Kapitel neunundzwanzig
Derrick O’Hare saß an einem kleinen Tisch in der
Bar des Café Central und nippte an seinem eisgekühlten Chablis. Er
trug einen weißen Leinenanzug und dazu ein schwarzes Hemd. Seine
schwarzen Halbschuhe waren maßgefertigt und seine Socken hellgrün.
Modisch eine Katastrophe, die er aber ausglich, indem er großzügig
Trinkgelder verteilte. Er grinste und winkte denen zu, die an ihm
vorbeigingen. Entweder winkten sie zurück, oder sie senkten den
Blick angesichts des Kerls, der entweder betrunken sein musste oder
geistesgestört.
Es waren seine Augen, die die Leute auf diesen
Gedanken brachten. Sein Blick schien die Menschen zu durchbohren.
O’Hare wusste um diese Wirkung und nutzte sie. Er liebte es,
berüchtigt zu sein, und liebte das Geld, das er durch Nötigung und
Einschüchterung anhäufte. London war in seinen Augen ein Mekka für
Kriminelle, das er sich unbedingt untertan machen wollte. Er holte
sogar Männer aus seinen Revieren in Nottingham und Leicester, damit
sie hier für ihn arbeiteten. Er brachte sie in Bayswater unter und
hielt sie mit Vorschüssen bei der Stange, bis er sie einsetzen
konnte. Ihm war klar, dass er mit einer kleinen Armee von
angeheuerten Schlägern anrücken musste, um sich London
einzuverleiben. Eine andere Sprache verstanden die Leute hier im
Süden nicht.
Ein großer Mann kam wie ein Soldat an seinen Tisch
marschiert und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Derrick stand auf und
folgte ihm in einen kleinen Vorraum. Er grinste breit, als er den
Mann erkannte, der dort wartete.
»Docherty, du Scheißkerl! Lange nicht
gesehen!«
Eamonn erhob sich gemächlich von seinem Stuhl und
schüttelte dem Mann die Hand, mit dem er während der vergangenen
zwölf Monate wegen der IRA-Finanzen zu tun gehabt hatte.
»Wie war dein Flug?«, fragte O’Hare.
Eamonn zuckte die Achseln. »Wie immer eben. Ich bin
seit Jahren zum ersten Mal wieder zu Hause, und das ist schon
seltsam.« Besonders O’Hare wollte er nichts weiter erklären. »Und
was ist hier so los? Ich hab von allerhand Machenschaften läuten
hören.«
Derrick lachte schroff. »Ich schicke gerade ein
paar alte Bosse in den Ruhestand, das ist alles. Wird auch Zeit,
hm? Was hältst du davon, wenn wir was essen gehen und uns dabei
unterhalten?«
Eamonn, der sich inzwischen wieder gesetzt hatte,
reagierte nicht auf den Vorschlag, sondern schenkte sich einen
Scotch ein.
»Ich verzichte aufs Essen und komm stattdessen
gleich zum Geschäft, wenn du nichts dagegen hast. Der Spendenstrom
für die gemeinsame Sache versiegt immer mehr, und die Iren wollen
wissen, woran das liegt. Das will ich auch. Wir brauchen dich und
das, was du uns hier drüben anbieten kannst, klar, aber so sehr
brauchen wir dich auch nicht. Außerdem haben deine Leute in
Liverpool in letzter Zeit enttäuscht … Wir platzieren nach außen
hin ehrbare Iren in Sozialwohnungen. Diese ›Schläfer‹ leben dort
als ganz normale Bewohner, bis wir sie für unsere Zwecke einsetzen.
Sie scheinen dieser Tage aber im Koma zu liegen, denn wir haben
schon monatelang nichts mehr von ihnen oder über sie gehört! Du
hast eine Menge Geld für das Projekt eingestrichen, und anscheinend
versuchst du uns jetzt aufs Kreuz zu legen. Wir wollen wissen, was
da abläuft.«
Derrick O’Hare war kein furchtsamer Mensch, aber
die IRA machte sogar ihm Angst.
Eamonn sprach weiter, denn er wusste, dass er den
Mann verunsichert hatte, und er wollte ihn noch mehr unter Druck
setzen.
