Kapitel 41

Vier Bildschirme zeigten kreischend OBERSTE PRIORITÄT -ZUR SOFORTIGEN BEACHTUNG an. Auf drei anderen blinkte es WICHTIG/PERSÖNLICH - Nachrichten für Sten in einem persönlichen Zugriffscode, den er vermutlich nur Cind, Alex und Sr. Ecu gegeben hatte. Sie alle - und die anderen Funkgeräte außerhalb von Stens Suite in Othos Burg - wollten das gleiche in unterschiedlichen Kategorien: Sten. Stens Anwesenheit, Stens Rat, Stens Prognosen, Stens Befehle, Stens Vorschläge, Stens Botschafter.

"Will denn keiner mehr etwas selbst tun?" fragte sich Sten verwundert. "Ich meine, der Imperator ist tot, Leute, jetzt stellt euch mal selbst auf die Hinterbeine."

"Die Zaginows sind total aus dem Häuschen", sagte Alex. "Ich hab eine unilaterale Erklärung zur Unabhängigkeit und Blockfreiheit für die Leutchen aufgesetzt. Die können sie dem Imperialen Parlament vorlegen -

falls es jemals wieder

zusammentritt. Die Kopie, die sie dir rein zur Information geschickt haben, verfügt über eine kleine persönliche Notiz. Sie sagen herzlich danke schön, und falls du jemals in inoffizieller Eigenschaft - die Betonung stammt von ihnen, nicht von mir - in ihren Teil des Universums kommst, sollst du mal auf einen Schluck vorbeischauen."

"Diese ganze Kiste kommt mir vor wie ein infizierter Stoßzahn", sagte Otho. "Er tut weh, tut weh, und dann fällt er raus. Und dann sucht deine Zunge die Lücke ab, fragt sich, wo der Hauer hin ist und vermißt ihn sogar ein bißchen."

In dem Raum waren nur noch zwei weitere Personen anwesend: Cind und Rykor.

Dabei hätten es viel mehr sein müssen:

Die Toten: Mahoney Sr. Ecu. Viele andere, die tief in Stens dunklen Erinnerungen ruhten, aber nicht vergessen waren; Soldaten, Zivilisten, sogar Banditen und Kriminelle, die im Kampf für die Fratze der Freiheit, von der sie wußten, daß sie niemals ganz den Totenschädel der Tyrannei verbergen konnte, gestorben waren.

Die Lebenden: Haines. Ihr Ehemann. Marr. Senn.

Ida. Jemedar Mankajiri Gurung und die anderen Gurkhas. Eine Frau aus der Vergangenheit: Bet.

Und genau wie damals, bevor er in die

Diskontinuität eingetaucht war, waren alle diese unsichtbaren Wesen jetzt bei ihm.

Und warteten.

"Cind", erkundigte sich Sten. "Was werden die Bhor jetzt tun?"

"Ich bin nicht mehr ihre Sprecherin", antwortete sie. "Ich gehe auf Reisen. Mit einem Freund." Sie lächelte Sten an. Es war ein vielversprechendes Lächeln.

"Die Bhor werden meine Kündigung akzeptieren.

Und wenn ich mir einen Bart wachsen lassen muß, damit sie ihn abschneiden können."

Sie wies mit dem Kinn zur anderen Seite des Raums. "Ich kann mir gut vorstellen, daß Otho wieder für sie spricht, auch wenn er dazu eingezogen werden muß."

Otho brummte. "Vielleicht. Aber nur vorübergehend. Ich habe soviel von dem langsamen, trockenen Tod der Politik gesehen, wie ich es nicht einmal meinem ärgsten Feind wünschen würde.

Vielleicht sollte ich ein Schiff flottmachen, so wie damals in meiner Jugend. Jetzt, wo statt des Imperators die Freiheit herrscht, ergeben sich hervorragende Möglichkeiten für einen Händler.

Vielleicht mache ich mich auch auf die Suche nach euren komischen Menschenfreunden, den Roma, wie sie sich nennen, wenn ich mich recht entsinne. Weißt du, daß keiner von ihnen auf Vi zurückgeblieben ist? Sie sind verschwunden, noch vor deiner Rückkehr von diesem anderen Ort... und sie haben mit keinem Wort erwähnt, was sie jetzt vorhaben."

