Kapitel 16

"Ich weiß nicht, wie sie Ihren Aufenthaltsort ausfindig gemacht haben", sagte Sr. Ecu. Sein Holo-Bild flimmerte leicht.

"Tatsache ist, daß sie bereits zum Lupus-Cluster unterwegs sind. Eine Delegation von 260 Personen, angeführt von den drei obersten Anführern der Zaginows."

"Von einem erfahrenen Diplomaten zum anderen gesprochen: das finde ich nicht gerade berauschend", erwiderte Sten. "Das heißt, daß ich unsere Operationsbasis schnellstens verlegen muß."

"Ich denke, es wäre ein Fehler, sie nicht zu empfangen", sagte Sr. Ecu und peitschte mit dem Schwanz die Luft von Seilichi. Der Schub ließ ihn quer durch das Gemach treiben.

"Ich weiß, es ist gefährlich, keine bösen Absichten vorauszusetzen." Ein erneutes Zucken mit dem Schwanz, und der Manabi stand wieder unbeweglich in der Luft. "Wie auch immer ... wenn die Zaginows sich uns anschließen ... dann ist das ein schwerer Schlag für den Imperator. Vergessen Sie das nicht. Eine gesamte Region mit Hunderten von Clustern, die zu uns überläuft. Allein der Propagandawert käme jeder erfolgreichen militärischen Aktion gleich, die Sie sich vorstellen können."

Sten tappte nervös mit dem Fuß auf dem kalten Steinboden der Funkzentrale der Bhor. "Ich weiß.

Ich weiß. Aber ich darf über dieses beunruhigende kleine Detail, daß die Zaginows uns nicht nur miteinander in Verbindung gebracht, sondern auch herausgefunden haben, wo ich mich verstecke, nicht einfach hinwegsehen."

"Ich war nicht minder überrascht, als Sie es jetzt sind, als sie vor meiner Tür standen und verlangten, sich mit Ihnen zu treffen", erwiderte Sr. Ecu. "Zuerst vermutete ich eine undichte Stelle. Dann dachte ich, die Manabi seien dem Untergang geweiht. Ich stellte mir vor, daß bereits ein Imperialer Planetenzerstörer zu uns unterwegs sei.

Aber nachdem ich mich mit ihnen unterhalten und von meinen Techs etliche Prognosen habe erstellen lassen, bin ich zu dem Schluß gekommen nicht zuletzt in Verbindung mit meinen persönlichen Kenntnissen über die Zaginows -, daß nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit besteht, daß das Ganze eine Falle ist."

"Diese geringe Wahrscheinlichkeit stört mich daran", sagte Sten. "Ebenso wie ein großes warum so? Mit anderen Worten: wenn sie schon so scharf darauf sind, sich der Revolution anzuschließen ...

warum haben sie dann nicht gleich bei Ihnen unterschrieben? Warum ist es so wichtig, daß sie sich mit mir persönlich treffen?"

"Weil die Zaginows noch nicht restlos überzeugt sind", sagte Sr. Ecu. "Sie sind sich nur sicher, daß wir einen gemeinsamen Feind haben. Sie sind nicht sicher, ob wir über die Mittel verfügen, etwas gegen diesen Feind zu unternehmen."

Sr. Ecu trieb näher an die Kameralinse heran. "Es hängt nur von Ihnen ab, Sten. Sie tendieren bereits sehr stark zu unserer Seite. Sonst würden sie nicht ein derartiges Risiko auf sich nehmen."

"Was raten Sie mir also?" fragte Sten. "Ein wenig diplomatisches Halligalli, um sie ganz

herüberzuziehen?"

"Halligalli? Diesen Ausdruck verstehe ich nicht."

"Die große Show eben."

"Oh. Sehr bildhaft. Richtig. Genau so lautet mein Ratschlag. Eine sehr große Show."

Sten zögerte. "Haben Sie sie gefragt, wie sie uns auf die Spur gekommen sind?"

"Ja. Sie sagten, sie haben eins und eins und jede Menge hoffnungsfrohe Vermutungen

zusammengezählt. Die gleiche Nichtlogik benutzten sie, um Sie in den Bhor-Welten festzumachen.

Natürlich habe ich sie in ihrer Überzeugung nicht bestärkt. Die Zaginows haben mich nicht einmal darum gebeten. Bei ihrem Abschied baten sie mich nur höflich, Sie davon zu unterrichten, daß sie auf dem Weg seien."

Sten seufzte. "Na schön. Was soll's? Ich gehe das Risiko ein. Wenn wir falsch liegen, bin ich ohnehin viel zu tot, um nachzuzählen, wie oft man mich zum Narren gehalten hat."

"Damit sind Sie nicht allein, Sten", sagte Sr. Ecu trocken. "Angeblich besteht das Leben nach dem Tode hauptsächlich aus Narren wie uns."

"Jetzt fühle ich mich schon viel besser." Sten verzog das Gesicht. "Danke."

Sr. Ecus Abbild verblaßte.

Sten fing sofort an, seine Gedanken zu ordnen.

Doch sein Hirn war bereits mit so vielen widerspüchlichen Details dieses komplexen Krieges vollgestopft, den er gegen den Imperator führte, daß er schon bald um die eigene Achse rotierte.

Er brauchte Rat. Und zwar dringend.

"Sr. Ecu behauptet also, diese Leute habe hauptsächlich ihr pures Glück zu uns geführt?"

fragte Rykor.

"Unterm Strich sieht es ganz so aus", antwortete Sten.

"An Glück glaub ich nicht", warf Alex ein.

"Außer mein armer eigener Pelz bettelt darum."

"Natürlich gibt es so etwas wie Glück", widersprach ihm Otho. "Die Bhor wissen das. Glück gibt es in drei Varianten: blind, dumm und hinterhältig."

"Wir haben schon in Küchen gearbeitet, in denen uns alle drei Varianten auf einmal begegnet sind", sagte Marr.

"Und ebenso in einem Schnellrestaurant", ergänzte Senn.

"Ich muß Sr. Ecus Worten glauben", sagte Sten.

"Und ich bin davon überzeugt, daß die Zaginows ein großes Risiko auf sich genommen haben. Was, wenn sie sich geirrt hätten? Sie hätten sich ebensogut dem Imperator in die Arme werfen und rufen können:

>Hier, nimm mich, ich bin ein Verräter!<"

"Sehr putzig", sagte Marr. "Gefällt mir."

"Sei still", zischte Senn ihn an. "Das hier ist ernst."

"Ich habe es ernst gemeint, mein Lieber." Er tätschelte Senns Knie. "Das werde ich dir eines schönen Abends genauer erklären."

"Wenn man intensiv darüber nachdenkt", sagte Rykor und verlagerte ihre gewaltige Masse im Wasserbecken, "ergeben ihre Handlungen durchaus einen gewissen Sinn."

"Gut", meinte Sten. "Der ist mir nämlich in letzter Zeit etwas abhanden gekommen. Erkläre mir die Sache. Und benutze bitte keine komplizierten Wörter, so wie >der< oder >und<."

"Ich glaube, es hängt mit der Natur der Zaginows zusammen, Sten", sagte Rykor. "Sie sind Wirtschaftsflüchtlinge. Flüchtlinge waren schon immer bereit, große Risiken auf sich zu nehmen.

Wenn man nur sehr wenig besitzt, gibt einem das Glücksspiel das Gefühl größerer Macht. Als hätte man doch noch die Kontrolle über das eigene Schicksal in die Hand genommen."

Sten nickte. Das ergab allerdings einen Sinn. Er hatte schon eimal mit der Zaginow-Region zu tun gehabt. Fast die gesamte, viele Milliarden zählende Bevölkerung dieser Region, sowohl was die Menschen als auch die Nonhumanoiden anging, setzte sich aus den Nachfahren armer Arbeiter zusammen, die auf der Suche nach

Arbeitsmöglichkeiten quer durch das gesamte Universum getingelt waren. Schon die geringste Verschlechterung der Wirtschaftslage ließ diese Leute verarmen.

