Kapitel 3

"Ich bin von Dummköpfen umgeben", grollte der Ewige Imperator. "Überbezahlten, überflüssigen, affektierten, selbstzufriedenen Dummköpfen."

Die versammelten Anwesenden traten nervös von einem Bein aufs andere, als der Imperator sein Mißfallen genauer ausführte. Unter ihnen war Avri, die junge Frau mit den sehr alten Augen, die Chefin seines politischen Stabs. Walsh, der gutaussehende, aber äußerst beschränkte Boß von Dusable, die Marionette des Imperators im Parlament. Anders, der Admiral, mit dem Ranett in der Pressekonferenz zusammengeprallt war. Bleick, der Kämmerer des Imperators. Jede Menge anderer Personen, uniformierte und nichtuniformierte, wuselten im weitläufigen Sitzungssaal des Imperators hin und her oder ließen beschämt die Köpfe hängen.

Der Imperator baute sich vor Anders auf. Blaue Augen, deren Farbe sich in kaltes Stahlgrau verwandelte." Was war denn das für eine Pressekonferenz, Anders ? Sind Sie nicht der Experte auf diesem Gebiet? Es weiß doch wohl jeder, daß man die Katze nicht aus dem Sack läßt, wenn es um richtige militärische Angelegenheiten geht."

"Jawohl, Sir", sagte der Admiral. Er stand stramm, mit zusammengeknallten Hacken, wie ein grünschnäbeliger Rekrut.

"Und du, Avri... du hättest diese Sache eigentlich zusammen mit diesem Gehirnamputierten hier vorbereiten sollen. Ich habe ihnen den ganzen Hokuspokus doch auf einem goldenen Tablett serviert, damit sie ihn nur noch laut hinausposaunen brauchten."

"Jawohl, Sir", sagte Avri und leckte sich nervös mit der Zunge über die vollen Lippen.

"Leute, ich habe keine Zeit, euch politische Grundregeln zu erklären", knirschte der Imperator.

"Verräter, damit meine ich das Privatkabinett, haben das Imperium in die schlimmste Lage seit zweitausend Jahren gebracht. Und damals konnte ich den Karren schon kaum noch aus dem Dreck ziehen.

Jetzt lasten turmhohe Schulden auf mir, ich werde von maulenden Verbündeten ausgeplündert - und jedesmal, wenn ich einen Stein umdrehe, kriecht darunter eine neue Sorte ekelhafter Verräter hervor.

Meiner Ansicht nach, und das ist, verdammt noch mal, die einzige Ansicht, die zählt, ist Sten der Schlimmste von allen. Ich habe diese Schlange sein ganzes elendes Leben lang an meiner Brust genährt.

Habe ihm Ansehen verliehen. Ihn mit Reichtum überschüttet. Und wie zahlt er es mir zurück? Er steckt mit meinen Feinden unter einer Decke. Plant meine Ermordung. Und als er auffliegt, zerstäubt er in einem hinterhältigen Angriff unschuldige Raumfahrer und einen meiner besten Admirale in Atome."

Der Imperator senkte die Stimme und schüttelte müde den Kopf. "Tja, das ist eine tolle Wendung, verdammt noch mal. Damit läßt sich jedes Scheißhaus in einen Palast verwandeln. Das dürfte doch nicht so schwer sein, oder?"

"Es tut mir sehr leid, Sir", meinte Anders. "Ich weiß nicht, wie diese Reporterin - Ranett hereingekommen ist."

"Ach, halten Sie den Mund, Admiral", sagte der Imperator. "Wenn Sie nicht dazu in der Lage sind, einen Plan zu erstellen, der auch jemandem mit ein wenig Grips standhält, sehen Sie lieber zu, daß Sie aus diesem Geschäft verschwinden."

"Jawohl, Sir."

"Avri, höchste Zeit für die Schadensbegrenzung.

