48
In der schummrigen Garage hockte ein Mann hinter einem Fahrzeug, das unter einer weißen Leinenhülle verborgen lag. Es war sieben Uhr abends, die Sonne war schon untergegangen. Die Luft roch nach Autowachs, Motorenöl und Schimmel. Der Mann zog eine 9-mm-Beretta-Halbautomatik aus dem Hosenbund, öffnete das Magazin und überprüfte nochmals, ob es voll war. Nachdem er die Pistole wieder zurück hinter den Gürtel gesteckt hatte, öffnete und schloss er die Hände dreimal, wobei er abwechselnd die Finger streckte und ballte. Die Zielperson würde gleich eintreffen. Der Schweiß lief dem Mann in den Nacken, und eine Sehne zuckte im Oberschenkel, doch er nahm weder das eine noch das andere wahr, so sehr konzentrierte er sich auf das, was gleich geschehen würde.
Frank Hudson erkundete das Gelände der Penumbra-Plantage nun schon seit Tagen, er hatte die Bewegungen und Gewohnheiten der Bewohner des Hauses gründlich studiert. Es wunderte ihn, wie lax die Sicherheitsmaßnahmen waren: nur ein schrulliger, halbblinder Diener, der das Haus morgens aufschloss und abends wieder zuschloss, und zwar so pünktlich, dass man die Uhr danach stellen konnte. Zwar war das Eingangstor tagsüber geschlossen, aber nicht verriegelt, außerdem wurde es offenbar nicht überwacht. Bei seiner gründlichen Recherche hatte er keinerlei Anzeichen für Überwachungskameras, Alarmanlagen, Bewegungsmelder oder Infrarotstrahlen entdeckt. Die heruntergekommene alte Plantage lag so weit ab vom Schuss, dass er, Hudson, von regelmäßigen Polizeipatrouillen kaum etwas zu befürchten hatte. Außer der Zielperson und dem Diener hatte er kaum einen Menschen in dem Herrenhaus entdeckt. Nur eine ziemlich attraktive Frau mit einer tollen Figur hatte er ein paarmal gesehen.
Die Gewohnheiten von Hudsons Zielperson, einem gewissen Pendergast, stellten die einzige Unregelmäßigkeit im ewig gleichen Tagesablauf dar, der auf der Penumbra-Plantage herrschte. Er kam und ging zu absolut unvorhersehbaren Zeiten. Doch Hudson observierte das Gelände nun schon so lange, dass er in Pendergasts Kommen und Gehen allmählich ein kleines Muster erkannte; und dieses Muster kreiste um Wein. Wenn der schlurfende alte Diener anfing, das Abendessen vorzubereiten, und eine Flasche Wein entkorkte, dann kehrte Pendergast nicht später als halb acht Uhr abends nach Hause zurück. Öffnete der Diener keine Flasche, so bedeutete das, dass Pendergast nicht zu Hause aß und viel später am Abend eintraf, wenn überhaupt.
Und an diesem Abend stand – deutlich sichtbar durch die Fenster vor dem Speisezimmer – auf einem Sideboard eine entkorkte Flasche Wein.
Hudson sah auf die Uhr. Er spielte in Gedanken durch, wie die Sache ablaufen würde, was er vorhatte. Plötzlich stutzte er. Von der Einfahrt her drang das Geräusch knirschender Autoreifen auf Kies zu ihm in die Garage. Jetzt galt’s. Hudson wartete, atmete flach. Der Wagen kam vor der Garage zum Stehen, der Motor im Leerlauf. Eine Wagentür wurde geöffnet, gefolgt vom Geräusch von Schritten. Die Garagentüren schwangen auf, erst die eine, dann die andere – es waren keine automatischen –, und die Schritte kehrten zum Wagen zurück. Der Motor drehte ein wenig höher. Langsam schob sich die Motorhaube des Rolls in die Garage, vorübergehend leuchteten die Scheinwerfer den Raum aus und blendeten ihn. Kurz darauf erlosch das Licht, der Motor erstarb, und es war wieder dunkel in der Garage.