Wie Stens eigene Familie besaßen sie kaum mehr als ihre Träume und ihre Kraft und Ausdauer. Einige endeten in Sklavenfabriken wie Vulcan. Diejenigen, die etwas mehr Glück hatten -schon wieder dieses Wort! -, landeten irgendwann in einer Region aus unzähligen Sternenclustern, die unter dem Namen Zaginows bekannt war. Dort endete ihr

Wanderleben. Die Flüchtlinge schlugen Wurzeln.

Dort in den Zaginows herrschte ein eigenartiger Sinn für Zusammenhalt und eine gemeinsame Weltanschauung. Obwohl es keine dominante Spezies oder Rasse gab, sah man die Leute als Leute an, egal ob schwarz, weiß oder grün, ob Festkörper oder geleeförmig, ob mit Haut oder Schuppen.

Sten erinnerte sich an den großen Gewinn, den sein Vater einmal bei den Xypaca-Wettkämpfen hatte einstreichen wollen. Die Tatsache, daß er am Ende draufzahlte - was ihm zusätzliche Jahre auf seinen Arbeitsvertrag einbrachte -, hatte ihn nicht davon abgehalten, weiterhin dieses Risiko einzugehen. Es hatte ihn nur noch mehr dazu verleitet, auf alles mögliche zu setzen, um der Knochenmühle von Vulcan zu entkommen.

O ja. Er verstand die Zaginows nur zu gut.

"Vielleicht ist es für sie nur ein Spiel, mein guter Sten", meinte Alex, "aber, wie du weißt, haben sie nicht viel zu verlieren."

Auch das war richtig. Kurz vor dem Debakel im Altai-Cluster hatte der Imperator Sten zu den Zaginows geschickt, um ihnen ein paar

grundsätzliche diplomatische Streicheleinheiten zu verpassen. Er ging davon aus, daß die Mission ein Erfolg gewesen war. Zumindest war es ihm gelungen, ohne allzuviel zu lügen, so etwas wie eine Übereinkunft zusammenzuschustern.

"Beim letzten Mal, als ich mit ihnen zu tun hatte, ging es dort drunter und drüber", sagte Sten. "Vor dem Tahn-Krieg waren die Zaginows ziemlich autark und einigermaßen wohlhabend. Die Wirtschaft stand auf einer soliden

landwirtschaftlichen Basis, dazu etwas

Schwerindustrie und Bergbau. Und sie verfügten über ein riesiges Reservoir von Arbeitskräften.

Dabei waren die meisten von ihnen gut ausgebildet."

Othos schwere Braue sträubte sich. "Von diesem Hintergrund wußte ich nichts", brummte er. "Ich dachte immer, die Zaginows seien für ihre Rüstungsindustrie bekannt."

"Wie ich bereits sagte ... das war vor dem Krieg mit den Tahn. Dann kreuzte der gute alte Tanz Sullamora mit dem Geld des Imperators auf - und mit der Faust des Imperators. Und bevor man sich versah, hatte er die gesamte Region in eine gigantische Waffenschmiede verwandelt. Doch als der Krieg vorüber war ..."

"Aha", entfuhr es Alex. "Das hinterhältige Glück.

Wie ich bereits sagte."

"Kanonen kann man nicht essen", gab Marr zu bedenken.

"Genau. Die Waffenschmieden bekamen keine Aufträge mehr, und ihre Wirtschaft brach zusammen."

"Aber ... beim Barte meiner Mutter ... warum haben sie sich nicht auf ihre alten Werte besonnen?"

"Das war nicht möglich", sagte Sten. "Nicht ohne größere Investitionen für die Umrüstung der Maschinen und so weiter. Als der Geldfluß versiegte, konnte sie das Privatkabinett nicht schnell genug loswerden.

Inzwischen weiß ich, daß es für sie nach der Rückkehr des Imperators sogar noch schlimmer wurde. Natürlich hielt er sie bei der Stange. Etwa, indem er mich vorbeischickte. Aber es war einfacher und billiger, sie fallenzulassen. Sie in aller Stille verrecken zu lassen."

"Aber jetzt geschieht nix mehr in der Stille der Nacht", sagte Alex.

"Wir dürfen nicht vergessen, daß Sr. Ecu die Sache nicht für absolut sicher hielt", gab Rykor zu bedenken. "Wir müssen immer noch ziemliche Überzeugungsarbeit leisten."

Sten nickte. "Er Sagte, wir sollten eine große Show abziehen. Eine sehr große Show. Leider gibt es hier nicht viel, mit dem wir groß angeben könnten. Wir haben nicht genug Truppen für eine eindrucksvolle Parade, keine Flotten zum Vorüberdonnernlassen. Jedes Wesen mit halbwegs klarem Verstand sieht sofort, daß der Imperator nur einmal kräftig pusten muß, um uns von der Platte zu fegen."

Senn schraubte sich aus seinem Sessel und ließ sich auf den Boden fallen. "Das ist doch überhaupt nicht das Problem", sagte er. "Sie kommen vor allen Dingen hierher, um dich zu sehen, nicht Truppen und Flotten."

Marr landete neben seinem Geliebten auf dem Boden. "Der Imperator besitzt alle Truppen und Flotten, die es nur gibt", sagte er. "Unsere Freunde wissen, was sie sich damit einhandeln. Eine Abreibung, die sich gewaschen hat."

"Und zwar ohne vorher geküßt zu werden", ergänzte Senn.

Rykor wälzte sich in ihrem Becken zur Seite; Wasser schwappte über den Rand. "Die beiden Flauschigen sprechen einige wichtige Punkte an", sagte sie zu Sten. "An deiner Stelle würde ich ihnen zuhören."

"Ich höre doch zu, verdammt noch mal", stieß Sten hervor und blickte auf das merkwürdige Pärchen hinab. "Was habt ihr euch denn ausgedacht?"

"Wenn wir wollen, daß sie mit uns ins Bett steigen", sagte Marr, "dann müssen wir sie zunächst in Stimmung bringen."

"Mit anderen Worten, ein kleines Vorspiel", kicherte Senn. "Etwas, das ihrem Liebesleben schon seit viel zu langer Zeit fehlt."

"Und du, mein lieber Sten, wirst uns dabei behilflich sein", meinte Marr.

"Ich? Wie denn?"

"Es ist höchste Zeit, o Großer Anführer der Revolution, deinen grauen Zellen ein wenig Ruhe zu gönnen", sagte Senn.

"Du mußt von diesen luftigen Höhen der Anführerschaft herabsteigen", intonierte Marr mit gespielter Theatralik, "und dich unter das gemeine Volk mischen."

Sten warf ihnen einen mißtrauischen Blick zu.

"Um was zu tun?"

"Ach ... Uns nur ein wenig zur Hand gehen", sagte Marr.

Senn giggelte wieder. "Und Töpfe schrubben."

"Warum sollte ich freiwillig so etwas tun?" wollte Sten wissen.

"Weil in diesem Fall, mein lieber Sten, die Diplomatie in der Küche beginnt", belehrte ihn Marr.

"Wir schmeißen eine kleine Dinnerparty", führte Senn genauer aus."... für 260 und ein paar zerquetschte liebeshungrige Wesen."

"Wenn wir mit den Zaginows fertig sind", sagte Marr, "rutschen sie vor dir auf den Knien und halten um deine Hand an."

"Zumindest wollen sie unter deine Bettdecke", beschwichtigte Senn.

Sten wollte Einspruch erheben. Nicht wegen der Dinnerparty. Das hörte sich hervorragend an, besonders wenn sie von den beiden besten Caterern des Imperiums ausgerichtet wurde. Aber so gerne er einige ihrer Geheimnisse ausspioniert hätte, er war sich nicht ganz sicher, ob er bereit war, Töpfe zu schrubben, um einen Blick hineinwerfen zu dürfen.

Dann sah er das Grinsen auf Kilgours Gesicht.

Otho hatte praktisch eine Pfote in den Mund gestopft, um nicht laut loszulachen. Rykor vermied tunlichst, ihn anzusehen, doch das heftige Zittern ihrer Wampe verriet sie.

