengten Umgebung würden fechten müssen, hatte er den Musketieren Anweisung erteilt, die langen Degen zurückzulassen und sich mit kurzen Säbeln, wie sie beim Entern von Schiffen benutzt wurden, und breiten Kurzschwertern zu bewaffnen. Die drei Halunken versuchten, Hiebe mit ihren langen Stockdegen anzubringen, deren Klingen jedoch unweigerlich gegen die Wände und die niedrigen Deckenbalken stießen, sodass die Soldaten mit ihren kurzen Waffen leicht ihre Deckung durchbrechen konnten. Dennoch wehrten sich die drei Verbrecher ausdauernd und entschlossen.

De la Fleur hatte den strikten Befehl gegeben, niemanden zu töten, aus dem einfachen Grund, weil Tote nicht mehr reden. Doch wie so oft war die Theorie eine Sache und die Praxis eine andere, sobald die Säbelhiebe flogen. Die drei Schurken schienen nicht die Absicht zu haben, Gnade zu gewähren oder zu erbitten, und obwohl die Musketiere tödliche Hiebe vermieden, wurde das Gefecht bald so hitzig und verzweifelt, dass der Befehl gegenüber der Verteidigung des eigenen Lebens zweitrangig wurde. Auf dem schmalen Treppenabsatz entstand ein tödliches Gedränge. Trotz ihrer zahlen- und waffenmäßigen Unterlegenheit verteidigten sich die drei mit aller Macht und versuchten, sich Schulter an Schulter den Weg zur Treppe freizukämpfen. Schließlich wurde einer von ihnen von einem Kurzschwert in den Bauch getroffen und sackte blutend zusammen. Der zweite erhielt einen Hieb auf den Kopf, der ihm ein Stück von der Schädeldecke wegschlug. Nur der dritte überlebte, wenn auch übel zugerichtet. Das schnelle Dahinscheiden seiner beiden Kumpane ermöglichte es den Soldaten, ihn einzukreisen und zu überwältigen. Er wurde gegen die Wand gedrängt, von mehreren Händen gepackt, entwaffnet und die Treppe heruntergezerrt.

Der Mann wehrte sich immer noch schwach, wurde aber sogleich mit einem festen Strick umwickelt. Sie drückten ihn auf einen Schemel nieder, an den er mit weiteren Seilschlingen gefesselt wurde, bis er sich nicht mehr bewegen konnte.

De la Fleur ging zu dem Gefangenen, der den Kopf gesenkt hielt, und hob sein Kinn an, um ihm in die Augen sehen zu können. Er begegnete einem ausdruckslosen Blick ohne Furcht, obwohl ein Schnitt an der rechten Schulter und eine klaffende Wunde an der linken Hüfte ihm große Schmerzen bereiten mussten.

Der Offizier erkannte, dass er es mit einem zähen Knochen zu tun hatte, einem hartgesottenen Berufsmörder.

Aber auch er verstand sein Handwerk. Dieser Mann, der jetzt noch glaubte, jede Qual ertragen zu können, würde früher oder später reden, daran bestand kein Zweifel. Die Frage war nur, wie lange es dauerte.

Denn Zeit war der entscheidende Faktor bei diesem Einsatz.

Kerle wie dieser hielten es für eine Frage der Ehre, so lange wie möglich durchzuhalten, auch wenn es geradezu lächerlich schien, bei ihnen von Ehre zu reden. Aber de la Fleur wusste aus Erfahrung, dass auch Verbrecher ihren Ehrenkodex hatten, so verdreht und sonderbar er sein mochte.

Dennoch mussten sie es versuchen.

In der Zwischenzeit hatte sich der Schankraum mit Neugierigen gefüllt, wie immer in dieser Stadt voller Schnüffler. Neben den Besitzern des Lokals drängten sich Schankmägde, Nachbarn, fliegende Händler und Kinder in dem großen Raum und versuchten, den Kordon der Soldaten um den Gefangenen zu durchbrechen.

Ehe er mit dem Verhör begann, ließ der Capitaine den Saal räumen, natürlich unter lautstarkem Geschimpfe und Protest. Die Musketiere gingen zurückhaltend beim Hinausbefördern der Leute vor, vor allem, weil Frauen und Kinder dabei waren, aber die Italiener wirkten tatkräftig mit und hatten keinerlei Skrupel, grob zuzupacken.

Derweil hatten vier weitere Musketiere die Leichen der beiden getöteten Mörder hinuntergeschafft und warfen sie nun dem Gefangenen vor die Füße.

