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R2 hatte sämtliche Droiden in der Produktionsanlage auf Telti abgeschaltet, mit Ausnahme derer, die keine Sprengkapsel in sich trugen. Allem Anschein handelte es sich dabei nur um die Astromecheinheiten und um 3PO. Die Astromecheinheiten verfolgten Brakiss bis zu seinem Schiff und sahen zu, wie er mit unbekanntem Ziel startete.

Der Computer enthielt keinerlei Hinweise auf Master Coles Aufenthaltsort. Also mußten 3PO und R2 die gesamte Fabrik absuchen. Sie fanden ihn schließlich in einer Droiden- folterkammer, die die Kammer in Jabbas Palast wie einen luxuriösen Massagesalon aussehen ließ. Master Cole war auf eine Bank geschnallt und nicht bei Bewußtsein.

R2 gelangte zu dem Schluß, daß Master Cole in diesem Zustand nicht in der Lage sein würde, den Frachter zu steuern. Deshalb übermittelte 3PO an alle, die ihm in den Sinn kamen, Botschaften und bat darum, sie unverzüglich abzuholen.

Er bekam Verbindung mit Lando Calrissian, der schmunzelnd erklärte, die Glücksdame verwandle sich allmählich in eine Art Raumtaxi. Aber er versprach, sofort aufzubrechen.

3PO wartete an der Seite von Master Cole. R2 hatte darauf bestanden, die gefolterten Droiden zu befreien, und schickte sie jetzt in einen Reparaturbereich, in der Hoffnung, daß sie dort einander helfen konnten. Dann machte er sich an den schrecklichen Folterwerkzeugen zu schaffen und setzte sie der Reihe nach außer Funktion.

Nachdem er gerade die Foltergeräte an Eve-9D92s Droidenkörper entfernt hatte, zuckte Master Coles Hand. 3PO beugte sich über ihn und stellte erfreut fest, daß Master Coles Augenlider zu flattern begannen. Seine Augen öffneten sich, er sah 3PO und - schrie.

R2 trillerte und rollte zu 3PO, der ein paar Schritte von Master Cole zurückgewichen war. »Es tut mir schrecklich leid, Sir. Ich bin es nur. C-3PO, zu Ihren Diensten.«

Master Coles Schrei verebbte, und er griff sich mit der Hand ans Gesicht. R2 piepste mitfühlend.

»Wir sind immer noch an diesem schrecklichen Ort?«

»Nicht mehr lange«, antwortete 3PO. »R2 hat bereits veranlaßt, daß wir abgeholt werden.«

»Brakiss?« erkundigte sich Master Cole.

»Er ist weggeflogen, Sir. Die Astromechdroiden haben ihn angegriffen, und er ist davongerannt, nachdem ich ...«

R2 trillerte.

»Äh, nachdem wir den Roten Schrecken besiegt hatten.«

»Den Roten ...?«

»Oh, das ist eine lange Geschichte, Sir, aber höchst faszinierend. Wissen Sie, nachdem ich Sie verlassen hatte ...«

»Später, 3PO.« Master Cole stützte sich auf die Ellbogen und sah R2 fragend an. »Hast du dein Problem gelöst?«

R2 pfiff bejahend.

»Oh, mehr als nur gelöst, Sir. Er hat sämtliche Sprengkapseln deaktiviert. Anscheinend hat Brakiss alle Droiden so konstruiert, daß man sie mit einem einzigen Fernschalter beeinflussen kann, obwohl ich nicht begreife, weshalb das notwendig sein sollte. Aber R2 hat mir versichert, daß das die übliche Vorgehens weise aller Droidenfabrikanten ist. Der Fernschalter erlaubt es, defekte Modelle selbst an schwer erreichbaren Orten zu deaktivieren ...«

»Kann ihn denn niemand dazu bringen, mal den Mund zu halten?« stöhnte Master Cole und wälzte sich vom Tisch, wobei er verhalten ächzte.

»Ich denke nicht, daß Sie aufstehen sollten, Sir.«

»Ich denke nicht, daß ich noch länger hierbleiben möchte. Wo ist der Frachter?«

»Wo wir ihn abgestellt haben, Sir. Aber Ihr Zustand erlaubt nicht, daß Sie das Schiff selbst fliegen. Master Calrissian wird bald hier eintreffen und uns nach Coruscant bringen.«

3PO wollte Cole beim Aufstehen helfen, aber der zuckte

zusammen.

