Kapitel 40

Sten krümmte sich mitten im Flug zusammen, schrammte mit der Schulter über den Boden und wich so zur Seite aus, als der Imperator feuerte. Das AM2-Geschoß riß ein Loch in den Bodenbelag; Metallsplitter flogen durch die Luft. Mit den Füßen zuerst krachte Sten gegen den Ewigen Imperator, der nach hinten taumelte, sich dann wieder fing und erneut mit der Pistole zielte. Sten trat zu, und die Pistole flog im hohen Bogen davon. Der Imperator rollte sich zweimal herum, kam auf die Füße und hob die Handgelenke instinktiv zum V-Block, als Sten sein Messer aus der Armscheide gleiten ließ und sofort zuschlug. Der Block erwischte Stens Messerhand, und Sten verlor das Gleichgewicht, fand seinen festen Stand jedoch gleich wieder, indem er vorübergehend in die Hocke ging.

Sten schnellte los ... und der Imperator warf sich rückwärts über die Tischplatte, wirbelte herum und stand wieder auf den Füßen.

Antäuschen ... hin und her pendeln ...

Der Imperator schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch; die Kunststoffplatte zersplitterte. Stens Messer blitzte auf... und das erste Blut rann am Unterarm des Imperators herunter.

Der Imperator wich zurück, wobei er einen rasiermesserscharfen, beinahe vierzig Zentimeter langen Splitter der Tischplatte aufhob. Er hielt ihn tief, eng an seiner rechten Seite. Sten riskierte einen Blick weg von den Augen des Imperators. Er bemerkte, daß der Imperator den Splitter mit dem entspannten Daumen-Zeigefinger-Griff des erfahrenen Messerkämpfers hielt.

Irgendwo im Schiff brummte etwas. Dann das Geräusch scharrender Sohlen, als jeder von ihnen sich seitlich im Halbkreis bewegte, um auf die ungedeckte Seite des Gegners zu gelangen.

Sten fiel auf, daß er an eine bestimmte Stelle gedrängt werden sollte ... und dann durchschaute er die Absicht des Imperators. Die Pistole. Der Imperator stieß mit seinem "Degen" nach Sten, doch der lehnte sich zurück ... wich dem Stich aus ...

versuchte eine Riposte, verfehlte seinen Gegner, zog sich sofort wieder zurück.

Die Augen des Imperators flackerten und kündigten seinen nächsten Hieb an, doch Stens Arm war nicht mehr da, wo er noch vor einem Augenblick gewesen war. >Es ist zu lange her<, dachte Sten. >Du hast viel zu lange keinem richtigen Gegner mehr gegenübergestanden.

Genau wie du, Sten.<

Sten versuchte einen Messerstechertrick, wechselte die Klinge von einer Hand zur anderen und der Imperator griff an. Sten hätte um ein Haar sein Messer verloren, wirbelte zurück und ärgerte sich über sich selbst, daß er an eine derartige Effekthascherei auch nur gedacht hatte. Wieder zuckte sein Messer nach dem Handgelenk des Imperators, zog sich zurück, zuckte erneut nach vorne, schnitt einen langen Span aus dem Kunststoff-Degen des Imperators, und Stens freie Hand schoß nach unten, kam mit der Pistole wieder herauf, und der Imperator schleuderte den Kunststoff Splitter kraftvoll aus dem Handgelenk. Er drang in Stens Schulter, ein Muskelkrampf ließ ihn abdrücken, die Kugel flog sonstwohin, der Rückstoß schleuderte die Pistole aus seiner verkrampften Hand und ...

Dunkelheit.

Die Stimme klang gelassen: "Ich habe beschlossen, daß der eingedrungene Organismus den mir obliegenden Pflichten gefährlicher werden kann als der abweichende, der geschaffen wurde. Seiner Vernichtung wird Vorrang gegeben."