Ich möchte, daß alle Nachrichtenübertragungen von unseren Manipulatoren gestört werden. Setzen Sie besonders die Programme mit Kommentatoren unter Druck, >Auge in Auge mit dem Imperium<,

>Zeugen der Geschichte<, >Countdown< und so weiter.

Vor allen Dingen möchte ich diesem Clown Pyt'r Jynnings von KBNSQ in die Hose fassen. Das halbe Imperium guckt diesen Mist, den er >Nightscan< nennt. Ich weiß nicht, warum. Nehme an, er vermittelt jedem das Gefühl, besonders schlau zu sein, weil dieser Jynnings so verdammt trottelig ist."

"Sofort, Euer Majestät", sagte Avri.

"Sie! Walsh!"

Der Blödmann, der der Herrscher von Dusable war, blinzelte sich in einen einigermaßen aufnahmefähigen Bewußtseinszustand. "Wie ... äh ...

könnte ich zu ... äh ... Diensten ... äh ... Hoheit?"

brachte er heraus.

"Ich will diesen faulen Heinis ein bißchen einheizen. Eine Art Verdammungsvotum. Sie sollen Sten und seinen schottischen Kumpan mit allen entsprechenden Namen belegen. Und wenn dieses Votum nicht einstimmig ausfällt, werde ich Ihre Eingeweide an einen Pfosten nageln, Walsh. Und Sie mit der Peitsche drum herum jagen."

"Jawohl, Sir", würgte Walsh.

"Noch etwas. Knöpfen Sie sich Kenna vor. Ich habe da ein kleines persönliches Geschäft, das er für mich erledigen soll."

"Sofort, Euer Hoheit", sagte Walsh. Kenna war wahrscheinlich der klügste alte Politiker auf ganz Dusable. Eine Welt, deren Politik so unehrlich war, daß die Kinder das Wort "Mordida", den ortsüblichen Ausdruck für Bestechung, lallten, bevor sie lernten, "Mama" zu sagen.

"Anders, ich will, daß sämtliche Elite-Einheiten dabei sind. Es ist mir egal, welche Flotten Sie deswegen auseinanderreißen müssen. Sten muß gefunden werden."

"Jawohl, Sir."

"Bleick!" Sein Kämmerer sprang auf. "Ich möchte -"

Er hielt mitten im Satz inne, als die Tür aufzischte und Poyndex, sein Chef für Innere Sicherheit, eintrat. Sein Gesichtsausdruck war verbissen. Er war blaß. Ein Mann, der schlechte Nachrichten brachte. Aber der Imperator war zu wütend, um es sofort zu bemerken.

"Wo zum Teufel sind Sie gewesen, Poyndex? Ich hatte Ihnen gesagt, daß ich diese Info über Sten und Kilgour sofort haben will! Nicht morgen. Nicht übermorgen. Sondern jetzt, verdammt. Jetzt!"

Poyndex ließ seinen Blick schnell durch den Raum schweifen. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Imperator. "Ich glaube, wir sollten uns unter vier Augen unterhalten, Sir."

"Ich habe keine Zeit für Spielchen, Poyndex.

Spucken Sie es aus!"

Poyndex zögerte. Die Augen des Imperators bekamen plötzlich ein gespenstisches Glitzern.

Poyndex' Diagnose lautete auf Klinische Paranoia.

"Wenn Sie darauf bestehen, Euer Majestät", meinte er. "Aber ich würde meine Pflichten vernachlässigen, wenn ich Sie nicht noch einmal warnen würde. Dies sollte nur unter vier Augen besprochen werden. Ich bitte Sie eindringlich, es sich noch einmal zu überlegen."

Der Ewige Imperator wandte sich seinen Leuten zu: "Raus."

Sie gingen hinaus. Sehr rücksichtsvoll. Innerhalb weniger Sekunden war das Zimmer leer. Der Imperator blickte wieder Poyndex an. "Also gut.

Nun berichten Sie."

Poyndex versteifte sich. "Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß es nichts zu berichten gibt, Sir. Alle Dateien bezüglich Sten und Kilgour sind gelöscht worden."

"Was sagen Sie da?"

