45

Hans Handflächen waren schweißnaß. Noch nie zuvor hatte er sich an den Kontrollen des Millennium Falken so unbehaglich gefühlt. Er mußte äußerst sorgfältig steuern. Die meisten seiner verletzten und sterbenden Passagiere waren nicht angeschnallt. Jedes unbeherrschte Manöver konnte ihnen noch mehr Schmerzen zufügen.

Der scharfe Wookieegeruch verriet ihm, daß Chewie sich fast ebenso unbehaglich wie er selbst zu fühlen schien. Das Cockpitschott stand offen, und Han konnte von draußen das Jammern und Wehklagen der Verletzten hören. Ein Medidroide aus dem Run hatte sie trotz aller Proteste begleitet, außerdem ein Sanitätsoffizier. Zwei Helfer für fast hundert Passagiere. Der Falke konnte eigentlich nur acht Reisende befördern, aber Han hatte die Ladebereiche, die Rettungskapseln und die Geheimverstecke so hergerichtet, daß er auch dort Verwundete unterbringen konnte. Es hatte eine kleine Ewigkeit gedauert, bis alle an Bord waren, und als er dann zum Falken hinaussah, hatte es dennoch so ausgesehen, als wäre die Zahl der draußen Wartenden unverändert.

Es würde Tage, vielleicht Wochen, dauern, um sich durch die Trümmer auf Skip 1 zu arbeiten, und das sagte noch nichts darüber aus, wie es auf den übrigen Skips aussah.

Chewbacca knurrte etwas.

»Ja, ich habe es gesehen«, sagte Han und wich ein paar Felsbrocken, so groß wie Landgleiter, aus.

Seit er den Run verlassen hatte, lenkte er den Falken durch die Scherben und Splitter, die den Asteroidengürtel einhüllten. Normalerweise flog er den Falken in diesem Bereich seitlich gekippt oder mit der Unterseite nach oben, diesmal aber mußte er ihn wie ein halb mit Wasser gefülltes Glottalphibschiff behandeln. Jedesmal, wenn jemand hinten aufschrie, zuckte Han zusammen, als ob ihn ein Blasterschuß getroffen hätte.

Sie waren jetzt fast jenseits des Asteroidengürtels. Sobald sie draußen waren, mußte Han zweierlei tun. Er mußte einen Planeten finden, der die Verwundeten aufnehmen konnte, und er mußte herausfinden, wie es um Leia stand.

Chewbacca griff nach oben und arbeitete an den Navigationskontrollen an der Decke. Der Falke schlug gefährlich aus, und in den hinteren Abteilen konnte man neue Schmerzensschreie hören.

»Tut mir leid, tut mir leid«, murmelte Han. Allmählich wurde ihm klar, weshalb er die Schmugglerlaufbahn eingeschlagen hatte. Das Leben als Schmuggler war bei weitem nicht so aufreibend wie ein derartiger Rettungsflug.

Endlich löste der Falke sich aus dem Asteroidengürtel. »Sende ein Notsignal, Chewie«, befahl Elan. Er öffnete seine eigenen Kanäle, um nachzusehen, weiche Botschaften auf ihn warteten. Jemand würde ihm mitgeteilt haben, wie es um Leia stand.

Er war gerade bei seinen persönlichen Mitteilungen angelangt, als Chewie grunzte. Er hatte Wrea angerufen, einen der am nächsten bei dem Asteroidengürtel gelegenen Planeten. Dort hatte man auf seinen Notruf reagiert.

Han identifizierte den Falken und sagte: »Ich bin Han Solo, der Ehemann von Leia Organa Solo, der Präsidentin der Neuen Republik. Ich habe eine Schiffsladung Verwundete. Einige von ihnen liegen im Sterben. Verfügen Sie über die nötigen Mittel, uns zu helfen?«

»Wir haben Sie seit einer Weile in unserem Überwachungssystem, Präsident Solo. Ihr Schiff kommt aus dem Smuggler's Run.«

Han verzichtete darauf, den Irrtum hinsichtlich seiner politischen Position zu korrigieren. »Ja«, erwiderte er statt dessen. »Ich befand mich auf einer Ermittlungsmission dort, als der Run angegriffen wurde.«

»Werden sie von den Angreifern verfolgt?« Die Wreaner waren notorisch argwöhnisch, wenn es um Gewalt ging.