Herrje. Es tat weh. Sten steckte das Messer zwischen die Zähne, biß auf das Heft und zog den langen, scharfen Splitter aus seiner Schulter.

Heftiger Schmerz durchfuhr ihn. >Leg den Splitter weg. Wisch dir das Blut von den Fingern. Betaste die Wunde. Blutet sie? Ein bißchen. Schlimm? Nicht besonders. Momentan muß sie nicht versorgt werden. Schmerzen?<

Sten murmelte das Mantra, auf das er vor langer Zeit konditioniert worden war, damals, als er noch ein Rekrut der Garde gewesen war; sein Körper vergaß den Schmerz. Er ging in die Hocke. Langsam wanderten seine Finger über den Boden, suchten die Pistole. Sie konnte nicht weit sein.

Auf der anderen Seite des Raums klapperte etwas.

Die Luft knisterte, als der Schuß den Raum zerschnitt. Viel zu hoch und zu weit links.

Stens Finger stießen gegen ein Hindernis.

Der Kolben der Pistole.

Verdammt. Der Imperator hatte also eine zweite Feuerwaffe.

"Bereithalten", verkündete die Stimme. "Ich habe den eingedrungenen Organismus lokalisiert. Bereit zum Feuern."

Ein Doppellicht blitzte auf, gleißend hell, und Sten schoß zweimal; eine Explosion, die wieder zur Dunkelheit erstarb, der Imperator schoß etwas zu spät, seine Kugel klatschte dort auf, wo Sten soeben noch gehockt hatte.

>Na schön, du Drecksack<, dachte Sten. Er konzentrierte sich auf die Stelle, an der die Lichter aufgetaucht waren, schickte kurz hintereinander fünf Schüsse in die allgemeine Richtung, wobei er sich seitlich über den Boden rollte.

Sten wußte nicht, ob der Imperator

zurückgeschossen hatte, denn der ganze Raum war von einem Donnern erfüllt, und Alarmsirenen schrillten los. Sten glaubte einen Ruf gehört zu haben. Von dieser eigenartigen Stimme, die das Schiff selbst sein mußte? Vom Imperator? Er wußte es nicht. Rauch breitete sich aus, Flammen blitzten auf, Lichter kreiselten. Eine Verkleidung glitt zu; Sten jagte einen Schuß hindurch und blockierte damit den Schließmechanismus.

Sten eilte dem Imperator hinterher. Er mußte ihn erwischen, bevor sein ehemaliger Boß ihm eine weitere, zweifellos unangenehme Überraschung bereiten konnte. Dann blieb er stehen, nannte sich selbst einen Narren und ging zu seinem Raumanzug zurück. Er streifte ihn über, ließ jedoch den Helm und die Handschuhe am Gürtel baumeln. Bevor er die Brustöffnung des Anzugs verschloß, drückte er das Medkit gegen seine Schulter. Die Box klickte mehrmals und injizierte dabei Schmerz-und

Desinfektionsmittel in die Wunde. Er sprühte einen Notverband darüber, dann zog er den Anzug zu.

>Laß dir Zeit<, dachte er. >Besser, er hat einen kleinen Vorsprung, als daß du überhastet in etwas hineinstolperst.<

"Schiff", keuchte er, wobei er sich ziemlich dämlich vorkam.

Die Stimme antwortete nicht.

Sten schickte noch zwei Schüsse in das größte Loch in der Wand. Noch mehr Sirenen, züngelnde Flammen und das Zischen der Feuerlöscher.

"Schiff! Ich will dir keinen Schaden zufügen", log Sten. "Du kannst deinen Auftrag auch weiterhin ausführen."

"Keine Übereinstimmung. Andere Organismen als der geschaffene sind als feindlich anzusehen und müssen vernichtet werden. Vorschrift des Basisprogramms."