Hudson blinzelte und wartete, bis sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten. Er umfasste den Griff der Pistole, zog sie langsam hinter dem Gürtel hervor und löste vorsichtig den Sicherheitsriegel.
Er wartete, dass die Tür aufging und die Zielperson das Licht in der Garage einschaltete, aber nichts geschah. Pendergast wartete offenbar im Wagen. Worauf? Hudson spürte, wie sich der Herzschlag beschleunigte, und versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, hellwach zu bleiben. Er hatte sich gut versteckt, denn er hatte die Schutzhülle des Autos so weit heruntergezogen, dass sie ganz bis zum Boden reichte, weshalb nicht einmal seine Schuhe zu sehen waren.
Vielleicht telefonierte Pendergast ja mit dem Handy, beendete gerade ein Telefonat. Oder er nutzte die seltene Gelegenheit, ruhig dazusitzen, wie es Leute mitunter taten, bevor sie aus dem Wagen ausstiegen.
Mit allergrößter Vorsicht hob Hudson ein klein wenig den Kopf und spähte über den Rand der Schutzhülle. Die verschwommenen Konturen des Rolls hoben sich im Dunkel ab, das einzige Geräusch war das Ticken des sich abkühlenden Motors. Es war nicht möglich zu erkennen, was sich hinter den getönten Scheiben befand.
Hudson wartete.
»Haben Sie einen Knopf verloren?«, erklang eine Stimme von rechts hinter ihm.
Hudson stieß einen Laut der Überraschung aus und sprang auf, wobei seine Hand instinktiv den Abzug der Pistole betätigte. Der Schuss erzeugte in dem engen Raum einen lauten Widerhall. Noch während Hudson versuchte, sich umzudrehen, wurde ihm die Waffe entwunden, und ein sehniger Arm schlang sich um seinen Hals. Hudson wurde herumgewirbelt und unsanft gegen das umhüllte Fahrzeug gestoßen.
»Im großen Spiel des Lebens«, sagte die Stimme, »ist man am Anfang ein Dummkopf und am Ende ein Schurke.«
Hudson zuckte nur matt mit den Schultern.
»Und wo, mein Freund, befinden Sie sich in diesem Spektrum?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, verdammt noch mal«, brachte Hudson schließlich mit krächzender Stimme hervor.
»Wenn Sie sich zusammenreißen, lasse ich Sie los. Und nun schön entspannen.«
Hudson hörte auf, sich zu wehren. Dabei spürte er, wie der Druck nachließ, seine Arme freigegeben wurden. Als er sich umdrehte, sah er sich seiner Zielperson gegenüber, diesem Pendergast: ein hochgewachsener, schwarzgekleideter Mann mit einem solch hellen Teint und derart hellem Haar, dass das Gesicht in der Dunkelheit zu leuchten schien wie ein Gespenst. Er hielt seine, Hudsons, Beretta in der Hand und zielte damit auf ihn. »Entschuldigen Sie, man hat uns noch nicht vorgestellt. Meine Name ist Pendergast.«
»Fick dich selber.«
»Ich habe das schon immer für eine seltsame Redewendung gehalten – die anatomischen Möglichkeiten scheinen mir begrenzt.« Pendergast musterte ihn von oben bis unten, dann steckte er sich die Beretta in den Hosenbund. »Wollen wir die Unterhaltung im Haus fortsetzen?«
Der Mann sah ihn konsterniert an.
»Bitte.« Pendergast machte ihm ein Zeichen, dass er vor ihm in Richtung der Seitentür gehen solle. Nach einem Moment kam Hudson der Aufforderung nach. Vielleicht bestand ja doch noch eine Möglichkeit, irgendwas aus der Sache rauszuziehen.
