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Kueller war, als würde er sich durch zähen Schlamm bewegen. Die gewandte Eleganz, mit der er das Lichtschwert zu führen gelernt hatte, war dahin, als habe er sie niemals besessen. Die Kraft, die durch ihn geflossen war, seit er die Je'har getötet hatte, war plötzlich wie erloschen.

Er konnte Skywalkers Zorn nicht mehr spüren und nicht die Angst seiner Schwester.

Nicht einmal jenen seltsamen neuen Wellenschlag in der Macht, den er vor Sekunden noch wahrgenommen hatte.

Skywalker wich vor ihm zurück, und Kuellers Lichtschwert sauste auf ihn nieder. Die blitzende Klinge fuhr in die steinerne Turmmauer hinter Skywalker, ließ Funken aufstieben und jagte ein Flattern durch seinen Arm. Kueller taumelte.

Er wußte nicht, was das für ein Trick war, den Skywalker da gegen ihn einsetzte. Er konnte plötzlich nicht mehr klar denken. Es war, als hätte man ihn unter Wasser gedrückt. Die Kraft und das Selbstbewußtsein, auf die er sich gestützt hatte - sie waren verschwunden.

Dann nahm er einen gleichermaßen verwirrten Ausdruck im Gesicht Skywalkers wahr. Der Mann wirkte benommen. Auch die Art, wie er sein Lichtschwert handhabte, mutete Kueller irgendwie seltsam an.

Wenn diese Irritation nicht von Skywalker ausging, wer ...?

Kueller drehte sich um und zuckte zusammen, als er am Eingang der Ruinengasse zwei neue Gestalten stehen sah, die im Halbdunkel nur undeutlich zu erkennen waren, und als er mit der Macht hinausgriff, vermochte er sie nicht zu spüren. Hatten diese Neuankömmlinge die Veränderung bewirkt? Wer waren sie? Und was taten sie ihm an?

Skywalker wuchtete sein Lichtschwert in die Höhe, als hätte es plötzlich das Zehnfache seines Gewichts. Kuellers Schwert fühlte sich ähnlich schwer an.

Sein Plan würde scheitern. Irgendwie hatten Skywalker und seine Freunde ihm erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Zorn wallte in Kueller auf, aber auch das steigerte seine Kräfte nicht. Schreiend verwünschte er seine Gegner, Skywalker lachte.

Lachte.

Alle Vorteile, die Kueller auf seiner Seite geglaubt hatte, waren vergessen.

Er ließ das Lichtschwert fallen. Aber noch war nicht alles verloren.

Seine prallvolle Trickkiste enthielt noch eine weitere Überraschung.

Die Yavin bäumte sich senkrecht auf und sackte aus der Zangenbewegung der feindlichen Sternzerstörer.

»Ceousa! Karrde!« dröhnte Wedges Stimme über die offenen Komkanäle. »Auf die Zerstörer feuern! Jetzt!«

Die TIE-Jäger nahmen die Verfolgung seines Flaggschiffes auf, und die Zerstörer schienen den Beschuß durch seine

Leute unversehrt zu überstehen. Möglicherweise erwies sich das ganze Täuschungsmanöver als vergebliche Mühe, und er würde seine sämtlichen Schiffe verlieren.

Da ließ eine Serie mächtiger Explosionen die Yavin erbeben.

»Schadensbericht?« schrie Wedge seine Crew an.

»Nichts, Sir«, antwortete Sela.

»Das waren nicht wir«, berichtete Ginbotham. »Das war einer der Sternzerstörer.«

Wedge, der bei der Erschütterung zu Boden gegangen war, richtete sich auf und starrte auf die Taktikdisplays. Der Zerstörer, der unmittelbar über der Yavin gestanden hatte, war jetzt nur noch eine Wolke von Wrackteilen, von denen einige an ihnen vorbeitrieben; andere trafen die Überreste der Tataoine und trieben sie noch weiter aus dem Zentrum der Schlacht hinaus.

»Verbindung mit Karrde«, verlangte Wedge.

»Nicht nötig«, erwiderte Sela. »Er schießt aus allen Rohren auf die TIE-Jäger in seiner Reichweite.«'

Die A- und B-Flügler machten jetzt ebenfalls Jagd auf die TIE-Jäger-Schwärme. Und diesmal sah es so aus, als würden sie den Sieg davontragen. Schneller und schneller und immer schneller jagten sie die feindlichen Maschinen durch den Raumabschnitt.

Aber der zweite Sternzerstörer hing immer noch drohend über der Yavin. Er hatte jetzt Positionslichter gesetzt und bereitete sich offenbar auf ein Sturzflugmanöver vor.

»Verdammt«, fluchte Wedge. Er hatte endgültig genug. Das Schiff würde allein zurechtkommen. »Sela, Sie haben die Brücke.«

Wedge kletterte über umgestürzte Droiden zum Geschützstand, Er brauchte keinen Feuerleitcomputer, um diesen Sternzerstörer abzuschießen. Er hätte sich gleich selbst an eine Kanone setzen sollen.

