Kapitel 17

Solon Kenna stand auf der breiten

Rednerplattform, einem Block aus reinem weißen Marmor, der aus der Mauer gegenüber dem Parlamentsgebäude ragte. Neben ihm stand Tyrenne Walsh und trug wie eh und je sein strahlendes Gesicht zur Schau. Hinter ihnen hing ein Porträt des Ewigen Imperators, das über drei Stockwerke in Anspruch nahm.

Kennas gewaltige und schneidende Stimme dröhnte über die aberhundert hier versammelten Politiker hinweg: "Meine sehr geschätzten Repräsentanten ... Treue Imperiale Bürger ...

Hochverehrte Anwesende.

An diesem historischen Tag stehen mein Kollege und ich in tiefer Bescheidenheit vor Ihnen."

Kennas Stimme kippte in einen salbungsvollen, zurückgenommeneren Ton. Mit dem Zucken eines Fingers wies er den beschränkten Walsh an, sich zu verneigen.

"Die Bewohner von Dusable erfreuen sich bereits sehr vieler Ehrenbezeugungen von Seiten unseres geliebten Imperators", sagte er.

Kennas ausgefuchstes, erfahrenes Politikerhirn registrierte, daß niemand in der gesamten Gruppe an dieser Stelle auch nur zusammengezuckt war - einer Gruppe, die jede Ecke und jeden Winkel des gesamten Imperiums repräsentierte. Nirgendwo hatte er auch nur ein Flüstern bezüglich der Erniedrigung feststellen können, die seine Leute erst vor kurzem aus der Hand des ärgsten Feindes des Imperators erlitten hatten: aus der Hand Stens.

Kenna wies auf das überlebensgroße Porträt des Imperators, das auf sie alle herabblickte. "Aus Gründen, die nur unser weiser Führer erläutern kann, ist das Volk von Dusable erneut geehrt worden."

Während er redete, schweifte Kennas geübter Blick über die Menge. Er spürte ihre Stärken und ihre Schwächen. Machte Parteigänger und Feinde aus. Er mochte von Sten erniedrigt worden sein, doch das bedeutete noch lange nicht, daß er seine Fähigkeiten als Manipulator verloren hatte.

Er und Avri hatten diesen Moment umsichtig vorbereitet. Im Anschluß daran würden sie den Erlaß des, Imperators präsentieren. Einen höchst kontroversen Erlaß, bei dem man sich zu Anfang nicht sicher gewesen war, ob er auch durchgehen würde.

Viele Gefälligkeiten und noch mehr Geld waren in den dunklen Korridoren des Parlaments hin und her geschoben worden. Die gute alte Mordida brachte der List des Imperators eine Vielzahl von Stimmen ein. Aus Gründen, die Kenna lieber nicht näher erörterte, hatte auch Poyndex freiwillig seine Hilfe angeboten. Man hatte sämtliche alten Datenbestände über die Oppositionsvertreter nach Ansatzpunkten für schwache Stellen und

Erpressungen durchkämmt. Das brachte noch mehr Stimmen.

Trotzdem würde es sehr knapp werden.

In der Politik reicht knapp allemal aus, ein Königreich zu regieren.

"Verehrte Anwesende, ich bin hier, um Ihnen diesen bemerkenswerten Vorschlag zu unterbreiten.

Man verlangt von uns, daß wir den Schleier von unseren Augen ziehen. Damit wir das sehen, was wir vor lauter Blindheit all die Jahre nicht sehen konnten.

Nämlich die Tatsache, daß wir mit dem Glück geschlagen sind, in Zeiten zu leben, in denen ein lebendiger Gott unter uns wandelt. Und dieser Gott ist unser guter und heiliger Ewiger Imperator.

Dessen Unsterblichkeit vor uns steht wie ein eherner Schild gegen die harten Schläge der Geschichte.

In der Verkörperung seines Wesens schreitet unser Ruhm uns immer weiter voraus. Unser Ruhm, der auch der seine ist. Und sein Ruhm, der auch unserer ist.

Verehrte Anwesende ... Ich richte die Frage an Sie. Lassen Sie uns jetzt ein für alle Mal bekräftigen, daß der Ewige Imperator unser rechtmäßiger Gott ist."

