Kapitel siebzehn
Eamonn war kreidebleich vor Entsetzen und wusste,
dass er tief in der Patsche steckte. Seit er arbeitete, hatte er
sehr wohl gewusst, dass es eine große Dummheit sein würde, seinen
Boss zu verärgern. Jetzt hatte er nicht nur Dixon verärgert,
sondern zusätzlich den Fehler gemacht, in aller Öffentlichkeit
damit zu prahlen, dass es ihm egal war.
Eamonn wusste, dass er keine schlimmere Sünde hätte
begehen können, und verfluchte Caroline und den Alkohol, die er für
sein Dilemma verantwortlich machte. Er hatte sich vor ihr
gebrüstet, aber ohne die Drinks wäre er nicht im Traum darauf
gekommen, das zu sagen, was er ausgesprochen hatte.
Dass sein Boss nämlich ein dämlicher alter Mistkerl
sei, der verdammt viel mehr auf Eamonn angewiesen sei als dieser
auf Dixon. Diese Ansicht, übermütig und prahlerisch in einem Pub
voller Menschen verkündet, war umgehend weitergetragen und dabei
höchstwahrscheinlich auch noch aufgebauscht worden.
Eamonn wusste, dass er sich im Laufe der
vergangenen sieben Monate mit seinem lauten Mundwerk und seiner
rücksichtslosen Art eine ganze Menge Feinde gemacht hatte. Er hatte
von frühmorgens bis spätabends ohne Unterlass den harten Mann
gespielt. Das wusste er sehr wohl und kultivierte dieses Image. Er
wollte der am meisten gefürchtete Große im ganzen East End sein und
erreichte allmählich dieses Ziel. Andere Banden hatten bereits
versucht, ihn abzuwerben. Er genoss allenthalben den Ruf eines ganz
schlimmen Fingers, eines Durchgeknallten - eines Mannes, dem die
Zukunft gehörte.
Jetzt ging ihm der Arsch auf Grundeis. Beim Anblick
der beiden berüchtigten Schläger, die auf seiner Türschwelle
standen, machte er sich fast in die Hosen. Danny Dixon war so
manches, aber ein Narr war er bestimmt nicht. Nun musste er Eamonn
also kräftig die Flügel stutzen. Wenn er es nicht tat, hätte er
über Nacht seine Glaubwürdigkeit auf der Straße verloren.
Mit Angst im Bauch sah Eamonn Caroline in die weit
aufgerissenen Augen und sagte ernst: »Ich bin bald wieder
da.«
Die Schläger lachten freundlich. »Geh ruhig
schlafen, Kleines. Wir sorgen dafür, dass er heil
zurückkommt.«
Sie schaute zu, wie sie ihn mitnahmen, und vergoss
erst dann die ersten hilflosen Tränen. Eamonn war ihr Ein und
Alles, und sie brauchte ihn jetzt mehr als je zuvor, denn sie
glaubte, schwanger zu sein.
Nichts brauchte sie weniger, als dass er von Dixon
ausgeschaltet wurde, wobei »ausgeschaltet« im East End nicht
notwendigerweise getötet bedeutete. Dixon hätte ihn auch ohne
weiteres zum Krüppel machen können, und es wäre nicht das erste
Mal, dass er zu so drakonischen Strafen griff. Wenn jemand ihn um
Geld betrog, ließ Dixon dessen Finger mit einer Heckenschere kappen
oder in kochendes Wasser tauchen. Ihn verärgerte man besser nicht,
und sogar Caroline verstand, dass Eamonns Worte an Meuterei
grenzten.
Sie saß am Kaminfeuer und wartete.
Etwas anderes blieb ihr nicht.
Danny Dixon war gereizt.
Er hatte den jungen Docherty sehr gemocht und war
auch gern sein Mentor zu gewesen. Obwohl er eigentlich an niemandem
Interesse fand, hatte er sich seltsamerweise zu Eamonn spontan
hingezogen gefühlt. Nicht einmal seine eigenen Kinder, die er
natürlich liebte, hatten wirklich einen Platz in seinem Herzen
gefunden. Er hatte angenommen, dass der irische Junge deswegen so
intensive Gefühle in ihm hervorrief, weil er sich
selbst in ihm wiedererkannte. In den lebenshungrigen blauen Augen
und im arroganten Gang Eamonns hatte er sich gespiegelt gesehen. Er
war großspurig, anmaßend und hatte jede Menge Scheiße im Kopf, und
das, obwohl er gerade erst siebzehn Lenze zählte. Ja, Eamonn
erinnerte ihn so sehr an sich selbst in Jugendjahren, dass diese
Sentimentalität sein Urteilsvermögen getrübt hatte.
Schon in der Vergangenheit hatte der Junge
bisweilen leichtfertige Sprüche gemacht, aber Dixon hatte es
durchgehen lassen. Doch jetzt hatte es Eamonn zu weit
getrieben.