»Man hat keinen IRA-Mann hergeschickt, sondern
mich, weil ich mit meinem Londoner Akzent nicht auffalle. Aber wenn
erst einer von den hohen Tieren deinetwegen kommen muss, bist du
ein toter Mann, O’Hare. Also, wo ist das Geld, und was ist mit den
Schläfern?«
»Ich hatte ein paar Probleme. Jetzt stecke ich
mitten in einem großen Deal, um den ich mich persönlich kümmern
muss. Sobald der durch ist, bin ich wieder ganz dabei.«
Eamonn nahm eine Zeitung zur Hand und legte sie
zwischen ihnen auf den Tisch. »Wieso hast du hiervon nichts
gewusst?«
Derrick sah das Foto von zwei Männern, die aus
einem kleinen Backsteinhaus geführt wurden. Sie hatten sich die
Jacken über die Köpfe gezogen, und über dem Bild verkündete eine
fette Schlagzeile: IRA-Waffenlager in Liverpooler Sozialbau
entdeckt.
»Das war der Daily Mirror von gestern. Sogar
du müsstest davon gehört haben. Im Moment wird die Nachricht
überall ausgeschlachtet.«
Dass O’Hara verblüfft war, konnte man ihm ansehen.
Dass er tatsächlich nicht wusste, was sich auf seinem Hinterhof
abspielte, war Eamonn unbegreiflich.
»Wie gesagt, im Moment hab ich andere Sorgen«,
sagte er achselzuckend. »Außerdem hätte ich das sowieso nicht
verhindern können. Das müsstest sogar du einsehen.«
Eamonn beugte sich über den kleinen Tisch und
fauchte: »Du hättest in Minutenschnelle davon erfahren müssen. Wir
hätten Anwälte auffahren lassen und Sympathisanten aktiviert, damit
sie Korruption und Beweismanipulation bei der Polizei anprangern,
und alles Mögliche sonst noch, um uns aus der Schusslinie zu
bringen. Stattdessen mussten wir erst aus der Zeitung davon
erfahren wie jeder andere auch. Und nun hör mir zu, O’Hare, hör mir
gut zu. Es stecken schon einige mit dem Hals in der Schlinge, aber
du steckst am tiefsten drin. Die IRA jagt sogar der verdammten
Mafia Angst und Schrecken ein.
Glaub mir, ich spreche aus eigener Erfahrung. So ein kleiner
Wichser aus Liverpool wie du geht denen am Arsch vorbei.«
Derrick O’Hare tat sich schwer, diese Beleidigungen
einzustecken. Am liebsten wäre er diesem Eamonn Docherty mit seinem
hübschen Gesicht und der gepflegten Frisur an die Gurgel gegangen
und hätte ihn eigenhändig erwürgt. So pflegte er normalerweise zu
reagieren. Aber die 750 000 Pfund, die ihm die IRA gezahlt hatte,
gingen ihm nicht aus dem Kopf. Das Geld wollte er unter allen
Umständen behalten.
»So was kann eben passieren«, murmelte er wenig
überzeugend. »Die Hausdurchsuchung hätte ich nicht verhindern
können.«
Eamonn schüttelte nur den Kopf. »Du hast das viele
Geld bekommen, um bei der lokalen und der nationalen Polizei ein
Informantennetz aufzubauen. Du hättest herausfinden können, was
oben in Liverpool geplant war, und wir hätten unsere Leute über
Nacht abgezogen - bevor die Nachbarn etwas erfahren hätten, bevor
die Schmiere dahintergekommen wäre. Stattdessen fahren sie jetzt
für verdammt lange in den Knast ein. In New York wärst du für diese
Nachlässigkeit gehenkt und gevierteilt worden, und in Belfast wär
es dir nicht besser ergangen. Jetzt blüht dir dasselbe auch in
London. Denn draußen vor Tür warten ein paar Männer darauf, dich zu
deiner beschissenen letzten Ruhestätte zu begleiten.«
Er klopfte kräftig auf die Tischplatte, und zwei
kräftige Kerle erschienen in der Tür.
Vor Entsetzen klappte Derrick O’Hare der
Unterkiefer herunter.