>Also gut<, dachte Sten. >Dann versuch mal, mich umzubringen. Wenn du kannst.<

Er ging auf die blockierte Schiebetür zu und wollte sie auftreten. Er hielt jedoch inne und schalt sich, daß er wohl nicht alle Tassen im Schrank hatte, hob einen Stuhl hoch und schleuderte ihn gegen die Tür. Schüsse bellten auf, und ein AM2-Geschoß zerfetzte die Tür. >Denk dran: das hättest du sein können.<

Er feuerte zweimal in den dahinterliegenden Korridor, um zumindest für etwas Verwirrung zu sorgen, und ging hindurch. Er wollte sich gerade an die Verfolgung des Imperators machen, als ihm ein Gedanke durch den Kopf fuhr.

Er drehte sich um, blickte in den ruinierten Raum und schickte fünf sorgfältig gezielte Schüsse durch das immer größer werdende Loch in der Wand.

Blitze zuckten und enthüllten verzogene Metallträger, Kabelstränge und Rauch, der in eine weitere Kammer eindrang, während ein weiterer Alarm losheulte: Dieda-dieda-dieda.

Diese Standardtonfolge kannte er. Loch in der Außenwand, Atmosphäre entweicht.

Seine Ohren fielen zu, als der Druck schlagartig sank. Sten griff nach seinem Helm und setzte ihn auf. Gerade als er das Visier zuklappen wollte, stieg der Druck wieder auf normal. Das Schiff konnte sich selbst reparieren. Zumindest hatte er ihm etwas zu tun gegeben. Sten rannte den Korridor hinab, hinter dem Imperator her.

Wozu die Räume dienten, durch die er kam, konnte er auch nicht besser erkennen als beim erstenmal. Einige davon waren winzig klein, aber vollgepackt mit Konsolen und Ausrüstung. Andere waren geräumig und völlig leer.

Im ersten dieser leeren Räume versuchte das Schiff erneut, ihn umzubringen. Der McLean-Generator wurde abgeschaltet, und Sten trieb zur Decke empor; dann setzte die Schwerkraft wieder ein. >Du hast aber nicht lange genug gewartet, damit mich der Sturz auch umbringt<, dachte Sten, der sich wie eine Katze drehte und auf den Füßen landete. Wie zum Trotz jagte er zwei Schuß durch das Deck, auf dem er stand. Wenigstens um die Munition mußte er sich keine Sorgen machen. Das Röhrenmagazin enthielt 500 Schuß der lmm-AM2-Munition.

Der Feuerstoß zerfetzte das Deck, und Sten blickte auf eine andere Ebene hinab. Er überlegte kurz. >Der Imperator befindet sich

höchstwahrscheinlich ein Stück weiter auf dem gleichen Deck wie ich. Wenn ich ihn jetzt also auf dem unteren Deck umgehe .. .<

Schon sprang er durch das Loch hinab.

"Der eingedrungene Organismus ist jetzt auf dem Golf deck", schnarrte die Stimme. "Bewegt sich in Richtung medizinischer Station."

Verdammt. Er sah sich um. Vielleicht entdeckte er ja ein verräterisches Kameraauge, das er zerschießen konnte. Nichts.

Na schön. Schlechte Idee. Er würde ebenso schnell wieder dort sein, wo er hergekommen war.

Er hatte auch schon eine Idee. Er ging zur Mitte des Ganges, bis der Riß in der Decke direkt über ihm war, und das Schiff fiel darauf herein, drehte die Schwerkraft wieder um und ließ Sten nach "oben"

fallen, auf das Loch zu, durch das er

heruntergekommen war. Doch während er fiel, nahm er eine Bestergranate vom Gürtel und drückte den Auslöser. Er hörte, wie sie gegen die Decke des Ganges prallte; er selbst fiel durch das Loch in dieser Decke und auf das nächste Deck zu, das sich jetzt zwanzig Meter über/unter ihm befand. Kurz bevor die Granate explodierte, hakte er sich mit einem Stiefel an einem vorstehenden Stück des aufgerissenen Bodens fest.

