17

 

Cole Fardreamer entfernte sich rückwärts von Skywalkers X- Flügler und ging schnell zu der nächsten Maschine des gleichen Typs, deren Umbau bereits abgeschlossen war. Die R2-Einheit zwitscherte aufgeregt, als wollte sie ihn maßregeln, weil er seinen Posten verließ.

»Hör zu, R2«, sagte Cole. »Wenn wir zusammenarbeiten wollen, wirst du mir vertrauen müssen.«

Hatte er das tatsächlich gerade zu einem Droiden gesagt? Cole schüttelte verwundert den Kopf und kletterte auf die Montageplattform des überholten X-Flüglers, dessen Computer mit Schrauben befestigt war, aber er hatte seinen Schraubenschlüssel vergessen.

R2 kam ihm nach, den Schraubenschlüssel in der ausgestreckten Klaue. Ein paar von Coles anderen Werkzeugen baumelten wie Teile einer artesianischen Weltraumcollage an verschiedenen Punkten von R2s Droidenanatomie.

»Danke«, nickte Cole der kleinen Einheit mit einem Grinsen zu. »Ich werde dir wohl auch vertrauen müssen.«

R2 piepste zustimmend.

Cole entfernte eine Abdeckung, richtete sich auf und pfiff halblaut. Dieser X-Flügler war ebenfalls mit einem Sprengmechanismus versehen. Und das gleiche galt für den nächsten überholten X-Flügler und den danach auch ...

R2 trillerte eindringlich, und Cole nickte. Sie dachten dasselbe: Wenn dieses Problem bei den modifizierten alten X-Flüglern auftauchte, was war dann mit denen der neuen Generation?

Das herauszufinden versprach nicht einfach zu werden. Cole war nicht berechtigt, an den neuen X-Flüglern zu arbeiten. Aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Wenn man ihn erwischte, würde er einfach melden, was er festgestellt hatte. Aber wem? Was, wenn jemand im Wartungsbereich von den verdächtigen Vorrichtungen wußte? Vielleicht hatte Skywalker gar nicht so unrecht gehabt, als er behauptete, sein kleiner Droide sei »unter Arrest gestellt« worden.

Cole sah R2 an. Der gab ein leises jammern von sich.

»Ja-ah, ziemlich verzwickt«, meinte Cole. Aber ehe er überstürzt handelte, würde er sich die neuen X-Flügler ansehen müssen. Vielleicht ging es hierbei doch nur um die überholten Modelle.

Cole stand auf der Montageplattform und streckte sich, in der Hoffnung, irgendwo in der Halle einen neuen X-Flügler zu entdecken. Er sah nur ein Exemplar, anscheinend den Prototyp, in seiner angestammten Reparaturbucht. Und da die reguläre Arbeitszeit bereits überschritten war, befand sich außer ihm und R2 niemand mehr in der Halle. Die Wartungsdroiden werkelten im Hauptmontagehangar für X-Flügler; Kloperianer hatte Cole keine gesehen, und die menschlichen Arbeiter waren längst alle nach Hause gegangen.

Nur er nicht.

Es konnte also klappen.

»Kannst du für mich Schmiere stehen, R2?«

Der kleine Droide piepste zweimal beleidigt, wenngleich Cole nicht darüber nachdenken wollte, wie er eigentlich darauf kam, daß der Droide beleidigt klingen konnte. Sie hatten im Laufe des Nachmittags fast unbewußt gelernt, sich zu verständigen.

Offensichtlich war der kleine Droide daran gewöhnt, mit Fühlenden zusammenzuarbeiten.

»Okay. Dann wollen wir mal.«

Cole stieg von der Montageplattform und half R2 dabei, ebenfalls auf den Boden der Wartungshalle zurückzukehren, was R2 bei seinem tonnenförmigen Körperbau einigermaßen schwerfiel. Dann steuerten beide auf den neuen X-Flügler zu. Einmal drehte sich Cole nach R2 um und sah, wie der kleine Droide noch ein paar Werkzeuge mitnahm, an die Cole gar nicht gedacht hatte. Kein Wunder, daß Skywalker den Kleinen so ungern zurückgelassen hatte. Er war wirklich ein wertvoller Helfer.

»Beeil dich!« zischte Cole.

Er trat an den Bildschirm der Zugangskontrolle und tippte den Code ein, mit dem man die Absperrung der Reparaturbucht öffnen konnte. Der Computer wollte wissen, weshalb er Zutritt verlangte. Er tippte irgendwelches Kauderwelsch über Defekte ein, die an allen neuen X-Flüglern aufgetreten seien, und der Computer öffnete die Verriegelung. Coles Hände zitterten. Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis die Wachen auftauchten - oder einer seiner Vorgesetzten.