»Ab heute bist du ein Ex-Gangster und ein
Ex-Mensch. Deine sämtlichen Besitztümer gehören uns, und alle deine
Männer sind jetzt unsere Männer.«
Derrick O’Hare, Psychopath und Gangsterboss,
starrte Eamonn Docherty an wie ein Gespenst. »Du machst
Witze?«
Eamonn lachte verächtlich. »Worüber sollte ich
Witze machen?
Du hast alles vermasselt. Und dafür musst du jetzt zahlen.«
Er verließ das Café Central am helllichten Tag,
aber Derrick O’Hare wurde eine ganze Woche lang nicht mehr gesehen.
Dann tauchten nur sein Kopf und seine linke Hand auf.
Kurz nachdem seine kärglichen Überreste entdeckt
worden waren, nahm sich Lotte das Leben.
Lee Bonham war wie immer aufgeputscht und wie
immer ungeduldig. Er wusste, was man sich auf der Straße wegen Joey
erzählte, und auch, dass von den Iren ein paar hohe Tiere in der
Stadt waren und man O’Hare aus dem Weg geräumt hatte. Er wusste,
dass er über Informationen verfügte, die nicht einmal der
britischen Regierung zugänglich waren. Eben Profiarbeit, denn den
Tipp hatte er von einem alten Kumpel bekommen, der im selben
Geschäft war.
Lee hatte eine Kardinalregel gebrochen und ein
Treffen mit seiner irischen Verbindung arrangiert, wie er Eamonn
Docherty nannte.
Sie trafen sich im Peterboat, einem kleinen Pub in
Leigh-on-Sea in Essex, inmitten von Tagesausflüglern und
Einheimischen, die beim sonntäglichen Drink zusammensaßen. Beide
waren unauffällig gekleidet und unterschieden sich nicht von den
anderen Gästen. Das, was sie sagten, hätte jedoch jedem zufälligen
Lauscher die Fassung geraubt.
»Ich musste Joey töten. Es war ein Job«, begann
Lee. »Nichts Persönliches. Wie ich höre, war er ein guter Mann.
Aber das sind sie letztlich alle. Ist eben mein Geschäft. Wenn du
je meine Dienste bräuchtest, würdest du von mir genauso
zuvorkommend bedient werden wie O’Hare. Der soll ja ziemlich vielen
auf die Füße getreten haben, sogar den Iren. Also, ich kann dir
nicht sagen, wie ich an meine Informationen gekommen bin, aber dass
du hier bist, beweist mir, dass ich richtig liege, oder? Ich hab
nämlich für Joey nie meine Kohle bekommen. Ihr habt mir
O’Hare ein bisschen zu rasch erledigt. Wie ich höre, bist du an
allem interessiert, was mit der Sache zu tun hat. Ich kann dich da
aufklären - und das kostet dich die zwanzig Riesen, die ich dafür
hätte kriegen sollen, dass ich Joey weggepustet hab. Fairer Deal,
oder nicht?«
Eamonn war beeindruckt von dem dünnen Mann. Er
wusste, dass Lee voll auf Speed war. Viele dieser Killer brachten
sich damit in Fahrt und sagten, die Droge gebe den zusätzlichen
Drive, den sie für ihren Job brauchten.
»Ich hör mir an, was du zu sagen hast, und dann
entscheide ich, ob es zwanzig Riesen wert ist, okay? Das ist mein
fairstes Angebot.«
Lee zuckte die Achseln und nahm einen großen
Schluck Bier mit Limo. Vom Speed war sein Mund trockener als die
Wüste Gobi, wie er immer zu sagen pflegte. Dann legte er los.
»Wie du wahrscheinlich weißt, hatte O’Hare es aufs
West End abgesehen und wollte deswegen Joeys Abgang. Sein Sohn
Tommy wollte hinterher natürlich O’Hare an den Kragen, aber du bist
ihm zuvorgekommen. Tommy hat aber scheinbar vergessen, dass sein
Vater für die Goldbarren-Räuber eine Menge von ihrer Beute
versteckt hatte - erinnerst du dich noch an den Coup in den späten
Sechzigern? Die Jungs von damals sind alle noch im Knast. Joey war
ein Ganove von der alten Schule. Er wusste, wo die Barren waren,
aber behielt es für sich und hat nie was abgezweigt, sondern damit
gerechnet, dass er für sein Schweigen bezahlt würde, wenn die Jungs
aus dem Bau kamen … Irgendwann hat jemand O’Hare gesteckt, dass die
Barren irgendwo lagern, und O’Hare beschließt, er will alles:
London und das Gold. Dummerweise hat er aber mich auf Joey Pasquale
angesetzt, ohne den vorher auszuquetschen, wo die Beute versteckt
ist.«
Er nahm noch mal einen großen Schluck und fuhr dann
fort.