Sten wartete ab, doch die Stimme kommentierte seine Rückkehr nicht. Wurde sie etwa durch die Zeitverlustgranate außer Kraft gesetzt?

Unwahrscheinlich.

Was jetzt? Der Imperator konnte sich überall in diesem großen Polygon - einer Mischung aus Schiff und Raumstation - aufhalten. Irgendwo mußte das Raumschiff sein, mit dem er hergekommen war, wahrscheinlich am gleichen Ort, an dem die Schiffe standen, die der Imperator jeweils für seine Rückkehr benutzte.

>Das hier ist sein Spielfeld, nicht deins. Genau.

Er muß es verteidigen.

Deshalb:

Kehre zu deinem ursprünglichen Plan zurück. Mit dem Unterschied, daß du jetzt nicht nur die AM2

Lieferungen abstellen willst.

Der Kontrollraum befindet sich .. .< Sten mußte sich neu orientieren. Ein Deck weiter oben und ein Stück zurück. >Wir machen es auf die einfache Art.

Mach dir keine Sorge wegen des Schiffs. Du mußt nur aufpassen, daß du nicht in hohe, weite Räume kommst, dann kann es den ganzen Tag "oben und unten" mit dir spielen. Wenn es sonst nichts zu bieten hat, stellt es keine große Gefahr dar.< Sten fragte sich, weshalb es nicht mit irgendwelchen bewaffneten Robots oder dergleichen ausgerüstet war, bis ihm einfiel, daß es selbstmörderisch wäre, innerhalb des eigenen "Körpers" Schießereien anzuzetteln. Trotzdem machte er sich weiterhin Gedanken darum, weshalb diese letzte Bastion nicht besser verteidigt wurde.

Einige Sekunden später startete das Schiff seine erste richtige Attacke.

Der Korridor war lang. Verschlossene Luken führten in regelmäßigen Abständen zu unbekannten Räumen. Sten hoffte, am Ende des Korridors eine Treppe zu finden, die hinauf zum Kontrolldeck führte. Er hörte ein Geräusch, als würden hundert Schlösser auf einmal zugeschlagen. Dann sah er, daß die weit voraus liegende Stirnwand des Korridors auf ihn zukam. Er drehte sich um und sah, daß die Wand hinter ihm das gleiche tat. >Dann entschwinden wir einfach durch diese Luke ...< - die fest verriegelt war. Genau wie die beiden nächsten, die er ausprobierte. Sten kniete sich hin, nahm eine beidhändige Schußposition ein und schickte vier Geschosse in die vier Ecken der auf ihn zukommenden Wand.

Knallen, Rauch, Feuer ... aber sonst geschah nichts. Der Kolben schob sich weiter durch den Zylinder.

Imperium X. Als Panzerung verwendet. Warum nicht? Wenn man genug davon hat...

Diese beweglichen Wände waren kein

unmöglicher Livie-Alptraum. Sten vermutete, daß sie das Schiff höchstwahrscheinlich in die Lage versetzten, sich selbst zu reparieren, die betroffene Sektion wurde abgeschottet und die

Reparaturroboter hineingeschickt.

Das Schiff improvisierte also und lernte, wie es die ihm zur Verfügung stehenden Mittel als Waffen einsetzen konnte.

Als die beweglichen Wände nur noch wenige Meter voneinander entfernt waren, zerschoß Sten eine Luke und sprang in den dahinter liegenden Raum. Er war leer. Draußen im Korridor blieben die Wände links und rechts der Öffnung stehen.

Patt. Wahrscheinlich würde das Schiff Sten für den Rest seines Lebens hier festhalten. Er bemerkte, daß die Luft stickig war. Wahrscheinlich hatte das Schiff die Lufterneuerungsanlagen für diesen Korridor abgestellt. Er konnte das Visier seines Anzugs schließen, wodurch ihm noch an die sechs E-Stunden blieben, bis ihm die Luft ausging.