"Es ist so, als ob sie nie existiert hätten, Sir."

Poyndex' Herz hämmerte, als er die Nachricht aussprach.

"Das ist unmöglich", sagte der Imperator.

"Aber es ist leider wahr, Euer Majestät", meinte Poyndex. "Sogar die Mantis-Computer sind durchkämmt worden. Es gibt keine Aufzeichnungen über Sten oder Alex Kilgour - nicht bei Mantis und auch sonst in keinem Aufzeichnungssystem des Imperiums. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte. Ich habe jeden IS-Tech rund um die Uhr arbeiten lassen. Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, daß diese Aktion von einem ziemlich weit oben angesiedelten Insider ausgeführt worden sein muß."

Der Imperator starrte Poyndex einige

unangenehme Sekunden lang an. Er drehte sich um und betätigte einen Schalter. Sein persönlicher Computer erwachte zum Leben.

"Zum Glück", meinte der Imperator, "verfüge ich aus genau diesem Grund über meine eigenen Dateien." Er lachte humorlos. "Wenn alles verloren ist", sagte er, "bist du auf dich selbst angewiesen."

Seine Hände zuckten über die Tastatur, starteten die Suche.

"Ich hatte mal einen Stab, auf den ich mich verlassen konnte", sagte der Imperator. "Mahoney zum Beispiel. Manchmal tut es mir leid, daß ich ihn töten mußte. Ian war ein starker rechter Arm, soviel ist sicher." Der Imperator, der normalerweise wie ein Mann Mitte Dreißig wirkte, kam dem IS-Chef auf einmal sehr alt vor. Seine ebenmäßigen

Gesichtszüge schienen verzerrt. Seine Stimme klang eigenartig hoch ... und schwach.

Der Imperator sah zu Poyndex auf. "Genauso wie Sten. Ich sage Ihnen, Poyndex, das Problem bei Verrätern ist, daß es sich meist um deine allerbesten Leute handelt." Ein weiteres humorloses Lachen.

"Vielleicht war es das, was der alte Julius dem Brutus mitzuteilen versuchte."

"Wie bitte, Euer Majestät? Ich habe keine Kenntnisse über diese Personen. Soll ich die IS

veranlassen, diesen Julius und diesen Brutus auf die Liste Ihrer persönlichen Feinde zu setzen?"

Der Imperator schnaubte höhnisch. "Schon gut."

Er murmelte etwas vor sich hin. Gerade laut genug, daß Poyndex es hören konnte. "Das ist die andere Sache ... Man kann mit niemandem mehr reden -"

Er unterbrach sich abrupt. "Herrgott, was ist denn

... ?"

"Etwas nicht in Ordnung, Sir?"

Der Imperator hämmerte auf der Tastatur herum.

"Nein. Ich hätte wahrscheinlich - verdammter Mist!"

Der Imperator schaute mit verschleiertem Blick zu Poyndex auf. "Meine Dateien ...", keuchte er, "sie sind ..."

Poyndex überflog den Bildschirm. Sah die Anzeige "STEN, O. L, KILGOUR, ALEX. KEINE

DATEIEN VERZEICHNET. FÜR WEITERE

NACHFRAGEN AUF BELIEBIGE TASTE

DRÜCKEN."

Der Chef der IS wankte nach hinten, nicht weniger verblüfft als sein Boß. Die persönlichen Dateien des Ewigen Imperators, die sich auf Sten und Kilgour bezogen, waren restlos gelöscht worden.

Die schwere Faust des Imperators schmetterte auf den Schreibtisch. "Ich will Sten, verdammt noch mal! Kriegen Sie ihn, Poyndex. Wenn Sie's nicht tun, muß ich es erledigen. Und ich werde seinen Kopf persönlich auf eine Stange spießen, direkt neben Ihren."

Poyndex floh geradezu aus dem Zimmer. Als er aus der Tür ging, hätte er schwören können, ein Knurren zu vernehmen, als fletschte ein großer Hund hinter ihm die Zähne.

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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