Sten schwieg überrascht. Ida weg? Offensichtlich ohne sich zu verabschieden. Sie ist nicht einmal lange genug geblieben, um zu sehen, daß die Guten gewonnen haben. Er erinnerte sich an einige ihrer Worte, die sie einmal ganz nebenbei fallengelassen hatte: "Man kann der Freiheit nicht dienen, indem man Gesetze und Zäune errichtet..."

Otho erhob sich. "Oder vielleicht lerne ich endlich nähen", sagte er. "Aber genug davon, bei Kholeric. Ich habe Hunger und Durst und bin leicht verstimmt. Ich werde deinen gesamten

inkompetenten Stab abschlachten, Sr. Sten, und ihn darüber informieren, daß es keine Ausnahmen gibt, wenn du ausdrücklich befohlen hast, daß du nicht gestört werden willst."

Otho polterte hinaus, und einige Sekunden später hörte Sten lautes Knurren. Alle Bildschirme erloschen.

Vor seinem geistigen Auge blieben die Bitten und Anfragen jedoch präsent.

Plötzlich wurde er ganz überraschend wütend.

"Was zum Teufel wollen die alle von mir?" sagte er beinahe knurrend. "Daß ich mich zum neuen Ewigen Imperator ausrufe? Herrgott noch mal, der Tyrann ist tot, und schon beugen sie die Nacken freiwillig unter den nächsten eisenbeschlagenen Stiefel?"

"Einige von ihnen wünschen sich genau das", erwiderte Cind leise. "Muskeln werden schlaff, wenn man sie nicht gebraucht. Abgesehen davon ist es immer leichter, einen anderen die Entscheidungen treffen zu lassen.

Das weiß ich nur zu gut. Meine Vorfahren kannten nichts anderes als ihren Gehorsam gegenüber dem General der Jannissar. Er sagte ihnen, wann sie zu essen, zu schlafen, zu töten und zu sterben hatten. Wenn sie widerspruchslos gehorchten, wurden sie belohnt, sogar mit einem garantierten Leben nach dem Tod.

„Tja", sagte sie. "Und das war alles."

"Ihr geht beide ein bißchen zu hart mit unseren Verbündeten um", gab Alex mit sorgfältig komponiertem Gesichtsausdruck zu bedenken.

"Irgend jemand muß doch ganz oben stehen, oder nicht? Einer, der die Veränderungen und den Übergang bewacht. Der Thron darf nicht verwaisen, und wenn ihn nur eine provisorische Regierung übernimmt. Das stimmt doch?

Wer soll denn zum Beispiel die AM2 verteilen?"

Schon wieder: Antimaterie Zwei, Himmel und Hölle, Wohlstand oder Tod.

Aus Rykors Becken platschte es laut. Sie betrachtete Sten mit vor Mitgefühl weit aufgerissenen Augen. Aber sie gab nichts von dem Geheimnis preis, das sie teilten.

"Ein Reichsverweser", überlegte Sten, dessen Wut schon wieder verraucht war. "Du glaubst doch nicht etwa, daß ich mich noch weiter abstrample? So lange, bis jemand herausgefunden hat, wer die Sache endgültig in die Hand nehmen soll? Vielleicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir eine Art von Koalition im Sinne von Sr. Ecu zusammengestellt haben?"

"Das wäre für die meisten Wesen die beste Lösung", pflichtete ihm Cind bei. "Der Held tötet den Drachen... und hilft den Leuten dabei, ein neues Leben zu beginnen."

"Genau wie in den Livies", sagte Sten mit zynischem Unterton.

Cind hob die Schultern. "Was glaubst du denn, warum die so beliebt sind?"

"Wie soll das denn funktionieren, Rykor?" fragte Sten.

Rykor überlegte mit wedelnden Flossen. "Es ist logisch. Psychologisch willkommen, wie Cind bereits sagte. Auf jeden Fall bringst du die nötige Erfahrung mit. Wie oft haben dich deine Pflichten als Botschafter schon dazu gezwungen, den Gouverneur eines ganzen Clusters zu spielen ? Ich weiß, daß du dich nicht darum gerissen hast, für jede Entscheidung die Zustimmung des Imperators einzuholen."