»Der Anschlag erfolgte aus großer Distanz. Ihre Droiden wurden zur Explosion gebracht.«

»Droiden? Ihre sämtlichen Droiden?«

»Nein«, antwortete Han, der sich für rückhaltlose Offenheit entschieden hatte. »Nur die in letzter Zeit gestohlenen. Es besteht der Verdacht, daß die Droiden für Coruscant bestimmt waren.«

»Können Sie sich für die Ehrlichkeit Ihrer Passagiere verbürgen?« fragte der Wreaner.

Chewbacca sah Han von der Seite an. Han verkniff sich eine ärgerliche Antwort. Das hätte keinen Sinn. »Ja«, sagte er, und in dem Augenblick war er sich dessen auch vollkommen sicher. Keiner der Schmuggler in seinem Schiff war in der Lage, irgend etwas Unrechtes zu tun.

»Wir nehmen Ihre Verletzten auf, Präsident Solo, und verlassen uns auf Ihr Wort. Wir werden unsere Einrichtungen darauf vorbereiten. Die Koordinaten folgen.«

Chewbacca gab die Koordinaten in den Navcomputer ein und richtete den Falken vorsichtig auf Wrea aus. Han erhob sich aus seinem Pilotensessel und ging zum Schott, wo er sich mit beiden Händen am Kähmen festhielt.

Der verheerende Anblick, der sich ihm bot, war genauso schlimm wie der im Run. Schlimmer vielleicht, weil er hier das Ausmaß einzelner Verwundungen erkennen konnte: großflächige Verbrennungen, abgerissene Gliedmaßen, zur Unkenntlichkeit verbrannte Gesichter. Bilder verlorener Hoffnung und für immer zerstörter Leben.

»Ich habe gerade mit Wrea gesprochen. Sie werden uns aufnehmen.« Hans Stimme übertönte das Stöhnen der Verletzten. Er wußte nicht, wer ihm überhaupt zuhörte und wer wirklich verstand, was er sagte. Er wandte sich ab. Der Anblick ließ seinen Mut noch weiter sinken.

Er ließ sich wieder im Pilotensessel nieder, schüttelte mit einem Blick auf Chewie den Kopf und sah weiter die für ihn gespeicherten Nachrichten durch. Er fand eine ganze Reihe Botschaften von Leia, allerdings keine aus der letzten Zeit. Die letzte war von Anoth reingekommen, unmittelbar bevor Han den Run verlassen hatte.

Er mußte sie sich als Holoprojektion ansehen.

Die Nachricht kam von Anakin. Der Raum hinter ihm lag in tiefer Dunkelheit, und er stand dicht über den Aufnahmebereich gebeugt. Offenbar schliefen alle, und er übermittelte seine Botschaft in aller Heimlichkeit.

»Dad?« flüsterte er. »Etwas Schlimmes ist passiert, und ich kann Mama und Onkel Luke nicht erreichen.«

Die Erkenntnis, daß sein Sohn zuerst versucht hatte, Kontakt mit Luke aufzunehmen, versetzte Elan einen Stich. Aber wenn es um die Macht ging, taten die Kinder das immer. Sie wußten, daß Han in dieser Hinsicht keine Erfahrung hatte.

»Winter sagt, wir würden von ihnen hören, wenn etwas nicht in Ordnung wäre. Aber ich träume dauernd von einem toten Mann, und es werden wieder schlimme Dinge passieren. Das weiß ich.«

Anakin spähte über seine schmale Schulter, als ob er ein Geräusch gehört hätte. Dann beugte er sich noch tiefer über die Konsole.