Er enterte den Geschützstand, stülpte sich den Helm auf und schnallte sich. an. Dann packte er die Blasterkanone. Seine Mannschaft rings um ihn erhob darauf ein wildes Geschrei. In seinen Kopfhörern knisterte es, aber er achtete nicht darauf.

Dafür war jetzt keine Zeit.

Wenn der Sternzerstörer zu nahe herankam, würde das das Ende der Yavin bedeuten. Sternkreuzer waren leichter verwundbar als Sternzerstörer; es gab mehr empfindliche Stellen, die Schiffe boten daher ein leichteres Ziel. Und außerdem würden die Deflektorschilde nach derart ausgedehnten Kampfhandlungen geschwächt sein. Dazu kam noch, daß es viel schwieriger war, gegen Droiden zu kämpfen. Droiden verstanden sich besser auf Präzisionsbeschuß. Darin lag auch die Erklärung für die schnelle Vernichtung der Tatooine.

Auf Wedges Display war jetzt die Calamari zu sehen. Sie hatte Kurs auf den Sternzerstörer genommen, würde aber zu spät kommen.

   Der Zerstörer hatte unterdessen zu feuern begonnen, sämtliche Schüsse gingen in die Schilde. Die Yavin erbebte in ihren Grundfesten, und Wedge war froh, daß er angeschnallt war.

»Ausweichmanöver«, rief Sela. »Achtung ...«

Wedge riß sich die Kopfhörer herunter. Er wollte jetzt nicht an sein Kommando denken. Auch den Zielcomputer schob er achtlos beiseite. Obwohl er nicht machtsensitiv war wie Luke, konnte er doch auf ein anderes, nicht weniger bedeutsames Talent zurückgreifen: den unerschütterlichen Glauben an seine eigenen Fähigkeiten. Und er war diesem Sternzerstörer nahe genug, um sein Ziel fest ins Auge fassen zu können - und das war ein besonderer Umstand, der bei Weltraumschlachten nur selten vorkam.

Die roten Energiestrahlen sahen aus wie Blutströme, die aus dem unteren Teil des Zerstörers flossen. Unerbittlich trafen sie die Deflektorschilde. Er konnte das Angriffsmuster fast körperlich spüren und wußte genau, was das feindliche Schiff vorhatte. Seine Ziele rückten immer näher zusammen, immer näher, bis sich alle Strahlen zu einem einzigen Bündel vereinten, der die Yavin an ihrem schwächsten Punkt aufbrechen würde.

An der Schwachstelle ihrer Schutzschilde.

Es würde nur Augenblicke dauern.

Wedge umfaßte seine Blasterkanone mit beiden Händen.

Er hatte noch keinen einzigen Schuß abgegeben, und sein Gefühl sagte ihm, daß er nur einen hatte.

Die Laserbahnen des Sternzerstörers rückten immer näher zusammen. Die Männer an den Geschützständen schrien. Die Yavin würde nicht mehr lange standhalten, aber der Zerstörer befand sich immer noch nicht in der richtigen Position. Wedge hielt sein Geschütz unverwandt auf den schwächsten Punkt des Sternzerstörers gerichtet.

Das gewaltige Feindschiff füllte jetzt sein gesamtes Sichtfeld aus. Wedges Hände, die die beiden Griffe der Kanone umklammerten, waren schweißnaß. Wedge folgte der Bewegung des Zerstörers, wartete, wartete, wartete ...

Und dann fand er die richtige Position. Er spannte seine Armmuskeln, drückte ab, seine Augen folgten dem Laserblitz.

Ein langer, dünner Lichtstrahl überbrückte den Raum zwischen dem Sternzerstörer und der Yavin, ein flammendroter Pfeil vor der verschrammten weißen Außenhaut des Zerstörers. Einen Augenblick sah es so aus, als würde der Schuß von den Deflektorschilden abprallen und dann wie ein Ball in einem engen Korridor zwischen den beiden Schiffen hin- und herschießen.

Doch nichts dergleichen geschah. Der Blitz traf die schwache Stelle, die in hellem Rot aufglühte. Wedge packte seinen Helm und schrie ins Mikro: »Abtauchen! Abtauchen! Abtauchen!«

Das rote Glühen breitete sich aus, und dann war das leise Knacken einer ersten Detonation zu hören. Die Yavin tauchte unter dem Feind weg. Wedge drehte seinen Geschützsitz herum, um das Schauspiel zu beobachten.

Der Sternzerstörer explodierte: weiß und rot und gelb vor der Schwärze des Weltraums. Eine feurige Blume, ein sich ausbreitender Blitz, ein Feuer, das im Zeitraum eines einzigen Herzschlags begann und endete - wunderschön und schrecklich zugleich.

Aber die Explosion hatte kein Leben gekostet.

Wedge atmete erleichtert auf. Das Geschrei in den benachbarten Geschützständen war lauter geworden. Vermutlich hatten die Kanoniere erhebliche Schäden hinnehmen müssen, und außerdem mußten sie sich immer noch mit den TIE- Jägern auseinandersetzen.

Aber das Schlimmste war vorbei.

Diese Schlacht hatten sie gewonnen. Jetzt ging es darum, ob sie auch den Krieg gewinnen würden.