Nein, dachte Sten. Das hatte er wirklich nicht.

Und er hatte die Dinge stets, wie ihm nicht ohne Stolz einfiel, mit einem gewissen Erfolg betrieben, vorausgesetzt, es waren ihm nicht außergewöhnliche Schwachköpfe in den Weg getreten; Schwachköpfe, die einfach nicht kapieren wollten, was da eigentlich vor sich ging und daß am Ende alles zu ihrem Besten ausgehen würde.

Herrje. Und niemand hatte seine Entscheidungen hinterher auch nur im entferntesten angezweifelt.

Kein Sektionskommandant. Kein General. Nicht einmal der Ewige Imperator.

Niemand.

Eine Chance, all die Fehlentwicklungen und Mißstände, die er in all den Jahren gesehen hatte, zu korrigieren. Mißstände, die zu groß oder zu weit entfernt waren, als daß man ihnen hätte gegenübertreten können. Jetzt gab es genug Zeit dafür. Sten konnte mit Leichtigkeit das diplomatische Gegenstück eines Generalstabs ausbilden, das in der Lage war, seine Politik weiterzuführen.

All diese Diktatoren, die ihm dieses mythische Ding namens Politik oder Zweckdienlichkeit zu unterstützen befohlen hatte.

All die Verbrechen, die ihn der Pragmatismus ignorieren gelehrt hatte. All diese Lebewesen, die ihre schwächeren Zeitgenossen bestahlen und ermordeten, widerliche Zeitgenossen, die Sten aus Zeitgründen nie hatte zur Rechenschaft ziehen und vernichten können.

Man könnte es Interimsregierung nennen.

Provisorium.

Wenn man wollte.

Es wäre bestimmt nicht die schlechteste Art, dem Universum einen guten Dienst zu erweisen, oder?

Besonders nach diesen vielen Jahrzehnten der Gemetzel und des Blutvergießens.

Es würde außerdem denjenigen, die nach ihm kamen, ein Beispiel dafür geben, daß man eine Zeitlang regieren konnte, und dann, wenn die Zeit gekommen war, zur Seite treten und die Zügel weitergeben konnte.

"Angenommen, ich würde zustimmen", sagte Sten. "Entschuldigung, das ist nicht richtig ausgedrückt. Angenommen, der Rauch verzieht sich, und dann verlangen sehr viele Welten, daß ich mich wie... wie was eigentlich verhalten soll ? >Regent< ist nicht das richtige Wort... >Manager< ist wohl der bessere Ausdruck."

"Wenn überhaupt, dann würden wohl nur sehr wenige Systeme nicht mitspielen", sagte Rykor überzeugt.

"Na schön. Also angenommen, ich erklärte mich bereit, mich noch ein paar Jahre in den Dienst der Sache zu stellen, bis die alle gemerkt haben, daß sie selbst die Verantwortung für sich übernehmen müssen ... würdet ihr bei mir bleiben?"

Rykor planschte zunächst wortlos in ihrem Becken herum. Dann sagte sie: "Ich werde dich gerne beraten, so gut ich kann, und solange ich in der Lage bin, Ratschläge zu geben."

Sten nickte.

"Alex?"

Der untersetzte Mann sah ihn einen langen Augenblick an.

"Mein Wort darauf, Boß", sagte er schließlich.

"Ich bin wieder dabei, als deine starke rechte Hand.

Aber ich muß dich schon jetzt warnen: irgendwann kommt die Zeit, da werde ich mich in den Ruhestand zurückziehen."

Sten nickte ein zweites Mal.

"Cind?"

"Ich bleibe", sagte sie, ohne zu zögern. "Solange du Reichsverweser bist. Und solange du Sten bleibst."

Ein drittes Nicken.

Das war's.

Sten sah noch einmal das Lächeln auf dem Gesicht des toten Imperators vor sich, und eisige Finger glitten an seiner Wirbelsäule hinab, als er sich fragte, ob dieser Moment das Mona-LisaLächeln erklärte.

"Ich frage mich nur", sagte Sten, "ob man überhaupt jemals bemerkt, wann die Zeit gekommen ist? Oder", fügte er so ehrlich, wie es ihm möglich war, hinzu, "ob jeder, der irgendwann die Krone entgegennimmt, davon überzeugt ist, daß alles, was er tut, nur zum Wohle der Allgemeinheit geschieht?"

