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Die beiden Sternzerstörer steuerten immer noch auf die Yavin zu. Die Wild Karrde feuerte aus allen Rohren, ebenso wie die Calamari, aber ihre Schüsse verfehlten die verwundbare Stelle und prallten von den Deflektorschilden ab.
»Sir«, sagte Ean. »Sie kommen direkt auf uns zu.«
Wedge beobachtete sie mit immer noch ineinander verschränkten Händen. Er hatte das Leben so vieler Menschen auf eine unsichere Karte gesetzt, aber wenn er weiter den standardisierten Angriffsmustern folgte, würden alle sterben. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
»Sir«, meldete sich Sela zu Wort. »Wenn sie zu nahe herankommen, werden wir ihre Schwachstellen nicht treffen können. Unsere Nahbereichswaffen verfügen nicht über genug Energie ...«
»Das ist mir klar«, erwiderte Wedge. »Ich möchte, daß Sie wieder auf die Calamari schießen.« Er wollte nicht länger auf die Wild Karrde schießen, weil er Angst hatte, der Schmuggler würde sie dann nicht weiter unterstützen.
Laserblitze schössen an der Calamari vorbei, und die TIE- Jäger in der Nähe fielen in den Beschuß ein. Als die Energiestrahlen die Deflektorschirme der Calamari trafen, konnte man sehen, wie ein Zittern durch den Schiffskörper lief. Wedge konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob die Feuerstöße von der Yavin wirklich ins Leere gingen.
»Sie befinden sich jetzt gerade noch außerhalb der Reichweite unserer Nahbereichswaffen, Sir. Wenn wir schießen wollen ...«
»Wir werden nicht schießen«, erklärte Wedge. Seine Hände waren eiskalt; die Stille in der Kommandozentrale war furchteinflößend. Selbst Karrde hatte aufgehört, ihn über Kom zu verfluchen. Die Besatzungen der übrigen Schiffe dachten wahrscheinlich, er wäre bereits gefallen.
Die Sternzerstörer füllten jetzt die transparente Kuppel über ihm aus; an ihren Unterseiten waren deutlich die Brandspuren von altem Blasterfeuer zu erkennen, ihre weißen Linien waren von Rost gesäumt.
»Sir, ich denke, mit unseren Nahbereichsjägern ...«
»Nein«, beharrte Wedge. »Ean, gehen Sie zu den oberen Geschützstellungen und bringen Sie dort Männer an den Blaster-kanonen in Stellung.«
»Wir könnten die Droiden wieder aktivieren, Sir.«
»Nein. Hier geht es um Präzisionsbeschuß. Sämtliche Piloten von A-Flüglern sowie der alten X-Flügler sollen ebenfalls da rauf.« Wedge hätte selbst gehen sollen, doch wollte er nicht darauf vertrauen, daß die Kommandocrew während seiner Abwesenheit weiter seine Befehle befolgte. Die Mannschaft bewegte sich schon jetzt hart an der Grenze zur Meuterei. Wenn er sie jetzt verließ, würde sie seinen Plan zum Scheitern bringen.
»Sie sind genau über uns. Wenn sie jetzt feuern, halten unsere Schilde nicht stand.« Er sah, daß der Mann, der das gesagt hatte, am ganzen Leib zitterte.
»Sie werden nicht feuern«, versicherte Wedge ihm. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn die Schützen ihre Posten eingenommen haben.«
Die Sternzerstörer wirkten gewaltig, sowohl auf den Bildschirmen als auch durch das durchsichtige Kuppeldach betrachtet. Die TIE-Jäger hatten sich unterdessen zum Angriff auf die Wild Karrde und die Calamari neu formiert. Beide Schiffe erwiderten das Feuer und holten in rascher Folge TIE- Jäger vom Himmel. Die verbliebenen B-Flügler griffen die TIE-Jäger immer wieder an, aber deren Bewaffnung war ihnen einfach überlegen. Das Gemetzel ging weiter.
»Sir?« sagte Sela. »Die Sternzerstörer. Sie nehmen uns in die Zange.«
»Werden sie schießen?« fragte Wedge.
»Nein, Sir.« Selas Stimme klang verblüfft. »Ich meine, sie flankieren uns -- so wie wir es mit ihnen tun würden.«
Wedge grinste. Er hatte richtig vermutet. Die feindlichen Schiffe wurden von Droiden gelenkt. Und da sein Verhalten für einen Befehlshaber der Neuen Republik unlogisch war, nahmen sie an, daß er einer der ihren sein mußte.
Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Wenn ihn jetzt nur sein Glück nicht verließ ...
»Sind die Kanoniere in Stellung?« fragte Wedge.
»Ja, Sir.«
Er eilte zur Feuerleitkonsole und markierte einen Punkt auf der Zielerfassung. »Sie müssen exakt diesen Punkt treffen«, sagte er. »Keinen anderen. Ist das klar?«
»Exakt diesen Punkt.«
»Die Schützen haben nur eine einzige Chance, jeder einzelne von ihnen. Wenn sie Mist bauen und nur die Schilde treffen, werden diese Schiffe ihr Feuer auf uns konzentrieren.« Wedge stand hochaufgerichtet da, und sein Herz schlug wie wild. »In dem Augenblick, in dem die Blasterkanonen feuern, schalten Sie mir einen offenen Kanal zur Calamari und zur Wild Karrde, anschließend kippen wir die Yavin um die Querachse. Ist das klar?«
»Ja, Sir.«
»Gut.« Wedge blickte auf. Außer der Unterseite eines der Sternzerstörer war durch die Kuppe! nichts mehr zu erkennen.
Alles oder nichts. Er hatte, auf eine bloße Vermutung hin, alles auf eine Karte gesetzt.
Er atmete tief durch und befahl: »Feuer!«
Luke hob sein Lichtschwert, sein Herz raste. Er griff mit der Macht hinaus, kehrte zu dem Ort zurück, den er aufgesucht hatte, als er das erste Mal gegen Exar Kun gekämpft hatte. Er würde seinen Körper verlassen, so wie Ben es in seinem Zweikampf mit Darth Vader getan hatte, aber die Macht würde ihn schützen.
Luke würde ungleich mächtiger wiederkehren und Leia den richtigen Weg weisen, wie sie Kueller besiegen konnte.
Luke hielt sein Schwert jetzt fast an das Kinn gedrückt, als ihn ein Gefühl überkam, als würde ihn eine weiche, warme Decke einhüllen. Er konnte immer noch durch seine Augen sehen, aber seine übrigen Sinne nahmen seine Umwelt nur noch undeutlich wahr. Er konnte Leias Präsenz nicht mehr spüren, nicht einmal mehr die Kuellers.
Er streckte seine leuchtende Klinge in die Höhe, und Kueller holte zum entscheidenden Hieb aus, aber Luke fühlte sich außerstande, seinen Körper zu verlassen. Er hatte die Macht verloren, und ohne sie war er blind und fühllos.
Ohne sie würde er einfach sterben.
Kuellers Schwert fiel herab, und Luke strauchelte zur Seite, auf die Mauer des baufälligen Turms zu. Kueller hatte ihn in die Enge getrieben, es gab keinen Ausweg mehr.
Luke steckte innerlich wie äußerlich in der Falle.