zum
festgelegten Datum/Zeitpunkt Y an einem Ort Z, der sich allerdings nicht mit dem der Ablieferung deckte; der Imperator war also noch nicht völlig schwachsinnig geworden. Kilgour war davon ausgegangen, daß das Muster, nach dem die Feldagenten arbeiteten, auch auf den Agentenführer zutreffen würde. Bei einer Suche über alle Frequenzen hinweg hatte er prompt unbekannte Übertragungen entdeckt, die via Richtstrahl zu einer bekannten Imperialen Bodenstation, "nahe" den Wolfswelten, gefunkt wurden; diese Funksprüche wurden abgefangen, aufgezeichnet und ihr Absender lokalisiert.
Das hatte Kilgour zu Hohnes Wohnung geführt.
"Tja, und da keiner deiner Berichte die Wolfswelten erreicht hat, wird sich dein Herr und Meister allmählich Sorgen machen", merkte Kilgour abschließend an. "Er wird wahrscheinlich einen Bericht haben wollen, stimmt's?"
"Ihr wollt, daß ich für euch arbeite."
"Nein. Ich will nur ganz wenig. Ein Glas Bier, einen Whisky, ein nettes Mädel und einen geräucherten Lachs, nicht größer als dein Ego. Du wirst für uns arbeiten, Junge. Du hast ja gar keine Wahl. Ich weiß nicht, warum du spionierst, für Geld, für dein Vaterland oder aus privaten Gründen. Ab jetzt arbeitest du jedenfalls für Alex Kilgour."
"Unmöglich", erwiderte Hohne. "Ich helfe nicht mit, Sten und seinen Verrat zu decken. Vermutlich soll ich hier sitzen und irgendwelche Berichte senden, daß in diesem Cluster alle
hundertzweiundfünfzigprozentig loyal sind, daß keiner je Sten gesehen, niemand von ihm gehört hat, und daß sie auf sein Grab spucken würden, wenn er hier auftauchen sollte."
"Zwei Punkte, Kumpel:
Punkt eins: du sollst gar nicht lügen, was diesen Cluster angeht. Jedenfalls nicht auf diese Art. Nein.
Hier ist es gefährlich. Du willst mehr Agenten, kleine Einheiten, Gruppen, ganze verdammte Clans, wenn möglich.
Zweitens: du wirst mir helfen. Daran hab ich nicht den geringsten Zweifel, und auch du solltest keinen haben. Ich bin sicher, es wird nicht länger als ein paar Stunden dauern, bis du die tiefe Weisheit meiner Worte erkennst und merkst, was ich für ein prima Bursche bin.
Alles klar? Nein, du glaubst mir immer noch nicht.
Mister Paen, würden Sie bitte hereinkommen? Sie können den Burschen mitnehmen. Werd später noch mal ein Wörtchen mit ihm reden."
Sr. Hohne, Innere Sicherheit, wurde unsanft weggeführt.
"Wird er mitmachen?" fragte Marl.
"Aber klar doch", erwiderte Alex, während ihr ziviler A-Grav-Gleiter sie zu ihrem Quartier zurückbrachte. "Der sitzt jetzt in seinem winzigen Kerker, denkt über seine Sünden nach, davon gibt's reichlich, und über seine Zukunft, sehr düster, und dann wird er schon mitmachen. Spione sind fehlgeleitete Typen, die kippen immer um. Um ganz sicher zu gehen, spielen ihm die Bhor noch ein paar fürchterliche Tonbandaufnahmen von Gefangenen vor, die verhört werden und schreien, als zöge man ihnen bei lebendigem Leib die Haut ab und zwinge sie obendrein, sich irgendwelche politischen Reden anzuhören.
Ich bin ein ganz guter Schreier, vorausgesetzt, die Aufnahmetechnik ist gut und ich bekomme etwas Spray gegen Heiserkeit. Siehst du, so lernt man nie aus, Marl. Als erstes hast du die Tugend der Geduld gelernt. Na ja, das ist vielleicht etwas zu hochgestochen. Ich erzähl dir lieber eine Parabel.
Bist du religiös, Mädel?"
"Nein, Sir. Aber ich habe einen religiösen Kindergarten besucht."
