Versorgungskonvois eine Station weiter
zurückverfolgt.
Sten ging davon aus, daß der Robotkonvoi von seinem bislang noch unbekannten Ursprungsort in diesem System ankam, dort von der Relaisstation entsprechende Anweisungen zur weiteren Reiseroute oder zu einer Umleitung der Lieferung erhielt und dann je nachdem weiter nach Dusable, zu einem anderen AM2-Depot oder zu einem neu
angewiesenen Zielort flog, oder ...
Es gab noch eine ganze Reihe weiterer
interessanter Möglichkeiten.
"Befindet sich das Horch-Schiff noch in dem betreffenden System?"
"Jawohl", sagte Freston. "Ich habe ihm Befehl gegeben, sich nicht zu mucksen, alle passiven Ortungssysteme auf höchster Empfindlichkeitsstufe laufen zu lassen und ohne ausdrücklichen Befehl meinerseits keine aktiven Nachforschungen anzustellen."
"Konnte das Bhor-Schiff bei seiner Ankunft irgendwelche Übertragungen auffangen?"
"Nein. Darüber hätte man mich unterrichtet."
"Gab es seither welche?"
"Technisch gesehen nicht", sagte Freston. "Doch die Sensoren des Schiffs haben vor kurzem einen verstärkten Energie-Output der Station auf allen Wellenlängen gemeldet. Als wäre sie aus dem Standby-Modus erwacht."
Stens Abendessen war vergessen.
"Reicht die Ausrüstung auf dem Horch-Schiff aus, um eine weitere Übertragung wie diejenige, die Sie außerhalb von Dusable abgefangen haben, zu empfangen?"
"Mit Leichtigkeit."
"Wie weit ist es entfernt?"
"Sie können in drei E-Tagen dort sein."
Sten grinste. Freston kannte seinen Boß. "Na schön. Ist die Aoife startklar?"
"Jawohl."
"Ich bin schon unterwegs. Sagen Sie dem Skipper
-"
"Waldman, Sir."
"Sagen Sie ihm oder ihr, daß das hier die große Chance ist, die Pleite mit dem Konvoi
wiedergutzumachen. Sie sollen
Kupplungsvorrichtungen für ein Einsatzschiff an der Aoife anbringen. Außerdem möchte ich, daß Sie eine Richtstrahl-Funkverbindung zwischen dem Einsatzschiff und dem Zerstörer einrichten. Und zwar gestern."
"Jawohl, Sir. Ich nehme an, daß Sie selbst das Einsatzschiff befehligen werden?"
Sten wollte schon nicken. Natürlich. Dann bremste er sich. >Ich bitte dich, mein Sohn. Du hast schon genug gesunden Menschenverstand über Bord geworfen. Führ dich jetzt nicht auf wie der letzte Operettengeneral.<
"Nein, negativ", sagte er zu Frestons Überraschung. "Ich möchte einen brandgefährlichen Piloten. Und ich habe auch schon die richtige Kandidatin dafür. Ende."
Noch bevor der Bildschirm dunkel wurde, war Sten zur Tür hinaus.
Der Gurkhaposten vor der Tür befand sich noch nicht ganz in Habachtstellung, da war Sten auch schon vorbei und hinterließ ein Zucken, das man als gewinkte Antwort auf den Gruß deuten konnte.
Sten hatte einen Helm in einer Hand, über der Schulter einen Waffengurt komplett mit Pistole, Munition, Reinigungsset und Kukri, sowie in der anderen Hand einen Marschrucksack mit drei Tagesrationen und Toilettenartikeln - drei Dinge, die nie mehr als eine Armeslänge von ihm weg waren.
Ida hatte, wenn auch unbeabsichtigt, ein Exempel statuiert.
Es war höchste Zeit, ein wenig Rost abzukratzen.
Wie Sr. Ecu schon vor einem Jahrhundert oder mehr erfahren hatte, bestanden die drei größten Talente eines Diplomaten darin, niemals etwas persönlich zu nehmen, auch dann freundlich dreinzublicken, wenn das, was da beim Bankett serviert wurde, allgemein als Gummihuhn bekannt war, und, vor allen Dingen, in jeder Situation Langeweile auszuhalten.
Nicht nur die Langeweile endlos langer
Konferenzen, auf denen Amateurpolitiker versuchten, möglichst viele Punkte zu machen, als handelte es sich um einen Debattierklub für Anfänger, sondern auch die Langeweile der endlosen Stunden, die man unterwegs auf Reisen verbrachte.
Ecu hatte sich schon oft gefragt, wie die Raumschiffsbesatzungen das aushielten, ohne durchzudrehen; und vor allem, wie die es ausgehalten hatten, die damals endlos in den alten Schiffen mit den konventionellen Antrieben gesessen hatten; er hatte sich sogar eingehend mit diesem Thema beschäftigt. Seine Forschungen über Morde, Meutereien und weitaus schlimmere Absonderlichkeiten, die sich besonders auf den Langzeitflügen vor den Zeiten des Stardrive ereignet hatten, belehrten ihn darüber, daß sie es eben nicht ausgehalten hatten.
Und nun, auf dem langen Rückflug von den Planeten der Cal'gata und besonders unter den erschwerten Bedingungen eines strikten
Funkverbots, hatte er schon mit dem Gedanken gespielt, selbst ein wenig zu meutern, auch wenn er sich wiederholt ins Gedächtnis rief, daß Langeweile nicht zur Gefühlspalette der Manabi gehörte und daß die Verfassung, in der er sich befand, nur eine konditionierte Reaktion auf die vielen Jahrzehnte sein konnte, die er jetzt schon in der Gesellschaft von Menschen verbrachte.
Trotzdem erwischte ihn das, was man ihm schon als Raumkoller beschrieben hatte.
Er hatte jedes Livie an Bord der kleinen Yacht angesehen, jedes zur Verfügung stehende Buch gelesen, zahllose Berichte und Analysen verfaßt, und noch immer waren sie vier Schiffstage von Seilichi entfernt.
Schließlich führte ihn seine Langeweile wieder zu dem Reklamefiche von Marr und Senn.
Er hatte schon früher einen genaueren Blick darauf werfen wollen, war jedoch stets davor zurückgeschreckt. Der Gedanke an die
Gaumenfreuden, die von den beiden Milchen zubereitet wurden, konnte einem den Rest geben, besonders angesichts der nicht gerade sehr inspirierten Verpflegung, die der Smutje auf dieser Yacht aus seinen Töpfen zauberte.
Jetzt war Ecu jedoch zuversichtlich, auch die letzten vier Tage durchzustehen, bevor er wieder richtiges Essen zu sich nehmen konnte.
Wieder berührte er die Sensorfläche, und wieder erschienen Marr und Senn vor ihm und begrüßten ihn mit Namen. Wieder schwirrten die herrlichsten Wohlgerüche um Ecus Fühler.
Und wieder kündigten die beiden Milchen ihren neuen Lieferservice an und legten sofort los, ein Menü vorzustellen.
Ecus Sinne schlugen Alarm. Gefahr. Das Menü wurde in einem völlig gelangweilten Plauderton präsentiert, als fühlten Marr und Senn sich aufgrund ökonomischer Notwendigkeit zu dieser neuen Tätigkeit gezwungen. Aber das konnte nicht sein.