Eine leichte Unruhe kam auf. Die Katze war aus dem Sack.

Der Imperator verlangte eine parlamentarische Bestätigung seiner Göttlichkeit.

Kenna wandte sich an den Sprecher, eine alte, würdevolle Marionette des Imperators. "Sr.

Sprecher", intonierte Kenna, "stellen Sie die Frage."

Die graue Schnauze des Sprechers schob sich nach vorne, die implantierten Eckzähne entlarvten eine seltsame Eitelkeit in diesem uralten, faltigen Gesicht. "In Sachen PB 600323, Titel Erklärung der Göttlichkeit des Ewigen Imperators, Untertitel >Es soll beschlossen werden, daß der Imperator den Titel

>Heilig< sowie alle anderen Wertformen, die allgemein als Bezeichnung der respektvollen Anbetung bekannt sind, tragen darf< ... wie entscheiden Sie, verehrte Anwesende?

Alle, die dafür sind ... sagen "Ja."

Ein choreographierter vielstimmiger "Ja"-Chor erhob sich in der Halle - übertönt von lauten Protestrufen. Die Rufe wuchsen sich zu einem Gebrüll aus, das den weiteren Fortgang des Geschehens unter sich begrub. Eine einzige Stimme erhob sich über den Lärm.

"Sr. Sprecher! Sr. Sprecher! Zur Tagesordnung, bitte. Zur Tagesordnung!"

Der Sprecher versuchte die Stimme zu ignorieren.

Sein Hammer fuhr dröhnend nieder. Er fühlte sich besonders beschämt, weil die Stimme einem Angehörigen seiner eigenen Spezies gehörte, einem gewissen Nikolayevich, einem jungen Heißsporn von Keiler.

Der Hammer klopfte ein wildes Stakkato.

Pultmikros verstärkten die Schläge, und das Hämmern donnerte durch die Halle. Doch eine ungehorsame Meute nahm Nikolayevichs Schrei auf:

"Tagesordnung! Tagesordnung!" Mehr Stimmen kamen hinzu und übertönten die hämmernden Schläge. "Laßt ihn reden! Laßt ihn reden!"

Der Sprecher richtete seine hilflosen alten Augen auf Kenna. Es gab nichts mehr, was er tun konnte.

Jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Kenna bedeutete ihm: Laßt ihn reden! Dann schob er eine Hand in die Tasche und löste einen Alarm in Arundel aus.

"Der Vorsitz ruft Sr. Nikolayevich, den Repräsentanten des großen und loyalen Sverdlovsk-Clusters."

Der Sprecher schaltete das Mikro ein, das die Anmerkungen Nikolayevichs für alle verständlich machen würde.

"Sr. Sprecher", rief der junge Keiler, "wir protestieren aufs schärfste gegen diese Vorgehensweise. Wir lassen uns nicht dahingehend manipulieren, über die Köpfe der Mehrheit hinweg einen derartigen Beschluß zum Gesetz zu erheben."

"Von hier aus, junger Mann", sagte der Sprecher mit dramatischem Sarkasmus, "gab es an einer Mehrheit für den Beschluß nichts zu rütteln. Die

>Jas< waren überwältigend. Wenn Sie mir jetzt freundlicherweise erlauben würden, die >Neins< aufzurufen, werden Sie sehen, auf welch schwachen Füßen Ihr Einspruch steht."

"Wir haben ein Recht darauf, eine mündliche Abstimmung abzulehnen und eine namentliche Abstimmung zu verlangen", beharrte Nikolayevich.

"Laßt uns aufstehen und unsere Völker sehen, wie sich jeder einzelne von uns in dieser Angelegenheit entschieden hat. Wenn der Imperator ein Gott sein soll... dann sollen seine Bürger sehen, daß wir darin übereinstimmen. Wir tragen die Verantwortung dafür."

Der Sprecher warf Kenna einen hilfesuchenden Blick zu. Kenna bedeutete ihm, die Sache noch eine Weile hinzuziehen. Verzögerungstaktik.