"Dann wird dir diese Fabel noch mehr ans Gemüt gehen. Es war einmal ein Mann. Weder gut noch böse. Aber er lebt in einem winzigen Haus, das er nicht mag, und hat nicht genug Geld für ein größeres.
Da hört er von einem weisen Mann. Einem sehr, sehr weisen Mann. Und er beschließt, diesen weisen Mann um Rat zu fragen.
Weise Männer sind natürlich nicht so leicht zu erreichen, und so ist die Reise lang und beschwerlich. Aber schließlich hat unser Held es geschafft und klettert auf den Berg, wo der Weise seine Zelte aufgeschlagen hat, und er bittet ihn: >Oh, du Erhabener, was kann ich machen? Mein Haus ist winzig, und es gefällt mir gar nicht.< Der weise Mann denkt nach und fragt schließlich:
>Hast du eine Kuh?<
>Eine Kuh?<
>Ja, eine Kuh.<
>Ja. Ich habe eine brave Hereford-Kuh.<
>Nimm sie in dein Haus.<
Und der weise Mann weigert sich, noch mehr zu sagen, da mag der Mann noch so bitten und betteln.
Der Mann geht also nach Hause, und der Rückweg gestaltet sich fast noch schwieriger als der Hinweg.
Und er denkt nach und wundert sich, aber er weiß ja, daß der weise Mann weise ist, und daher bringt er die Kuh in sein Haus, und dort schläft sie bei ihm.
Und sein winziges Haus wird noch winziger.
Er kann's einfach nicht mehr aushalten. Er geht also wieder hin, trotz der beschwerlichen Reise, den ganzen Weg hoch bis zu dem weisen Mann, und wieder stellt er seine Frage.
Der weise Mann denkt nach und sagt: >Hast du eine Ziege ?<
>Eine Ziege ?<
>Ja, eine Ziege.<
"Ich habe eine Ziege.<
>Bring sie auch ins Haus.<
Und wieder weigert sich der weise Mann, mehr zu sagen.
Der Mann, verwirrter als zuvor, wandert wieder zu seinem winzigen Haus und denkt nach. Aber weil der weise Mann ein Weiser ist, bringt er auch die Ziege ins Haus.
Doch bald kann er es wirklich nicht mehr aushalten, denn jetzt ist es in seinem Haus noch viel enger geworden.
Er geht also wieder zu dem weisen Mann und bittet um Hilfe. Er sagt: >Ich hab ein winziges Haus, und jetzt, mit einer Kuh und einer Ziege drin, ist es so schrecklich eng, ich halte es nicht mehr aus.< Und der weise Mann denkt nach und sagt dann:
>Hast du Hühner?<
>Hühner?<
>Ja, Hühner.<
>Ja, ich habe Hühner. <
>Nimm sie mit ins Haus. Und wenn man genauer darüber nachdenkt ... Falls du Enten, Schwäne und Schweine hast, nimm sie auch in dein Haus.< Und trotz der Bitten des Mannes sagt der weise Mann kein einziges Wort mehr.
Also geht der Mann zurück und nimmt auch noch die Hühner in sein Haus. Jetzt ist es noch schlimmer, so schlimm, daß es unerträglich wird. Es ist in dem Haus kein Platz mehr für den Mann übrig, so voll ist es.
Und er reist wieder zurück zu dem weisen Mann und sagt: >Ich halt's nicht mehr aus! Mein winziges Haus ist voller Viecher, ich habe überhaupt keinen Platz mehr! Ich bitte dich, hilf mir doch!< Und der weise Mann sagt: >Geh nach Hause und schaffe alle Tiere wieder nach draußen.< Der Mann eilt also nach Hause, setzt alle Tiere vor die Tür, und weißt du, was er feststellt?"
"Daß sein Haus immer noch winzig ist."
"Ja, aber jetzt ist es total voll mit Mist!"
Marl starrte Kilgour einige lange Sekunden an.
Man hatte sie vorgewarnt. Sie hätte es wissen müssen. Aber ...
"Was hat das denn mit Geduld zu tun?"
"Du hast doch die ganze Zeit zugehört, oder etwa nicht?"
Cind sah Kilgours A-Grav-Gleiter zuerst, der ihnen auf dem Trampelpfad entgegenkam.