»Bitte, melde dich bei mir, sobald du diese Nachricht erhältst. Bitte.«

Anakins Bild verlosch.

Chewbacca knurrte leise. Han sah seinen alten Freund an. Chewies Augen waren vor Sorge ganz klein.

»Du hast recht«, sagte Han. »Was bin ich doch für ein lausiger Vater. Ich habe keinen Moment daran gedacht, daß auch auf Anoth Coruscant-Droiden sein könnten.«

Chewie knurrte erneut.

Han nickte. Chewie hatte natürlich recht. Die Nachricht war erst nach der Katastrophe im Run eingegangen. Die Kinder, von denen er keine Sekunde geglaubt hatte, daß sie in Gefahr schweben könnten, bis Chewbacca ihn daran erinnert hatte, waren also in Sicherheit. Nichts war geschehen, außer daß Anakin etwas »Schlimmes« gespürt hatte. Die Zerstörung im Smuggler's Run? Oder etwas noch Schlimmeres?

Die Explosion im Versammlungsraum der Senatshalle hatte die Kinder sehr mitgenommen. Luke hatte ihm berichtet, wie sehr sie darunter gelitten hatten, aber Han war selbst viel zu erschüttert gewesen, um diese Tatsache überhaupt zu registrieren.

Chewie ließ ein Jaulen hören.

»Ja-ah, ich kümmere mich um ihn«, entgegnete Han. »Aber zuerst möchte ich wissen, was auf Coruscant los ist. Ich kann den Jungen schließlich nicht trösten, wenn ich ...«

Han hielt inne, ehe er etwas über Leia sagte. Er durfte keine düsteren Vermutungen über Coruscant anstellen. Daß die Droiden für das Regierungszentrum der Neuen Republik bestimmt waren, hieß noch lange nicht, daß sie auch dort explodiert waren.

Aber die Wahrscheinlichkeit, daß es sich so verhielt, war ziemlich groß.

Han drehte seinen Sessel zur Komstation um und rief Leia auf Coruscant. Unmittelbar darauf erschien Mon Mothmas Gesicht auf dem kleinen Bildschirm.

»Han«, begrüßte sie ihn. »Wir hatten Sie schon beinahe aufgegeben.«

Seine Hände zitterten. Chewie jammerte leise. »Ich hatte Leia erwartet, Mon Mothma.«

Mon Mothma nickte. »Dann haben Sie ihre Mitteilungen allem Anschein nach nicht erhalten. Sie ist nicht hier.«

»Sie ist nicht auf Coruscant?« Hans Mund war plötzlich völlig ausgetrocknet. »Ihr ist aber doch nichts zugestoßen?«

»Nein, wenigstens nicht, soviel ich weiß«, antwortete Mon Mothma. »Wir haben gerade entdeckt, daß sie und Wedge mit einer Flotte nach Almania abgeflogen sind.«

»Almania?« Das war der Ort, von dem jene geheimnisvollen Nachrichten gekommen waren und an dem der Mann lebte, von dem Blue gesprochen hatte. Kueller schien allgegenwärtig zu sein. »Warum?«

»Der dortige Herrscher hat die Neue Republik und vor allem Leia persönlich herausgefordert. Und er hält anscheinend Luke gefangen.«

»Luke?« Blues Stimme hallte in Hans Erinnerung wider: Er will sie und Skywalker beseitigen. »Und Leia will ihn befreien?«

»Bis zu dem Punkt, da sie Wedge dazu bewegt hat, sie zu begleiten, war das ihre rein persönliche Angelegenheit, Han«, erklärte Mon Mothma in ihrer gelassenen Art. »Sie ist zurückgetreten.«

»Zurückgetreten?« Hier folgte eine überraschende Ankündigung auf die andere, und jede traf ihn härter als die vorangegangene. Wann war das geschehen? Leia liebte ihr Amt. Sie würde niemals freiwillig zurücktreten.