Er ging durch die offene Garagentür. Pendergast folgte dichtauf, überquerte die mit Kies bestreute Auffahrt und stieg die Stufen zum maroden Herrenhaus hinauf. Der Diener hielt die Haustür auf.
»Soll dieser Herr etwa ins Haus kommen?«, fragte er in einem Ton, der klarmachte, dass er es nicht hoffte.
»Nur für ein paar Minuten, Maurice. Wir wollen im Ostsalon ein Glas Sherry trinken.«
Pendergast bedeutete dem Mann, über den mittleren Flur in einen kleinen Wohnraum zu gehen. Im Kamin prasselte ein Feuer.
»Setzen Sie sich.«
Hudson setzte sich vorsichtig auf ein altes Ledersofa, Pendergast nahm ihm gegenüber Platz und blickte auf seine Armbanduhr. »Ich habe nur einige Minuten Zeit. Also noch einmal: Wie heißen Sie bitte?«
Hudson versuchte, sich zu sammeln und sich auf die plötzliche und unerwartete Wendung der Ereignisse einzustellen. Er konnte die ganze Sache immer noch erfolgreich über die Bühne bringen. »Vergessen Sie den Namen. Ich bin Privatermittler und habe für Blast gearbeitet. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen – was im Grunde schon mehr als genug ist.«
Pendergast musterte ihn erneut von oben bis unten.
»Ich weiß, dass Sie das Bild haben«, fuhr Hudson fort. »Das Schwarzgerahmte. Und ich weiß, dass Sie Blast umgebracht haben.«
»Wie außerordentlich schlau von Ihnen.«
»Blast schuldet mir viel Geld. Ich hole mir nur das, was mir zusteht. Wenn Sie mich bezahlen, vergesse ich alles, was ich über Blasts Tod weiß. Haben Sie mich verstanden?«
»Ah ja. Sie sind hier, um eine Art improvisierten Erpressungsversuch durchzuführen.« In die blassen Gesichtszüge des Mannes trat ein grausiges Lächeln, wobei seine weißen, ebenmäßigen Zähne zum Vorschein kamen.
»Ich hole mir nur ab, was mir zusteht. Und helfe Ihnen gleichzeitig aus der Patsche. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Mr. Blast hatte gar kein gutes Urteilsvermögen in Personalfragen.«
Unsicher, was damit gemeint war, schaute Hudson zu, wie Pendergast die Beretta aus dem schwarzen Anzug zog, das Magazin prüfte, es wieder hineinschob und die Waffe auf ihn richtete. Gleichzeitig traf der Diener mit einem Silbertablett mit zwei kleinen Gläsern voll von einer braunen Flüssigkeit ein, die er, eines nach dem anderen, abstellte.
»Maurice, der Sherry ist nun doch nicht mehr nötig. Ich werde den Herrn hier hinunter zum Sumpf begleiten und ihm mit seiner eigenen Waffe in den Hinterkopf schießen. Die Alligatoren werden dann die Spuren beseitigen. Ich bin rechtzeitig zum Abendessen zurück.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, sagte der Diener und stellte die beiden Gläser zurück aufs Tablett.
»Erzählen Sie doch keinen Stuss«, sagte Hudson und spürte ein unbehagliches Zucken. Vielleicht hatte er doch den Bogen überspannt?