Dixon wusste, dass der Junge Harveys Tochter
vermöbelt hatte. Es war allgemein bekannt, dass er das Mädchen
regelmäßig verprügelte. Das behagte Danny gar nicht. Es mochte ja
sein, dass er sich in seinem Leben nicht viel zugutehalten konnte,
aber er hatte niemals je im Zorn die Hand gegen ein weibliches
Wesen erhoben, nicht einmal gegen seine Frau, die sogar den lieben
Herrgott zur Weißglut hätte bringen können, wenn ihr was über die
Leben gelaufen war.
Eamonn musste eine Lektion erteilt werden, und zwar
sehr bald.
Die Leute redeten über ihn, über das, was er gesagt
hatte und wie er es gesagt hatte. Es nervte Dixon, dass einige
seiner harten Männer sich wie die Fischweiber benahmen und sich
über den Jungen und seinen Lebensstil das Maul zerrissen und Dixon
noch andere Kleinigkeiten hinterbrachten, weil sie meinten, er
müsse davon wissen. Ihm war schon vor langer Zeit klargeworden,
dass Eamonn nicht von allen gemocht wurde. Nun, darauf gab er
nichts, denn er wusste nur zu gut, dass er selbst auch keinen
Beliebtheitswettbewerb gewonnen hätte. Seine Rolle bestand nicht
darin, gemocht zu werden, sondern andere in Angst und Schrecken zu
versetzen. Und dieselbe Rolle kam auch dem Jungen zu.
Jetzt musste Dixon ihm Angst machen, und im Moment
war ihm nicht danach.
Er hatte seine Kardinalregel gebrochen: Er hatte
Zuneigung zu einem Angestellten entwickelt.
Er ließ die kräftigen Knöchel krachen und sah sich
in dem kleinen Lagerhaus um. Es war angefüllt mit Diebesgut und
roch nach Tabak und Whisky. Er öffnete eine Kiste und zog eine
Flasche Johnnie Walker hervor. Er öffnete sie und nahm einen
kräftigen Schluck.
Seine beiden Leibwächter tauschten Blicke aus.
Danny brauchte doch wohl keinen Drink, bevor er diesen kleinen Job
erledigte? Er registrierte ihre Blicke und merkte sie sich für die
Zukunft. Diese beiden Männer waren wie alle anderen auch: Sie waren
Anwärter auf Danny Dixons Thron. Aber wie schon so viele würde er
auch diese beiden auf Vordermann bringen.
Vielleicht würde die Session mit Eamonn Junior dazu
beitragen. Er würde dem Jungen eine Lektion erteilen und eine
gehörige Abreibung verpassen. Und er würde sicherstellen, dass
diese Maßnahme sich schnell herumsprach.
Eine Abreibung würde ihn auf seinen Platz verweisen
und alle anderen ebenfalls. Zufrieden mit sich nahm er noch einen
großen Schluck Whisky. Mit dem Handrücken wischte er sich über den
Mund und brüllte seine beiden Leibwächter an: »Habt ihr alles
mitgekriegt, ihr Scheißkerle? Wie zwei verdammte Waschweiber steht
ihr da und beobachtet mich, dass euch die Augen rausfallen.«
Die beiden Männer senkten den Blick und blieben
stumm. Wenn Danny in dieser Laune war, senkte man am besten den
Kopf und hielt den Mund.
Fünf Minuten später brachten sie Eamonn herein und
sahen überheblich zu, wie er von Dixon grün und blau geschlagen
wurde. Zum krönenden Abschluss verlangte er seinen Baseballschläger
aus dem Auto und drosch so lange auf die Beine des Jungen ein, bis
er sicher war, dass sie mindestens gebrochen waren. Dann ließ er
Eamonn bewusstlos in seinem Blut auf dem
Lagerhausboden zurück und ging, etwas unsicher auf den Beinen,
nach draußen.
»Bringt ihn zum Quacksalber, und wenn er zu sich
kommt, erklärt ihm, dass es nichts Persönliches war, sondern nichts
als eine geschäftliche Maßnahme. Wenn ich von ihm höre, was ich
hören will, wartet sein alter Job auf ihn.«
Einer von den Leibwächtern nickte. Dann lud er den
Jungen hinten in einen Lieferwagen und fuhr ihn zum Arzt.
Währenddessen pfiff er zur Musik aus dem Autoradio und fragte sich,
was seine Frau ihm wohl zum Abendbrot gemacht haben mochte.
Der Freier war klein, so klein, dass sogar Cathy
wie eine Riesin wirkte. Sie reichte ihm einen Drink mit einem
Schuss Limonensirup, lächelte ihm freundlich zu und sagte, sie
werde nachsehen, ob Miss Desrae bereit sei, ihn zu empfangen. Der
Mann lächelte und zeigte dabei makellos weiße falsche Zähne und
eine kleine rosa Zunge.