>Prima. Dann also so wieder raus, wie du reingekommen bist.< Er ging auf die Luke zu, duckte sich zu einem möglichst kleinen Ziel für Querschläger zusammen und gab einen Schuß auf die gegenüberliegende Wand ab.

Eine gewaltige Explosion, dann schwirrten Metallsplitter durch den Raum. Kein Loch. Ein Krater. Und die Explosion hatte noch mehr Sauerstoff aufgefressen. Sten hustete im Rauch. Wie lange würde es wohl dauern, bis er sich durch die Wand geschossen hatte, selbst wenn er den Anzug schloß ? Keine Ahnung, aber sicher länger, als irgendwelche Metallsplitter brauchten, um ihm den Garaus zu machen.

Konnte er sich mit seinem Messer

hindurchschneiden? Möglich, wenn er genug Zeit und genug Hebelwirkung zur Verfügung hatte.

Beides war unwahrscheinlich.

>Da oben. Ein Lüftungsschacht.

Zu klein.<

Doch noch während er das dachte, war das Messer bereits in seiner Hand und schnitt das Gitter heraus.

Der Schacht war sehr schmal. Sten würde dort nie hindurchpassen. Er blickte hinein; seine Stirn berührte das obere Ende, sein Kinn das untere. Nicht nur, daß der Schacht kaum breiter als eine Unterarmlänge war, er knickte auch in ungefähr der gleichen Entfernung im rechten Winkel ab.

Stens Handflächen waren schweißnaß.

Er befahl sich selbst, die Klappe zu halten, und zog sich nackt aus. Die Pistole hielt er schußbereit in der Hand. >Wenn alles schiefgeht, kannst du dich schließlich immer noch erschießen<, dachte er.

Den Kopf zur Seite gedreht, zwängte er sich in den Schacht. Mit hochgezogener Schulter fanden seine Handflächen einen Halt auf dem glatten Metall, zogen, zogen, während seine Beine in dem Raum hinter ihm in der Luft zappelten. Er zog sich drei Zentimeter weiter. Dann noch mal drei. Und noch mal.

Dann steckte er fest.

Panik griff nach seinem Verstand, ließ seinen Brustkasten anschwellen. >Hör sofort damit auf<, ermahnte er sich. >Du kannst nicht steckenbleiben.

Du kannst jederzeit wieder zurück und noch einmal von vorne anfangen. Man kann immer wieder aus etwas herauskriechen, in das man hineingekrochen ist.<

Das war natürlich eine Lüge.

>Nicht zappeln. Nicht hyperventilieren.

Ausatmen. Sich wie eine Raupe winden. Wieder ausatmen. Die Lungen sind leer. Verdämmt noch mal, das sind sie nicht! Wenn du hier verlierst, dann gewinnt der Imperator... Scheiß auf den Imperator !< Eine weitere Schlängelbewegung schob ihn ganz in den Schacht hinein, um die Biegung herum, und dann wand er sich immer weiter durch die enge Passage hindurch, ohne an irgend etwas zu denken

... nur noch bewegen, die Kleider und den Raumanzug vor sich herschieben ... und dann mündete der Schacht in einen größeren, in dem er ein Knie vorschieben konnte, er wurde noch einmal breiter ... und dann noch ein Stück, jetzt konnte er sich halb aufrichten, auf Händen und Füßen kriechen

... und jetzt, jetzt konnte er sogar schon richtig aufrecht stehen, wie damals in den

Belüftungsanlagen auf Vulcan, die er als privates Wegenetz benutzt hatte, und es ging doch damals, als er noch ein Delinq war, auch recht gut, oder ?