Sten seufzte. "Also gut. Worauf warten wir eigentlich noch? Los geht's!"

Er marschierte davon. Sten. Der meistgesuchte Mann im ganzen Universum, auch unter dem Namen Held der Revolution bekannt.

Befördert zum Obertopfschrubber für die gute Sache.

Sten wischte das Hühnerblut an seiner Schürze ab, nahm die Nachricht aus der Hand des Boten entgegen und überflog sie.

"Jetzt ist es offiziell", sagte er. "Die Zaginows treffen morgen abend hier ein."

"Da bleibt uns nicht viel Zeit", rief Senn besorgt.

"Wir kommen schon hin, mein lieber Senn", beruhigte ihn Marr. "Othos Kombüse ist weitaus besser ausgerüstet, als ich dachte. Wir müssen nicht allzuviel schummeln."

Sten hob ein Beil und nahm seine Arbeit wieder auf, die darin bestand, ein Huhn in Stücke zu hacken. "Ich möchte eure Fähigkeiten nicht unbedingt in Frage stellen", sagte er, "aber ich weiß wirklich nicht, wie ihr ein Menü von diesen Ausmaßen plant."

"Na ja ... Wir wollen sie in erster Linie beeindrucken", antwortete Marr. "Damit sich das Dinner auf deinen Erfolg auswirkt. Schließlich wollen wir mit diesen Leuten Geschäfte machen..."

Eine Klaue schoß aus der wunderbaren Weichheit von Marrs Fell. Sie spießte eine Tomate auf und warf sie in kochendes Wasser. "Wir wollen, daß sie uns mögen. Herrje, wir wollen nicht, daß sie den Eindruck erhalten, wir hielten uns für etwas Besseres als sie!"

Marr hob die Tomate aus dem heißen Bad und wirbelte sie in die andere Pfote, wo eine andere Klaue in Windeseile die Haut abpellte. Schlitz, schäl, einfach so. Vor lauter Staunen klappte Sten der Unterkiefer runter.

Marr lief jetzt auf Automatik und wiederholte den Prozeß. Eine weitere Tomate wurde geschält.

Schlitz, schäl, einfach so. "Haute Cuisine ist definitiv out, out, out", sagte er.

"Das würde auch nicht funktionieren", stimmte ihm Senn zu. "Überhaupt nicht." Seine widerlich scharfen Krallen zuckten durch einen Haufen gelber Zwiebeln und schälten und hackten sie so flink, daß Sten nicht das geringste Beißen in seinen Augen verspürte.

"Wir haben uns für ortsübliche Gerichte entschieden", sagte Marr. "Essen, von dem man annehmen kann, daß es aus der Küche eines ganz durchschnittlichen Wesens stammt. Trotzdem ein wenig exotisch und gewagt, denn schließlich kommt es aus einem anderen Land."

"Darüber hinaus erhalten wir dadurch ein übergeordnetes Motto für den Abend", sagte Senn und nahm sich die nächste Zwiebel vor. "So eine Art Flaggenparade aller Nationen. Das paßt zu dem zusammengewürfelten Haufen, der die Zaginows ausmacht."

"Wir lieben solche Themen", sagte Marr.

Sten hörte nur mit halbem Ohr zu. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, den beiden Milchen bei der Arbeit zuzusehen. Marr und Senn waren lebende Küchenmaschinen, die voller kleiner Tricks steckten.

"Großartig. Großartig. Ein Motto und das alles", sagte Sten. "Aber bevor ihr eure Pläne noch weiter ausführt, muß ich euch eine Frage stellen."

"Immer munter drauflosgefragt, mein Lieber", forderte ihn Marr auf und ließ die letzte geschälte Tomate fallen.

"Ich kann mit Zwiebeln nicht so umgehen wie Senn ...", sagte Sten und zeigte auf den pelzigen kleinen Wirbelwind, der gewaltige Berge von dem Zeug kleinhackte. "Ich bin nicht dafür geschaffen.

Aber dieser Trick mit den Tomaten ... Jedesmal, wenn ich Tomaten schäle, verstümmele ich die Dinger. Ein Pfund Schale pro zehn Gramm Tomaten."

"Armes Ding", bedauerte ihn Marr.

"Du mußt sie nur vorher in kochendes Wasser geben", sagte Senn leise, wobei er sich Mühe gab, nach Ich-halte-dich-wirklich-wirklich-wirklich-nicht-für-blöd zu klingen.

"Und das will unser aller Anführer sein", sagte Marr.

"Ich habe mal davon gelesen, ist schon eine Zeitlang her", sagte Sten kleinlaut. "Aber ich bin noch nicht dazu gekommen, es auszuprobieren."

"Nur ruhig, mein Lieber", redete ihm Senn zu.

"Natürlich bist du noch nicht dazu gekommen."

Die Küche war mit dem herrlichen Aroma von Tomaten, Knoblauch und in zischendem Olivenöl brutzelnden Zwiebeln erfüllt. Marr kostete, gab noch etwas Paprika hinzu, rührte ein wenig um und nickte Senn zu, der daraufhin das frische Hühnerfleisch hineinschüttete.

Marr setzte einen Deckel auf den Kessel und ließ den Inhalt köcheln. "Wenn das Essen serviert wird", verriet er Sten, "solltest du bei der Suppe vielleicht etwas vorsichtig sein."

Sten warf einen Blick in den großen Kessel.

"Meiner Meinung nach ist da genug drin, daß ich auch noch etwas abbekomme."

Senn lachte. "Das schon, wir haben mehr als genug. Aber hier handelt es sich um ein Spezialrezept. Bricht garantiert die Spannung schon auf den ersten Schlag. Jedenfalls bei den Gästen.

Nicht beim Gastgeber. Gastgeber sollten sich bei diesem Gang zurückhalten."

"Nachdem wir es durch ein Sieb gegossen haben, rühren wir etwas Mehl und Sahne hinein, damit es schön leicht schmeckt", erläuterte Marr.

"Und dann ... kurz bevor wir es auftragen ...

kommt Wodka hinein. Viel Wodka! Und ... voilä!"

sagte Senn. "Schon steht die schönste ungarische Tomaten-Wodka-Suppe auf dem Tisch! Ziemlich heftig, das Zeug."

"So eine Art Zungenlöser, was?" kommentierte Sten trocken. "Habt ihr jemals über eine Karriere als Verhörleiter bei Mantis nachgedacht?"

"Amateure", schniefte Senn abwertend.

"Das wäre für uns keine Herausforderung", ergänzte Marr.

"Nachdem wir die Delegation der Zaginows gut abgefüllt haben", sagte Senn, "müssen wir nur noch ihre Courage ein wenig aufpäppeln." Er bestäubte einige mit jeder Menge Salz und Pfeffer bedeckte Fleischstückchen mit Mehl.

Marr vermischte gehackte Zwiebeln,

Pfefferschoten und geriebenen Knoblauch miteinander. "Wir machen sie stark für ihr großes Gelöbnis", sagte er.

Senn kicherte. "Sozusagen."

"Reiß dich zusammen", sagte Marr und stellte eine mit Olivenöl benetzte Pfanne auf den Herd.

"Ich kann nicht anders", erwiderte Senn, der sich jetzt so richtig eingekichert hatte. "Mein Hirn funktioniert einfach so. Besonders dann, wenn wir Gebirgsaustern zubereiten."

Sten zog die Stirn raus. Er nahm ein Stück von dem mehlbedeckten Fleisch und roch daran. "Das kommt mir nicht wie Austern vor."

"Es sind Kalbshoden, mein Lieber", erklärte Marr. "Die werden den kleinen Rackern abgeschnitten, noch bevor sie alt genug sind, um zu wissen, was ihnen da verlorengeht."

"Wir bereiten sie auf baskische Weise zu", sagte Senn. "Die Vorstellung ist so sexy Muskelbepackte Machos mit einer gewaltigen Libido."

"Da würdest du am liebsten jeden Tag Eier rösten, was?" meinte Marr.