Wenn es dazu kam, würde er ihnen einfach schildern, was er herausgefunden hatte, ihnen die Sprengkapseln zeigen und gegen jede Logik hoffen, daß sonst niemand auf Coruscant in diese offenkundige Verschwörung verwickelt war.

Dabei sprach alles dafür, daß jemand aus diesem Personenkreis zuerst auf seine Computereingabe reagieren würde.

Cole stieg in das Cockpit des X-Flüglers. Diese Schiffe der neuen Generation waren ein wenig anders gebaut als das ältere Modell, der T-65C-A2. Im neuen Modell, dem T-65D-A1, war das Computersystem direkt aus dem Cockpit zugänglich, was dem Piloten bei Weltraumeinsätzen das Manövrieren erleichtern sollte.

Aber diese Verbesserung galt offenbar nicht für Eingriffe von außen. Coles Nachforschung erwies sich wegen des engen Raums selbst unter Werkstattbedingungen als recht schwierig. Er zwängte sich in einen Winkel des Cockpits und löste ein paar Schrauben. Seine Hände zitterten. Das war das erste Mal, daß er bewußt etwas Verbotenes tat. Zumindest auf Coruscant. Auf Tatooine hatte er gelegentlich an Jägern gearbeitet, zu denen ihm der Zutritt eigentlich verboten war, einfach um herauszubekommen, wie sie funktionierten. Aber auf Tatooine war er auch noch in der Ausbildung gewesen, und das hatten seine Vorgesetzten berücksichtigt. Hier hingegen schnüffelte er seinen Arbeitgebern hinterher.

Die Deckplatte des Computers löste sich und kippte ihm in die Hand. Coles Blick fiel auf Platinen und Schaltkreise, die wesentlich komplizierter aussahen als die, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte. R2 beugte sich, so gut das sein zylindrischer Körper eben zuließ, neben ihm über die Öffnung. Plötzlich wurde es hell. Cole blickte auf. R2 hatte einen Scheinwerfer an seinem halbkugelförmigen Kopf eingeschaltet und leuchtete damit in die Öffnung hinter dem Computer.

»Danke«, sagte Cole.

Er kniff die Augen zusammen und sah sich in dem Gewirr aus Schaltkreisen um, achtete aber sorgsam darauf, nichts zu berühren. Er würde ganz bestimmt nichts finden, dachte er.

Das imperiale Siegel blitzte im Licht silbrig weiß auf. Cole ließ den Kopf gegen die Seitenwand des Computers sinken. Die X-Flügler waren ohne Ausnahme so hergerichtet worden, daß sie aus der Ferne zur Explosion gebracht werden konnten, jeder einzelne von ihnen. Er wollte nicht an all die Schiffe denken, die er überholt hatte, all die X-Flügler, die bereits ins All gestartet waren, fliegende Bomben, die nur darauf warteten, daß der Pilot den falschen Hebel berührte oder den falschen Knopf drückte.

Cole drehte sich halb um und sah den kleinen Droiden an. R2 schaltete die Lampe ab. »Kannst du herausfinden, wie viele X-Flügler-Unfälle es gegeben hat, seit das erste dieser Schiffe von Coruscant gestartet ist?« fragte Cole.

R2 piepste zustimmend.

»Dann mal los!« sagte Cole. Er griff nach der Deckplatte des Computers und wollte sie gerade wieder anbringen, als er hinter sich ein knirschendes Geräusch hörte.

R2 ließ sich auf seine Räder herab. Der Droide schnarrte leise. Es klang wie eine Warnung.

Coles Nackenhaare sträubten sich. »Die Meldung hat also gestimmt«, vernahm er eine tiefe Männerstimme. »Wir haben hier einen Saboteur. Kommen Sie raus!«

R2 gab einen klagenden Laut vor. sich. Cole stellte die Deckplatte vorsichtig ab, lehnte sie gegen den Pilotensessel und achtete sorgfältig darauf, keine der Steckverbindungen zu berühren.

»Rauskommen!«

Cole richtete sich langsam auf und nahm die Hände hoch. Ein halbes Dutzend Männer der Sicherheitswache hatte ihn umringt und ihre Blaster auf seinen Kopf gerichtet.

Nandreeson lehnte sich auf seiner mit Baquor überzogenen schwimmenden Couch zurück. Die obere Hälfte war nicht richtig eingeschleimt worden und fühlte sich feucht und kalt auf seiner Haut an. seine Beine aber waren warm. Sie hingen im Brackwasser des Teiches, wo die Couch mit Algen getränkt war. Dort wenigstens stimmte die Mischung.