»Der einzige Mensch, der weiß, wo genau das Zeug zu
finden ist, ist Tommy Pasquale, und der Trottel O’Hare hätte das
bedenken
sollen. Ich hab angenommen, dass Tommy am selben Tag erledigt
würde, damit Vater und Sohn aus dem Weg wären. Aber anscheinend hat
O’Hare sich dagegen entschieden. Vielleicht hat er ja Tommy für
einen kleinen Wichser gehalten, ich weiß nicht. Tommy wird übrigens
nicht begeistert sein, dass du ihm dabei zuvorgekommen bist, den
Liverpooler auszuschalten. Aber er würde wohl auch nichts dagegen
haben, dir zum Dank die Hand zu schütteln. Kann ich mir vorstellen
… Bleibt nur noch einer, der das Versteck kennen könnte, und das
ist ein Typ namens Desrae. Joey Pasquale, Ehemann und Vater, war
nämlich nach Feierabend als Schwuchtel unterwegs, und Desrae war
für ihn Freund und Freundin in einer Person. Die beiden haben
kürzlich für reiche Schwule einen Club in der Wardour Street
aufgemacht. Tommy kommt mit dem Lover von seinem Vater anscheinend
bestens aus. Sie, er oder es hat vor ein paar Jahren auch
eine Göre aufgenommen, die Cathy Connor heißt …«
»Cathy Connor? Wie sieht sie aus? Wie alt ist
sie?«
Eamonns Stimme überschlug sich beinahe. Lee Bonham
stellte sofort fest, dass er hier über eine Information verfügte,
an der sein Gegenüber äußerst interessiert war.
»Sie ist blond, um die zwanzig. Hübsches kleines
Ding, große blaue Augen und tolle Titten. Aber anschaffen tut sie
nicht, nichts dergleichen. Sie schmeißt zusammen mit Desrae die Bar
und ist absolut sauber. Für Joey war sie wie eine Tochter. Er hat
sie echt geliebt. Als wär Desrae die Mama und er der Papa gewesen.
Doch irre, hm? Aber sie haben sich gut um die Maus gekümmert. Sie
lebt mit Desrae in einer kleinen Wohnung in Soho - in der Greek
Street, glaub ich. Soll wohl im Sinn haben, auch mal die Madame zu
spielen. Lässt sich jedenfalls von niemandem was sagen.
Verständlich, wo sie doch Joey hinter sich hatte … Ich mein, der
war doch ein schweres Kaliber, äh?«
Eamonn zuckte die Achseln. Er hatte sich wieder
gefangen. »Anscheinend war O’Hare da anderer Meinung.«
Lee grinste. »O’Hares Meinung ist wohl kaum mehr
maßgeblich, oder?«
»Woher weißt du all diese Sachen?«
»Ich bin eben Spezialist. Es gibt nur wenige von
uns, und im Rahmen unserer Arbeit kommt uns so manches zu Ohren.
Ich mein, wir müssen doch verschwiegen sein wie ein Grab, oder?
Also kommt den Leuten uns gegenüber schneller was von den Lippen.
Ist schon komisch, wie sie die Morde mir und sich selbst gegenüber
rechtfertigen möchten. Ich kenne keine Loyalität, weder einem
Menschen noch einer Bande gegenüber. Ich kill jeden, jederzeit und
an jedem Ort.«
Eamonn schmunzelte. »Das behalt ich im Kopf. Und
ich sorge dafür, dass du deine zwanzig Riesen bekommst.«
Lee nickte erfreut. »Noch ein Bier?«
Eamonn schüttelte den Kopf. »Ich nehme einen
doppelten Scotch.«
»Was immer es sein darf, die Runde geht ja auf
dich«, scherzte der Auftragskiller. »Ich geh erstmal pissen.«
Jetzt musste Eamonn wirklich lachen. Er ging an den
Tresen und bestellte. Er mochte Lee Bonham - der Mann war von
geradezu erfrischender Ehrlichkeit.