Sten blickte auf das Fleisch in seiner Hand. "Tut mir leid, Jungs", sagte er. "Ich hoffe, ihr wißt, daß ihr sie für einen guten Zweck losgeworden seid."

"Jetzt müssen wir noch was für ihre geistigen Bedürfnisse tun", sagte Marr.

Sten schaute mißtrauisch auf den großen Haufen Vogelteile, den er mit seinem Beil zerteilt hatte.

"Grips durch verdammte Hühnchen? Ihr macht wohl Witze."

"Das sind dumme Tiere, richtig", sagte Senn.

"Aber sie sind so willig. Besonders im gerupften und zubereiteten Zustand. Siehst du, wie geduldig sie auf ihre Marinade warten?"

"Wie die Zaginows?" vermutete Sten.

"Ausgezeichnet, mein lieber Sten. Allmählich kommst du dahinter", sagte Marr. "An diesem Punkt müßten wir unsere neuen Freunde soweit haben ...

Wenn sie erst einmal mittels ihrer

Geschmacksknospen willenlos geworden sind, gibt es endlose Möglichkeiten hinsichtlich einer Allianz."

"Sei nicht so anzüglich", sagte Senn und wedelte mit einer gewürzbestäubten Pfote vor Sten herum.

"Hör nicht auf ihn. Schließlich heißt das Gericht

>Dummes Huhn<."

Marr legte das Bündel Porree, das er gerade kleinschnitt, zur Seite. "Hast du schon mal davon gehört?" Er schien enttäuscht zu sein.

"Aus Jamaica, richtig?" fragte Sten. "Eine Insel auf der alten Erde, wo man Seilfasern raucht und lächerliche kleine Fruchtgetränke mit Schirmchen obendrauf schlürft."

Marr entrang sich ein Seufzer. "Brauchen wir nicht noch mehr saubere Töpfe?"

"Auf keinen Fall", antwortete Sten. "Ich habe bisher immer nur von >Dummes Huhn< reden gehört. Ich rühre mich nicht von der Stelle, bevor ich nicht gesehen habe, wie das hier zubereitet wird."

"Schlaumeierei ist in der Küche allein dem Koch vorbehalten", sagte Marr. "Topfschrubber haben gefälligst über die tollen Witze des Kochs zu lachen.

Topfschrubber schälen Kartoffeln. Topfschrubber leben in ständiger Ehrfurcht vor dem Genie des Kochs. Topf Schrubber wischen den Rotz vom Fußboden. Topfschrubber müssen sich viel ducken, wenn scharfe Gegenstände in ihre Richtung fliegen, falls sie den armen Koch wütend machen ... um nur einige Dinge zu nennen, die Topfschrubber zu tun haben."

Marr schniefte. "Was sie ganz bestimmt nicht tun, ist, schlaue Bemerkungen ablassen. Topfschrubber sind nicht schlau. Niemals!"

"Ich verspreche, es wird nie wieder vorkommen", sagte Sten.

"So schlau war er auch wieder nicht", meinte Senn.

"Na gut", sagte Marr. "Es darf bleiben. Aber nur wenn es verspricht, die Klappe zu halten."

"Mmmmphh", grunzte Sten und zeigte auf seine fest verschlossenen Lippen.

"Genaugenommen handelt es sich hier um ein Gericht, das sogar ein Topfschrubber beim ersten Mal hinkriegen dürfte", fuhr Marr fort. "Es schmeckt nur kompliziert."

Er berührte einen Schalter unter dem Hackbrett, und ein Metallmixer klappte nach oben. Ganze Pfoten voller gehackter Pfefferschoten und Porree wanderten in den Mixer, dazu kamen einige Lorbeerblätter, gemahlener Ingwer und gewürfelter Knoblauch.

"Und jetzt die Nelken", sagte Marr. "Das ist das A und O. Pro Kilo Fleisch nimmt man ungefähr fünf Eßlöffel. Dazu je ein Teelöffel Muskatnuß, Zimt, Salz und Pfeffer."

Er schüttete die Gewürze in den Mixer und drückte auf den Knopf. Als das Ganze anfing durcheinanderzuwirbeln, kippte er Öl dazu.

"Erdnußöl", erklärte er. "Nur so viel, damit alles zusammenhält."

Nach wenigen Umdrehungen war es fertig. Sten warf einen Blick auf die klebrige Pampe.

"Noch etwas, das Topfschrubber tun: Pampe über Hühnchen schmieren."

"Das stimmt. Köche schmieren niemals Pampe irgendwo drauf", bestätigte Senn. "Pelzige Köche schon gar nicht."

Sten, der vergleichsweise haarlose

Topfschrubber, fing an, die Marinade über die Hühnchen zu verteilen. Eigentlich machte es ihm gar nichts aus. Es roch herrlich Als er daran dachte, wie wunderbar das alles schmecken würde, wenn Marr und Senn es erst einmal vom Grill nahmen, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

Drüben in der Ecke hörte er Marr und Senn über die relativen Verdienste von Pinienkernen in libanesischem Pilaf debattieren. Rings um ihn her wallten die warmen Gerüche von einem Dutzend oder mehr blubbernder und garender Gerichte.

Er fühlte sich erholt... wieder klar im Kopf.

Alles in allem, dachte er, wäre er lieber Topfschrubber als der Held der Revolution.

Marr und Senn betrachteten Stens strahlendes Gesicht, während er ein Hühnchen nach dem anderen bestrich.

"Glaubst du, er ist soweit?" flüsterte Marr.

"Keine Frage", erwiderte Senn. "Ich klopfe mir nicht gerne auf die Schulter, aber ich finde, hier haben wir eine unserer besten Arbeiten abgeliefert."

"Niemand will wahrhaben, daß das

Allerwichtigste bei einer Dinnerparty die Vorbereitung des Gastgebers ist", sagte Marr.

"Ein bißchen Küchenzauber", pflichtete ihm Senn bei, "funktioniert immer."

Die Anführerin der Zaginows spießte noch ein Stück dieses unglaublich sahnigen Gebäcks auf. Sie betrachtete es, als wollte sie nicht glauben, daß ihr Körper fähig war, noch mehr davon aufzunehmen.

Die Gabel setzte ihren Weg fort, und das Teigteilchen verschwand in ihrem Mund.

Sie schloß die Augen. Ihre elfenbeinfarbenen Züge boten ein Bild vollster Zufriedenheit. Die Zunge kostete. Mmmmh.

Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie, daß Sten sie angrinste.

"Oh, rülps", sagte sie. "Oh, Himmel. Jetzt kann ich aber wirklich nichts mehr essen."

"Ich denke, die Köche werden Ihnen vergeben, Ms. Sowazi, wenn Sie sich vom Schlachtfeld zurückziehen", beruhigte sie Sten. "Sie haben bestimmt Ihr Bestes getan."

Er sah sich im Bankettsaal um. Marr und Senn hatten die zugige Halle der Bhor in ein Wunder aus festlichen Blumen und subtiler Beleuchtung verwandelt.

Die anderen Gäste waren ebenso abgefüllt und zufrieden wie Sowazi.

Zwei Stunden lang hatten Marr und Senn einen Konvoi herrlichster Gerichte nach dem anderen durch den Raum dirigiert. Ob die Mahlzeiten für Menschen oder Nonhumanoide zubereitet waren, sie wurden samt und sonders freudig begrüßt und mit großem Enthusiasmus verzehrt.

Jetzt lagen überall die Ellbogen oder

vergleichbare Körperteile auf dem Tisch. Die Besucher schwatzten in gelöster Stimmung mit Stens Kollegen, als sei man einander schon lange in dickster Freundschaft verbunden.

Als I-Tüpfelchen hatten Marr und Senn

Speisekarten ausdrucken lassen, die sich jedes Mitglied der Zaginow-Delegation als Souvenir mitnehmen konnte.

"Das machen wir immer so", sagte Marr. "Man will doch den Leuten zu Hause zeigen, wie gut man es sich hat gehen lassen. Außerdem ist es wunderbare Reklame für uns."

