12
In dem Hangar roch es nach Öl und Metall, und das erinnerte Luke an die vielen Tage, die er auf Tatooine damit verbracht hatte, den Landgleiter seines Onkels zu reparieren. Er hatte immer großen Spaß daran gehabt, sich über irgendwelche Motoren und Aggregate herzumachen und an ihnen kleine Änderungen vorzunehmen, um sie schneller zu machen oder manchmal auch nur ihren gleichmäßigen Lauf zu verbessern.
Aber das war eine andere Welt und eine andere Zeit gewesen.
R2 glitt lautlos hinter ihm her und schloß immer dichter auf, je tiefer sie in die Wartungshalle eindrangen. Die Verwaltung hatte Luke aufgefordert, hierherzukommen, nachdem man ihm dort lediglich bestätigt hatte, daß sein X-Flügler, wie von ihm verlangt, zur Zeit routinemäßig überholt wurde.
Mit Ausnahme einiger demontierter X-Flügler war der
Haupthangar leer. R2 rollte auf die Doppeltür zum Wartungsbereich zu und pfiff.
»Schon gut, R2«, sagte Luke. »Wenn ich niemanden finde, werde ich dorthin gehen. Warten wir erst mal ab.«
Seine Geduld wurde belohnt, als kurz darauf ein junger blonder Mann - eigentlich noch ein Junge - in Mechanikerkluft aus dem hinteren Teil der Halle auf ihn zukam. Als er Luke sah, wischte er sich die Hände an einem Tuch ab, das einmal weiß gewesen war.
»Der Zutritt ist hier verboten«, rief der junge. Er war nicht viel älter als Luke zum Zeitpunkt des Todes seiner Tante und seines Onkels.
»Ich weiß«, erwiderte Luke. »Die Verwaltung hat mich hergeschickt. Allem Anschein nach arbeiten Sie hier gerade an meinem X-Flügler.«
Der junge Mann zuckte die Achseln.. »Wenn das so ist, darin ist er gerade in der Mache und wird so bald wie möglich fertig sein.«
»Er sollte aber gar nicht hier sein.«
»Das müssen Sie mit der Verwaltung ...«
»jetzt passen Sie mal auf ...« Luke trat ins Licht, und man konnte jetzt seinen wallenden Jedi-Umhang sehen. »Ich habe nicht die Zeit, mich hier von einem zum anderen schicken zu lassen. Ich brauche den X-Flügler heute nachmittag. Man hat mir gesagt, er sei völlig zerlegt ...«
»Dann werden Sie ihn erst dann zurückbekommen, wenn er fertig ist. Tut mir leid. Die hätten Sie überhaupt nicht zu mir schicken sollen.«
»Das mag schon sein«, sagte Luke. »Aber das haben sie nun mal getan. Und jetzt wollen wir sehen, ob wir diese Geschichte aufklären können, oder?«
Der Junge blickte auf. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, daß Luke vernünftig sein würde. R2 kam jetzt näher. »Ihre Astrormecheinheit hat hier übrigens nichts verloren, das wissen Sie.«
»Das weiß ich«, bestätigte Luke. »Aber ich brauche meinen X-Flügler heute. R2 ist mein Partner.«
Der Junge verzog den Mund, als ob ihn der Gedanke anwidern würde. »Und Sie wollten eigentlich gar nicht, daß Ihr X-Flügler hier auseinandergenommen wird, oder?«
»Richtig«, antwortete Luke. »Ich wollte nur eine Routineinspektion, wie ich sie jedesmal durchführen lasse, wenn ich nach Coruscant komme.«
»Haben Sie denn die Mitteilung von General Antilles nicht gesehen?«
Wedge? Was hatte Wedge mit Lukes X-Flügler zu tun? »Anscheinend nicht«, sagte Luke.
»Routineinspektionen schließen grundsätzlich die Aufrüstung sämtlicher X-Flügler auf neueste technische Standards für Jäger ein.«
»Klingt kostspielig«, meinte Luke.