Pendergast schien ihn nicht zu hören. Er erhob sich und deutete mit der Pistole auf ihn. »Gehen wir.«
»Seien Sie doch nicht albern. Damit kommen Sie nie durch. Meine Leute erwarten mich. Man weiß, wo ich bin.«
»Ihre Leute?« Wieder das grässliche Lächeln. »Kommen Sie, wir wissen doch beide, dass Sie frei arbeiten und dass Sie niemandem erzählt haben, wo Sie heute Abend hinwollen. Auf in den Sumpf!«
»Warten Sie.« Hudson spürte Panik in sich aufsteigen. »Sie machen einen Fehler.«
»Glauben Sie nicht, dass ich – der ich bereits einen Menschen getötet habe –, ganz erpicht darauf bin, jemanden umzubringen, der von dem Verbrechen erfahren hat und nun Schweigegeld erpressen will? Auf die Füße!«
Hudson sprang auf. »Hören Sie mir zu, bitte. Vergessen Sie das Geld. Ich wollte es nur erklären.«
»Es sind keine Erklärungen nötig. Sie haben mir nicht einmal Ihren Namen genannt, wofür ich Ihnen danke. Es versetzt mir immer einen Stich, mich an die Namen der Menschen zu erinnern, die ich getötet habe.«
»Hudson«, sagte er rasch. »Frank Hudson. Bitte tun Sie das nicht.«
Pendergast drückte ihm die Pistole in die Seite und stieß ihn heftig in Richtung Tür. Wie ein Zombie taumelte Hudson in die Halle hinaus, durch die Haustür und auf die Veranda. Die Nacht erhob sich vor ihm, schwarz und feucht, erfüllt mit dem Quaken der Frösche und dem Sirren von Insekten.
»Nein. Gütiger Gott, nein.« Hudson wurde klar, dass er sich ganz furchtbar verrechnet hatte.
»Weitergehen, bitte.«
Hudson spürte, wie seine Knie nachgaben, und sank auf den Holzfußboden der Veranda. »Bitte.« Tränen rannen ihm über das Gesicht.
»Dann mache ich es eben gleich hier.« Hudson spürte, wie der kalte Lauf der Pistole seinen Nacken berührte. »Maurice muss das dann eben sauber machen.«
»Tun Sie es nicht«, stöhnte Hudson. Er hörte, wie Pendergast den Hahn der Beretta spannte.
»Und warum nicht?«
»Wenn ich als vermisst gemeldet werde, wird die Polizei mein Auto finden. Es steht nicht weit weg von hier; die Bullen werden auch an Ihre Tür klopfen.«
»Ich werde das Auto wegfahren.«
»Sie werden DNA-Spuren hinterlassen, das können Sie gar nicht vermeiden.«
»Maurice wird das Auto wegfahren. Außerdem, mit ein paar Polizisten werde ich schon fertig.«
»Man wird die Sümpfe durchsuchen.«
»Wie gesagt, die Alligatoren werden Ihre Leiche beseitigen.«
»Wenn Sie das glauben, wissen Sie nicht viel über Leichen. Sie neigen nämlich dazu, Tage oder sogar Wochen später wieder aufzutauchen. Sogar in Sumpfgebieten.«
»Nicht in meinem Sumpf, mit meinen Alligatoren.«
»Alligatoren können keine menschlichen Knochen verschwinden lassen – sie gehen durch den Verdauungstrakt hindurch und kommen unverändert wieder heraus.«
»Ihre Biologiekenntnisse sind beeindruckend.«
»Hören Sie zu. Die Polizei wird herausfinden, dass ich für Blast gearbeitet habe, sie werden die Verbindung zwischen Ihnen und Blast herstellen und zwischen mir und Ihnen. Ich habe unten an der Straße mit meiner Kreditkarte getankt. Glauben Sie mir, die Polizei wird hier alles auf den Kopf stellen.«
»Wie sollte man mich denn mit Blast in Verbindung bringen?«