>Du willst doch in den Kontrollraum, oder etwa nicht ?<

Sten vergegenwärtigte sich, wo er sich in etwa befand. Und stimmte zu. Kurz darauf blickte er durch die Lüftungsgitter in einen leeren Raum. Er schnitt das Gitter heraus und ließ sich hinab.

Eine Kantine. Tische. Dort drüben

Kochutensilien.

Dann hörte er es.

Es klang wie eine Stimme.

Sten zog sich rasch an und bewegte sich geräuschlos auf die Stimme zu. Es war der Ewige Imperator.

Er stand inmitten eines großen, kahlen Raums.

Direkt vor ihm befand sich ein flaches Becken, das jetzt leer war. Daneben war eine Art Podium, ebenfalls leer.

Die gegenüberliegende Wand war ein einziger, gigantischer Bildschirm, der mit seinen Farben/Nichtfarben des N-Raums geradezu sinnverwirrend wirkte.

Der Imperator wandte Sten den Rücken zu. Seine Arme hingen herab, seine Hände waren leer.

Sten hob die Pistole, zögerte dann aber doch.

Schuld daran war nicht ein fehlgeleiteter Sinn für Fair Play - er hatte schon so manchen Feind ohne Vorwarnung von hinten erschossen.

Aber...

"In meinem Ende", sagte der Imperator, "liegt mein Anfang."

Sten zuckte zusammen. Der Imperator lachte, drehte sich aber nicht um.

"Natürlich stellt sich die Frage, ob es jemals wieder einen neuen Anfang geben wird", fuhr der Imperator mit fast monotoner Stimme fort. "Oder wird schon der nächste Rückschlag dafür sorgen, daß das Programm zu der langen Ahnenreihe von Weichlingen zurückkehrt, die nötig war, um mich heranzuzüchten?

Und selbst, wenn das Schiff wieder ein

reinrassiges Exemplar hervorbringen würde, wie sähe sein weiterer Weg dann wohl aus ? Würde er ...

würde mein ... vielleicht könnte man ihn meinen Sohn nennen ... seinen Weg zurückfinden, ganz allein? Würde er in der Lage sein, das

Kontrollelement in seinem Innern zu entfernen, ohne daß es explodiert, so wie ich es getan habe?

Doch das", die Stimme des Imperators verlangsamte sich, "ist eine Frage, die wohl niemals beantwortet werden wird.

Aber wie auch immer -" Mitten im Satz drehte er sich um und ging wie ein Schütze in die Knie. Sten wurde klar, daß er in eine Falle getappt war, denn schon schoß die rechte Hand des Imperators zum Gürtel, kam mit der Pistole wieder hoch, zielte ...

Sten feuerte, und die Projektion flackerte, das Hologramm verging in einem Blitz, und dann kam der echte Imperator um die Ecke, nahe, viel zu nahe, die echte Pistole feuerbereit in der Faust. Stens Fuß schoß nach oben, der Arm des Imperators krachte gegen einen Träger, ein Schmerzensschrei, und irgendwie war auch seine eigene Pistole weg, das Messer glitt aus der Armscheide in die Hand, und alles verlief wie in Zeitlupe:

Stens rechter Fuß glitt nach vorne, dicht über dem Boden. Er fand einen festen Stand, einen halben Meter vor dem linken, der präzise die Zehen nach außen drehte und auf dem Rist nach hinten rutschte.

Stens Messerhand stieß schräg nach oben, im gleichen Moment umfaßte seine linke Hand das rechte Handgelenk, packte fest zu, seine Hüften drehten sich, und aus dem sicheren Stand heraus führte er den nadelspitzen Vorstoß mit

ausgestrecktem Arm aus, stieß zu, fand sein Ziel.

Sein Messer grub sich in die Kehle des

Imperators. Der Mund klappte auf. Blut schoß hervor.

Sten machte einen Schritt zurück, als der Imperator nach hinten taumelte, immer weiter, bis er fiel; er fiel durch Zeit und Raum, und dann schlug sein Körper mit dem dumpfen Geräusch eines Leichnams auf dem Fußboden auf.