"Keine >Reklame<, mein Lieber", widersprach ihm Senn. "Nicht in diesem Fall. Du darfst nicht vergessen, daß wir jetzt Revolutionäre sind. Der militärische Ausdruck dafür lautet >Propaganda<."

"Kommt auf dasselbe heraus", meinte Marr.

"Stimmt. Aber Propaganda hört sich viel romantischer an."

Sten mußte zugeben, daß die Speisekarten hervorragend zu Propagandazwecken geeignet waren.

Auf der Rückseite prangte ein Bild von ihm selbst, flankiert von seinen Meisterköchen Marr und Senn. Vorne hatte Senn sein "Motto" verewigt: "EIN

FEST FÜR ALLE WESEN."

Das Menü für Humanoide lautete

folgendermaßen:

SUPPE

Tomaten mit Wodka Ungarische Art

Miso Saki Shrimp

SALAT

Kambodschanischer Rohfisch

Tomaten-Gurken Raita

VORSPEISEN

Baskische Bergaustern

Russische Blini und Kaviar

Gefüllte Pilze Armenische Art

HAUPTSPEISEN

"Dummes Huhn" Jamaikanische Art Geröstetes Lamm Marokkanisch

Gegrilltes Lachssteak

Gemüsekebab mit Süßhülsen, gegrillt

BEILAGEN

Libanesisches Reispilaf

Rosmarinkartoffeln

Kubanische Schwarze Bohnen & Reis

NACHSPEISE

Käsekuchen auf New Yorker Art

Schwedische Pfannkuchen mit Preiselbeeren Die einzelnen Posten, die auf den Karten für die Nonhumanoiden aufgelistet waren, lasen sich nicht minder eindrucksvoll.

Sten erblickte Marr, der hinter einer Tür hervorlugte. Er sah Sten und winkte ihm zu. Es war höchste Zeit.

Sten wandte sich an Sowazi. "Sieht so aus, als würde man uns zu Kaffee und Cognac rufen", sagte er.

Sie lachte tief und freudig. "Gibt es auch Zigarren?"

"Zigarren gibt es auch", versprach Sten.

"Dann führen Sie mich doch bitte, Sr. Sten."

Während er sich erhob, um ihrer Bitte Folge zu leisten, signalisierte er Marr den Erfolg mit erhobenem Daumen. Alles verlief nach Plan.

"Unsere Position ist folgendermaßen", sagte Moshi-Kamal. Er war das zweite Mitglied der Troika, die die Zaginows regierte. "Wir sind bereit, an Bord zu kommen. Aber wir brauchen

Rückversicherungen. "

"Die kann ich Ihnen nicht bieten", erwiderte Sten.

"Wenn Sie sich bitte in Erinnerung rufen - ich habe die Unterhaltung mit der Aussage begonnen, daß alle Chancen entschieden gegen uns stehen. Wenn Sie sich uns anschließen ... könnte das ebensogut ein selbstmörderischer Akt sein."

"Ihr eigenes Verhalten weist jedoch keinesfalls auf diese Aussage hin, Sr. Sten", warf Truiz, das nonhumanoide Mitglied der Troika, ein. "Sie kämpfen gut. Logisch. Gewiß nicht wie ein potentieller Selbstmörder. Außerdem konnten Sie viele Erfolge verbuchen."

"Die sehen gut aus", sagte Sten. "Aber es sind bei weitem nicht genug. Der Imperator hat eine Serie schlechter Tage gehabt. Was er sich leisten kann.

Wenn ich nur einen einzigen schlechten Tag erwische ... ist es aus und vorbei."

"Warum sind Sie so ehrlich?" fragte Sowazi. "Ich hätte eher erwartet, daß Sie die positiven Seiten herausstellen. Die Flotten, die Sie kommandieren.

Die Siege. Die wachsende Zahl Ihrer Verbündeten."

Sie umfaßte mit einer Handbewegung den

gemütlichen alten Waffensaal, in den Marr und Senn den Raum eigens für diese Unterhaltung verwandelt hatten. "Sie sitzen hier ganz entspannt, dinieren luxuriös und drehen dem Imperator und seinen Bluthunden eine lange Nase. Warum prahlen Sie nicht mit diesen Dingen, um uns auf Ihre Seite zu ziehen?"

"Das könnte ich sehr wohl tun", gab Sten zurück.

"Der Nachteil wäre der, daß ich nicht mehr auf Sie zählen könnte, sobald ich Sie in meinem Lager hätte.

Sobald etwas Schlimmes passiert - und ich kann Ihnen versprechen, daß schlimme Dinge passieren werden -, würden Sie erkennen, daß ich Sie belogen habe. Und mich im Stich lassen.

Es darf in dieser Angelegenheit keine

Mißverständnisse geben", sagte Sten. "Dieser Kampf wird bis zum Ende geführt werden. Der Imperator wird uns kein Pardon geben. Wenn wir verlieren, sind wir tot."

"Das verstehe ich wohl", erwiderte Truiz. Die kleinen Fühler unterhalb ihrer Augen waren vor Enttäuschung ganz rot. "Aber das Bild, das Sie malen, ist so trostlos. Geben Sie uns ein wenig Hoffnung."

Sten beugte sich nach vorn. "In diesem Moment habe ich die Truppen des Imperators über das halbe Universum verteilt. Ich habe sie dazu gebracht, dem eigenen Schwanz nachzujagen. Aber das kann nicht mehr lange so weitergehen.

Ich brauche dringend und sofort zwei Dinge.

Reserven. Und eine Eröffnung. Ohne das erste wird es schwierig, das zweite durchzuführen."

"Glauben Sie, daß Ihnen diese Eröffnung gelingen wird?" wollte Moshi-Kamal wissen.

Sten wartete eine Weile, als dächte er ernsthaft darüber nach. "Zweifellos", log er. "Egal, wie wir die Prognosen auch lesen, sie laufen alle auf das gleiche hinaus. Der Schwung des Kampfes liegt bei uns. Früher oder später wird uns der Durchbruch gelingen."

"Dann wollen wir dabeisein", sagte Sowazi.

"Dieser ... dieses ... dieses Wesen ist unerträglich geworden."

"Er zwingt uns dazu, eine seiner Provinzen zu werden", sagte Moshi-Kamal. "Er zwingt uns unter seinen Stiefel. Die Zaginows haben ein langes Gedächtnis. Wir stammen alle von Arbeitern ab.

Von der Klasse, die von den Bossen in dunkle Löcher mit scharfkantigen Maschinen gesperrt wird."

"Das ist wahr", stimmte ihm Truiz zu. "Alle unsere Vorfahren sind vor dem einen oder anderen Despoten geflohen. Wir können uns nicht in ein Leben dreinfügen, dem sie entkommen sind."

"Wissen Sie eigentlich, daß er sich als Gottheit hinstellt?" zischte Sowazi. "Er schickt diese ... diese Wesen überall herum, die verkünden, er sei ein Heiliges Ding. Sie wollen ihm in unseren Städten Tempel errichten. Das ist... eine Riesensauerei!"

Sten mußte dazu keinen Kommentar abgeben.

Statt dessen blickte er von einem seiner Gäste zum anderen.

"Dann stoßen Sie also zu uns ... ohne Rückversicherungen?"

"Auch ohne Rückversicherungen", sage Moshi-Kamal. "Wir sind dabei."

"Und vielleicht sind wir sogar in der Lage, Ihr erstes Problem zu lösen", sagte Sowazi.

"Wie denn das?"

"Na, die Reservetruppen", sagte Truiz. "Wir gehen davon aus, daß Sie mehr Personal als Schiffe und Waffen zur Verfügung haben, richtig?"

"Ihre Annahme ist richtig."

"Ihnen ist sicher bekannt, daß wir Tausende von Fertigungsstätten zur Herstellung dieser Artikel besitzen; Fabriken, die uns damals vom Imperator auf gezwungen wurden."

"Das wußte ich", antwortete Sten. "Ich weiß auch, daß sie bereits seit einiger Zeit stillgelegt sind.