Cathy ging hinüber ins Schlafzimmer und flüsterte
Desrae zu: »Es ist Mr. Middleton. Ich hab ihm einen Drink serviert
und die Jacke abgenommen. Er bezahlt mit Scheck, oder?«
Desrae, der dabei war, Strümpfe und Strumpfbänder
anzulegen, nickte. »Ja, gib ihm einen kräftigen Drink, okay? Er
lässt sich immer so verdammt viel Zeit, und das langweilt mich zu
Tode. Er fährt auf die Kleider ab, verstehst du? Sieht nichts
lieber, als wenn mein Johnny zwischen den Strumpfbändern
baumelt.«
Im Augenblick war sein Johnny in einem schwarzen
Seidenhöschen versteckt. Mr. Middleton gefiel es, diese Höschen
unter Einsatz seiner nicht so ganz stabilen Beißerchen von Desraes
Leib zu zerren.
Desrae wusste, dass er Fantasien verkaufte, und
erledigte diesen Job so gut wie jeder Schauspieler. Seine Freier
glaubten tatsächlich, dass er Spaß hatte. Und so hielt er jede
Begegnung mit einem zahlenden Kunden für einen künstlerischen
Auftritt.
Cathy ging zurück ins Wohnzimmer, wo sie, ohne
Unterlass lächelnd und plaudernd, dem Mann nachschenkte.
Mr. Middleton war ein erfolgreicher Bankier.
Außerdem war er verheiratet und hatte vier erwachsene Kinder: zwei
bereits verheiratete Töchter und zwei Söhne, dir erfolgreich in der
City arbeiteten. Seine Ehegattin war eine zierliche Frau, deren
Leben sich um ihre Familie, ums Einkaufen und Kochen drehte. Für
sie bestand ein geregeltes Sexualleben darin, es einmal alle paar
Monate hinter sich zu bringen, ob man es brauchte oder nicht. Sie
hatte nicht die geringste Ahnung, dass ihr Gatte Männer bevorzugte.
Wenn möglich, erwachsene Männer, nicht die mädchenhaften Jungs,
deretwegen so viele Männer nach Soho kamen. Er besuchte Desrae nun
schon seit fast zwölf Jahren, und sie schrieben sich sogar
gegenseitig Weihnachtskarten.
Sie waren Freunde und Vertraute, und, wichtiger
noch, sie waren Männer, die gern lachten und die Geselligkeit
liebten. Sie hatten sich bestens arrangiert.
Zwei Minuten später führte Cathy ihn durch die
Wohnung und in Desraes rosa und goldenes Schlafzimmer. Sie schloss
die Tür fest hinter sich, ging zurück ins Wohnzimmer und räumte das
benutzte Glas weg. Dienstmädchen und Zofe zu sein war der
leichteste Job der Welt, und in dem halben Jahr bei Desrae hatte
sie eine Menge gelernt. Wie zum Beispiel: Besprich niemals etwas
Persönliches mit einem Freier. Und sprich sie nie mit ihrem
Vornamen an, es sei denn, sie haben darum gebeten. Maße dir niemals
etwas an, besonders nicht bei älteren Männern. Und lasse niemals
eine Bemerkung darüber fallen, weswegen sie gekommen sind.
Die Freier wurden ausnahmslos wie geschätzte Gäste
und nicht wie zahlende Kunden behandelt. Cathy nahm das Bargeld in
Empfang, das sie Vergütung zu nennen hatte. Desrae selbst nahm die
Schecks, mit denen aber ausschließlich Stammkunden bezahlen
durften. Seine Verbindung mit Joey Pasquale machte es möglich, die
Schecks über einen von dessen
Läden in Soho laufen zu lassen, so dass Desraes Name nirgendwo
erschien.
Die Freier konnten ihren Buchhaltern die
Scheckbücher unbeschwert in die Hand drücken, ohne fürchten zu
müssen, dass jemand spitzbekam, was sie sich wirklich gekauft
hatten.
Cathy hörte herzliches Lachen aus dem Schlafzimmer
und schmunzelte. Desrae war ein echter Profi. Wenn nur ihre eigene
Mutter genug Verstand gehabt hätte, ihren Job als Geschäft zu
sehen.
Sie beobachtete durchs Fenster das Leben und
Treiben draußen auf der Straße. Die schwache Aprilsonne ließ die
Gegend freundlich erscheinen, aber bei Nacht liebte Cathy Soho am
meisten. Dann war es so bunt und so lebendig, so voller Musik und
Lachen. Sie hatte es natürlich fast nur von der Wohnung aus erlebt.
Ihr erster Ausflug auf eigene Faust war nicht sonderlich
erfolgreich gewesen, und sie wusste, dass sie noch viel zu lernen
hatte.
Sogar die Pflicht, Desraes Wäsche zu machen, hatte
ihr die Augen geöffnet, denn jedes Stück wurde ohne Rücksicht auf
Kosten oder Zeitaufwand einzeln mit der Hand gewaschen.
