Vielleicht

Beide Hologramme hörten zu reden auf. Marr und Senn blickten einander an.

"So, inzwischen müßte jeder, der unerlaubt in Ihrer Post herumschnüffelt, vor Langeweile gestorben sein", sagte Marr.

"Ich kann es nur hoffen", ergänzte Senn. "Sr. Ecu, wir brauchen Ihre Hilfe. Ich gehe davon aus, daß Sie es sind, der diese Nachricht sieht, und nicht -"

Er schauderte und wand sich sichtlich, geradeso, als hätte ihn ein eisiger Windhauch erfaßt. Marr stellte sich schützend vor ihn.

"- und nicht irgendwelche anderen", fuhr er fort, als er sich wieder gefangen hatte.

"Wir sind in Schwierigkeiten. Wir müssen Kontakt zu Sten aufnehmen. Wir wissen nicht genau, ob Sie wissen, wo er sich aufhält, und der einzige Grund, weshalb wir Ihnen diese Botschaft zukommen lassen, ist der, daß Sie beide für das Tribunal gearbeitet haben, damals, in den schlimmen Zeiten jener fünf Wesen, deren Namen ich noch nicht einmal heute aussprechen möchte.

Sie sind unsere einzige Hoffnung. Sten muß uns helfen. Und jemand anderem. Den Namen dieser Person kann ich nicht aussprechen. Aber sagen Sie Sten, daß er sich an diese Person erinnern wird. Er soll sich an die Party erinnern, und das, was danach geschah. Im Garten. Die schwarze Kugel vor dem Mond, das, was nur dreimal im Jahr geschieht. Diese Person erinnert sich noch daran.

Wenn Sten sich erinnert, sagen Sie ihm, daß diese Person in Schwierigkeiten ist. Sie wird vom Imperator gejagt. Wir -"

Marr unterbrach ihn.

"Wir haben gehört, wo sich die Person aufhält", sagte er. "Wenn der Imperator davon Wind bekommt, dann wird er auch uns jagen lassen. Wir kennen den exakten Aufenthaltsort dieser Person nicht, und wir haben das Gefühl, daß schon jetzt Netze ausgeworfen werden, irgendwo dort draußen, von Wesen, die uns nicht wohlgesonnen sind. Wenn dieser Fischer eifrig genug seine Netze auswirft, werden wir uns früher oder später darin verfangen."

Die beiden Milchen drängten sich aneinander, um sich des kleinen Rests an Liebe und Sicherheit zu versichern, der in diesem Universum noch übrig war.

"Wir können nicht mehr sagen", schloß Senn.

"Unterrichten Sie Sten bitte von unserem Problem.

Fragen Sie ihn, ob er helfen kann. Er weiß, wo er uns findet. Wir haben keine Vorschläge zu machen.

Aber ... aber sagen Sie ihm folgendes: Sagen Sie ihm, er muß nicht alles aufs Spiel setzen. Das sagen wir, aber auch die betreffende Person. Falls diese Hilfe seinen Kreuzzug gefährdet, dann darf er diese Hilfe nicht leisten.

Sten darf nicht besiegt werden."

Die scheißgefährliche, brandheiße Pilotin Hannelore La Ciotat hatte sich ernsthaft gefragt, warum sie sich eigentlich der Rebellion angeschlossen hatte - so ernsthaft, wie sich das jemand in einem Beruf fragen konnte, zu dessen Grundvoraussetzungen die Unfähigkeit gehörte, zu reden, ohne mit den Händen herumzufuchteln, und die eigene Zukunft nicht weiter als bis zum Abendessen-Sonderangebot des O-Clubs zu planen.

Niemand außer ihren Rebellenkollegen wußte, daß sie Stens Pilotin gewesen war, als er Admiral Mason und der Caligula aufgelauert hatte. Selbst wenn man sie dafür angeklagt hätte, hätte sie sich jederzeit darauf berufen können, daß sie um ihr eigenes Leben hätte fürchten müssen, wenn sie sich seinen Befehlen widersetzt hätte. Statt dessen gehörte sie zu den ersten Einsatzschiff -Piloten, die sich auf Stens Seite geschlagen hatten.

Dafür gab es drei Gründe. Erstens: In ihren Augen präsentierte sich das Imperium in Form fettärschiger hochrangiger Offiziere, die die taktische Notwendigkeit einfach nicht einsehen wollten, jede erreichbare Brücke, die sich in der Hauptstadt ihres Heimatplaneten spannte, mit Überschallgeschwindigkeit zu unterfliegen; Offiziere, die eines Tages darauf bestehen würden, daß sie ihr Schiff einmottete und ab sofort einen Schreibtisch flog. Zweitens: Sten war ebenfalls Pilot und sprach ihre Sprache. Drittens: Bei den Rebellen bekam sie mit Sicherheit mehr Kampfeinsätze und Flugstunden, als wenn sie weiterhin bei den monolithischen Imperialen Streitkräften blieb.