"Na schön", sagte der Sprecher. "Ich werde eine namentliche Abstimmung einberufen."

Nikolayevich grunzte zufrieden. Er witterte bereits seinen Sieg.

Der Sprecher schnaubte: "Wenn Sie diese Angelegenheit jedoch als so sensibel ansehen obwohl ich nicht begreife, wie auch nur einer unter Ihnen die Heiligkeit unseres Imperators anzweifeln kann -, werde ich zunächst einen weiteren Punkt zur Debatte stellen."

"Einspruch!" rief Nikolayevich. "Der Vorsitz darf nichts zur Debatte stellen, solange der vorherige Punkt nicht abgehandelt wurde!"

Der Rebell aus dem Sverdlovsk-Cluster kannte seine Rechte sehr genau. Ebenso der verschlagene alte Sprecher. Er mochte zwar eine Marionette sein, doch er war eine sehr fähige Marionette.

"Die Versammlung hat aber das Recht, oder die Pflicht, wie Sie es nennen würden, über die Art einer Abstimmung zu entscheiden. Sie meinen, sie sollte durch Stimmenauszählung erfolgen. Ich hingegen meine, wir sollten es per Akklamation durchführen."

Nikolayevich sah sich um. Seine Kollegen führten eine rasche Zählung durch, um die eigene Stärke zu eruieren. Dann kam die Antwort. Einige Wankelmütige waren durch Nikolayevichs mutiges Auftreten gestärkt worden. In diesem kurzen Augenblick stand alles auf der Kippe.

"Stellen Sie die Frage, Sr. Sprecher", sagte er kühl. "Ich denke, Sie werden die lauten >Nein<-

Rufe vernehmen, die dieser Blasphemie gebühren."

Er ließ sich auf seine Bank zurückfallen, nickte nach links und rechts und war mit sich selbst zufrieden.

Der Sprecher setzte einen milden Blick auf. "Den näheren Umständen Ihres Einspruchs zufolge", sagte er, "halte ich es für ungebührlich, die Angelegenheit derart überstürzt zu Ende zu bringen. Nein. Auge um Auge, Sir. Ich plädiere für eine Einzelabstimmung."

Empört schnellte Nikolayevich aus seinem Sitz hoch. "Sr. Sprecher, das ist unglaublich. Sie berufen eine Einzelabstimmung ein, um herauszufinden, ob eine Einzelabstimmung durchgeführt werden darf?"

Er wandte sich mit vor Verwunderung

hochgezogenen Schultern an seine aufrührerischen Kollegen. Bellendes Gelächter. Doch das Lachen klang gezwungen.

"Ja. Genau das habe ich vor", sagte der Sprecher.

"Ich bin froh, daß meine Gedanken so unmißverständlich angekommen sind. Ich muß zugeben, daß ich mir manchmal angesichts der Reaktionen der jungen Repräsentanten ernsthaft Sorgen darüber mache, ob nicht bereits die Senilität von mir Besitz ergriffen hat."

Jetzt brandete Gelächter in den Reihen der Parteigänger des Imperators auf. Nikolayevich wollte sich jedoch nicht so leicht abspeisen lassen.

"Aber dieser Schwachsinn wird Stunden dauern, Sr. Sprecher", protestierte er. "Einen nach dem anderen über seine Entscheidung zu befragen, ist der Gipfel der Narretei."

"Und trotzdem werden wir auf diese Weise verfahren", erwiderte der Sprecher.

Er wandte sich an den Gerichtsdiener:

"Gerichtsdiener! Rufen Sie zur Abstimmung!"

Der Gerichtsdiener begab sich nach vorne und öffnete das dicke offizielle Logbuch.

Dann fing er an, die lange Liste herunterzuleiern:

"Ms. Dexter ... aus der großen Region von Cogli, wie lautet Ihre Entscheidung?"

"Ich stimme mit >Ja<, Sr. Sprecher."

Und so ging es immer weiter. Die Repräsentanten erhoben sich einer nach dem anderen. Jede Stimme wurde sorgfältig in das Logbuch eingetragen.