"Es ist vorbei, stimmt's?" fragte Sten, etwas traurig.
"Na ja, es war sowieso an der Zeit, umzukehren", erwiderte sie. "Der Stregg ist alle. Aber wir haben immer noch drei Behälter mit Krauter-Anchovis-Pastete, gleich hier in meinem Rucksack, zusammen mit den leeren Flaschen. Wir hätten es wohl noch eine Woche mit dieser leckeren Entdeckung von dir, die die Geschmacksknospen zum Klingen bringt, ausgehalten."
"Das war ein Fehler von mir. Der Aufkleber sah so verführerisch aus. Aber laß wenigstens ein gutes Haar an mir - schließlich war ich derjenige, der was zum Futtern mitgebracht hat."
"Stimmt, es sei hiermit vergessen, wenn auch nicht vergeben", sagte Cind. "Jetzt müssen wir uns nur noch eine taugliche Erklärung dafür ausdenken, warum wir einen Sonnenbrand haben."
"Die offizielle Version ist, daß wir nackt Skilaufen lernen wollten. Aber danach wird ja hoffentlich keiner fragen."
Sten wurde ernst. "Danke, Cind. Fünf Tage - ich wünschte, es wären fünf Jahre gewesen. Ich werde mich bestimmt noch in ein paar Wochen daran erinnern.
Wenn sich die Dinge ... wieder zuspitzen. Es ist gut, wenn man sich daran erinnern kann, daß es nicht immer so verrückt zugehen muß."
Ihre Antwort war ein Kuß.
Sten zog sie eng an sich. Der A-Grav-Gleiter landete, und ihnen blieb keine Zeit mehr, den Gedanken weiterzuverfolgen, daß so etwas zwischen ihnen vielleicht überhaupt nie wieder passieren würde.
Sie hatten nur Alex erwartet. Statt dessen schälte sich Ida aus dem Beifahrersitz. Seit Sten sie zum letzten Mal gesehen hatte, war sie noch fetter geworden, und ihr Kleid mit den leuchtenden Farben war noch teurer. Offensichtlich hatte ihre Vitsa - ihre Familie, ihre Sippe - noch nicht völlig den Verstand verloren, und sie bekleidete nach wie vor das Amt der Ober-Voivodin.
Sie mochte dick sein, aber sie kletterte noch genauso geschmeidig aus dem Gleiter wie damals während ihrer Mantis-Zeit, als sie noch um einiges jünger und leichter gewesen war.
Natürlich hatte sie keine freundliche Bemerkung für Sten zur Begrüßung parat, genau wie sie auch für Kilgour niemals etwas anderes als Beleidigungen übrig haben würde.
"Du bist ja immer noch ein entsetzlicher Frischlufttyp", war alles, was sie sagte. Dann sah sie Cind genau an.
"Und du bist also diejenige welche."
"Ich weiß nicht", sagte Cind. "Diejenige was?"
Sten schaltete sich ein. "Ida, seit wann mischst du dich in meine Privatangelegenheiten ? "
"Das hab ich doch schon immer gemacht, du Dummkopf. Du warst nur nicht schlau genug, es zu bemerken."
"Oh."
"Sie scheint ja ganz in Ordnung zu sein", urteilte Ida. "Ein guter Kumpel. Ein Mann sollte nicht alleine schlafen. Ebensowenig wie eine Frau."
"Sie wird ganz sentimental", sagte Kilgour. "Hat mich schon auf dem Weg hierher vor Aufregung in den Oberschenkel gekniffen."
Ida hatte für Kilgours billige Lüge nur Verachtung übrig.
"Nach dieser Begrüßungszeremonie könnten wir vielleicht aus diesem verdammten Schnee abhauen und uns irgendwohin begeben, wo wir uns am Feuer und mit etwas Alkohol ein bißchen aufwärmen können!"
Die vier gingen an Bord, und Kilgour flog den Gleiter zu Othos Burg, wo Sten sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Ida, die Sten natürlich nicht den Vordersitz angeboten hatte, drehte sich herum, um ihn genau zu betrachten.
"Also. Jetzt ist es an der Zeit, den ganzen Quatsch mit dem Imperator zu Ende zu bringen, stimmt's?"