»Haben die Ihnen sehr weh getan, Sir?«

Master Cole warf dem Protokolldroiden einen vernichtenden Blick zu. »Es war schon ein wenig mehr als ein Zwicken.«

3PO nickte. »Nun, Sir, vielleicht wäre es gut, wenn Sie sich zwei Dinge merken würden: R2 und ich haben Sie gerettet, und, wenn Sie mir meine Impertinenz verzeihen wollen, Sir, es gibt keine zwei Droiden, die einander völlig gleichen. Ich weiß, daß das viele Fühlende häufig vergessen. Aber wir sind Individuen und können das auch bleiben, wenn man unsere Gedächtnisspeicher unangetastet läßt.«

   Master Cole lächelte, »Das weiß ich, 3PO. Du hast mich bloß erschreckt, als ich zu mir kam. Und was diese andere Sache angeht, nun, im Augenblick bereitet es mir einfach Schmerzen, wenn man mich anfaßt. Aber das wird sicher bald vorbeigehen.« Er blickte auf R2 herab, der dicht neben ihm stolz auf der Stelle federte. »Ich habe von euch beiden gelernt, daß man einen Droiden nie unterschätzen darf. In der Beziehung war ich wie der Rest der Galaxis und habe euch immer als selbstverständlich betrachtet. Das werde ich nie wieder tun.«

R2 piepste vergnügt.

»Was hat er gesagt?« wollte Master Cole wissen.

»Daß Sie sich anhören, als wären Sie wieder in Ordnung.« 3POs Hand klirrte, als er sie auf R2s Kopf legte. »Wie es scheint, wird dank R2s schnellem Handeln und auf Grund meines Verhandlungsgeschicks alles wieder gut werden.«

Master Cole grinste. »Da hast du wahrscheinlich recht, 3PO. Ja, ich denke, da hast du recht.«

Mon Mothma geleitete Leia zu dem in neuem Glanz wiedererstandenen imperialen Ballsaal. Leia trug eine exakte Kopie ihres berühmten weißen Kleides, hatte aber darauf verzichtet, sich die Zöpfe um die Ohren zu kringeln. Statt dessen trug sie ihr Haar offen. Ehe sie ihre Suite verließ, hatte Han ihr lächelnd das Versprechen abgenommen, möglichst bald aus dem Senat zurückzukommen. Die Kinder sollten am nächsten Tag nach Hause kommen, und er wollte die Zeit nutzen, die ihnen bis dahin blieb.

Ihr ging es ebenso.

»Ich begreife immer noch nicht, wie Sie sie dazu gebracht haben, die Neuwahlen abzusagen«, wandte Leia sich an Mon Mothma.

Mon Mothma lächelte. »Das habe ich nicht, Leia. Das waren Sie. Sie und Wedge und Han und Luke. Wenn Sie Kueller nicht besiegt hätten, dann wäre hier bei Ihrer Rückkehr ein politisches Unwetter losgebrochen, wie Sie noch nie eines gesehen haben. Aber als klar war, daß Han mit dem Bombenattentat nichts zu tun hatte und Sie alle den wahren Täter unschädlich gemacht hatten, blieb Meido und seinen Gefolgsleuten nichts anderes übrig, als Sie zu unterstützen.«

Leia verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Aber Sie müssen doch irgend etwas unternommen haben. Als ich zurückkam, hatten Sie Meido bereits aus dem Inneren Rat entfernt.«

Mon Mothma zuckte die Achseln. »Ich habe einfach Erfahrung darin, wie man mit politischen Gegnern umgeht, viel mehr Erfahrung als Sie, Leia. Sie werden lernen müssen, wie man mit einem Gremium verfährt, das seine Geschlossenheit eingebüßt hat. Der Senat wird künftig politische Entscheidungen nicht mehr einstimmig treffen. Sie werden eine Hausmacht um sich scharen und Koalitionen eingehen müssen.«

»Mit Imperialen?« Leia überlief es kalt bei dem Gedanken.

»Mit EHEMALIGEN Imperialen, die in Wirklichkeit mit dem Imperium überhaupt nichts zu tun hatten. Sie dürfen den Leuten ihre Vergangenheit nicht in alle Ewigkeit vorwerfen. Sie sollten das besser als irgend jemand sonst verstehen, Frau Präsidentin Organa Solo.«

Worauf Mon Mothma da anspielte, hatte einiges für sich. Hans Vergangenheit war, gelinde gesagt, recht bewegt, und doch würde er eine offizielle Belobigung für seine heldenhafte Rettung der Verwundeten vom Smuggler's Run erhalten. Das gleiche galt für Lando, der sich bei Leia bereits erkundigt hatte, ob die Belobigung mit irgendwelchen finanziellen Zuwendungen verbunden war. Als sie ihm erklärt hatte, daß Dankbarkeit sich nicht in Geld ausdrücken ließe, hatte er nur finster die Stirn gerunzelt.

Sie hatte sich daraufhin bereit erklärt, die Reparaturen der Glücksdame zu bezahlen, wenn es sein mußte, aus eigener Tasche. Das war das wenigste, was sie tun konnte. Lando hatte immerhin Hunderte von Leben gerettet.

»Irgendwelche Nachrichten von Chewbacca?« erkundigte sich Mon Mothma.