»Man bekommt, wofür man bezahlt«, das war ein
Lieblingsspruch von Desrae, und Cathy wurde die Wahrheit dieses
Spruchs jeden Tag aufs Neue bestätigt. Ihre eigenen Kleidungsstücke
waren sehr schön. Desrae sorgte dafür, dass sie immer so hübsch
angezogen war wie jede beliebige junge Dame aus bestem Hause. Er
hatte seine Freude daran, dass sie gut aussah, und bewunderte sie
immer wieder, wodurch sie einen Gutteil dringend benötigter
Selbstsicherheit zurückgewonnen hatte. Inzwischen fühlte sie sich
stark genug, neue Wagnisse anzugehen.
Sie musste zurück ins East End, um herauszufinden,
was mit ihrer Mutter und mit Eamonn geschehen war.
Als sie sich im Spiegel über dem Kamin betrachtete,
war sie sehr zufrieden mit ihrem Anblick. An allen wichtigen
Stellen hatte sie weibliche Rundungen bekommen, und sie sah schon
aus wie eine junge Frau von zwanzig und nicht mehr wie ein
vierzehnjähriges Mädchen. Desrae hatte ihr den Umgang mit Kosmetika
beigebracht und sie gelehrt, das Beste aus sich zu machen. Das
hatte sich unzweifelhaft ausgezahlt. Wann immer sie die Wohnung
verließ, wurde sie angemacht, was ja durchaus schmeichelhaft war.
Aber sie hätte nicht im Traum daran gedacht, sich auf Angebote
dieser Art einzulassen.
Die Zuhälter wussten alle, dass sie zu Desrae
gehörte, und behandelten sie deswegen mit großem Respekt. Cathy war
klug genug, zu wissen, dass sie auf sich allein gestellt in Soho
keine fünf Minuten bestehen könnte und dass Desrae und Joey ihr die
Eintrittskarte in das gute Leben boten, das sie inzwischen führte.
Dafür liebte Cathy ihren Desrae über alle Maßen, und zwar für seine
Freundlichkeit und deswegen, weil sie spürte, dass er dasselbe
Bedürfnis nach Liebe empfand wie sie.
Sie wusste um Desraes Befürchtung, dass sie der
Verlockung anheimfallen würde, dorthin zurückzukehren, wenn sie
erst einmal wieder im East End gewesen war. Die Menschen, die sie
dort kannte, das Leben, das sie dort geführt hatte, könnten sie von
neuem in Beschlag nehmen. Cathy wusste, dass er sich irrte, konnte
aber Desrae nicht überzeugen.
Am Samstagmorgen würde sie sich besonders fein
anziehen und ihrem alten Leben einen Besuch abstatten. Um sich zu
beweisen, dass sie alles hinter sich gelassen hatte, außer Eamonn.
Drei Tage noch bis zum Wiedersehen mit ihm. Sie wünschte sich
sehnlichst, dass er sie bewundernd betrachtete, wie es inzwischen
alle taten.
Das hatte sie verdient.
Sie nahm ihre Tasche, sah sich in der Wohnung um
und seufzte zufrieden. Alles schaute tadellos aus. Jetzt wollte sie
zum Markt gehen, um ein paar Dinge für Desrae einzukaufen, und
anschließend zum italienischen Feinkostimbiss in der Old Compton
Street, um für den gemeinsamen Lunch von der köstlichen Pasta zu
holen.
Als sie die Wohnungstür hinter sich schloss, war
sie ein glückliches Mädchen. Endlich meinte es das Leben gut mit
Cathy Connor.
Caroline war entsetzt, als sie Eamonn schließlich
wiedersah. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen,
eine Wunde am Auge war genäht, und er humpelte stark. Wenigstens
waren seine Beine nicht gebrochen, und dafür war er so dankbar,
dass er fast geweint hätte.
Als er sich vorsichtig aufs Bett niederließ, rief
sie: »Mein Gott! Wie sieht denn dein Gesicht aus!«
Eamonn schüttelte den schmerzenden Kopf. »Mach mir
einen starken Drink und halt deine dämliche Klappe.«
Caroline schenkte Eamonn wortlos einen doppelten
irischen Whiskey ein.
Verächtlich schaute er sich um. »Wie sieht es in
dieser Scheißwohnung aus? Sieh dich doch mal um! All das Geld, das
ich dir hinterherwerfe, und dann muss ich im Schweinestall hausen!«
Er kippte den Drink hinunter und schnauzte: »Mach den Dreckstall
sauber, aber zackig, Mädchen!«
Caroline, deren Streitlust die Oberhand gewann,
sagte aufmüpfig: »Was denn für Scheißgeld, Eamonn? Was du mir
gibst, geht weg für Lebensmittel und Kleidung. Ist schließlich dein
Job, alle Rechnungen zu bezahlen. Wieso warst du bloß so dämlich,
Dixon zu verärgern? Wo soll denn jetzt das Geld herkommen, hä?«
Noch während sie keifte, wusste sie, dass sie das Falsche sagte,
konnte sich aber nicht beherrschen.