Meiner Meinung nach ist das meiste davon verrottet oder als Schrott verkauft worden."

"Nur wenigen Fabriken ist es so ergangen", erwiderte Moshi-Kamal. "Die meisten sind hervorragend in Schuß. Das ist einer der Flüche, aber auch der Vorteile der Zaginows. Wir können einfach nicht mit ansehen, wenn gute Maschinen vor die Hunde gehen."

"Unsere Leute hatten keine Arbeit mehr", erläuterte Sowazi. "Aber ihre Fabriken haben sie trotzdem gepflegt."

"Wollen Sie damit sagen, daß Sie eine schlüsselfertige Industrie anzubieten haben?" fragte Sten ungläubig. "Daß Sie jederzeit damit anfangen können, Schiffe und Waffen zu produzieren?"

Die kleinen Fühler unter Truiz' Augen zitterten vor Vergnügen. "Wir können innerhalb einer E-Woche mit der Produktion beginnen", sagte sie. "Sie müssen nur Ihre Truppen herbeischaffen."

Jetzt brauchte Sten nur noch eine Eröffnung.

Der blasse, schlanke Grb'chev baute sich vor Cind auf. Der rote Fleck, der sich quer über seinen weichen Schädel erstreckte, pulsierte vor Neugier.

"Ihr Wunsch ist höchst ungewöhnlich", sagte er.

"Nur wenige Menschen besuchen diesen Ort."

Cind ließ den Blick über das kleine Gebäude mit den verspiegelten Wänden wandern, in denen sich die weitläufigen Gärten ringsum spiegelten. "Das kann ich mir kaum vorstellen", sagte sie. "Es ist so schön hier."

Der Grb'chev betätigte einen Schalter, und die Tür glitt auf. Er führte Cind ins Innere des Hauses.

"Sr. Kyes hatte eine besondere Vorliebe für Schönheit", sagte er. "Besonders für zurückhaltende Schönheit."

Cind lächelte bescheiden. "Davon habe ich einiges in meinen Studien über Sr. Kyes erfahren", sagte sie. "Er war ein sehr vielschichtiger Charakter.

Sogar für einen Grb'chev."

"Sogar für einen Grb'chev", bestätigte ihr Begleiter. "Was mich zu meiner anfänglichen Bemerkung zurückführt. In unserer Kultur ist Sr.

Kyes ein Held. Seine Intelligenz, sein

Erfindungsreichtum und sein Gespür für

geschäftliche Angelegenheiten haben bereits Legendencharakter angenommen.

Wir haben seine alte Geschäftszentrale in ein Museum verwandelt. Für einige von uns ist es so etwas wie ein Schrein." Cind und ihr Führer schritten durch das helle, freundliche Foyer des Museums. "Aber ich dachte immer, nur ein Angehöriger unserer Kultur könnte Sr. Kyes etwas abgewinnen."

"Dann muß ich mich für meine Spezies entschuldigen", lenkte Cind ein. "Schließlich dürfte kaum jemand daran zweifeln, daß die Grb'chev zu den intelligentesten Lebewesen des gesamten Imperiums gehören."

"Das ist wahr", meinte ihr Begleiter. An dieser Stelle war Bescheidenheit nicht angebracht.

"Und Sr. Kyes war zweifellos der intelligenteste Grb'chev seiner Zeit", fügte Cind hinzu.

"Einige meinen sogar, aller Zeiten", sagte der Grb'chev.

"Wie also ist es möglich, daß ein vernünftiges Wesen, insbesondere eine Studentin wie ich, kein Interesse daran zeigen sollte, aus erster Hand zu erfahren, wie Sr. Kyes lebte und arbeitete?"

"Sie sind eine sehr kluge junge Frau", sagte ihr Begleiter. Ein weiterer Schalter ließ die nächste Tür aufgleiten. Sie betraten die Bibliothek. Auf der anderen Seite des Raums arbeitete eine Gestalt an einem Monitor. Ein Mensch.

"Heute ist ein höchst glücklicher Tag für Sie und Ihre Forschungen", sagte ihr Begleiter, als er die Gestalt erblickte. "Wie ich bereits sagte, nur wenige Menschen teilen Ihr Interesse hinsichtlich Sr. Kyes.

Einer von ihnen gehört dem Museumspersonal an.

Und zu meiner Überraschung fällt Ihr Besuch ausgerechnet auf den Tag, an dem er hier arbeitet."

Ihr Begleiter tippte der Gestalt auf die Schulter.

Der Mann wandte sich um. Auf seinem Gesicht lag ein erwartungsvolles Lächeln.

"Ms. Cind, darf ich Ihnen eine unserer langjährigen Forscherpersönlichkeiten vorstellen ...

Sr. Lagguth."

Lagguth erhob sich, und sie schüttelten sich die Hände. "Freut mich, Sie kennenzulernen", sagte er.

"Eine Freude, die mir beinahe entgangen wäre.

Normalerweise hätte ich heute Ruhetag. Aber einer meiner Kollegen hat sich krankgemeldet."

"Welch glücklicher Zufall", sagte der Grb'chev.

"Allerdings. Ein glücklicher Zufall", echote Cind und betrachtete sich ihre Beute von oben bis unten.

Es handelte sich keinesfalls um einen Zufall. Und für Lagguth würde er sich schon gar nicht als glücklich erweisen.

Lagguth hatte zahllose Nächte qualvoll gelitten und sich die Gesichter der unerbittlichen Gestalten vorgestellt, die eines Tages auftauchen und ihn holen würden. Sie waren immer sehr groß. Immer schwarz gekleidet. Manchmal kamen sie mit gezückten Pistolen. Manchmal mit blutigen Fängen.

Aber immer sagten sie das gleiche: >Du weißt zuviel, Lagguth. Deshalb mußt du sterben.< Die Frau, die jetzt vor ihm stand, war genau dieser Alpträum, nur in einer netteren Verpackung.

Sie trug keine sichtbare Waffe. Und anstelle blutiger Fänge blitzten kleine weiße Zähne.

"Sie wissen zuviel, Lagguth", sagte Cind. "Und wenn Sie mir nicht helfen ... wird man Sie deswegen umbringen."

"Ich war nur ein Mitläufer", stöhnte Lagguth.

"Den Leiter des AM2-Büros des Privatkabinetts würde ich nicht gerade als Mitläufer bezeichnen", fuhr Cind ihn an.

"Ich hatte keinerlei Macht. Keine Autorität. Ich habe nur Befehle befolgt. Mehr nicht. Ich habe niemandem damit weh getan!"

"Allein Ihre Anwesenheit beweist, daß Sie mit den Mördern des Imperators gemeinsame Sache gemacht haben", sagte Cind. "Und was die Autorität angeht... Es gibt da Tausende von Lebewesen, deren Angehörige aufgrund der Energieverknappung erfroren oder verhungert sind; die würden sicher gern wegen der Autorität, die Sie ausgeübt haben, ein Wörtchen mit Ihnen wechseln."

Lagguth konnte nichts mehr sagen. Er ließ den Kopf hängen.

"Also. Reden Sie, Lagguth. Oder ich mache Ihren Aufenthaltsort bekannt. Dann erwischen Sie entweder die Häscher des Imperators oder der Pöbel.

Sie tun mir beinahe leid, Sie armselige Entschuldigung für eine Lebensform."

"Werden Sie für mich eintreten?" flehte Lagguth.

"Werden Sie Sr. Sten erzählen, daß ich mich kooperativ gezeigt habe?"

Cinds Stimme klang jetzt etwas weicher. "Ja. Ich werde für Sie eintreten." Dann ließ sie wieder die Peitsche knallen: "Und jetzt reden Sie, Lagguth!

Sagen Sie mir alles!"

Lagguth redete. Er erzählte ihr von dem seltsamen Programm, das er für Sr. Kyes zusammengestellt hatte. Vorgeblich diente es der Suche nach dem AM2-Versteck des Imperators. Das berichtete Kyes auch seinen Kabinettskollegen.