Der junge Mann runzelte die Stirn. »Wo, sagten Sie, kommen Sie her?«
»Gar nichts habe ich gesagt«, erwiderte Luke. »Wo finde ich Wedge?«
»General Antilles?« Dem Jungen stand wegen Lukes Respektlosigkeit der Mund offen. »Keine Ahnung. Ich - habe nie mit dem Mann gesprochen. Kennen Sie ihn?«
Luke grinste. »Flüchtig. Wir waren in der Schlacht von Yavin im gleichen Geschwader.«
Der Junge ließ seinen Putzlappen fallen. »Entschuldigen Sie, Sir. Ich hatte keine Ahnung. Ich - äh - ich kann eine Nachricht für ihn im System hinterlegen.«
»Ich kann selbst mit ihm Kontakt aufnehmen. Wenn Sie mich jetzt zu meinem Schiff bringen würden.«
»Sir, Unbefugte haben hier keinen Zutritt.«
»Das haben wir doch alles schon einmal durchgekaut«, seufzte Luke. »Mein Name ist Luke Skywalker, Ich will lediglich sehen, in welchem Zustand sich mein X-Flügler ...«
»Luke Skywalker?« Die Stimme des jungen Mannes wurde plötzlich schrill. «Der Jedi-Ritter? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Sir? Ich hätte dann ein paar Beziehungen spielen lassen.«
»Es ist nicht Jedi-Art, sich unfair Vorteile zu verschaffen«, erklärte Luke, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Sehen wir jetzt nach meinem X-Flügler, ja?«
Der Junge schlug ein paar Tasten an seinem Computer an und wischte sich dann die Hände an seinem braunen Mechanikeroverall
ab. »Wenn Sie mir bitte folgen würden, Sir.«
Luke setzte sich in Bewegung. R2 folgte ihm.
»Vielleicht sollten Sie Ihre Astromecheinheit lieber hier zurücklassen, Sir. Die Anlagen in der neuen X-Flügler-Halle sind nicht sonderlich droidenfreundlich, wenigstens nicht für R2-Einheiten.«
»Besteht irgendeine Gefahr für ihn?«
»Nein, Sir. Das nicht. Aber die Kloperianer haben nicht viel übrig für R2-Einheiten.«
»Das ist ihm schon aufgefallen, als er das erste Mal hier war. Offenbar hat man ihn für eine Weile unter Arrest gestellt.«
»Unter Arrest gestellt?« Der Junge sah sich um, als wollte er sich vergewissern, daß ihnen niemand zuhörte. »Entschuldigen Sie, Sir, aber einen Droiden stellt man doch nicht unter Arrest.«
Offenbar fand der junge Mann Lukes Gebaren einigermaßen übertrieben. Luke faltete die Hände über seinem Gewand, so wie Ben das immer getan hatte. »Er ist mehr als bloß ein Droide«, sagte Luke. »So wie mein X-Flügler mehr ist als bloß ein taktischer Jäger.«
Die X-Flügler-Halle war vom Geruch nach Reinigungsflüssigkeit erfüllt. Rings um ein paar bereits wieder zusammenmontierte Schiffe lagen einzelne Bauteile verstreut. Die neuen Schiffe sahen irgendwie stromlinienförmiger aus. Die lange kegelförmige Nase war unverändert, aber der für die Astromechdroiden vorgesehene hintere Bereich war verschwunden.