Eamonns Augen wurden zu Schlitzen, und Caroline
spürte Angst in sich hochkommen. Er betrachtete sie aus dem
Augenwinkel. Von Jähzorn übermannt, hatte er nur noch das unbändige
Verlangen, auf sie einzuschlagen, sie in Grund und Boden zu
stampfen, sie völlig auszulöschen. Weil jemand ihn verletzt hatte
und er nicht ertragen konnte, wie sehr sein Stolz gelitten
hatte.
Caroline beruhigte sich und bat kleinlaut: »Bitte,
Eamonn, lass mich dich pflegen.«
Als er sich auf dem Bett zu drehen versuchte,
merkte er, dass er in diesem Zustand niemandem wehtun konnte außer
sich selbst, und so rang er sich ein Lächeln ab. »Mach sauber und
bring mir was zu futtern. Ich muss mich ausruhen.«
Caroline seufzte erleichtert, war aber auch
enttäuscht. Sie mochte es, wenn sie sich stritten. Es war aufregend
und gab ihr das Gefühl, lebendig zu sein.
»In ein, zwei Tagen bin ich wieder der Alte. Ich
brauch nur Ruhe, das ist alles«, sagte er.
Fast verschwörerisch lächelten sie einander an.
Caroline öffnete eine Suppendose und machte sich daran, die winzige
Wohnung zu säubern. Währenddessen ließ Eamonn sie nicht aus den
Augen und überlegte, wie es weitergehen sollte.
Schon morgen würde er sich aufraffen und Dixon
einen Besuch abstatten. Er würde sich entschuldigen. Er rechnete
damit, seinen Job zurückzubekommen. Wenn nicht, hätte er zumindest
die Verstimmung aus der Welt geschafft. Wenn Dixon ihn feuerte,
konnte er sich immer noch überlegen, wie und wo er weitermachen
wollte.
Er hatte jede Menge Angebote, aber er würde erstmal
ausgiebig die Lage sondieren, bevor er eines davon annahm.
Danny Dixon saß in seinem Büro und rauchte eine
Zigarre. Er hatte einen Kater, und seine Augen waren
blutunterlaufen. Die schrille Stimme und die Penetranz, mit der ihm
seine Frau den ganzen Morgen lang Vorwürfe gemacht hatte, war
seiner Stimmung auch nicht sonderlich zuträglich gewesen. Manchmal
fragte er sich, warum er sie nicht in die Wüste schickte und sich
ein junges Ding mit dicken Titten und ohne Mundwerk anlachte. Doch
er wusste sehr wohl, warum er es nicht tat. Bei all ihren Fehlern
war Jean doch ein Juwel, was seine Geschäfte betraf.
Sollte er in diesem Moment geschnappt werden, würde
Jean
das Blaue vom Himmel herunterschwören, dass er genau an jenem Tag
und genau zu der Zeit, als er angeblich seine Schandtat begangen
hatte, bei ihr gewesen war. In dieser Hinsicht war sie unbezahlbar.
Aber auch als PR-Botschafterin war sie ausgezeichnet. Sie machte im
East End ihre Runde, kümmerte sich um die Leute und lenkte seine
Aufmerksamkeit auf kleine Kabbeleien. Sie war eine ausgezeichnete
Mutter und eine gute Köchin. Und wenn er sich von Zeit zu Zeit mal
ein junges Ding gönnte, drückte sie beide Augen zu, denn sie
wusste, dass sie die Königin blieb, solange er die Krone
trug.
Die Bürotür ging auf, und er legte seine Zigarre
flink im Aschenbecher ab. Jean hatte angedroht, ihm die Hölle
heißzumachen, wenn sie ihn mit einer Zigarre erwischte.
Es war Jake Jacobs, einer seiner Männer.
»Da möchte Sie jemand sprechen, Mr. Dixon.«
Danny blinzelte ungeduldig. »Sag schon, Mann, wer
ist es? Spuck’s aus!«
Jacobs räusperte sich. »Der junge Docherty, Sir.
Möchte wohl mit Ihnen reden.«
Danny Dixon grinste. »Schick ihn rein.«
Gleich darauf humpelte Eamonn ins Büro. Dixon ließ
ihn stehen bleiben.
»Nun, was kann ich für dich tun? Als hätte ich
nicht schon längst genug getan?«
Eamonn hatte den Morgen damit verbracht, sich immer
wieder aufzusagen, was er vorbringen wollte. Aber jetzt, da er vor
dem Mann stand, der ihn so übel zugerichtet hatte, kamen ihm ernste
Zweifel, ob er sich tatsächlich die richtige Rede zurechtgelegt
hatte.