Der Mann sah sie gleichgültig an und zeigte keine Gefühlsregung, wenn ihm auch ein paar Schweißtropfen auf die Stirn traten.

Um gleich seine Absicht deutlich zu machen, schlug de la Fleur den Gefangenen mit der behandschuhten Rechten ins Gesicht, sodass seine Unterlippe aufplatzte und stark blutete. Der Mann reagierte, indem er versuchte, sich aus seinen Fesseln zu winden, doch die Folge war nur eine neue Züchtigung durch den Sergeanten hinter ihm. Ein Tritt traf ihn in die Seite, wo er bereits verwundet war, und ließ ihn vor Schmerz aufjaulen.

De la Fleur mochte diese Methoden nicht, weil er sie eines Soldaten unwürdig fand, der bestrebt sein sollte, sich sowohl seinen Waffenkameraden als auch den Feinden gegenüber ehrenhaft zu benehmen. In diesem Fall jedoch musste er seine Bedenken beiseiteschieben und den Zweck die Mittel heiligen lassen.

Er schlug den Gefesselten erneut, diesmal noch fester.

»Wo ist der Skorpion?«, fragte er und sah dem Gefangenen ins Gesicht.

Der Mann schüttelte nur den Kopf. De la Fleur seufzte; wie vorauszusehen würde es ein langes, unerfreuliches Verhör werden.

Er machte dem Sergeant ein Zeichen, der mit Nachdruck und offensichtlicher Übung fortfuhr, den Gefangenen zu traktieren.

Der Gefesselte zog den Kopf zwischen die Schultern und schwieg weiter beharrlich, was dazu führte, dass sein Peiniger seine Anstrengungen verdoppelte.

Weil er es für nutzlos erachtete, auf diese Weise weiterzumachen, beschloss de la Fleur, das Verhör in den Kellergewölben der Gesandtschaft fortzusetzen, wo sie über geeignetere Mittel verfügten, um den Widerstand des Gefangenen zu brechen.

Er wollte gerade Befehl zum Verlassen des Gasthauses geben, als der Mann unversehens zusammenbrach. Seine Schultern sanken herab, und er sagte ein paar Worte auf Deutsch, das der Hauptmann gut genug verstand, um zu wissen, dass er reden wollte.

»Das Leben, Capitaine, versprecht mir, dass Ihr mir das Leben schenkt…«

De la Fleur konnte sich diese plötzliche Kapitulation nicht erklären, aber der Grund interessierte ihn auch nicht besonders. Wichtig war nur, den Skorpion zu finden, und wenn er mit dem Teufel persönlich verhandeln musste.

Der Mann vor ihm war nur ein kleiner Fisch, ein einfacher Handlanger.

»Sag mir, wo der Skorpion ist, und ich lasse dich leben«, versprach er.

»Bei Eurer Ehre?«

»Die Musketiere des Königs geben ihr Wort nur einmal, Elender. Sprich, und zwar schnell, sonst überlege ich es mir anders.«

Der Gefangene nannte den zweiten Schlupfwinkel des Skorpions, der sich in einem Viertel am Fluss befand, dem Vatikan direkt gegenüber.

»Savattieri«, wandte sich de la Fleur an den Befehlshaber von Azzolinis Schergen, der dem Verhör beigewohnt hatte, »bringt diesen Mann in die französische Gesandtschaft. Ihr seid mir persönlich für seine Sicherheit verantwortlich. Sergeant Bruyère, lasst die Pferde holen und haltet Euch bereit. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn noch auf dem Weg.«

Während er die Befehle ausgab, merkte de la Fleur, dass die Augen seiner Männer auf eine Stelle hinter ihm gerichtet waren. Er drehte sich um und sah, dass einige Italiener die Leichen der beiden Mörder gegen das Treppengeländer gelehnt und entkleidet hatten, um ihnen nun mit ungerührter Miene die Bäuche aufzuschlitzen wie Schlachter im Schlachthaus.

»Savattieri, was in Gottes Namen machen die da?«

»Nun, Capitano«, antwortete der Italiener belustigt, »es kommt häufig vor, dass diese Schurken Geld in ihren… verzeiht den Ausdruck… also dass sie sich Geld in den Arsch schieben. Meine Männer durchsuchen ihre Gedärme, um zu sehen, ob sie ein wenig Beute machen können.«

»Das ist ja furchtbar! Sie sollen sofort damit aufhören. Wir sind Soldaten, keine Schlächter!«

»Capitano, sie sind doch tot, was kümmert es sie noch?« De la Fleur sah ein, dass jede Diskussion sinnlos war, wandte sich um und verließ mit seinen Musketieren das Gasthaus.