Luke spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufrichteten. »Sagen Sie mir mehr über die Anweisung von General Antilles.«
»Die kam letztes Jahr rein, nachdem der Prototyp des neuen X-Flüglers hier eingetroffen war. Die neue Konstruktion ist im Kampfeinsatz leistungsfähiger. In ihr sind das Computersystem und die Astromecheinheit in einem System zusammengefaßt.«
»Aber das hat man doch schon vor einer Ewigkeit ausprobiert, nur um festzustellen, daß der Pilot in große Gefahr geraten konnte, wenn die Einheit beschädigt wurde.«
Der Junge zuckte die Achseln. »Das Problem ist gelöst. Die Fortschritte, die man allein in den letzten sechs Monaten in der Droiden- und Computertechnik erzielt hat, sind verblüffend. Völlig neuartige Erkenntnisse, habe ich gehört. Wo waren Sie nur, daß Sie nichts davon mitbekommen haben?«
»Auf Yavin 4«, antwortete Luke und fühlte sich plötzlich alt und von den Fortschritten der modernen Technik abgeschnitten. »Ich lehre dort.«
»Hm«, machte der Junge und führte Luke und den Droiden um einen weiteren demontierten X-Flügler herum in den hinteren Teil der Wartungshalle.
»Und Sie modifizieren jeden einzelnen X-Flügler auf diese Weise?« fragte Luke.
»Ja, Sir. Wir haben ähnliche Systeme auf anderen Sternjägern eingebaut.« Die Begeisterung, die der Junge ausstrahlte, nahm Luke für ihn ein. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er sich selbst einmal für neue Technologien begeistert hatte.
»Und wie kann sich die Republik das leisten?«
Der Junge zuckte wieder die Achseln. Finanzierung war ganz offensichtlich nicht sein Spezialgebiet. »Das weiß ich nicht, Sir. Aber wir machen das jetzt schon seit über einem Monat. Wir haben alle Hände voll zu tun, das kann ich Ihnen sagen. Seit das angefangen hat, habe ich nur einen freien Tag gehabt.«
Er blieb vor einer Montageplattform stehen. Der X-Flügler darauf war kaum mehr als Sternjäger zu erkennen. R2 stöhnte leise, als würde er einen sterbenden Freund beklagen.
Luke hatte Mühe, seine Verärgerung zu zügeln. »Wie lange dauert es, bis das Schiff wieder zusammengebaut ist?«
»Sir?« Der Junge wirkte verstört.
»Ich brauche es heute nachmittag. Ist das möglich?«
»Die haben gerade mit dem Computersystem angefangen, Sir. Das wird frühestens morgen fertig. Vielleicht sogar noch später.«
»Dann will ich nicht, daß die Umbauten durchgeführt
werden«, sagte Luke. »Wie lange dauert die Montage, wenn man das Schiff wieder so zusammenbaut, wie es war?«
»Das geht leider nicht, Sir. Befehl von General Antilles. Er sagt, die alten X-Flügler sind nicht mehr stabil genug für den Weltraumeinsatz.«
»Meiner schon«, versetzte Luke. »Ich verlange mein Schiff unverzüglich zurück.«
»Lut mir leid, Sir.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Luke und spürte jene unvermeidbare Aufwallung von Gereiztheit in sich aufsteigen, die ihn jedesmal überkam, wenn er seinen hohen Rang ausspielen mußte. »Ich muß so schnell wie möglich zu einer diplomatischen Mission für meine Schwester Leia Organa Solo, die Staatschefin, aufbrechen - und zwar mit meinem X-Flügler. Ich brauche ihn heute nachmittag.«
Der Junge warf einen prüfenden Blick in die Eingeweide des Schiffes. »Es tut mir wirklich leid, Sir. Aber man hat bereits den Gedächtnisspeicher und die Astromechbuchse ausgebaut. Die Einfassung ist noch da, aber die Verbindungsstücke fehlen. Und normalerweise werden die ausgebauten Teile sofort recycelt.«
»Die Speicherchips habe ich hier. Meine R2-Einheit hat sie vor einer Weile mitgenommen.«
Der Junge rang die Hände. »Sir, wenn Sie einen Blick hineinwerfen wollen ...«
Genau das hatte Luke eigentlich nicht tun wollen. Er hatte Angst, das Wrack eines alten Weggefährten vorgeführt zu bekommen. Er kletterte auf die Montageplattform und sah hinein. Der gesamte Astromechbereich war zerlegt worden. Obwohl Luke seit der Schlacht von Endor nicht mehr eigenhändig an einem X-Flügler gearbeitet hatte, erkannte er doch, daß die Maschine bereits zur Hälfte umgerüstet war.