Cathy machte Desrae noch einen Kaffee und gab
einen großzügigen Schuss Weinbrand dazu.
In den Wochen seit Joeys Tod hatte Desrae zwischen
tiefster Niedergeschlagenheit und einer nicht zu zügelnden Euphorie
geschwankt, wenn er sich einredete, dass Joey gar nicht tot war.
Cathy wusste, dass erst die Beerdigung Desrae in die Wirklichkeit
zurückholen würde. Bis dahin konnte sie ihm nur zuhören und eine
Schulter zum Ausweinen bieten.
Sie hatte für ihn gekocht, ihn veranlasst zu essen
und ihn gedrängt, Make-up aufzulegen und seine Perücke zu tragen.
Polizei und Presse hatten ihn endlich in Ruhe gelassen, und Tommy
sorgte dafür, dass sie niemand sonst belästigte.
Die Leute meinten es ja gut, aber immer wieder
zuhören zu müssen, wie sie sich in Lobhudeleien über Joey ergingen,
belastete Desrae, der Joey aufrichtig geliebt hatte.
Es klingelte an der Tür, und beide schreckten
auf.
»Hör gar nicht hin. Die verschwinden schon wieder.
Und den Hörer lassen wir neben dem Apparat liegen.« Cathy klang
angespannt.
Länger als fünf Minuten saßen sie da und hörten auf
das beharrliche Läuten. Schließlich stand Cathy doch auf. Sie
stürmte aus dem Zimmer und verkündete: »Ich werde denen sagen, sie
sollen sich verpissen und uns zufriedenlassen!«
Als sie die Eingangstür öffnete, erblickte sie ein
Gesicht aus der Vergangenheit. Nie hätte sie es für möglich
gehalten, es noch einmal wiederzusehen.
»Hallo, Cathy, lange nicht gesehen.«
Beim Klang von Eamonns Stimme fühlte sie sich
zurückversetzt nach Bethnal Green und hörte Madge aus der Küche
rufen und zetern. Es war derselbe Eamonn, der Mann, von dem sie
geträumt hatte, den sie geliebt und dem sie als Kind vertraut
hatte.
Ihr wurde bewusst, dass sie wie Desrae nur einmal
lieben würde, und das mit Leib und Seele.
»Fragst du mich nicht, ob ich reinkommen will? Auf
eine Tasse Tee?«
Jetzt kamen ihr die Tränen. Sie warf sich in seine
Arme. Als er sie festhielt und ihr tröstliche Worte ins Ohr
flüsterte, kam es ihr vor, als sei sie endlich daheim angekommen.
Die bittere Trennung von damals war vergessen. Er war das letzte
Teil im Puzzle ihres Lebens, fügte sich ein neben Desrae und Joey.
Ihre erste Liebe, ihre einzige romantische Liebe, ihr
Seelenverwandter. Alles, was er getan hatte, war wie weggewischt,
als sie seine Stimme hörte. Sie beide gehörten zusammen.
Eamonn lächelte, und um Cathy war es
geschehen.
Als sie zurücktrat und ihn mit Blicken verschlang,
registrierte
sie als Erstes, dass er rundherum Mann geworden war, und als er
sie berührte, war sie nur noch Frau. Diese Wirkung sollte er in den
kommenden Jahren behalten. Cathy sah Eamonn wie durch eine rosarote
Brille und war doch auch geblendet. Nichts und niemand sollte je
wieder vergleichbare Gefühle in ihr wecken.
Als sie ihn in die Wohnung zog und die Tür schloss,
strahlte sie, und Freudentränen standen ihr in den Augen. Sie
führte ihn ins Wohnzimmer und rief aufgeregt nach Desrae. So
überwältigt war sie von ihren Gefühlen, dass sie etwas
Entscheidendes nicht bemerkte: Desrae und Eamonn empfanden spontan
heftige Abneigung füreinander. Es ging blitzschnell, aber beiden
war es von der ersten Sekunde an klar, als sie sich zu Gesicht
bekamen.
Dass etwas nicht stimmte, blieb Cathy verborgen, so
groß war ihre Freude, Eamonn wieder in der Nähe zu haben.
Wie in alten Zeiten hatte sie nur Augen für
ihn.