Nandreeson war drei Tage unterwegs gewesen, um Nachforschungen in den äußeren Randwelten anzustellen, wo einer seiner Männer verschollen war. Bei seiner Rückkehr in den Smuggler's Run hatte er feststellen müssen, daß jemand seine alte Couch gegen eine neue ersetzt, sie aber nicht richtig präpariert hatte. Sobald er sich ein wenig ausgeruht hatte, würde er den Rest seines Domizils durchsuchen, um herauszufinden, ob auch noch andere Fehler gemacht worden waren.

Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung. Die Luft war so feucht, daß man sie fast mit bloßem Auge erkennen konnte; winzige Mücken tanzten und bildeten eine kleine Wolke, und an der Wand schwärmten eilnianische Süßfliegen. Sie waren fast reif genug zum Verzehr. Allein der Gedanke daran ließ Nandreesons Mund brennen.

Die Lilien auf dem Teich standen in Blüte, und jemand hatte die Algen abgekratzt, wahrscheinlich um sie später zu bearbeiten. In der Mitte stiegen Blasen auf, die, wenn sie platzten, einen schwefeligen Geruch verbreiteten. Dies war sein Zuhause. Es war einfach wunderbar, hier zu sein. Noch eine kleine Weile, dann würde er ein wenig durch die Höhlen schwimmen und nachsehen, ob sich jemand an seinen Eierbänken oder seinen Schatzhorten zu schaffen gemacht hatte.

Aber vorher gab es noch etwas zu erledigen. Er hatte alle seine Leute - mit Ausnahme von lisner - in ihre Schotenbetten geschickt, lisner war ebenso wie Nandreeson ein Glottalphib, nur daß sein Maul fünfzehn Zentimeter kürzer und seine Zähne bis auf kleine Stummel abgewetzt waren; seine Augen, dicht über dem Maul, sahen wie kleine Käfer aus; die kleinen Hände schwebten auf der Wasserfläche, und sein Schwanz war um den Sockel der Couch gewunden. Aus seinem rechten Nasenloch hing ein Algenfaden, den er vorhin aufgesogen hatte, als er sich unter Wasser im Teich umsah, um sich zu vergewissern, daß niemand ihn vergiftet oder sich sonstwie daran zu schaffen gemacht hatte. Iisners Kiemen öffneten und schlossen sich, als bekäme er nicht genug Luft.

Über kurz oder lang würde Nandreeson sich Ersatz für ihn besorgen müssen, Iisner wurde alt. Seine Schuppen fielen bereits ab, wenn er zwei oder drei Tage ohne Wasser war. Er hatte sich in seinem Wohnquartier auf der Silver Egg einen Schlammteich gebaut, um auf langen Weltraumreisen nicht zu viele Schuppen zu verlieren.

»Es heißt«, sagte Nandreeson, »daß Han Solo sich auf Skip 1 aufhält.« Eine winzige Flamme zuckte aus dem linken Winkel seines breiten Mauls. Er war hungriger, als er geglaubt hatte.

»Ja«, antwortete Iisner. »Er hat sich dort einquartiert. Auf Jarrils Veranlassung.«

»Jarril.« Nandreeson tauchte sein Maul in das warme morastige Wasser. Das verschaffte ihm etwas Kühlung. Ihm war einfach noch nicht danach, die Süßfliegen wand nach Vollreifen Exemplaren abzusuchen. Vielleicht würde er später beim Schwimmen ein rohes Caver-Ei verzehren. »Jarril hat letzte Woche seine Schulden bei mir bezahlt. Dreißigtausend Kredits. Ich war nicht besonders erfreut darüber.«

»Dann ist er also zu Geld gekommen.«

Nandreeson schüttelte Wasser von seinem Maul. »Jeder ist plötzlich zu Geld gekommen. Ich habe seit Monaten kein größeres Darlehen mehr ausgeben können. Jarril ist nur einer von vielen, die mich ausbezahlt haben Wenn sich das nicht bald ändert, muß ich die Branche wechseln.«

»Vielleicht sollten wir den Run verlassen«, meinte Iisner. »Für meinen Geschmack hat sich hier zu viel verändert. Ich mag keine reichen Schmuggler. Sie verderben den Spaß am Geschäft.«

Nandreeson lächelte. »Ja, ich muß zugeben, man wird einfach nicht mehr so gefordert. Und wenn ich etwas Besseres wüßte als den Run, dann wurde ich auf der Stelle von hier fortgehen. Aber für den Augenblick erfüllt dieser Ort für uns noch seinen Zweck.«

»Und was ist mit Glottal?« wollte Iisner wissen.