Er strich liebkosend mit der Hand über den Rumpf des X-Flüglers, und R2 gab einen weiteren Klagelaut von sich. »Bauen Sie alles wieder so zusammen, wie Sie sie es vorgefunden haben«, wandte Luke sich an den Jungen.
»Aber, Sir ...«
»Ich bringe das mit General Antilles in Ordnung. Sehen Sie nur zu, daß ich meinen X-Flügler wiederbekomme.«
»Sir, bis zu dem Zeitpunkt, da Sie ihn brauchen, schaffen wir das unmöglich.«
Luke nickte. »Das ist mir jetzt auch klar. Besorgen Sie mir einen älteren X-Flügler, einen, den Sie nicht aufgerüstet haben, dann werde ich die Speicherchips selbst einbauen. Für diesen Einsatz muß das eben reichen.«
Der Junge wirkte jetzt aufrichtig deprimiert. »Es tut mir leid, Sir. Wir demontieren die X-Flügler sofort, wenn sie hier ankommen. Das ist die bequemste Methode. Wir haben keine einsatzbereite Maschine hier, die Sie verwenden könnten.«
»Aber es muß doch auf Coruscant ...« Luke verstummte, als er den Gesichtsausdruck des Jungen sah. Daß etwas in der Neuen Republik glatt lief, gab es einfach nicht. Und wenn es das tat, ließ der Haken nur bis zum Ende auf sich warten.
»Ich kann Ihnen einen Ersatz-X-Flügler geben«, sagte der Junge. »Aber das ist dann einer von den neuen. Ihre Chips funktionieren da nicht, und Ihre Astromecheinheit auch nicht.«
»Wird R2 in den neuen X-Flügler passen?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nein, der ist eindeutig nur für eine Person konzipiert.«
Luke seufzte. Ihm gefiel diese Situation ganz und gar nicht. Er wollte einen schnellen Sternjäger, einen der entsprechend leistungsstark war und es ihm erlauben würde, unbemerkt einen planetarischen Verteidigungsschirm zu durchdringen. Natürlich könnte er ein größeres Schiff nehmen - wahrscheinlich würde ihm Leia die Alderaan überlassen -, aber das erforderte dann auch mehr Mannschaft als lediglich R2. Außerdem würde er auffallen, wenn er auf der Alderaan durch die Galaxis reiste, und er würde erklären müssen, weshalb Leia nicht bei ihm war. Han war bereits mit dem Falken abgeflogen. Und alle anderen Schiffe trugen die Hoheitszeichen der Neuen Republik.
»Sie werden mit meiner Astromecheinheit zusammenarbeiten«, entschied Luke. »R2-D2 kennt diesen X-Flügler besser als irgend jemand sonst, ich möchte, daß er fertig ist, bis ich zurückkehre.«
R2 zirpte klagend.
Luke legte dem kleinen Droiden die Hand auf den Kopf. »Tut mir leid, alter Freund. Ich denke, diese Sache duldet keinen Aufschub. Ich verlasse mich darauf, daß du dafür sorgst, daß der X-Flügler repariert wird.«
R2 winselte.
»Und ich werde Leia, 3PO und Wedge darüber informieren, daß du hier bist. Es wird dir nichts passieren.« Dann sah Luke den Jungen an. »Oder?«
»Er ist eine überholte R2-Einheit, Sir. Sie ...«
»Nein«, fiel Luke ihm ins Wort. »Er ist ein Held der Rebellion. Weder Leia noch ich wären ohne diesen kleinen Burschen hier heute noch am Leben. Sie werden ihn genauso behandeln, wie Sie mich behandeln würden.«
»Sir ..."