Leia nickte. »Er und die Alderaan sollten jeden Augenblick hier eintreffen. Er hat eine Weile gebraucht, bis er das wilde Rudel Thernbees gefunden hatte. Offenbar waren sie aus ihren normalen Weidegründen geflohen, als die Je'har sich daranmachten, sie auszurotten. Aber Chewie konnte unser Thernbee ins Rudel zurückbringen.«

»Wenn man Ihren Worten Glauben schenken darf, war dieses Thernbee ein äußerst liebenswertes Geschöpf.«

»Es war viel zu gewaltig, um wirklich liebenswert zu sein«, widersprach Leia. »Und es hat zwei Tage gebraucht, um die Ysalamiri zu verdauen. Mara, Luke und ich steckten im Falken fest und konnten nichts anderes tun, als uns mit holographischen Spielen die Zeit zu vertreiben, während Han und Chewie sich darüber stritten, wer die Schäden reparieren sollte.«

»Irgendwie scheinen sich die beiden aber einig geworden zu sein.«

Leia grinste. »Ja, nachdem Mara gedroht hatte, sie beide zu erschießen.«

Mon Mothma lachte. Sie blieben an der Tür des ehemals imperialen Ballsaals stehen. Mon Mothma legte Leia die Hand auf den Arm. »Sie wissen sicherlich, daß einige der Senatoren den Wunsch geäußert haben, C-3PO und R2-D2 zu deaktivieren, weil sie einfach auf eigene Faust losgezogen sind. Außerdem verlangen sie, daß Cole Fardreamer unter Anklage gestellt wird. Der Diebstahl des Frachters hat eine Reihe von Senatoren aufgescheucht, die versuchen werden, dieses Thema als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.«

Leia betrachtete die verschlossene Tür. Als sie das letzte Mal in dieser Aufmachung einen Versammlungsraum des Senats betreten hatte, war sie wegen der kleinlichen Streitereien der Senatoren beunruhigt gewesen. Dann war, völlig unerwartet, die Katastrophe über sie hereingebrochen; der Bombenanschlag hatte so viele Leben zerstört und ihre Besorgnis mit einemmal belanglos erscheinen lassen.

Kueller. Sein jugendliches Gesicht würde sie in ihren Träumen länger verfolgen als seine Totenmaske - und noch länger, was er getan hatte.

Ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verwenden, hatte er zahllose Leben ausgelöscht, und der Preis des Sieges über ihn war hoch. Leia würde alles tun, wozu sie als Staatschefin fähig war, um dafür zu sorgen, daß keine weiteren Ungeheuer wie er entstanden.

Der erste Punkt auf ihrer persönlichen Tagesordnung galt den Bemühungen, zu verhindern, daß es opportunistischen Politikern auch weiterhin gelang, die Wahrheit nach ihrem Gusto zu verzerren.

»Es wird ihnen nicht gelingen, die Droiden deaktivieren zu lassen«, sagte sie. »R2 und 3PO sind Helden. Doch mir geht da einiges durch den Kopf, wie man die Droidengesetze ändern könnte. Und Cole Fardreamer wird man auch nichts anhaben. Er hat die Manipulationen an den neuen X-Flüglern entdeckt; seinem Vorschlag ist es zu verdanken, daß wir jetzt wieder zu den älteren Modellen zurückkehren. Ich werde mich um all das kümmern. Außerdem gilt es, ein paar Brücken zu bauen.«

»Das klingt nach einem anstrengenden Tag«, meinte Mon Mothma.

»Allzu anstrengend darf er nicht werden«, wandte Leia ein. »Luke bekommt heute nachmittag seine letzte Behandlung im Bactatank, und ich möchte dabei sein, wenn er aufwacht. Anschließend gehe ich nach Hause. Han bereitet heute das Abendessen zu.«

»Und keine Kinder bis morgen.«

Leia lächelte. »Man muß aus jeder Situation das Beste machen«, erwiderte sie.

»Oh, das tun Sie, Leia«, versicherte Mon Mothma.

Das Gespräch nahm Leia eine zu ernste Wendung. Sie legte Mon Mothma den Arm um die Hüfte. »Heute beginnt ein neues Kapitel«, sagte sie.

»Ja«, nickte Mon Mothma. »Und für mich ist der erste Tagesordnungspunkt, daß ich zurücktrete und Sie Ihre Position als Staatschefin wieder einnehmen.«

»Glauben Sie, die werden meine Rückkehr akzeptieren?« fragte Leia.

»Ohne eine Gegenstimme«, erklärte Mon Mothma.

Dann öffneten sie die Tür zu der provisorischen Senatshalle. Leia legte sich im Geist ihre Rede zurecht. Sie würde andere Worte finden als jene, die sie vor langer Zeit geplant hatte; diesmal würde sie von Einigkeit und Respekt sprechen. Und damit würde sie den Charakter der kommenden Sitzungsperiode des Senats bestimmen.

Und dieses Mal würde sie es richtig machen.