"Du redest ja nicht lange um den heißen Brei herum", erwiderte Sten.
"Genug ist genug. Es war ja alles schon damals kaum tragbar für die Roma, die vielen Gesetze und diese beschränkten Typen, die für den bescheuerten Imperator Kriege anzettelten. Damals hielt man sie für gesund; zumindest in der Denkweise der Gadje.
Wir Roma haben es immer besser gewußt. Man kann der Freiheit nicht dienen, indem man Gesetze erläßt und Zäune errichtet.
Wir ertragen das Imperium schon lange nicht mehr, schon lange bevor dieser tollwütige Hund auf der Erstwelt verrückt geworden ist. Bei unseren Stammesversammlungen haben wir darüber
diskutiert. Vielleicht ist es für die Roma an der Zeit, weiterzuziehen."
"Wohin?"
"Weiter." Sie machte eine Geste nach oben, vergaß dabei, wie niedrig das Dach des A-Grav-Gleiters war, und hinterließ eine kleine Delle darin.
"Weiter, über die Grenzen des Imperiums hinaus, weiter ins All, als es sich jemals ausdehnen kann. Es ist an der Zeit, sich auf die Suche nach Schätzen und Lebewesen zu machen, die wir uns jetzt noch nicht einmal vorstellen können. Plötzlich ist die Luft in diesem kleinen Imperium knapp geworden."
Sten hatte plötzlich eine schwindelerregende, verzaubernde Vision von wirbelnden unbekannten Galaxien, Sternen und Sonnensystemen, die raunend zu neuen Abenteuern einluden, anstelle dieser schier endlosen Folge von Kriegen und Schlachten. Weiter.
Seine Seele wurde magnetisch davon angezogen.
"Wir beladen die Schiffe mit unseren kostbarsten und am wenigsten Platz benötigenden Waren, packen sie randvoll mit Treibstoff, nehmen ein paar Frachtschiffe als Tanker mit und begeben uns auf eine Reise ohne Wiederkehr", fuhr Ida fort. "Ich habe gehört, daß einige Voivoden ihre Stämme bereits dazu überredet haben, aufzubrechen, und es trifft ebenfalls zu, daß man bei den großen Versammlungen einige Vitsas nicht mehr sieht. Aber schließlich wird ja auch gesagt, wir Roma stammten ursprünglich nicht von den Welten der Menschen."
Sie kehrte wieder zu ihrem eigentlichen Ausgangspunkt zurück. "Aber darüber kann man später noch reden, nachdem wir diesen Gadje getötet haben, der sich schon viel zu lange als Imperator bezeichnet. Und nun zu der Situation, in der wir Roma uns befinden, Sten. Wir sind gekommen, um dem Stern der Freiheit zu dienen. Das bedeutet, zumindest augenblicklich, dir und deinen Alliierten.
Wenn sich daran etwas ändert - oder falls du dich ändern solltest -, werden wir die Lage neu beurteilen."
"Danke," sagte Sten. "Ich akzeptiere."
"Wir haben auch von Wild Nachricht bekommen", sagte Alex, ohne die Steuerung aus den Augen zu lassen. "Er wollte herkommen, aber ich habe ihm geraten, sich zunächst noch abseits zu halten. Je weniger Leute mit dem König der Schmuggler zu tun haben, desto besser ist es vielleicht."
"In Ordnung", erwiderte Sten. "Wenn es soweit ist, schicken wir ein Bhor-Schiff hin, das ihn und seine Lieutenants abholt, um ihn in die Strategie einzuweisen."
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück.
Die Verbände der Rebellion formierten sich.
"Ich habe etwas, was man, mangels schwächerer Fachausdrücke, vielleicht als einen Plan bezeichnen könnte. Oder zumindest als Ansatz eines Plans."
Die sieben Personen, die ihm zuhörten, wirkten in Othos gewaltigem Bankettsaal, der gut und gerne zweitausend Bhor faßte, geradezu winzig.