Er atmete tief durch und legte los: »Ich bin
gekommen, um mich bei Ihnen zu entschuldigen, Mr. Dixon. Der
Alkohol war es, der aus mir gesprochen hat, nicht ich. Ich weiß
nicht, was in mich gefahren war, dass ich mich so respektlos
gegenüber einem Menschen verhalten konnte, der mich immer gutherzig
und
nachsichtig behandelt hat. Ich weiß, dass ich jetzt nicht mehr für
Sie arbeiten werde, und nehme diese Strafe hin, obwohl sie mich
mehr schmerzt als die Abreibung, die ich bezogen habe. Ich fand,
ich müsste von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen sprechen, damit Sie
merken, wie ehrlich ich es meine, und um zu beweisen, wie viel mir
Ihr Wohlwollen und Ihre Freundschaft bedeuten.«
Danny Dixon war beeindruckt, nicht nur von den
blumigen Worten. Weitaus mehr beeindruckt war er davon, dass der
Junge nach einer Abreibung, die weniger robuste Männer eine Woche
oder länger ans Bett gebunden hätte, so schnell vor ihm erschienen
war. Er wusste, dass er mit seiner Einschätzung dieses jungen Kerls
richtig gelegen hatte, und das gefiel ihm besonders.
»Setzt dich, bevor du umfällst.«
Eamonn nahm betont vorsichtig auf einem Stuhl
Platz. Dixon musterte ihn eine Weile.
»Ich habe schon aus nichtigeren Gründen Leute zu
Krüppeln gemacht, Sohn. Du bist gut davongekommen, und ich hoffe,
das ist dir klar.«
Eamonn nickte heftig. »Ist es, Mr. Dixon. Ich kann
Ihnen nur danken, dass Sie so nachsichtig mit mir waren.«
Dixon lachte fröhlich. »Nun trag mal nicht zu dick
auf! Duckmäuserei passt nicht zu dir, Bursche. Also, was willst
du?«
Eamonn konnte nur mit Mühe ein Lächeln
unterdrücken. Er stellte hocherfreut fest, dass ihm wohl
tatsächlich eine neue Chance geboten wurde. Er kannte aber auch die
Spielregeln und hielt sie ein, so gut es ging.
»Ich möchte die Chance bekommen, Ihnen zu beweisen,
dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt hat. Wenn Sie
so großherzig sein könnten, mir eine zweite Chance zu geben, dann
würde niemand den Job, den Sie ihm übertragen - was auch immer es
für einer sein mag - mit mehr Respekt, mehr Aufmerksamkeit für
Einzelheiten und größerer Bereitschaft ausführen als ich.«
Er verfiel ins Schwafeln und merkte es auch, aber
er musste alles tun, die richtige Botschaft an den Mann zu bringen,
der vor ihm saß. Und unter den gegebenen Umständen tat er sein
Bestes.
Dixon sah ihn lange an, darauf bedacht, den Jungen
spüren zu lassen, welch strenge Prüfung er zu bestehen hatte. Wenn
er Eamonn wieder in seine Dienste nehmen wollte, dann durfte er
keineswegs den Anschein erwecken, als sei ihm übermäßig viel daran
gelegen.
»Lass mich darüber nachdenken. Deine Entschuldigung
ist angenommen. Ich werde dich meine Entscheidung in ein paar Tagen
wissen lassen. Und jetzt verschwinde nach Hause und erhole dich.
Ich bewundere, dass du heute gekommen bist, und das wird zusammen
mit deinen Worten in Betracht gezogen. Aber ich kann es nicht
dulden, dass jemand über mich herzieht, besonders nicht, wenn es
ein Angestellter tut. Das verstehst du doch wohl, oder?«
Eamonn nickte. Er wusste, dass er seine Sache gut
gemacht und den Mann verbal und auch mit seiner physischen Kraft
beeindruckt hatte. Er konnte nur hoffen, es so gut gemacht zu
haben, dass ihm eine zweite Chance zugestanden wurde.
Als er aus dem Gebäude humpelte, sah ihm Jake
Jacobs misstrauisch nach. Sogar er musste den jungen Scheißer
bewundern, obwohl er ihn noch nie hatte leiden können. Eamonn hatte
gnadenlose Prügel eingesteckt, war zurückgekommen und hatte um
seinen alten Job gebeten. Hut ab! Aber Jacobs hoffte trotzdem noch,
dass sein Boss diesem großkotzigen Mistkerl einen Arschtritt gab,
denn Eamonn Docherty Junior war der Ärger in Person, und Dixon
hätte das schon längst kapieren müssen.
Der Sonnabend war ein strahlender Apriltag und
versprach viel Wärme. Cathy tauschte ihren Mantel gegen ein
hellblaues Seidenkreppjackett von Biba aus. Sie sah darin sehr
hübsch aus.
Kaum war sie an der Bethnal Green Station aus dem
Taxi gestiegen, atmete sie gleich die Düfte des East End ein: das
Aroma von warmem Brot, vermischt mit dem Geruch der Fischstände.
Sie sah kleine Jungen auf dem Weg zu den Synagogen und andere, die
Reisig und Streichhölzer mit sich trugen, um Feuer zu entfachen und
am Sabbat gegen einen Penny Lichter für die orthodoxen Juden
anzuzünden. Sie sah Frauen mit Lockenwicklern unter bunten
Kopftüchern auf dem Weg zum Einkaufen auf der Roman Road und die
Straßenfeger, die Papier sammelten und Flaschen aufhoben, die vom
Fischessen am Freitagabend liegen geblieben waren.