Vor dem vierten Grund scheute sie selbst zurück.

Er lautete: Warum zum Teufel nicht ? Und das wiederum bedeutete nichts anderes, als daß Piloten, und da ganz besonders den Piloten der

Einsatzschiffe, jeglicher Verstand abging, besonders der, mit dem gesunde Menschen ausgestattet waren.

Sie lauschte Stens Einsatzbesprechung an Bord der Aoife mit einem gewissen Grad an Skepsis, was Sten amüsiert bemerkte.

"Sie haben noch eine Frage, Lieutenant?

Entschuldigung, Captain. Übrigens, Glückwunsch zur Beförderung."

La Ciotat zuckte die Achseln. Mehr Sterne auf der Schulter bedeutete lediglich mehr Credits, die man an der Bar des O-Club auf den Kopf hauen konnte; ansonsten flogen Piloten im Rang eines Sergeanten wie im Rang eines Admirals immer noch die gleichen Schiffe.

"Beim letzten Mal, als Sie so 'nen tollen Plan hatten", fing sie so taktvoll an, wie es ihr möglich war, "da sagten Sie: >Auf geht's, Hannelore, wir beide überfallen ein Schlachtschiff.< Das war dumm, dumm, dumm, doch wir haben den Schwachkopf kalt erwischt und sind noch einmal davongekommen. Jetzt möchten Sie es noch einmal versuchen, nur in viel größerem Stil. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, soll mein Einsatzschiff, nur von einer lausigen nichtimperialen Blechbüchse unterstützt -"

Sten unterbrach sie. "Die Aoife ist nur dazu da, uns rechtzeitig aus dem Feuer zu ziehen. Mit dem Piff-Paff-Bumm selbst hat sie nichts zu tun."

"Das ist ja noch besser. Eine Seifenkiste, die noch nicht einmal von einer lausigen nichtimperialen Blechbüchse Unterstützung erhält, soll einen ganzen Konvoi überfallen. Einen Konvoi, der zufällig das wertvollste Gut im ganzen Imperium transportiert; und Sie glauben, daß wir diese Aufgabe bewältigen?

Mann, ich glaube, wir werden dort nicht einmal mehr davonhumpeln, ganz zu schweigen davon, was Sie sich so vorstellen. Wer kümmert sich um den Geleitschutz?"

"Es gibt keinen Geleitschutz."

"Hoppla. Sie haben nicht zugehört... apropos, wie soll ich Sie eigentlich anreden, abgesehen von

>Sir<? Ich meine, wie lautet Ihr Rang nach der Rebellion ? Anführer ? Held ? Ich nehme mal an, daß Sie sich mit mehr Streifen als denen eines lumpigen Admirals dekoriert haben."

"Versuchen Sie es doch mit Sten. Ohne Rangbezeichnung. Und auch kein >Sir<."

"Na gut. Trotzdem: meinen Sie wirklich, daß das Imperium seine Bonbons ohne Geleitschutz durch's All schippern läßt?"

"Ich bin fest davon überzeugt."

"Sten. Ich möchte gerne wissen, wie verläßlich Ihre Informationen sind."

"Sie können unseren Geheimdienst in Frage stellen, und Sie können Ihre Frage stellen, La Ciotat.

Aber Sie werden keine Antwort erhalten. Hat was damit zu tun, was Sie etwas angeht und was nicht."

La Ciotat starrte Sten einen langen Augenblick an. "Ich bin nicht scharf auf Ihren Kadaver", sagte sie schließlich. "Auch sonst brauche ich keinen besonderen Adrenalinstoß. Aber ich glaube, ich bin bei dieser blödsinnigen Mission dabei.

Wahrscheinlich stimmt die Geschichte doch, daß ich als Zwilling zur Welt kam. Mama sagte damals angeblich, ertränkt die Blöde, und Papa hat uns verwechselt. Alles klar, Skipper, ich sage meiner Besatzung Bescheid.

Das wird ihnen schmecken. >Die Furchtlosen Freiwilligen im Tal des Schlimmen Schlock<, und so weiter. Ich vermute jedoch, daß ich sie eines schönen Jahres doch erst fragen muß, bevor ich sie in den Fleischwolf schmeiße."

Kurz vor dem toten System begaben sich Sten, La Ciotat und ihre Crew an Bord des Einsatzschiffs, der Sterns. Die Verbindung zwischen der Sterns, der Aoife und der Heorot, dem mit Ortungsanlagen vollgestopften Schiff der Bhor, das noch immer nicht allzuweit von der Relaisstation entfernt mit weit geöffneten elektronischen Ohren seine Bahn zog, stand bereits.

Und dann warteten sie.

Wie immer zog sich La Ciotat vor dem Kampf in das winzige Schlupfloch zurück, das auf einem Einsatzschiff unter der Bezeichnung

"Kapitänskabine" lief und aus einem Verschlag mit ausklappbarer Schreibtischplatte bestand. Aber es war immerhin eine Kabine -

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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