Der Saal hätte auch den Ansprüchen des
kritischsten Wikingers an Walhalla standgehalten, obwohl das Dach nicht aus Schilden bestand und es keine Ziege gab, deren Euter mit Aquavit gefüllt war. Hoch oben über ihren Köpfen stützten wuchtige Holzbalken die Decke mit ihren schmalen Oberlichtern, die normalerweise das Tageslicht einließen, jetzt aber durch den Schneesturm meterhoch mit Schnee bedeckt waren. In den vier Kaminen, in denen man jeweils bequem ein Einsatzschiff hätte parken können, fauchte das Feuer, und hinter imitierten Steinwänden liefen die AM2-betriebenen Heizungen, die die eigentliche Wärme erzeugten.
Dicke Teppiche bedeckten den gefliesten Boden, und die Wände hingen voller Kriegs-und
Jagdtrophäen. Die Einrichtung - lange Tische und Bänke - war ebenso solide wie alles andere in dieser Halle. Nicht zuletzt auch deswegen, weil so mancher Bhor das Ergebnis einer kategorischen
Schlußfolgerung mit seinem Knüppel zu bekräftigen pflegte.
Die strategische, vorbereitende Planungssitzung war in vollem Gange. Konzentriert saßen die folgenden Personen vor ihren ausschließlich nichtalkoholischen Getränken (obwohl Otho immer wieder nachdenklich zu seinem großen Stregghorn und dem wirkungsvollen Gebräu auf einem der nahe gelegenen Tische hinübersah) und lauschten: Freston, der Stens lächerlich kleine konventionelle militärische Streitmacht repräsentierte; Ida; Wild, der so viel oder so wenig von Stens Plänen, wie er wollte, an die lockere Gruppierung von
Schmugglern und sonstigen Vertrauensleuten weitergab, die etwas auf Wilds Rat gaben; Otho, formal aus dem Rat der Bhor ausgeschieden, um jetzt als Söldner unter Sten zu dienen, von den Bhor jedoch immer noch als erfahrener Staatsmann und Ratgeber angesehen; Kilgour und Cind, Stens engste Mitarbeiter, und Rykor. Außer ihr wußten nur noch Cind und Alex, daß Sr. Ecu und die Manabi inzwischen ebenfalls an der Verschwörung gegen den Imperator beteiligt waren. Rykor würde Ecu, der sich auf Seilichi befand und hoffentlich niemals als eine von Stens Schachfiguren bekanntwerden würde, alles Nötige mitteilen.
"Unser Plan sieht folgendermaßen aus. Verzeiht mir, wenn ich vielleicht etwas überdeutlich werde.
Bis jetzt haben wir das Imperium in einer Position, in der es nur reagiert. Wir möchten, daß es so lange wie möglich in dieser Position bleibt, denn in dem Moment, in dem wir nachlassen, wird es uns wie lästige Insekten zerquetschen.
Wir lassen keine Möglichkeit aus, dem Imperator Schaden zuzufügen, aber wir hüten uns davor, daß unsere Angriffe vorhersehbar werden. Der Saukerl ist nämlich ein heller Kopf, und die Leute, die für ihn arbeiten, sind fast so schlau wie er selbst.
Wir würgen ihm also nur an unerwarteten Stellen eine rein."
"Wie bei KBNSQ", grummelte Otho zustimmend.
"Genau. Derartige Ideen von eurer Seite werden jederzeit begrüßt. Außerdem wollen wir den Imperator in Verlegenheit bringen, ihn bloßstellen.
Wenn also beispielsweise jemand weiß, wer das Imperiale Toilettenpapier liefert - auch das könnte eines unserer Ziele sein.
Wir können ihn nicht k.o. schlagen, aber vielleicht können wir ihn durch brillante Beinarbeit und eine gerade Linke dazu verleiten, über die eigenen Füße zu stolpern, und wenn er dann am Boden liegt, machen wir ihn fertig.
Der Schaden, den wir anrichten, soll so öffentlich gemacht werden wie nur möglich. Wir möchten, daß er richtig mies dasteht. Und um bei dem blöden Sportvergleich zu bleiben: ich möchte, daß er herumläuft, während ihm das Blut von der Augenbraue tropft. Mit aufgeplatzten Lippen, zwei blauen Augen und einem eingerissenen Ohr. Genau so.