»Wie heißen Sie, junger Freund?«
Der Junge holte tief Luft. »Cole Fardreamer.«
Der Name gab Luke einen Stich. »Sie stammen von Tatooine?«
Der Junge nickte. »Ich bin mit Geschichten über Sie aufgewachsen, Sir, Geschichten darüber, wie großartig Sie sind und daß Sie einmal ein Feuchtfarmer waren. Ich bin überhaupt nur Ihretwegen hier.«
Luke war die Vorstellung fremd, daß er so etwas wie ein Vorbild sein könnte. Er wäre am liebsten einen Schritt zurückgewichen. »Und jetzt arbeiten Sie an X-FIüglern.«
»Na ja, irgendwo muß man ja anfangen.«
Luke nickte. »Richtig.« Er atmete tief durch. »Passen Sie gut auf meinen X-Flügler und meine R2-Einheit auf. Sorgen Sie dafür, daß den beiden nichts passiert. Wenn ich zurückkomme, möchte ich, daß beide intakt und einsatzbereit sind.«
»Wenn Sie wollen Sir, ist der X-Flügler morgen um diese Zeit fertig.«
Luke sah den Jungen prüfend an. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß Cole sich mit ganzer Kraft einsetzen würde. Aber das würde nicht reichen. »Wenn es ginge, würde ich so lange warten«, sagte Luke dann leise. »Aber ich habe das schlimme Gefühl, daß mir die Zeit zwischen den Fingern verrinnt.«
Smuggler's Run hatte sich auf den ersten Blick kein bißchen verändert. Der Run war ein Asteroidengürtel, der im Lauf der Jahre zum Zufluchtsort für Flunderte von Schmugglern geworden war. Der Zugang zum Run war ziemlich kompliziert, und Han wunderte sich selbst darüber, daß er sich nach all den Jahren noch daran erinnerte.
Aber das tat er. Er landete den Falken auf Skip 1, dem fünfunddreißigsten Asteroiden im System, der als erster besiedelt worden war. Skip 1 hatte sich immer am besten für menschliches Leben geeignet und war ausnehmend gut geschützt. Die eigentlichen Schlupfwinkel befanden sich tief im Innern des Skip und waren vor Jahrhunderten von Lebewesen aus dem Stein gehauen worden, an die Han lieber nicht denken wollte. Als er und Chewie durch die alten, vertrauten Gänge in die Tiefe kletterten, erinnerte er sich ganz deutlich an das beklemmende Gefühl, das er damals empfunden hatte. Für ihn hatte es immer eine enge Beziehung zwischen diesem Gefühl des Eingesperrtseins und dem Gefühl, auf der Flucht zu sein, gegeben. Aber jetzt war er nicht auf der Flucht, und doch stellte sich das bekannte Unbehagen ein.
Chewie knurrte.
»Ja-ah«, sagte Han. »Man hätte meinen sollen, daß sie dieses Gestanks inzwischen Herr geworden wären.«
Die Gänge rochen nach Schwefel, ranzigem Fett und verfaulendem Fleisch. Auch dieser Gestank hatte immer zum Run gehört. Chewie beklagte sich jedesmal darüber, wenn sie hierherkamen.
Der Geruch ging von einem grüngelben Schlamm aus, der in der Mitte der Gänge bis in die zentralen Handelsbereiche floß. Als Han das erste Mal in den Run gekommen war, war er dort selbst Zeuge des ersten und bislang einzigen Versuches geworden, diesem Schlammfluß Einhalt zu gebieten. Ein Bothaner hatte sich damals in den Kopf gesetzt, das Zeug am Ursprungsort einzudämmen. Das tat er, und unmittelbar darauf wurde Skip 1 von dem größten Erdbeben seiner Geschichte durchgeschüttelt.