Sten machte zwei Schritte auf ihn zu.

Auf dem Gesicht des Imperators stand der Ausdruck ungläubigen Erstaunens.

Kurz darauf war dieser Ausdruck einer völligen Ausdruckslosigkeit gewichen.

Und dann verzog sich der Mund, der so viele Tode befohlen hatte. Im Todeskrampf, doch Sten hielt es für ein Grinsen. Die Augen, die zu viele Jahre und zuviel Böses gesehen hatten, sahen jetzt nichts mehr, sondern blickten starr an die Decke.

Aber vielleicht sahen sie jetzt auch alles.

Der normale Zeitablauf setzte wieder ein, und Sten kam in Bewegung, bückte sich nach seiner Pistole und blieb in Kauerstellung. Er feuerte, feuerte wie ein Verrückter in dieses leere Becken, in den riesigen Bildschirm und schließlich mit sorgfältig gezielten Schüssen in den ganzen Raum.

Das Ende ...

... und es würde für den Imperator nie wieder einen neuen Anfang geben.

Flammen schlugen aus den Wänden, und bunter Qualm wirbelte durch den Raum.

Das Schiff kreischte auf.

Notalarm ... verzogenes Metall... kybernetische und elektronische Selbstzerstörungsmechanismen...

Vielleicht.

Aber das Schiff kreischte.

Und Sten rannte in Richtung Kontrollraum.

Sten fuhr mit dem Zielerfassungsgerät den Schiffsrumpf entlang. Eins da ... zwei hier ... drei dort... vier dort... fünf da ... sechs dort... sieben dort.

Eine als Reserve.

Feuer bei...

... die erste Sprengladung ging hoch, diejenige, wie ihm der Schirm verriet, die er im

Kontrollzentrum auf fünfzehn E-Minuten eingestellt hatte, genug Zeit, um durch das Loch, das der Meteoritentreffer hinterlassen hatte, zu seinem Schiff zurückzukehren.

Eine Explosion, und schon würden die

automatisierten Abraumschiffe, die in einiger Entfernung AM2 abbauten und

weitertransportierten, ihr hirnloses Treiben einstellen. Sie konnten jedoch jederzeit wieder neu programmiert werden, falls jemand das wünschen sollte. Später einmal.

Stens Finger glitten über die Feuerknöpfe, spielten einen dissonanten Akkord des Höllenfeuers.

Sieben mit Nuklearsprengköpfen versehene Goblin-XII-Raketen schössen aus den

Torpedorohren des Einsatzschiffes, ignorierten das Gebrabbel des N-Raums, das ihnen ihre Sensoren vermittelten, und rasten wie befohlen auf das Geburts-beziehungsweise Totenschiff des

Imperators zu.

Stens Schiff war zu dicht dran, als sie einschlugen.

Sämtliche Bildschirme erloschen, schalteten auf ihr Notsystem, erloschen erneut und blieben dann wahrscheinlich, weil sie so umfunktioniert worden waren, daß sie die Computer mit Darstellungen aus dem N-Raum versorgten - lange Sekunden tot.

Endlich meldete sich ein Radarbild zurück und paßte seinen Input an das Erweiterungsprogramm an.

Farben/Nichtfarben.

Sonst nichts.

Geradeso, als hätte das große Polygon niemals existiert.

Sten starrte lange Zeit in diese Leere, vielleicht, weil er sich wünschte, daß viele Dinge niemals geschehen wären, vielleicht aber auch, um sicherzugehen, daß diese Leere keine Gestalt mehr annahm.

Schließlich wandte er sich wieder seinen Kontrollinstrumenten zu.

Er gab den Kurs zur Rückkehr in sein eigenes Universum ein und ging auf volle Beschleunigung Richtung Diskontinuität.

Und nach Hause.

Es war vorbei.

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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