Wenn wir ihn dadurch verrückt machen, dann um so besser. Ich glaube nicht, daß er so dumm ist, aber wir können es probieren. Wenn wir unsere Anschläge planen, müssen wir auch die
Auswirkungen auf mögliche Alliierte mit berücksichtigen. Wir sind beispielsweise bereits im Besitz zweier Honjo-Schiffe. Glaubt mir, ihre Aktionen werden auf ihren Heimatwelten gepriesen.
Mit etwas Glück können wir die Honjo dazu bringen, sich offiziell auf unsere Seite zu schlagen, wenn es uns gelingt, sie davon zu überzeugen, daß der Imperator ein Verlierer ist. Rykor wird sich damit beschäftigen, ebenso wie mit der restlichen Propaganda; darauf kommen wir gleich noch näher zu sprechen."
Sten unterbrach sich kurz und leerte seine Teetasse.
"Die zweite Priorität hat die AM2 Wir wollen sie stehlen, zerstören, verteilen. Ich gehe davon aus, daß der Imperator der einzige ist, der weiß, wo das Zeug herkommt oder wie man es synthetisch herstellt. Mit diesem Punkt werden wir uns genauer beschäftigen.
Wir wollen so viel AM2, wie er seinen
Arschkriechern zu geben versucht, um sie an unsere Alliierten weiterzugeben. Auch dazu später mehr.
Kilgour ist für die Spionagearbeit verantwortlich.
Alles, was ihr über AM2 hört - und sei es auch ein noch so unwahrscheinliches Gerücht, wie zum Beispiel, daß es sich dabei um die Scheiße des Imperators handelt und daß sie nach Rosen riecht -, gebt ihr zur Analyse und eventuell für die Datenbank weiter.
Das gleiche gilt für alles, was den Imperator betrifft. Jede Geschichte, wo er herkommt, was er gemacht hat, Freundinnen, Freunde, Schafe, Ziegen, Tintenfische - was auch immer romantische Gefühle in ihm ausgelöst hat, damals, vor langer, langer Zeit
... alles, alles, alles. Es ist ein wichtiger Teil der gesamten Kampagne, wir möchten aber nicht, daß bekannt wird, daß wir eine persönliche Akte über den Imperator anlegen. Sagt euren Informanten und Agenten also nichts davon. Es wäre für unseren Ewigen Widersacher ein leichtes, aus dem Hinterhalt eine Desinformationskampagne zu starten.
Eins dürft ihr niemals vergessen: der Imperator selbst ist unser Ziel. Wir versuchen ihn zu fangen, und wir werden versuchen, ihn eines Besseren zu belehren. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir ihn töten müssen. Das bleibt natürlich auch unter uns."
"Sten?" Das kam von Freston.
"Schießen Sie los."
"Im Moment hält sich der Imperator gerade auf der Erstwelt auf. Die wenigen Male, bei denen er den Planeten verließ, waren stets inoffizieller Natur, die Aufenthalte jeweils nur von kurzer Dauer.
Stimmt das, Sir?"
"Ja", stimmte ihm Alex zu. "Der Knabe hat sich in seinem Schlößchen richtiggehend eingebunkert.
Und diese Festung, glaube ich, können wir nicht stürmen."
"Genau. Wir müssen ihn draußen erwischen."
"Viel Glück", sagte Wild zynisch. "Er wäre nicht dorthin gekommen, wo er jetzt sitzt, wenn er jemals irgend etwas gemacht hätte, was irgendwer von ihm verlangt hat."
"Wir versuchend trotzdem. Darüber in Kürze mehr.
Wir wollen ihn draußen, auf freiem Feld erwischen, wo wir ihn festnageln können. Hat er seinen Bau erstmal verlassen, dann machen wir ihn fertig."
"Bewundernswert", sagte Ida. "Aber meine Vitsäs wollen sicher genauere Anweisungen, bevor wir uns auf diesen Marsch durch die Wüste einlassen. Zum Beispiel, wie wir den verdammten Imperator aus seinem hübschen, sicheren Schneckenhaus herauslocken sollen."
"Rykor?"
"Wir bringen ihn so in Verlegenheit, daß er nicht anders kann. Zuerst, meine Damen und Herren, werden Sie die Bühne vorbereiten. Dafür sorgen, daß seine Truppe dumm dasteht, seine Generäle und Admirale unfähig erscheinen. Jedesmal, wenn wir eine Schlacht gewinnen, wird der Sieg
veröffentlicht. Und zwar auf zwei Ebenen.