»Das wird man, darauf können Sie Gift nehmen!«, rief Hudson mit wahrer Inbrunst aus. »Ich kenne die ganze Geschichte, Blast hat sie mir erzählt. Er hat mir von Ihrem Besuch erzählt. Gleich nachdem Sie gegangen sind, hat er ein Einfrieren seines Pelzhandels angeordnet. Er wollte kein Risiko eingehen. Er war schon am Telefon, da waren Sie noch keine Minute weg.«
»Was ist mit dem Gemälde? Waren Sie das, der uns verfolgt hat?«
»Ja. Blast hat Sie aufgestachelt, danach zu suchen. Er wollte, dass Sie das Schwarzgerahmte finden, denn er dachte sich, dass Sie womöglich schlau genug sind, etwas zu schaffen, was ihm nicht gelungen war. Sie haben ihm imponiert. Aber die Polizei wird das alles erfahren, wenn sie es nicht schon längst weiß, nach der Nummer, die Sie im Donette Hole abgezogen haben. Glauben Sie mir, wenn ich spurlos verschwinde, werden sie hier mit Spürhunden aufkreuzen.«
»Die Polizei wird mich niemals mit Blast in Verbindung bringen.«
»Natürlich wird sie das! Blast hat gesagt, Sie hätten ihn beschuldigt, Ihre Frau getötet zu haben. Sie stecken bereits bis zum Hals drin!«
»Hat Blast meine Frau getötet?«
»Er sagte, er hätte nichts damit zu tun.«
»Und Sie haben ihm geglaubt?«
Hudson redete, so schnell er konnte, das Herz raste schmerzhaft in seiner Brust. »Blast war kein Heiliger, aber er war kein Mörder. Er war ein Wiesel, ein Trickbetrüger, ein Manipulator. Er hatte nicht den Schneid, jemanden umzubringen.«
»Im Gegensatz zu Ihnen. Sie haben sich mit einer Pistole in meiner Garage versteckt.«
»Nein, nein! Ich bin kein Auftragskiller, ich wollte nur einen Deal machen. Ich bin nur ein kleiner Privatdetektiv, der versucht, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie müssen mir glauben!« Hudsons Stimme kippte vor Panik.
»Muss ich das?« Pendergast steckte die Pistole ein. »Sie dürfen aufstehen, Mr. Hudson.«
Er erhob sich. Sein Gesicht war tränennass. Er zitterte am ganzen Leib, aber das war ihm egal. Hoffnung kam in ihm auf.
»Sie sind doch ein wenig intelligenter, als ich angenommen habe. Also, wie wär’s hiermit: Ich lege Sie nicht um, sondern wir gehen wieder ins Haus, trinken ein Glas Sherry und besprechen die Stellenausschreibung?«
Hudson saß auf dem Sofa neben dem heißen Feuer und schwitzte am ganzen Leib. Er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft und dennoch prickelnd lebendig, so als wäre er neugeboren worden und würde als neuer Mensch über die Erde schreiten.
Pendergast lehnte sich mit einem seltsamen, angedeuteten Lächeln in seinem Sessel zurück. »Tja, Mr. Hudson, wenn Sie für mich arbeiten wollen, müssen Sie mir alles erzählen. Über Blast, über Ihren Auftrag.«
Hudson war nur allzu dankbar, reden zu dürfen. »Unmittelbar nach Ihrem Besuch hat Blast mich angerufen. Sie haben ihm richtig Angst eingejagt mit Ihrem Gerede über Pelze von geschützten Arten. Er sagte, er würde das ganze Unternehmen auf Eis legen, auf unbestimmte Zeit. Und er sagte auch, Sie wären dem verschollenen Gemälde auf der Spur, dem Schwarzgerahmten, und ich sollte Ihnen überallhin folgen und sehen, ob ich es Ihnen abnehmen kann, wenn Sie es finden.«
Pendergast, der die Finger zusammengelegt hatte, nickte.
»Wie gesagt, er hat gehofft, dass Sie ihn zu dem Gemälde führen. Ich bin Ihnen gefolgt und hab mitbekommen, was sie da im Pappy’s für’n Ding abgezogen haben. Ich habe Sie verfolgt, aber Sie sind mir entwischt.«
Wieder ein Nicken.