»Der Felsbrocken hat Blähungen«, hatte der Bothaner erklärt. »Entweder lassen wir zu, daß es hier stinkt, oder Skip 1 zerspringt in tausend Stücke.«
Die Schmuggler entschieden sich schließlich dafür, mit dem Gestank zu leben. Sie hatten in der ganzen Galaxis kein besseres Versteck gefunden.
Und auch keine Basis, die sich besser verteidigen ließ. Hart wußte ganz genau, daß der Falke von dem Augenblick an, da er sich dem Run näherte, schart beobachtet worden war. Was er nicht erwartet hatte, waren die bewaffneten Wachen am Ende des Gangs.
Fünf an der Zahl, alles alte Freunde.
Chewie brüllte empört. Han legte seinem Freund beruhigend die Hand auf den mit dichtem Fell bedeckten Arm. Er musterte die Gruppe. Kid DXo'In, inzwischen völlig kahl, hatte Han zum ersten Mal nach Kessel mitgenommen; Zeen Afit, dessen von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht jetzt noch mehr Falten aufwies, als Han in Erinnerung hatte, war derjenige, der Han und Chewie das erste Mal in den Run gebracht hatte; Sinewy Ana Blue, schöner und verführerischer ais je zuvor, hatte die Sabaccspiele geleitet, in denen Han eine Menge Kredits gewonnen hatte; Wynni, die Wookiee, die Chewbacca bei dessen ersten Besuch auf Skip 1 zu verführen versucht hatte, sah noch ganz genauso aus wie damals; und Seluss, der Sullustaner, der gewöhnlich mit Jarril unterwegs war, fuchtelte mit seinem Blaster herum, als könnte er es gar nicht erwarten, ihn auch zu benutzen.
Han streckte beide Hände aus. »Begrüßt man so einen alten Kumpel?«
»Du bist kein Kumpel, Solo«, antwortete Sinewy Ana Blue.
»Wie lang wird es denn dauern, bis deine Freunde von der Neuen Republik hier erscheinen, um uns zu verhaften?« wollte Zeen Afit wissen.
»Habt ihr denn etwas Verbotenes getan?« fragte Han.
Wynni knurrte.
»Man darf doch wohl noch eine bescheidene Frage stellen«, konterte Han.
»Nicht, wenn man die Antwort darauf schon weiß«, sagte Kid DXo'In.
Chewies Armmuskeln spannten sich. Han ließ sein Fell nicht los.
»Wenn die Republik es auf den Smuggler's Run abgesehen hätte, hätte sie schon längst etwas unternommen.«
Seluss' Mausohren schoben sich nach vorn. Er gab ein paar zirpende Laute von sich.
»Ja, ist schon recht«, sagte Han. »Als ob für Typen wie euch eine Art Hitliste existierte. Du überschätzt deine Wichtigkeit, Seluss, findest du nicht auch?«
Wynni stieß ein brüllendes Knurren aus. Chewbacca grollte zurück.
»Hör auf, Chewie!« zischte Han. »Die persönlichen Dinge wollen wir mal außer acht lassen.«
Chewie grummelte. Han konnte verstehen, daß er verstimmt war: Wynni hatte gegen jeden Verhaltenskodex verstoßen, der den Wookiees heilig war - sie hatte ihre Familie verlassen und zwei Lebensschulden nicht eingelöst und sich ganz auf ihre Schmugglerlaufbahn konzentriert -, aber Han war jetzt nicht daran interessiert, alte Wunden aufzureißen. Ganz besonders nicht, da er und Chewie deutlich unterlegen waren.
»Die persönlichen Dinge gehören aber dazu«, widersprach Kid. »Du hast uns vor langer Zeit verlassen und kein Recht, hierher zurückzukommen.«
»Ich habe dasselbe Recht wie du«, brauste Han auf. »Und seit wann ist es denn ein Privileg, hier im Run zu sein? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die meisten von uns nicht schnell genug wegkommen konnten.«
»Der Run hat sich verändert«, sagte Blue.