Zunächst offen. Wir erzählen die Wahrheit, wie sehr sie auch schmerzen mag. Mit ein wenig Glück schadet sich der Imperator durch seine eigene Propaganda selbst. Eine der vielen Schwächen, die der Imperator in letzter Zeit an den Tag legt, ist sein großes und immer noch weiter wachsendes Ego.
Falls jemand irgendwelche Zweifel daran hat, dann sollte er sich die Imperialen Dummheiten im Altai-Cluster genauer ansehen.
Genau wie Machthungrige werden Egomanen niemals satt. Deswegen hoffen wir, daß die Leute des Imperators mit jedem Sieg oder jedem erfolgreich durchgeführten Unternehmen lautstark angeben. Diese Technik wird auch die >Große Lüge< genannt, und die Theorie besagt, daß die Adressaten einer großen Lüge weniger über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt als über ihre Dimension diskutieren.
Dies trifft in einigen Fällen zu, allerdings nicht dann, wenn man den Ausführenden ständig auf die Finger sieht. Jedesmal, wenn sie ihre neueste Lüge heraustrompeten, macht jemand darauf aufmerksam
- indem er nichts anderes als die Wahrheit dagegen ins Feld führt. Das wahrscheinliche Resultat davon wird sein, daß schließlich jede Information, die von den Urhebern der >Großen Lüge< stammt, angezweifelt und nicht beachtet wird, und genau das wollen wir beim Imperator erreichen.
Wir allerdings müssen immer die Wahrheit sagen", betonte Rykor.
"Schreckliches Konzept", sagte Alex.
"Keine Angst, Mr. Kilgour. Das betrifft nur die weiße Propaganda - also alles, was eindeutig von unserer Seite kommt. Was hingegen grau und schwarz angeht ... hier haben Sie die Möglichkeit, noch dreister zu lügen als der Imperator selbst."
"Weiß nicht, ob ich das hinkriege ... aber ich werde mir alle Mühe geben."
"Was die schwarze Propaganda betrifft, darauf hat sich Sten vorhin bezogen", fuhr Rykor fort. "Wir werden einige fiese Gerüchte ausstreuen. Zum Beispiel, daß der Imperator niemals wirklich zurückgekehrt ist. Wenn es uns gelingt, ihn aus Arundel herauszulocken und sich bei einem Kampf zu zeigen, streuen wir sofort das Gerücht, er sei bei diesem Kampf getötet worden. Es wird Geschichten über mentale, moralische, ja sogar physische Verkrüppelungen geben. Auf diesem Gebiet werden wir keine der tiefsten männlichen Ängste auslassen."
"Kleinigkeiten", grummelte Otho. "Der Imperator ist ein Krieger. Ihm ist es egal, wenn man sich auf der Sraße das Maul darüber zerreißt, daß er ein Eunuche ist."
"Kleinigkeiten", stimmte Rykor zu. "Ich werde Ihnen einen Witz erzählen, Otho. Kennen Sie den Unterschied zwischen dem alten Imperator, dem neuen Imperator und dem Privatkabinett?"
"Nein."
"Angenommen, alle drei befinden sich an Bord eines Bodenfahrzeugs. Plötzlich wird ihnen mitgeteilt, daß das Fahrzeug steckengeblieben ist.
Wir reagieren sie darauf? Das Privatkabinett läßt die beiden Fahrer sofort erschießen, schickt den Rest der Besatzung ins Exil und läßt neues Personal einfliegen. Der alte Imperator läßt das Problem untersuchen und geht den kompetentesten Mitgliedern der Mannschaft bei der Behebung desselben zur Hand. Der neue Imperator hingegen läßt die Sichtblenden herunter und tut so, als ob das Fahrzeug sich noch immer bewegt."
Otho dachte nach und gab dann ein höfliches, kurzes Lachen von sich.
"Wie Sie sagten, Rykor, eine Kleinigkeit."