Nandreesons Blick verfinsterte sich. Sein Heimatplanet mit seinen Teichen und Sümpfen, den Süßkäfern und Farnen, den dunklen Wäldern und der klebrigfeuchten Luft stellte eine große Verlockung für ihn dar. Aber auf Glottal würde er nur einer unter tausend reichen 'Phibs sein; hier hingegen war er der einzige reiche 'Phib und einer der mächtigsten Verbrecherbosse in der ganzen Galaxis. Und dieser zweite Ruhmestitel würde auf Glottal überhaupt nichts bedeuten.

»Ich bin noch nicht bereit, nach Glottal zu gehen«, entgegnete er. Zum Sterben würde er dorthin zurückkehren. Er würde laichen und sein Vermögen seinen überlebenden Nachkommen hinterlassen. »Nein. Ich brauche ein neues Geschäft. Und einen neuen Zeitvertreib.«

»Sie könnten ja anfangen, mit imperialem Kriegsgerät zu handeln.«

Nandreeson schwenkte eines seiner Augen herum und starrte Iisner damit an. »Ich ziehe bare Kredits und funkelnde Preziosen vor. Der Markt für Kriegsgerät ist beschränkt. Sobald der Käufer findet, was er sucht, oder seine eigene Produktion in Betrieb nimmt, hat dieser unverhoffte Reichtum ein Ende. Und dann werden eine ganze Menge Schmuggler, die sich übernommen haben, wieder dringend Geld brauchen.« Er lächelte. »Vielleicht reagieren wir zu schnell auf die Unwägbarkeiten des Marktes. Geduld, mein Junge. Geduld ist die Tugend der Weisen.«

Iisner ließ sich tiefer ins Wasser gleiten und schwamm ans andere Ende des Teichs. Die Zacken an seinem Rücken hoben sich über die Wasseroberfläche, und ein paar Schuppen fielen ab. »Sie haben auf mich nie den Eindruck gemacht, allzuviel von dieser Tugend zu besitzen«, bemerkte er aus der Sicherheit seiner neuen Position heraus.

Nandreesons Zunge schoß vor und schnappte sich einen Mundvoll Mücken. Er röstete sie mit seinem Atem und schluckte sie hinunter. Ein kleiner Appetithappen. Er würde heute eine reichliche Abendmahlzeit brauchen.

»Ich bin geduldig«, sagte er. »Ich bin sogar sehr geduldig. Und Geduld zahlt sich aus. Ich verweise nur auf Calrissian.«

»Calrissian hat sich seit siebzehn Jahren nicht im Run blicken lassen.«

Nandreeson verschluckte die letzte Mücke. Sein Magen rumorte. »Aber er wird bald hier sein.«

»Das wissen Sie nicht«, widersprach Iisner.

Nandreeson wandte ihm sein anderes Auge zu. Iisner tauchte so weit ins Wasser ein, bis nur noch seine Augen und die Oberseite seines Kopfes zu sehen waren. »Und ob ich das weiß. Und obwohl ich Ihren Rat schätze, kann ich mich Ihrer Skepsis nicht anschließen. Calrissian wird kommen, weil Solo hier ist.«

Iisner blies Wasser durch die Nase. Der Algenfaden segelte durch die Luft und landete auf dem moosbedeckten Felsen neben dem Teich. Dann stemmte er sich weit genug in die Höhe, um sprechen zu können. »Solo und Calrissian sind keine Partner. Sie sind nie gemeinsam unterwegs gewesen. Bevor Solo geheiratet hat, ist er nur mit dem Wookiee gereist.«

»Sie passen nicht auf.« Nandreeson ließ sich wieder tiefer in das warme Wasser gleiten. Der obere Teil der schlecht temperierten Couch ließ ihn frösteln. »Seit Calrissian Cloud City verloren hat, haben er und Solo sich angesichts einer neuen imperialen Bedrohung jedesmal verbündet.«

»Und?«

»Und?« Nandreeson stach unter Wasser eine Schwefelblase an. Sie teilte sich in mehrere kleinere Blasen, die an die Oberfläche stiegen. »Und, mein lieber Iisner, was hat sich im Run geändert?«

Iisners Mund öffnete sich weit genug, um ein ganzes Büschel Wasserlilien zu verschlucken. »Das imperiale Kriegsgerät?«

»Exakt«, pflichtete Nandreeson ihm bei. »Und wer in der Neuen Republik weiß, wie man den Run finden kann, ich meine, außer Solo und seinem Wookiee?«

»Calrissian.« Iisner hauchte das Wort, als wäre es heilig »Sie haben einen Plan, nicht wahr?«

»Natürlich«, erwiderte Nandreeson. Er lächelte, und dabei zuckten Flammenzungen aus seinem Mundwinkel. »Obwohl ich in diesem Fall vielleicht gar keinen brauche.«