»Aber riechen tut es hier noch genauso«, murmelte Han.
Sie bewegten sich auf ihn zu. Zeen stupste Han mit seinem Blaster an. Chewie knurrte erneut. Wynni fuchtelte mit ihrer Armbrust herum.
»Was? Ihr wollt mich wohl in den Falken zurückdrängeln?
Oder mich hier an Ort und Stelle niederschießen?« Han packte Seluss' Blaster und zog den kleinwüchsigen Humanoiden zu sich ran. »Ich bin hier auf Einladung deines Partners, Kumpel. Willst du ihn holen?«
Seluss ließ den Blaster los und zwitscherte laut und verärgert. Han hob wie zur Abwehr die rechte Hand - die ohne Blaster.
»Heh, woher sollte ich denn wissen, daß er nicht hier ist? Ich dachte, er würde sich sofort auf den Rückweg machen.«
Seluss stieß Han erneut an und gab dabei immer noch schrille Laute von sich. Wenn man bedachte, daß der Sullustaner Han gerade bis zur Hüfte reichte, stieß er erstaunlich fest zu.
Chewbacca knurrte, packte Seluss am Kragen und hob ihn in die Höhe.
»Laß ihn runter, Chewie. Er ist bloß sauer.«
»Und dazu hat er auch allen Grund«, sagte Zeen. »Jarril ist hier weggegangen, um dich zu besuchen, und seitdem nicht zurückgekommen. Und jetzt bist du hier.«
Seluss gab keine Ruhe. Er fuchtelte jetzt wie wild mit den Armen und Beinen herum. Chewie hielt ihn am ausgestreckten Arm von sich weg. Seluss sah aus wie eine aufgebrachte Maus.
»Ihr kennt mich. Ich lege keinen rein und bringe niemanden kaltblütig um.« Han wurde allmählich ärgerlich. »Ich bin gekommen, weil Jarril mir erzählt hat, daß es Ärger gibt.«
»Du bist gekommen, weil Jarril dir etwas von dem Geld gesagt hat«, meinte Kid DXo'ln.
Wynni stieß einen warnenden Klagelaut aus.
Han wölbte die rechte Augenbraue. »Zuerst bin ich ein Feind des Run, und dann bin ich hinter eurem Geld her? Was denn noch?«
Chewie bellte leise.
»Nein, »paranoid« ist nicht der passende Ausdruck dafür«, sagte Han. »Was habt ihr Typen eigentlich zu verbergen7«
»Seht ihr?« rief Zeen. »Ich habe euch ja gleich gesagt, daß die Neue Republik ihn geschickt hat."
Sinewy Ana Blue stieß Zeen mit dem Ellbogen an. »Seine Frage ist berechtigt. Laß Seluss runter, dann reden wir.«
Chewie schüttelte den Kopf. Seluss versuchte, nach ihm zu schlagen, womit er aber lediglich erreichte, daß Chewie ihn noch fester am Kragen gepackt hielt.
»Laß ihn runter, Chewie!« befahl Han.
Chewie jaulte.
»Ich habe gesagt, du sollst ihn runterlassen.« Han hatte wirklich keine Lust, sich mit allen anzulegen.
Chewie hielt Seluss über den grünen Schlamm und ließ ihn fallen. Seluss stieß einen Schrei aus, ein ohrenbetäubendes Pfeifen, das die Wookiees dazu veranlaßte, die Hände auf die Ohren zu pressen. Seluss landete im Schlamm, der nach allen Seiten davonspritzte. wobei sich der Gestank noch verstärkte. Han fuhr zurück, und die anderen Schmuggler wischten wütend an sich herum, um das grüngelbe Zeug loszuwerden.
Seluss sprang aus dem Schlamm heraus und griff nach Hans Blaster.
»Heh!« schrie Han.
Chewie wollte den Blaster ergreifen, war aber zu langsam.
Seluss feuerte.