Schweigen breitete sich im Raum aus, ein Schweigen so eisig wie die eisige, gefrorene Nacht draußen.

"Davon versteh ich nix", meinte Alex schließlich.

"Das ist Philosophie, und darüber darf kein einziger schottischer Soldat jemals nachdenken, sonst schmeißen sie ihn aus der Kneipe und zwingen ihn, mit den Briten Pisse zu trinken.

Aber ich kenne da eine lustige kleine Geschichte.

Wer will, kann sie als Parabel ansehen.

Es war einmal ein Mann, der wollte sich ständig was beweisen, klar? Eines Tages hört er, daß man das schrecklichste Wild auf der Erde erledigen kann, auf einer Insel im Norden, wo alles gefroren ist wie hier auf Vi.

Ich rede von der Bärenjagd, Cind. Ein Bär, das ist

-"

"Ich weiß, was ein Bär ist, Alex. Du hast Otho schon oft genug so genannt. Erzähl schon weiter."

"Na schön. Er geht also in den Wald, bewaffnet sich mit einem Gewehr und seinem scharfen Auge.

Und es dauert auch nicht lange, da erblickt er den Bären. Peng-peng-peng schießt er, und der Bär fällt um.

Er rennt schnell hin, und zu seiner großen Überraschung und Bestürzung findet er keinen Bären.

Tapptapp, macht's da auf seiner Schulter, und hinter ihm steht der Bär! Und der Bär brummt und sagt: >Wenn du am Leben bleiben willst, dann mußt du runter auf Hände und Knie und an mir eine widerwärtige sexuelle Handlung vornehmen.< Der Jäger windet sich hin und her, versucht sich herauszureden, doch die Zähne des Bären sind mordsmäßig scharf und seine Pranken

furchterregend groß. Also geht er runter auf die Knie

...

Tja, und als er eine Weile später wieder in sein Lager zurückkehrt, ist er voller Abscheu und Ekel.

Er steht kurz davor, Selbstmord zu begehen. Aber zuerst, denkt er, zuerst will ich diesem Bären das Fell über die Ohren ziehen!

Am nächsten Morgen geht er also wieder in den Wald hinaus, und es dauert nicht lange, da hat er den Bären entdeckt. Flinte hoch, bomm-bomm-bomm, und wieder fällt der Bär um.

Der Jäger rennt wie der Teufel zu der Stelle, schwelgt schon in süßen Rachegefühlen ... aber da liegt kein Bär.

Tapptapp auf der Schulter... da steht der Bär wieder hinter ihm! Groß und mächtig!

Und der Bär sagt: >Wenn du am Leben bleiben willst, mußt du dich ausziehen und umdrehen, und dann werde ich einen widerlichen sexuellen Akt an dir vornehmend

Wieder windet sich der Kerl in seiner Not, doch die Zähne sind mordsmäßig scharf und die Pranken furchterregend groß. Also läßt der Jäger seine Klamotten fallen ...

So nimmt die Sache ihren Lauf. Als der Jäger kurz darauf zu seinem Lager zurückschleicht, fühlt er sich noch mieser als ein Campbell. Er ist der niedrigste der Niedrigen. Sich selbst umzubringen ist noch das beste Schicksal, das ihm für sich einfällt.

Aber zuerst ... muß dieser verdammte Bär dran glauben! Da hilft nichts, das steht ganz außer Frage.

Und so ist der Jäger am nächsten Morgen bei Tagesanbruch wieder draußen im Wald. Und wieder sieht er den Bären, und wieder hebt er das Gewehr.

Und wieder geht es knall-knall-knall, und wieder fällt der Bär um.

Und wieder rast der Jäger zu der Stelle.

Und wieder findet er keinen verdammten Bären!

Aber wieder spürt er dieses Tapptapp auf der Schulter.

Der Jäger weiß schon, was da los ist, dreht sich um, und wieder steht da dieser Bär vor ihm!

Und der Bär schaut ihn lange an und sagt schließlich: >Mein Freund, ich glaube, du bist nicht hierhergekommen, um zu jagen, oder?<"

Sten starrte Kilgour an, der erst einige Sekunden verstreichen ließ und dann wohlwollend lächelte.