"Mir kam es jedoch so vor, als sei er gar nicht so sehr an AM2 interessiert. Er suchte etwas viel Wichtigeres. Für ihn viel Wichtigeres."

"In welcher Hinsicht?"

"Na ja, wir sammelten alles, was über AM2

bekannt war. Von der Zusammensetzung bis hin zu den bekannten Routen der AM2-Konvois, bevor die Lieferungen auf so geheimnisvolle Weise eingestellt wurden. Damit fütterten wir den Wundercomputer, den er entwickelt hatte."

Er zeigte auf das kleine Terminal, das in einer Ecke der Bibliothek stand. "Das steht mit ihm in Verbindung. Er funktioniert immer noch. Aber leider ist er der einzige seiner Art, ein Prototyp. Ich bezweifle, daß es jemanden gibt, der das Programm, das Kyes entwickelt hat, innerhalb einer Lebensspanne entschlüsseln kann."

Cind riß ihn wieder aus seinen Träumen über Kyes' Genie. "Weiter. Ich habe nicht viel Zeit."

"Ja, richtig. Wie bereits gesagt, wir fütterten sämtliche Daten über AM2 in den Computer. Aber wir gaben auch alles ein, was über den Imperator bekannt war. Dafür erhielten wir Hilfe von Sr.

Poyndex."

Cinds Augen weiteten sich. "Poyndex. Er hatte auch damit zu tun?!"

"Aber ja. Er wußte etwas über Kyes. Ich weiß nicht, was. Aber Kyes hat den Spieß umgedreht und dieses Wissen gegen ihn angewandt. Ihn in unseren Kreis gezogen. Er war es, der Poyndex zu einem Mitglied des Kabinetts machte. Offensichtlich war es Teil eines Tauschhandels."

"Offensichtlich", sagte Cind. Die Details dieses Handels waren sicherlich interessant, doch sie bezweifelte, daß sie ihr bei ihrer Aufgabe weiterhelfen würden. "Na schön. Sie haben den Computer also mit allen möglichen Daten gefüttert.

Und dann? Was hat Kyes daraus erfahren?"

"Ich bin mir nicht sicher", antwortete Lagguth.

"Aber ich weiß, daß er gewisse Schlüsse daraus gezogen hat. Er war plötzlich sehr aufgeregt. Sie müssen wissen, daß er seine Gefühle normalerweise nicht zeigte. Doch damals war er sehr aufgeregt und befahl, das Programm abzuschalten. Dann reiste er ab. In sehr großer Eile."

"Wohin ging er?" wollte Cind wissen.

"Auch das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß er die Erstwelt verließ und sehr weit weg reiste. Und als er zurückkehrte ... war sein Gehirn ... tot."

Cind wußte, was das bedeutete. Die Grb'chev waren die einzige bekannte höherentwickelte Spezies, die durch Symbiose entstanden war. Ihre Körper -

hochgewachsene, schön anzusehende

Gestalten - gehörten einer ursprünglich geistig extrem zurückgebliebenen Rasse. Ihre "Gehirne"

waren eigentlich das Ergebnis einer Art Virus, der sich in den vielfältigen Hohlräumen in den Köpfen der blödsinnigen Wesen niedergelassen und sich zu einem beeindruckenden Intellekt entwickelt hatte.

Der Fluch der Grb'chev bestand darin, daß dieses

"Gehirn" eine genau festgelegte Lebenserwartung von 126 Jahren hatte. Kyes gehörte zu den wenigen Grb'chev, von denen bekannt wurde, daß sie einige Jahre länger gelebt hatten. Die Tragödie bestand darin, daß der Körper glücklich umnachtet noch mindestens weitere einhundert Jahre lebte.

Cind hatte auf den Straßen des Heimatplaneten der Grb'chev viele Beispiele dieser lebenden Toten umherwandeln sehen. Dauerhafte und schreckliche Mahnmale dessen, was jeden Angehörigen dieser Spezies erwartete.

Cind deutete auf das Terminal. "Haben Sie versucht herauszufinden, was Kyes in jenen letzten Tagen getan hat?"

Lagguth zögerte. Dann schüttelte er traurig den Kopf. "Ich bin kein sehr mutiger Mensch", sagte er und lachte krächzend. "Falls Ihnen das noch nicht aufgefallen sein sollte. Jeden Tag meines Lebens verbrachte ich in der Angst, daß jemand wie Sie mich aufspüren würde ... oder jemand Schlimmeres.

Daß man mich umbringen oder einem Gehirnscan unterziehen würde, um an mein geringes Wissen zu kommen.

Deshalb ... obwohl ich wahnsinnig gerne wissen würde, auf was Kyes da gestoßen ist... konnte ich mich nicht dazu aufraffen, etwas in dieser Richtung zu unternehmen."

Das Geräusch drang durch eine Tür direkt neben dem Computerterminal. Cinds Hand glitt sofort zu der Stelle hinab, an der sie ihre versteckte Waffe trug.

"Keine Sorge", beschwichtigte Lagguth sie. "Er muß nur gefüttert werden."

Cind zog die Stirn in Falten. "Wer muß gefüttert werden?"

"Sr. Kyes natürlich", sagte Lagguth. "Möchten Sie ihn sehen?"

"Er ist hier?" fragte Cind erstaunt.

"Warum nicht? Das, was von ihm übrig ist, ist hier so gut aufgehoben wie an jedem anderen Ort.

Tatsächlich ist es ein verdammt gutes Heim. Sie geben ihm sozusagen sein Gnadenbrot, wie einem hervorragenden Rennpferd. Er bekommt alles, was er will, obwohl er, wenn ich ehrlich sein soll, viel zu blöde ist, um zu wissen, was er will. Manchmal müssen wir ihm ein bißchen dabei helfen."

Lagguth erhob sich. "Ich muß ihn jetzt wirklich füttern. Es wäre grausam, ihn warten zu lassen."

Cind folgte ihm in den angrenzenden Raum.

Er war hell und freundlich, voller Spielsachen und in leuchtenden Farben eingerichtet. Kyes hockte auf einem leicht überdimensionierten Stuhl und kicherte in einen riesigen Vid-Monitor hinein, auf dem ein Kinderfilm zu sehen war: kleine Wesen, die umherwuselten und einander auf die Köpfe schlugen.

Kyes sah Lagguth an. "Hunger", sagte er.

"Keine Bange. Ich habe was ganz Leckeres für Sie", sagte Lagguth.

Cind schauderte es, als sie zusah, wie Lagguth die Person, die einmal ein ganzes Imperium regiert hatte, mit dem Löffel fütterte.

Essen tropfte aus Kyes' Mundwinkel. Er zeigte auf Cind. "Wer? Hübsch?"

"Eine Freundin, die Sie besuchen will, Sr. Kyes", sagte Lagguth.

Cind überwand ihren Schock und ging an Kyes'

Seite. Sie nahm Lagguth das Essen aus der Hand.

Kyes sah zu ihr auf. Seine Augen waren weit aufgerissen. Nicht die Spur von Intelligenz zeigte sich darin. Er öffnete den Mund. Cind fütterte ihn.

Beim Essen schmatzte er laut mit den Lippen. Stieß auf. Und kicherte wieder.

"Lustig", sagte er.

"Sehr lustig", sagte Cind. "Guter Junge."

Kyes tätschelte sie. "Schön", sagte er. "Wie schön?"

"Ist es hier nicht immer schön?" fragte Cind.

Kyes nickte heftig. "Schön ... Immer schön."

Cind riß sich zusammen. Jetzt konnte nur eine Grausamkeit folgen. "Was ist, wenn der Imperator kommt?" fragte sie. "Was ist, wenn er kommt und Sie holt?"

Das unschuldige Wesen, das einmal Kyes

gewesen war, wich erschrocken zurück. "Nein. Er nicht. Nicht holen. Bitte! Nicht weggehen!"

Cind hakte nach: "Wohin nicht gehen?"

"Woanders", stöhnte Kyes. "Schlimmer Ort.

Imperator dort. Ich nicht schön."

