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Savannah, Georgia

Judson Esterhazy stand inmitten der Antiquitäten und Polstermöbel in seinem Studierzimmer und schaute aus einem der hohen Fenster, die auf den mittlerweile menschenleeren Whitfield Square hinausgingen. Ein kühler Regen tropfte von den kleinen Palmen und dem Pavillon in der Platzmitte und sammelte sich in Pfützen auf den Bürgersteigen aus Ziegelsteinen in der Habersham Street. Auf D’Agosta, der neben ihm stand, machte Helens Bruder bei diesem zweiten Besuch einen anderen Eindruck. Das lockere, höfliche Gebaren war verschwunden. Das attraktive Gesicht wirkte besorgt, angespannt, ein wenig verhärmt.

»Und sie hat Ihnen gegenüber nichts von ihrem Interesse an Papageien erwähnt, auch nicht am Karolinasittich?«

Esterhazy schüttelte den Kopf. »Niemals.«

»Und das verschollene Gemälde? Sie haben nie mit ihr darüber gesprochen, nicht einmal nebenbei?«

Wieder Kopfschütteln. »Das ist alles ganz neu für mich. Ich kann es ebenso wenig erklären wie Sie.«

»Ich kann mir vorstellen, wie schmerzlich die ganze Sache für Sie sein muss.«

Esterhazy wandte sich vom Fenster ab. Seine Kiefer mahlten; D’Agostas Ansicht nach Ausdruck einer kaum unterdrückten Wut. »Nicht annährend so schmerzvoll, wie von diesem Burschen Blast zu erfahren. Er ist vorbestraft, sagten Sie?«

»Nein. Er wurde mehrfach inhaftiert. Aber nicht verurteilt.«

»Das bedeutet nicht, dass er unschuldig ist«, sagte Esterhazy.

»Ganz im Gegenteil«, sagte D’Agosta.

Esterhazy warf ihm einen Blick von der Seite zu. »Und es ging nicht nur um Dinge wie Erpressung und Fälschung. Sie sprachen auch von Gewaltanwendung und Körperverletzung.«

D’Agosta nickte.

»Und er war auch hinter diesem … diesem verschollenen Gemälde her?«

»Wie der Teufel hinter der armen Seele«, sagte D’Agosta.

Esterhazy ballte die Hände und drehte sich wieder zum Fenster um.

»Judson«, sagte Pendergast, »weißt du noch, was ich dir gesagt habe –«

»Du hast deine Frau verloren«, sagte Esterhazy über die Schulter gewandt, »ich meine Schwester. Man kommt nie ganz darüber hinweg, aber zumindest kann man es akzeptieren. Aber jetzt von dieser Sache zu erfahren …« Er holte tief Luft. »Und nicht nur das, sondern es könnte auch sein, dass dieser Kriminelle auf irgendeine Weise daran beteiligt war, dass Helen –«

»Das wissen wir nicht sicher«, sagte Pendergast.

»Aber Sie können verdammt sicher sein, dass wir es herausfinden werden«, sagte D’Agosta.

Esterhazy gab keine Antwort. Er schaute nur weiter aus dem Fenster, während er mit der Kinnlade mahlte und den Blick nach innen richtete.