"Genau", sagte Sten.

Er wandte sich um.

"Rykor. Könntest du mit den Ergebnissen meines Gehirnscans einigen Ingenieuren dabei behilflich sein, eine Zusammenfassung von Projekt Bravo zusammenzustellen? Sozusagen eine Bastelanleitung für AM2?"

"Kann ich machen."

"Das wäre meine erste Bitte. Wir lassen ein ganz großes Tier kommen, vielleicht diese Reporterin, Ranett, die dem Imperator so die Hölle heiß gemacht hat; sie kann die Information dann weitergeben.

Ich möchte, daß es auf jedem Livie-und Vid-Kanal und auf jeder sonstigen verfügbaren Frequenz ausgestrahlt wird.

Zweitens. Bitte Otho darum, die Bänder mit den Aufzeichnungen aus meinem Einsatzschiff holen zu lassen. Mit ihrer Hilfe dürften wir eine ziemlich gute Triangulation der Diskontinuität und der Imperialen Wundertüte erhalten.

Auch das soll ausgestrahlt werden. Jeder, der AM2 haben will, soll wissen, wo er es finden kann."

Rykor planschte lautstark in ihrem Becken umher.

"Intellektuell stimme ich zu", sagte sie. "Und wenn ich an ein Einzelwesen namens Sten denke, halte ich es auch für persönlich gut. Aber wenn ich an den Effekt denke, den es auf die Massen haben wird -"

"Ich kann nicht für sie denken", erwiderte Sten.

"Ich kann kaum auf mich selbst aufpassen.

Ich kann nichts anderes sagen als ... Da! Da ist das AM2. Da liegt der Schlüssel zum Königreich.

Jeder kann König sein, oder auch blutiger Despot.

Sollen sie das Universum so gestalten, wie es ihnen beliebt. Als Paradies oder als Wüste.

Das liegt nicht in meiner Verantwortung. Ich werde nicht Gott spielen. Nicht jetzt. Niemals."

Sten hatte den Eindruck, daß von all diesen Wesen, den lebenden und den toten, die sich nicht mit ihm in diesem Raum befunden hatten, ein Murmeln ausging. Klang es zustimmend? Oder enttäuscht?

Aber sie waren weg. Für immer.

Sten wandte sich an Alex.

"Meinst du, man wird es mir krummnehmen, wenn ich die Victory behalte?"

"Glaub ich nicht, alter Knabe. Und es gibt bestimmt genug Burschen wie Otho, die dir an Bord gern zur Hand gehen. Die mußt du mit einer Dornenranke wegprügeln, wenn du sie nicht haben willst."

"Gut. Ich frage dich jetzt noch einmal, ob du bei mir bleiben willst."

"Erst brauch ich ein paar Wochen, Boß. Ich muß meiner Mama zwei Mädels vorstellen. Und wie die Dinge so stehen, kriege ich vielleicht einen kleinen Kanzelprediger dazu ... Kriege ich einen Monat?"

Sten nickte.

Alex strahlte. Er ging zur Tür, wo Rykor wartete.

"Ach, alter Knabe. Das wird prima. Das wird richtig prima. Es gibt noch ganze Galaxien, die die Geschichte von den gefleckten Schlangen noch nicht kennen."

Dann waren er und Rykor draußen.

"Mich hast du bis zum Schluß aufgespart", sagte Cind.

"Tatsächlich."

"Wirst du mich auch fragen?"

"Aber sicher. Hast du in den nächsten paar Jahrhunderten schon etwas vor?"

Cind antwortete ihm nicht.

Sie küßte ihn.

Dann nahm sie ihn an der Hand ... und sie gingen quer durch das Zimmer zum Balkon. Sie öffnete die Türen, und sie traten hinaus in die klare, frostglitzernde Nacht.

Keiner von beiden spürte die Kälte.

Sie sahen hinauf und weit hinaus, in die weite Ferne der Unendlichkeit und noch viel weiter, zu den unbekannten Sternen, die sich bis in die Ewigkeit erstreckten.