»Also bin ich zurück zu Blast, um Bericht zu erstatten, und fand ihn tot vor. Schrotflinte, aus nächster Nähe, hat ihn regelrecht zerfetzt. Er schuldete mir noch mehr als fünf Riesen, Tagessatz plus Spesen. Ich dachte, Sie hätten ihn umgenietet. Und da dachte ich mir, ich statte Ihnen einen Besuch ab und hole mir von Ihnen, was mir zusteht.«
»Leider habe ich Blast nicht getötet. Ein anderer hat ihn erwischt.«
Hudson, der nicht wusste, ob er das glauben sollte, nickte.
»Und was wissen Sie über Mr. Blasts Geschäfte?«
»Nicht viel. Wie schon gesagt, er war im illegalen Handel mit geschützten Arten tätig – Tierhäute. Aber die ganz große Sache für ihn, das war dieses schwarzgerahmte Bild. Er war halb verrückt deswegen.«
»Und Ihr eigener Lebenslauf, Mr. Hudson? Wo waren Sie zuvor beschäftigt?«
»Früher war ich mal bei der Polizei, aber dann habe ich Diabetes bekommen und wurde in den Innendienst versetzt. Ich hab’s einfach nicht ertragen, ständig hinterm Schreibtisch zu sitzen, also bin ich Privatdetektiv geworden. Das war vor etwa fünf Jahren. Ich hab viel für Mr. Blast gearbeitet, meistens habe ich seine Geschäftspartner und Lieferanten überprüft. Er hat sehr darauf geachtet, mit wem er Geschäfte machte. Auf dem Markt wimmelt es von verdeckten Ermittlern und betrügerischen Geschäftemachern. Meistens hatte er mit einem Typ namens Victor zu tun.«
»Victor wer?«
»Den Nachnamen habe ich nie gehört.«
Pendergast schaute auf die Uhr. »Essenszeit, Mr. Hudson, und bedauerlicherweise können Sie nicht zum Essen bleiben.«
Hudson bedauerte es ebenfalls.
Pendergast griff in seinen Anzug und zog ein kleines Bündel Geldscheine hervor. »Für das, was Blast Ihnen schuldet, kann ich nicht einstehen, aber das hier ist für die ersten beiden Arbeitstage. Fünfhundert am Tag plus Spesen. Von jetzt an werden Sie ohne Knarre arbeiten, und Sie arbeiten ausschließlich für mich. Verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Es gibt eine Kleinstadt namens Sunflower, direkt westlich vom Black-Brake-Sumpf. Ich möchte, dass Sie sich eine Landkarte nehmen, einen Kreis mit einem Radius von fünfzig Meilen um die Stadt ziehen und in Erfahrung bringen, welche Pharmafirmen und Pharmaforschungsinstitute es innerhalb dieses Radius gibt beziehungsweise in den letzten fünfzehn Jahren gegeben hat. Ich möchte, dass Sie alle aufsuchen, getarnt als Autofahrer, der sich verfahren hat. Gehen Sie so nahe heran, wie Sie können, ohne unerlaubt Firmengelände zu betreten. Machen Sie sich keine Notizen oder Fotos, behalten Sie alles im Kopf. Beobachten Sie und erstatten Sie mir binnen vierundzwanzig Stunden Bericht. Das wird Ihr erster Auftrag sein. Haben Sie verstanden?«
Hudson hatte es. Er hörte, wie die Haustür aufging und Stimmen in der Halle; jemand war gekommen. »Ja. Danke, Sir.« Das war sogar noch mehr Geld, als Blast ihm bezahlt hatte – und für einen ganz einfachen Auftrag. Solange er nicht in den Black-Brake-Sumpf musste, war alles okay. Über das Sumpfgebiet hatte er schon zu viele Gerüchte gehört.
Pendergast begleitete ihn zur Küchentür. Erfüllt von tiefer Dankbarkeit und Loyalität gegenüber dem Mann, der sein Leben verschont hatte, trat Hudson in die Nacht hinaus.