Kennas Parteigänger verteilten sich überall in der großen Halle. Mit Hilfe des Sprechers war es ihm gelungen, die Attacke seiner Gegner fürs erste abzuwehren. Wenn er diese Abstimmung gewann, war sein zweiter Sieg gesichert.

Nikolayevichs Kollegen arbeiteten eifrig, um ihre Parteigänger bei der Stange zu halten. Doch die Zeit... die langsame, sich dahinschleppende Zeit...

arbeitete gegen sie.

Trotzdem bebte Kenna noch immer vor Wut.

Jawohl, er würde gewinnen; doch jetzt hatte die alte Regel, daß knapp allemal ausreicht, einen faden Beigeschmack. Nach Nikolayevichs Ausfall, der von vielen anderen lautstark unterstützt worden war, würde alles außer dem totalen Sieg als Manipulation erscheinen.

So hatte der Imperator sich seinen ersten Tag als Gott sicherlich nicht vorgestellt.

Die Abstimmung kam zum Ende. Kenna hatte gewonnen. Aber nur mit hauchdünner Mehrheit. Er sah, wie Nikolayevich und seine Leute hier knufften und dort in Hörorgane brüllten.

Und er konnte sehen, daß der junge Keiler Fortschritte machte. Einer seiner Agenten in Nikolayevichs Stab gab eine Meldung an das Funkgerät in Kennas Stehpult durch. Die Meldung besagte, daß Nikolayevich und seine Kollegen sich dazu entschlossen hatten, eine akklamatorische Abstimmung - sollte es denn zu einer kommen - mit einer ungestümen Demonstration zu unterbinden.

Kenna zermarterte sich das Hirn nach weiteren Verzögerungstaktiken. Doch sosehr er auch grübelte, es fiel ihm nichts ein. Wenn das hier vorüber war, würde ihn der Imperator in der Luft zerreißen.

Wo zum Teufel war er überhaupt. Ein schöner Gott. Wenn man ihn brauchte, war er nicht da.

Der Sprecher gab ihm aufgeregt ein Zeichen. Was sollte er tun? Kenna blieb keine Wahl. Er bedeutete ihm, die Abstimmung einzuberufen.

"Verehrte Anwesende", verkündete der Sprecher,

"zum zweiten Mal an diesem Tage rufe ich zur Abstimmung auf... und zwar in Sachen PB 600323, Titel >Erklärung der Göttlichkeit des Ewigen Imperators< -"

Erstaunte Gesichter wandten sich um.

Ein weißgekleidetes Kontingent von Kultisten tanzte durch die gewaltigen Türen herein, die in die große Halle führten. Ihre Gesichter strahlten vor Ekstase. Einige schwenkten an langen Ketten klingende Weihrauchgefäße, andere streuten Rosenblätter auf den Weg. Ausnahmslos trugen sie kleine Messer in den Stricken, die als Gürtel um ihre Hüften geschlungen waren. Die Messer hatten scharfe Klingen und waren festlich mit flatternden roten Bändern verziert.

Vorneweg tänzelte die skelettartige Gestalt ihrer Hohepriesterin - Baseeker.

Hinter ihnen marschierte ein Trupp

schwarzuniformierter IS-Offiziere mit knirschenden Stiefeln über die Rosenblätter. Ihre Blicke wanderten rastlos durch die Menge, ständig auf der Suche nach Gefahrenherden. Sie hielten ihre Waffen schußbereit vor der Brust.

In ihrer Mitte befand sich der Ewige Imperator.

Sobald Kenna und die anderen ihn erblickten, gewahrte keiner von ihnen mehr die anderen winzigen Details des Auftritts. Etwa den zweiten IS-Trupp, der unter Führung von Poyndex direkt hinter dem Imperator hereinmarschierte. Oder die Scharfschützenteams in Tarnanzügen, die sich sofort im Raum verteilten und ihre Positionen einnahmen.

Oder Avri, die nicht näher definierte Personen zwischen die Reihen der Repräsentanten lotste. Als sie verteilt waren, entdeckte sie Nikolayevich und schob sich auf ihn zu.

Doch all diese Dinge nahm die Versammlung nur verschwommen und am Rande wahr. Ihre gesamte Aufmerkamkeit wurde vom Ewigen Imperator gefangengenommen.