Frohgemut schlug sie den Weg zur Vallence Road ein,
wo Madge wohnte - und blieb abrupt stehen. Sie durfte nicht zu den
ehemaligen Nachbarn gehen. Ganz bestimmt waren dort die Bullen
aufgetaucht, und noch war sie eine Ausreißerin. Also machte sie
kehrt und ging in Richtung Code Street in Shoreditch. Am besten
suchte sie Betty auf, die bestimmt über alles Bescheid wusste, was
im Moment los war, und die Cathys Besuch auf jeden Fall geheim
halten würde.
Cathy wusste, dass die Leute sie bemerken und
eventuell sogar wiedererkennen würden, aber sie wusste auch, dass
sie inzwischen kaum noch Ähnlichkeit mit der Tochter von Madge
hatte, als die viele sie in Erinnerung haben mochten.
Auf dem Weg sah sie sich immer wieder um und hielt
nach vertrauten Gesichtern Ausschau. Einige erkannte sie, ging aber
einfach weiter, denn sie wusste, wenn sie stehen bleiben und
plaudern würde, spielte sie mit dem Feuer. Die Leute im East End
waren grenzenlos neugierig. Sie durfte ihnen nichts erzählen, und
das nicht etwa, weil sie ihnen nicht trauen konnte, sondern weil
das, was sie nicht wussten, sie auch nicht in Schwierigkeiten
bringen konnte.
Wenn sie befragt wurden, konnten sie die Wahrheit
sagen: Sie hatten sie nicht gesehen.
Als sie die Treppen zu Bettys Wohnung hinaufstieg,
schlug ihr
das Herz bis zum Hals. Aber als sie geklopft hatte und die Tür
geöffnet wurde, musste sie über das verdutzte Gesicht der Freundin
ihrer Mutter lachen.
»Ich bin es, Betty. Cathy Connor.«
Bettys Miene erhellte sich. Die Frau zog das
Mädchen herein und schlug die Tür zu. Sie umarmte Cathy und drückte
sie so fest an die Brust, als sei sie ihr eigenes verlorenes
Kind.
»Ach, Schätzchen, ich bin vor Angst um dich fast
umgekommen.«
Cathy entwand sich der Umarmung und sagte
frohgelaunt: »Bekomme ich hier vielleicht auch ein Tässchen?«
Betty fasste sie an der Hand und schleifte sie mit
in die Küche, wobei sie unentwegt schwärmte, wie schön Cathy doch
aussah, wie erwachsen und wie wohlhabend. Als sie den Kessel
aufsetzte, sagte sie spitzfindig, aber auch neugierig: »Setz dich,
Kleines, und erzähl mir, was du machst, dass du so wundervoll
aussiehst.« Die Bewunderung in ihrer Stimme tat Cathy gut, aber sie
verstand durchaus, was sich hinter der Frage verbarg.
»Nun, das mach ich jedenfalls nicht, worauf
du wohl hinauswillst.«
Es sollte wie ein Scherz klingen, aber Betty hörte
sehr wohl die Untertöne heraus. Grinsend sagte die alte Dirne: »Das
will ich auch verdammt nochmal hoffen! Aber nun - was machst du
also, Liebes? Ich meine, sechs Monate lang hat niemand was von dir
gehört. Setz dich ordentlich hin, und dann erzähl mir alles, was
passiert ist.«
Cathy zog ihre Jacke aus und fing zu erzählen an,
als sie ihre Tasse Tee bekommen hatte. Zuerst berichtete sie Betty
von der Benton School for Girls, aber dann hielt sie inne und sagte
bedrückt: »Es hat keinen Zweck, Betty, ich kann mich nicht
konzentrieren, solange du mir nicht erzählt hast, was mit meiner
Mom los ist. Du bist die Einzige, die mir wirklich helfen kann. Es
tut mir so schrecklich leid, dass sie fortgebracht wurde und
ich sie nicht sehen kann. Ich mein, ich darf sie doch nicht
besuchen, oder?«
Betty nippte an ihrem Tee und überlegte, wie sie
das Mädchen am besten anlügen könnte, denn lügen musste sie auf
jeden Fall. Wenn es nach Madge Connor gegangen wäre, hätte sie
dafür gesorgt, dass dieses kleine Mädchen - na ja, dieser Tage
nicht mehr ganz so klein, musste Betty einräumen, aber immer noch
ebenso verletzlich - in der Zelle neben ihr schmorte. Sie war
nämlich überzeugt, dass Cathy sie reingerissen hatte, und wollte,
dass ihre Tochter dafür bezahlte. Es war nur dem Eingreifen von
Gates mit Hilfe von Susan P. zu verdanken, dass Madge so lange
Stillschweigen bewahrt hatte.
Wenn sie Cathy zu Gesicht bekäme, würde sie das
hübsche junge Mädchen beschwatzen, sich zu stellen und selbst die
Strafe abzusitzen. Nicht nur für den Mord an Ron, sondern auch für
den tätlichen Angriff, zu dem es bei Cathys Flucht aus dem
grässlichen Erziehungsheim gekommen war.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, erzählte Betty
dann ein Lügenmärchen, das Cathy entzückte und gleichzeitig Balsam
für ihre Schuldgefühle war.