Eine Art Erklärung

Die Idee zu Sten kam uns vor einigen Jahren. Sie wurde nicht zuletzt durch die Tatsache begünstigt, daß damals nur sehr wenig Leute die Art von Science-fiction schrieben, mit der wir aufgewachsen sind und die wir noch immer schätzen - eine Situation, die sich in letzter Zeit ein wenig gebessert hat, wie wir mit Freude feststellen.

Der Hauptgrund war jedoch, daß uns so einiges ankotzte.

Aus irgendeinem unbekannten Grund liebäugelte die Science-fiction seit jeher gerne mit sozialem und politischem Faschismus; wir vermuten,

hauptsächlich aus Dummheit und Unkenntnis.

Unser Verdruß findet seinen besten Ausdruck in Dämon Knights klassischer Essaysammlung mit dem Titel In Search of Wonder, in der er A. E. van Vogt, einem Scientologen und

Konfusionsspezialisten ersten Ranges, gehörig die Leviten liest:

"Es kommt mir eigenartig vor, daß in den Geschichten von van Vogt, die fast alle in der Zukunft spielen, die am häufigsten auftretende Regierungsform die absolute Monarchie ist; und weiterhin, daß die Monarchen in diesen Geschichten ausnahmslos als sympathisch dargestellt werden, ja (wie einer seiner Helden) sogar als >wohlwollende Diktatoren, wenn man sich das bitte einmal vorstellen mag.

(...) Ich möchte hier nicht sagen, was ich von einem Menschen halte, der Monarchien gutheißt (...) und ich empfinde es auch nicht als relevant, daß diese Geschichten zu einer Zeit geschrieben und veröffentlicht wurden, zu der sowohl van Vogts Land (Kanada) als auch das unsere Krieg gegen Diktaturen führten ...

(...) Die absolute Monarchie war eine

Regierungsform, die sich entwickelte, um überall die ökonomischen Wünsche des Feudalismus

durchzusetzen, und sie ging mit dem Feudalismus zugrunde. (...) Moderne Versuche, ein ähnliches System in höherentwickelten Kulturen einzuführen, haben sich vor nicht allzulanger Zeit als drastische Fehlschläge erwiesen. (...) Es ist kein Verbrechen, wenn der Privatmensch van Vogt das bedauerlich findet; bei einem Autor hingegen stellt diese Ignoranz ein Verbrechen dar ..."

Recht hat der Mann.

Das zweite Zitat ist wesentlich bekannter: John Emerich Edward Dalberg, Lord Acton, im Jahre 1887 in einem Brief an Bischof Mandell Creighton:

"Macht korrumpiert; absolute Macht korrumpiert absolut."

Das ist genauso richtig.

Und deshalb kam es uns absurd vor, daß trotz aller lautstarken Bekenntnisse, man mache sich Gedanken über die Zukunft, die Science-fiction tatsächlich einem Großteil ihrer Substanz darauf verschwendet, an der ausgelutschten Hülse einer falschen Vergangenheit zu saugen.

Deshalb... Sten.

Wir haben das gesammelte knallharte, zynische Wissen einfließen lassen, das jeder von uns in seinen vierzehn Jahren als Journalist hinsichtlich Funktionsweisen von Politik und den Mechanismen der Macht erworben hat.

Wir wollten ein Imperium schaffen, das groß und alt genug sein sollte, um alle möglichen Spielarten dieser großartigen, düsteren, komischen Gestalt zu enthalten: der Menschheit. Dieses Imperium wollten wir mit den Augen eines gewöhnlichen Menschen aus der Arbeiterklasse betrachten, der von außergewöhnlichen Geschehnissen mitgerissen wird.

Er sollte gerade schlau genug und flink genug sein und - was uns am allerwichtigsten war - über so viel Sinn für Humor verfügen, um überleben zu können. Und um sich zu einem aufrichtigen Helden zu entwickeln. Zumindest in das, was wir uns unter einem Helden vorstellen: jemand mit gewaltigen Lehmklumpen anstelle der Füße.

Wir kamen rasch überein, daß es eine lange Geschichte sein mußte. Um alles zu erzählen, waren acht Bücher nötig. Ein Roman in acht Teilen.

Wir gingen davon aus, daß wir vermutlich mit einer Million Worte auskommen würden. - Heute haben wir diese Grenze überschritten.

Und die Geschichte ist zu Ende.

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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