Er war so herausgeputzt, wie sie ihn noch nie gesehen hatten. Lange, goldene Gewänder umspielten wallend seine muskulöse Gestalt. Das Material phosphoreszierte und verlieh ihm ein geisterhaftes Schimmern. Ein ebenso schimmernder Goldreif umkränzte seine dunklen Locken. In der Hand trug er einen Stab aus goldenem Metall, der sich an der Spitze zu einer runden Standarte verbreiterte. Auf dieser Fläche flammte das Symbol für AM2.

Die Imperiale Formation rauschte den breiten Gang entlang und schwenkte auf die marmorne Plattform des Sprechers zu. Der Ewige Imperator schritt direkt bis zum Rand des Podiums und wandte sich dann dem Parlament zu. Waffen klirrten, und Stiefel kamen knallend zum Stillstand, als sich die Soldaten links und rechts vom Podium aufstellten.

Baseeker und die Kultisten strömten um die Soldaten herum, versammelten sich um den Imperator und warfen sich ihm zu Füßen. Ein Nest aus weißgekleideten Engeln mit Messern.

Kenna kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Auch die anderen starrten ungläubig auf das Geschehen. All die alte Mythen nahmen Gestalt an und breiteten sich wie Nebel rings um sie aus. Ein uralter Nebel, der aus den kalten Tiefen mehrerer Jahrtausende heranwehte. Das war das Wesen, das sie alle schon seit so langer Zeit regierte.

Vielleicht war er wirklich ein Gott.

"Mir wurde berichtet", sagte der Imperator mit leiser Stimme, "daß es in dieser Versammlung zu Mißtönen gekommen ist."

Sein Publikum mußte sich nicht anstrengen, um ihn zu hören. Denn obwohl seine Stimme leise war, wirkte sie irgendwie bedrohlich.

"Für gewöhnlich schenke ich eurem Gejammer keine Beachtung", fuhr der Imperator fort. "Dieses Recht gestand ich euch zu, als ich dieses Parlament kraft der Imperialen Verfassung ermächtigte. Es ist, zugegebenermaßen, eine rechte Plage. Aber das liegt nun einmal in der Natur der Demokratie begründet, und ich hatte genügend Zeit, mich daran zu gewöhnen."

Nikolayevich, der unter den Zuhörern stand, bemerkte kaum, daß sich ihm jemand näherte. Es war Avri.

"Die Natur dieser Mißtöne hat mich jedoch dazu bewogen, hier vor euch zu erscheinen.

Offensichtlich sollen eurem Imperator einige Auszeichnungen zuteil werden. Auszeichnungen, die ich, wie ich hier anführen muß, keinesfalls verlangt habe. Sie wurden mir von meinen Untertanen auferlegt." Die Hand des Imperators vollführte eine Geste, die die weißgekleideten Kultisten umfaßte.

"Sie behaupten, ich sei ein Gott. Sie haben mir Tempel errichtet. Tempel, in denen Millionen anderer Gleichgesinnter mich anbeten. In diesen Tempeln wird Weisheit und Geduld und Sanftmut gepredigt; Attribute, die ihrer Überzeugung nach der Grundstock meiner Göttlichkeit sind."

Nikolayevich spürte eine Bewegung an seiner Gürteltasche; ein kleines Päckchen fiel hinein. Er strich sofort darüber. Vermutlich eine Nachricht von einem Verbündeten, dachte er. Er kümmerte sich nicht weiter um die Gestalt, die sich zielstrebig von ihm entfernte.

"Ich habe immer die Religionsfreiheit für meine Untertanen hochgehalten. Deshalb war ich nicht wenig schockiert darüber, als ich erfahren mußte, daß diese sanften Wesen, die mich anbeten, auf brutale Weise ihrer religiösen Überzeugungen wegen verfolgt werden.

Ich verfüge jetzt sogar über unwiderlegbare Beweise dafür, daß diese Verfolgung in direkter Verbindung zu der Verschwörung steht, die der Verräter Sten gegen mich angezettelt hat.

