20

Als Kendira die Waffe sah, die Commander Ferguson versteckt in einem Wadenholster bei sich getragen hatte, war es schon zu spät. Instinktiv wusste sie, dass sie nicht schnell genug sein würde. Was immer sie tat, sie hatte keine Chance, um Fergusons Mordanschlag auf Templeton noch rechtzeitig vereiteln zu können. Und dennoch versuchte sie es.

Eine Kette von fast gleichzeitigen Ereignissen, die alle zusammen weniger als zwei, drei Sekunden in Anspruch nahmen, setzte sich blitzartig in Gang.

Kendira wirbelte herum, stürzte auf Ferguson zu, riss in der Bewegung den Revolver hoch und drückte ab.

Auf der Bühne schrie jemand gellend eine Warnung.

Carson?

Commander Ferguson kam ihr mit seinem Schuss um den Bruchteil einer Sekunde zuvor. Die beiden Detonationen überlappten sich und klangen wie ein Doppelschuss.

Templeton taumelte im Bauch getroffen vom Pult zurück. Seine asketische Gestalt krümmte sich mit auf den Leib gepressten Händen nach vorn, auf dem Gesicht ein merkwürdiger Ausdruck, der fast einem Lächeln gleichkam.

Schrilles Angstgeschrei erhob sich im Saal.

Kendiras Kugel schlug in Commander Fergusons linker Schulter ein und warf ihn rücklings gegen die Polstersitze. Doch noch im Fallen feuerte er einen zweiten Schuss auf den Primas ab. Die Kugel schlug in dessen linken Oberschenkel ein. Mit einem erstickten Aufschrei knickte Templeton ein, als hätte man ihm plötzlich den Boden unter den Füßen weggezogen, und er kippte neben dem Pult vornüber auf die Bühnenbretter. Sein Kopf schlug hart auf. Blut tränkte sein weißes Gewand, sickerte unter seinem Körper hervor und bildete rasch eine dunkle Lache um seine rechte Hüfte.

Jemand schrie mit sich überschlagender Stimme: »Sie bringen uns um! Sie bringen uns alle um!«

Scalper Skid, der Jedediah auf die andere Seite der Bühne gefolgt war, riss eine Nahkampfwaffe aus seinem Ledergürtel und schleuderte sie mit einem lästerlichen Fluch auf den Commander hinunter.

Es gelang Ferguson, noch ein drittes Mal abzudrücken. Aber da hatte sich Kendira schon auf ihn geworfen und ihm die Revolverhand nach oben geschlagen. Das Geschoss ging hoch über die Köpfe der Oberen hinweg, traf eines der Rundbogenfenster und ließ die große Glasscheibe unter lautem Bersten zu Bruch gehen. Ein Scherbenregen ging über die Plattform vor dem Portal und die Freitreppe nieder.

Pulverdampf stach Kendira in Augen und Nase.

»Kendira!«

Etwas flog so haarscharf an ihrem Kopf vorbei, dass sie einen Windzug auf ihrer rechten Wange spürte, und dieses Etwas versenkte sich nur zwei Handbreit von ihrem Gesicht entfernt in den Hals von Commander Ferguson.

Es war eine Streitaxt, die den Guardian mit so viel Wucht traf, dass die rasiermesserscharfe, sichelförmige Klinge ihm fast den Kopf vom Rumpf trennte. Eine Blutfontäne schoss aus der Wunde und ergoss sich über die Master in der zweiten Reihe. Sein Körper erschlaffte mit einem fürchterlichen Gurgeln und sackte im Sessel zusammen.

Schreie.

Kendira rutschte von Ferguson.

Noch mehr Schreie.

Jemand packte sie von hinten, zerrte sie vom toten Commander weg und zog sie wieder auf die Beine.

Benommen starrte Kendira auf den Toten. Er gab ein Bild des Grauens ab.

Scalper Skid brüllte etwas in den Saal. Keiner saß mehr auf seinem Sitz. Es wogte in den Reihen.

Von der Bühne kam das rasende Tackern eines Sturmgewehrs, aus dessen Lauf eine Salve von mindestens acht, neun Geschossen jagte, gefolgt von einem ins Mikro gebrüllten Befehl. Die Lautsprecheranlage reagierte mit hohem Pfeifen, das in den Ohren schmerzte. Es rieselte Putz und Holzstücke von der Decke.

Die Schüsse und das Bersten der Fensterscheibe waren draußen vor der Lichtburg gut zu hören gewesen. Sie hatten eine Waldpatrouille und eine interne Streife, die sich gerade vor dem Kasernentor eingefunden hatten, alarmiert. Als die Guardians, die Waffen im Anschlag, auf die Lichtburg zustürmten, eröffneten die Mountain Men von den Dächern des Gym und des Schwarzen Würfels ohne Vorwarnung das Feuer.

Mit einer winzigen Verzögerung von wenigen Herzschlägen griffen die Guardians von den beiden Wachtürmen, die nahe der Kaserne das Westtor flankierten, in das Feuergefecht ein. Mit der Leuchtspurmunition der Nachtwachen nahmen sie die Mountain Men auf den Dächern der beiden Gebäude unter wütenden Beschuss.

Der bewaffnete Kampf um Liberty 9 hatte begonnen.

Liberty 9 - Todeszone
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