»Deine Mom ist glücklich und zufrieden, Liebes. Ich
will nicht sagen, dass sie wirklich glücklich darüber ist,
eingesperrt zu sein, aber sie nimmt es hin, weil sie dir damit
Schlimmes erspart. Sie möchte nicht erleben müssen, dass auch du im
Knast landest. Als sie gehört hat, dass du ausgerissen bist, wollte
sie einfach nicht glauben, dass du jemanden angegriffen hast. Sie
hat sofort gesagt, dass es bestimmt die andere gewesen sein muss,
mit der du zusammen warst. Wer auch immer das war. Du kennst ja
deine Mom, Süße. Ich mein, mag sie noch so viele Fehler haben, auf
ihre Weise liebt sie dich. Jetzt weißt du Bescheid, wie’s hier
aussieht, und nun erzähl, wie es dir ergangen ist. Du siehst ja
richtig erwachsen aus, und wenn ich sagen darf, scheint es dir
prima zu gehen.«
Cathy lächelte und erzählte Betty, selbstredend in
streng zensierter
Version, alles über die liebenswerte Lady, für die sie arbeitete.
Keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass Desrae eine echte Frau war,
bereitete ihr Unbehagen, und sie kam sich treulos vor. Aber eine
innere Stimme mahnte sie, sehr vorsichtig damit zu sein, was sie
sagte. So sehr sie Betty liebte - die Dirnen schwatzten
untereinander. Wenn sie also immer noch von der Polizei gesucht
wurde, wollte sie unbedingt verhindern, dass sie dank Bettys loser
Zunge erwischt wurde.
Betty hörte schmunzelnd zu. Sie wusste genau, was
Sache war, und bewunderte Cathy für ihre diskrete
Zurückhaltung.
Schließlich fragte das Mädchen, wie es Eamonn
ergangen war, und auf diese Frage hatte Betty voller Unbehagen
gewartet. Sie hatte bereits geschildert, dass Eamonn Senior am
Abend, als Cathy und Madge in Gewahrsam genommen wurden, auf der
Polizeiwache erschienen war, und wie hilfreich er zusammen mit
Gates gewesen war. Jetzt musste sie abermals lügen, um die Gefühle
des Mädchens zu schonen.
»Oh, dem geht es prima, Kleines. Macht sich
natürlich Sorgen um dich. Hat überall und nirgends nach dir
gesucht.« Sie sah das freudige Funkeln in Cathys Augen und seufzte
innerlich. Es würde der Kleinen das Herz brechen, wenn sie erfuhr,
was Eamonn tatsächlich getrieben hatte.
Doch als sie die hübsche junge Frau so beglückt
lächeln sah, konnte Betty nicht mehr weiterlügen.
»Hör zu, Liebchen«, sagte sie, und als ihr
klarwurde, wie sehr sie Cathy verletzen würde, hätte ihre Stimme
fast versagt. »Er hat jetzt eine andere. Erinnerst du dich an
Caroline Harvey? Ihr Vater war jahrelang fort. Sitzt noch immer.«
Sie gab sich alle Mühe, leichthin darüber zu sprechen, als sei es
ganz normal. »Na ja, mit ihr läuft da wohl was, soweit ich gehört
habe.«
Die grausame Enttäuschung, die sich in Cathys
Gesicht spiegelte, traf wie ein Dolchstoß mitten in ihr Herz.
Betty nahm einen neuen Anlauf. »Bedenk doch mal,
Süße, es
sind sieben Monate vergangen. Ist doch eine lange Zeit für einen
jungen Burschen wie ihn.«
Cathy bliebe eine Weile stumm. Dann fragte sie:
»Und wo wohnt er jetzt?«
Betty schloss die Augen und antwortete
besänftigend: »Er wohnt bei Caroline. Irgendwo bei der Vallance
Road. In einer der Wohnungen vom alten Moggs.«
Cathy nickte. Dann wechselte sie das Thema und
sagte aufgekratzt: »Und wie können wir beide in Verbindung bleiben?
Ich muss doch wissen, wie es meiner Mom geht, oder?«
»Habt ihr denn kein Telefon?«
Cathy lachte herzlich. »Natürlich haben wir
eins.«
Betty steckte sich eine Zigarette an und inhalierte
genüsslich. »Gib mir die Nummer, und ich melde mich. Im Two
Puddings kannst du immer eine Nachricht für mich hinterlassen. Da
bin ich in letzter Zeit oft. Die geben mir die Nachricht weiter,
keine Bange.«
Sie plauderten noch eine Weile über Madges und
Bettys Leben ohne die beste Freundin und Vertraute. Eamonn wurde
nicht wieder erwähnt, aber als Cathy ging, wussten beide, wo sie
als Nächstes Station machen würde.