Cind hatte verstanden. "Hmhm", sagte sie. "Ist der Punkt, um den es hier geht, nicht vielmehr der, daß man überhaupt in Begriffen wie alt und neu zu denken beginnt? Und dadurch den gesamten Begriff des Imperators als Herrscher aller Zeiten unterminiert?"
"Genau. Wenn es uns einmal gelungen ist, diese Einteilung in die Köpfe der Leute hineinzutragen, werden sie anfangen, den Geschichten und Gerüchten Glauben zu schenken.
Es gibt noch einen weiteren Ansatzpunkt: Ich glaube, es wird sich für uns lohnen, diesen Kult des Imperators, der taktischerweise von ihm unterstützt wird, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wenn man einmal zwei Wesen davon überzeugt hat, daß etwas Immaterielles existiert, das darüber hinaus auch noch Auswirkung auf Materielles hat, kann ein Wesen das andere einen Ketzer nennen. Womöglich kann man das erste Wesen sogar davon überzeugen, daß die neue Gottheit in Wirklichkeit der Antichrist ist.
Lebewesen, insbesondere menschliche Wesen, haben die dümmsten Gedanken und begehen die widerwärtigsten Handlungen im Namen desjenigen Gottes, den sie sich ausgedacht haben und fortan glühend verehren... Tut mir leid. Ich bin vielleicht etwas langatmig."
"Überhaupt nicht", sagte Sten. "Du hast zumindest eine genau umrissene Kampagne. Ich habe bis jetzt nur ein paar allgemeine Bemerkungen und ein mögliches erstes Ziel. Meine Damen und Herren, wir sind offen für Ideen, Vorschläge und dumme Abschweifungen aller Art."
"Die man sich allerdings mit ein wenig Traubensaft versüßen könnte", gab Alex zu bedenken. "Oder Stregg. Boß, was trinkst du denn?"
Sten schüttelte den Kopf. "Nein danke. Einer muß fahren." Überrascht stellte er fest, daß einer der vielen Nachteile, derjenige zu sein, der das Sagen hatte, darin bestand, daß man nüchtern bleiben mußte.
Die einzigen, die tranken, waren Otho, Kilgour und Freston, der jedoch bereits nach einem stark verdünnten Glas Alk aufhörte.
Otho sah alle verachtungsvoll an und brummte dann: "Wunderbar. Einfach toll. Beim Barte meiner Mutter, ich glaube, ich habe mich hier wirklich mit einem Haufen Abstinenzler zusammengetan."
Prompt leerte er sein großes Horn und füllte es erneut, entschlossen, diese Schande wenn nötig im Alleingang auszugleichen.
Die Sitzung dauerte bis in die frühen
Morgenstunden. Sie war äußerst produktiv. Das erste mögliche Ziel wurde festgelegt.
Dann gähnten sich alle ihren Betten und einigen Stunden der Bewußtlosigkeit entgegen, bevor sich der Traum in einen nüchternen Einsatzbefehl verwandeln würde und die Gedanken sich wieder den allgegenwärtigen Sorgen um jedes einzelne Schiff, jede Aufgabe, jede Waffe und jede noch so kleine Essensration zuwenden würden.
Cind trödelte herum und warf einen Blick auf Otho. Er nickte. Er wußte genau, worauf sie hinauswollte.
Er füllte sein Horn und grunzte eine Frage. Cind nickte, und Otho füllte auch für sie ein Horn.
"Wann werden wir uns versammeln?" fragte Cind.
"Ich habe schon Nachrichten von den Ältesten.
Sie warten nur auf uns."
"Bald", schlug Cind vor. "Weißt du schon, was du sagen wirst?"
Othos Brauen zogen sich zusammen. Seine großen Eckzähne blitzten. Er knurrte. Jedem, der mit den Bhor nicht vertraut war, hätte dies als die letzte Warnung kurz vor einer kannibalistischen Attacke erscheinen müssen. Cind wußte, daß es ein Lächeln war.
"Bei Sarla und Laraz, das weiß ich. Aber es ist nicht das, was ich ursprünglich geplant hatte. Bei den aufgetauten Arschbacken meines Vaters, ich bin manchmal schon erstaunlich dickfellig. Aber jetzt habe ich die richtigen Worte beisammen, und ich werde mir nötigenfalls sogar den Bart abschneiden, damit die Ältesten mir zuhören."