Unaussprechliche Taten wurden von Sten gegen die Gläubigen ausgeführt, weil er meinte, ihre tief empfundenen Wahrheiten stünden ihm auf dem Weg zu meinem Thron im Wege.

Denn wenn ich ein Gott bin, würde sich ihm wohl niemand mehr anschließen. Ihr seht also, sogar mein größter Feind ist ein Gläubiger. Ein Satan, der nur als Gegenbild zu seinem perfekten Herrn existieren kann."

Sein seltsamer logischer Eiertanz brach einen Augenblick lang den Zauber, der Nikolayevich gepackt hatte. Er zog die Nachricht aus seiner Gürteltasche. Ein in Papier eingewickelter Klumpen.

Er rollte ihn aus. Der Klumpen entpuppte sich als Eckzahn, als langer, leicht gewundener Hauer; das Ende des Stumpfs war blutverschmiert. Auf dem Stoßzahn war ein Zierring zu erkennen.

Der Ring, den Nikolayevich seiner Geliebten an ihrem ersten Paarungstag geschenkt hatte. "Vor diesem Hintergrund ist die Gesetzesvorlage zu sehen, die euer Sprecher heute zur Abstimmung vorgelegt hat. Ein Hintergrund, den ich bis zu diesem Augenblick aus Gründen der Staatssicherheit hinsichtlich des Verräters Sten geheimgehalten habe.

Der Erlaß wird der Verfolgung dieser

unschuldigen Wesen ein Ende bereiten. Ein Erlaß, der zugleich einen schwerwiegenden moralischen Schlag gegen meinen schlimmsten Feind bedeutet.

Ein Erlaß, der das anerkennt, was schon all die Jahrtausende so schmerzlich offensichtlich war. Ich habe lange Zeit über euch und eure Vorfahren gewacht. Ich habe euch ernährt und gekleidet, habe die Bedingungen geschaffen, unter denen ihr euch in Frieden entfalten konntet."

Der Kopf des Imperators senkte sich. "Ach", sagte er, "manchmal bin ich es so leid ..."

"Heil dem Heiligen Imperator!" kreischte Baseeker. "Heil, o Großer Herr!"

Die anderen Kultisten nahmen den Schrei auf:

"Heil dem Heiligen Imperator! Lobet ihn! Lobet ihn!"

Kenna stieß Walsh mit dem Ellbogen an. Noch einmal. Walshs Blick wurde etwas klarer. "Lobet ihn!" rief Kenna. Noch ein Stoß in Walshs Seite.

"Lobet ihn!" rief er wieder.

Walsh grinste ihn dümmlich an. "Lobet ihn!" rief er dann. "Lobet ihn!" Drunten in der Zuschauermenge wurden Nikolayevich und die anderen sich plötzlich der Tatsache bewußt, daß einige in nächster Nähe stehende Gestalten sie genau beobachteten.

Nikolayevich schluckte. Er wußte, daß der Stoßzahn seiner Geliebten nicht die einzige blutige Botschaft war, die an diesem Tag überreicht worden war.

"Heil dem Heiligen Imperator", stimmte Nikolayevich ein. Im nächsten Augenblick schlössen sich ihm Hunderte von Stimmen an. "Lobet ihn!

Lobet ihn!"

Der Imperator lächelte und breitete die Arme aus.

Dann machte er kehrt und rauschte mit seiner Gefolgschaft von der Plattform herab.

Er eilte den Gang entlang, nickte hierhin und dorthin, und trotz seines schnellen Schrittes sah Poyndex deutlich, wie sehr er die Rufe "Heil dem Heiligen Imperator" genoß.

Poyndex verließ die Halle als letzter. Er hörte noch, wie der Hammer des Sprechers erneut klopfte.

Dann sein Ruf: "In Sachen PB 600323, Titel Erklärung der Göttlichkeit des Ewigen

Imperators<... wie entscheiden Sie, verehrte Anwesende?

Alle, die dafür sind, rufen jetzt >Ja<!"

Ein donnerndes "Ja!" brandete auf.

Poyndex machte sich nicht die Mühe, den Aufruf für die "Neins" abzuwarten.

Sten 8 Tod eines Unsterblichen
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