"Lassen Sie ihn", bat Lagguth. "Er kann Ihnen nicht mehr sagen. Sehen Sie nicht, daß er Angst hat?"

Kyes hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und schluchzte. In dem riesigen Stuhl wirkte er klein und hilflos.

Cind ließ nicht nach. "Was haben Sie herausgefunden?" bohrte sie. "Was haben Sie an diesem schlimmen Ort entdeckt?"

"Imperator. Habe gesagt."

"Was noch?"

Kyes kreischte in einer dumpfen Erinnerung auf.

Eine genetische Heimsuchung. "Für immer", weinte er. "Finden für immer."

"Sehen Sie, was ich meine?" sagte Lagguth. "Sie kriegen nur Unsinn aus ihm heraus. Das sagt er immer, wenn er Angst hat. >Für immer.< Er sagt es immer und immer wieder: >Für immer.<"

Kyes nickte. "Nicht schön, für immer. Nicht schön." Cind klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. Dann wandte sie sich wieder an Lagguth:

"Jetzt will ich den Computer sehen."

Als sie das Zimmer verließen, erholte Kyes sich allmählich wieder. Er richtete sich in seinem Stuhl auf, wischte sich die Tränen ab und fing vorsichtig damit an, wieder auf den Monitor zu starren und die kleinen Wesen anzukichern.

Der kleine Mond war eine schweigende Wildnis der Zerstörung. Cind bewegte sich durch Bombenkrater und verbogene, geschmolzene Verkleidungen, deren ehemalige Funktion kaum noch zu erkennen war.

Die Sensoren in ihrem Handgerät nahmen Daten auf und schlugen wie wild aus. Cind mühte sich über die Oberfläche des Mondes, blieb hier und da stehen, um den Schutt mit ihrem Gerät näher zu untersuchen. Die Daten wurden direkt an den Rechner an Bord des Schiffes in der Umlaufbahn weitergegeben und die Ergebnisse zurückgefunkt.

Ihr Helmfunk zwitscherte.

Bislang hatte sie alles, was sie in den Datenbanken des Computers in Kyes' Museum entdeckt hatte, bestätigt gefunden.

Der Mond war ein umsichtig errichtetes Sendeund Empfangszentrum gewesen. Eine Abkürzung auf der Straße, die zum großen Geheimnis des Imperators führte: dem AM2-Versteck.

Kyes hingegen war nicht mit dieser Zielsetzung an diesen trostlosen Ort gekommen. Da war sich Cind völlig sicher. Er hatte den Imperator selbst finden wollen. Die Person, die damals von den meisten für tot gehalten wurde. Und er hatte ihn gefunden. Hier auf diesem Planetoiden.

Sie stellte sich vor, wie Kyes, angesichts seines baldigen "Todes" beinahe wahnsinnig vor Angst, den Imperator anflehte. Ihm alles anbot. Ihn verzweifelt bat, ihn, Kyes, zu retten.

Die sabbernde Hülle im Museum der Grb'chev war der lebende Beweis dafür, daß seine Bitten zurückgewiesen worden waren.

Cind suchte das Gebiet mehrere Stunden lang ab.

Schließlich war sie damit fertig. Es war Zeit, Sten von ihren Ergebnissen zu unterrichten.

Dieser Außenposten war der Ort, an dem sich einst die Spuren zu zwei Geheimnissen gekreuzt hatten.

Das erste war das Geheimnis um AM2.

Das zweite war die scheinbare Unsterblichkeit des Imperators.

Cind war sehr erschöpft, als sie durchfunkte, daß man sie wieder an Bord holen sollte. Nicht von der Arbeit. Sondern von dem niederschmetternden Gedanken daran, daß sich das Wissen, obwohl sie bei dieser Jagd sehr viel herausgefunden hatte, einfach nicht zusammenfügen wollte.

Und sie rief alle Barte sämtlicher Mütter aller Bhor an, daß sie nicht zur gleichen Tür wieder herauskam, durch die sie eingetreten war.

Haines ging die Papiere, die sie in der Hand hielt, mit langerworbener Erfahrung durch. "Sobald wir seine Dateien geordnet hatten", sagte sie, "wurde rasch klar, was Mahoney über den Ewigen Imperator herausgefunden zu haben glaubte."

"Nämlich?" Sten gestikulierte heftig auf das Hologramm der ehemaligen Kommissarin des Morddezernats ein. Es kam von dem kleinen Bhordomizil, in dem er sie untergebracht hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann und Mahoneys Schatzkisten.

"Nicht so eilig", sagte Haines. "Tatsachen sollte man immer ihre eigene Zeit gewähren."

Sten verzog das Gesicht. "Entschuldige, bitte."

"Als erstes schicke ich dir ein physiologisches Profil des Imperators, das Mahoney als Modell entworfen hat. Mein Mann und ich haben es durch unsere eigene Arbeit bestätigt und von Rykor gegenprüfen lassen. Es ist absolut bombensicher.

Schau es dir mal an, wenn du Zeit hast."

"Ich glaube es dir auch so", erwiderte Sten.

"Als nächstes dann die Gegenstücke, die Mahoney zu diesem Profil entwickelt hat. Er verglich das Modellprofil mit den anderen Zeiten, zu denen der Imperator angeblich gestorben ist... und dann wieder in voller Lebensgröße auftauchte. Es war jedesmal eindeutig das gleiche Lebewesen. Es gab keine Möglichkeit für einen Doppelgänger.

Auch hier konnten wir Mahoneys Daten nur bestätigen."

Sten stöhnte auf. "Schon wieder dieser Wiederauferstehungskram. Dieser verdammte Mahoney hat dich aus seinem Grab heraus bekehrt."

"Ich habe mich zu nichts bekehren lassen", widersprach ihm Haines. "Wenn aber diese Tatsachen Hinweise auf einen Mordverdächtigen wären ... dann würde ich mir den Dreckskerl schnappen und erwartungsfroh meinem Staatsanwalt vorführen. Sieh den Tatsachen ins Gesicht, Sten. Es ist eindeutig eine Möglichkeit."

"Ich sehe mir diesen Geist an, wenn er mir gegenübersteht und ich ihn anfassen kann", sagte Sten. "In der Zwischenzeit... wohin führt uns das eigentlich?"

Haines legte eine kleine Pause ein. Sie überlegte, wie sie weitermachen sollte. "Es führt uns zu einem noch weitaus erschreckenderen Puzzle. Mein Mann und ich sind ausgehend von Mahoneys Arbeit noch einen Schritt weiter gegangen."

"Was habt ihr getan?"

"Wir haben uns dieses Profil vorgenommen; das, worüber wir uns alle einig sind. Wir haben es aktualisiert und mit dem Mann verglichen, vor dem wir uns momentan alle ducken und fürchten."

"Und?" Sten wagte kaum zu fragen. "Es ist immer noch der gleiche Kerl, oder?"

"Ja. Es ist der gleiche Kerl. Und wieder nicht. Der Imperator ist rundum der gleiche. Aber wenn man ihn sich genauer ansieht, unterscheidet er sich sehr stark in seinem Verhalten."

"Na wunderbar", stöhnte Sten.

"Tut mir leid, wenn ich es dir einfach so in den Schoß kippe", sagte Haines mit vor Sympathie warmer Stimme. "Aber, wie es in den Livies immer so schön heißt: >Das sind nun mal die Tatsachen, meine Dame.<"

Sten bedankte sich und unterbrach die

Verbindung.

Er lehnte sich zurück und ließ die Information sacken. Die Neuigkeiten mündeten alle in die gleiche beunruhigende Gleichung: Gleich aber anders ergibt trotzdem anders.

Das Funkgerät summte. Der diensthabende Offizier teilte ihm mit, er habe Cind in der Leitung.

Es sei wichtig.

Während sich Sten noch nach vorne beugte, um zu antworten, klingelte eine bange Frage in seinem Hinterkopf: Wenn das nicht der Ewige Imperator war ... gegen wen kämpfte er dann, verdammt noch mal, wirklich?

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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