Mon Mothma nickte. »Sie glaubt, daß Kueller - der almamanische Herrscher - machtsensitiv ist. Sie glaubt, daß sein Interesse in Wirklichkeit gar nicht der Republik gilt, sondern ihr und ihrer Familie. Sie hat vielleicht recht damit. Möchten Sie, daß ich Ihnen seine Mitteilung an sie überspiele?«

»Ja.«

Mon Mothma wollte gerade abschalten, als Chewie erneut einen klagenden Laut von sich gab.

»O ja, richtig«, sagte Han. Der Umstand, daß er sich seiner ursprünglichen Befürchtungen nicht mehr erinnerte, zeigte ihm, wie erregt er war. »Mon Mothma, ist auf Coruscant alles in Ordnung?«

»Die Imperialen im Rat sind über Leias Flug nach Almania empört. Sie wollen Sie wegen Hochverrats anklagen, Han, weil es Material gibt, das eine Verbindung zwischen Ihnen und dem Bombenattentat auf die Senatshalle herstellt. Außerdem ist gerade die Abfallbeseitigung in den Streik getreten, weil es irgendwelche Probleme mit ihren letzten drei Gehaltszahlungen gibt.« Mon Mothma lächelte. »Alles wie gehabt, würde ich sagen.«

Über die Hochverratsanklage wollte Han nicht einmal nachdenken. Wahrscheinlich ging es dabei um die geheimnisvollen Botschaften, von denen Lando ihm erzählt hatte. »Gibt es irgendwelche Probleme mit den Droiden?«

Sie runzelte die Stirn. »Da Sie es erwähnen - wir haben da eine höchst merkwürdige Nachricht von Luke erhalten. Er muß sie vor seiner Gefangennahme abgeschickt haben oder vielleicht auch unmittelbar danach, weil sie kodiert war. Darin werden wir dringend aufgefordert, alle neuen Droiden abzuschalten. Ich habe ihm vertraut und das Notwendige veranlaßt, was eine wahre Flut von Beschwerden ausgelöst hat. Sie sollten hören

»Sie haben sie abgeschaltet.« Han schloß die Augen und gab sich einen Moment lang ganz seiner Erleichterung hin. Wenn Luke sie nicht gewarnt hätte, dann würde es auf ganz Coruscant jetzt ebenso aussehen wie im Smuggler's Run.

»Ja«, nickte Mon Mothma. »Ist das von Bedeutung? Ich hatte schon daran gedacht, sie wieder zu aktivieren. In Anbetracht all der anderen Krisen hätte ich gern wenigstens dieses Thema vom Tisch.«

»Tun Sie es nicht«, antwortete Han.

Chewie jaulte im gleichen Augenblick und wiederholte seine Worte in Wookiee.

»Wir haben ein Schiff voll verletzter Schmuggler. Die Droiden, die sie auf Coruscant gestohlen hatten, sind im Run explodiert. Chewie wird Ihnen die Kennzeichnungen einiger Schmugglerschiffe übermitteln. Sie brauchen Hilfe bei der Suche nach medizinischer Versorgung.«

Mon Mothmas sonst so leidenschaftslos und unbewegt wirkende Züge waren totenbleich geworden. »Sie sind explodiert? Ist es das, was in der Senatshalle passiert ist?«

»Anzunehmen«, nickte Han.

Sie atmete tief durch, sichtlich bemüht, ihre Fassung zurückzugewinnen. »Nun, dann werden wir sie wohl nicht wieder aktivieren, bis wir dem Problem auf den Grund gegangen sind. Vielen Dank, Han.«

»Ich würde jetzt gern sagen, daß mir dieses Gespräch ein Vergnügen war, aber es gibt Hunderte toter und verletzter Kollegen, was mir gründlich die Laune verdirbt.«

Mon Mothma nickte. Sie verstand ihn gut, vielleicht besser als die meisten anderen. »Han«, sagte sie. »Leia betrachtet diese von Almania ausgehende Drohung als gegen sie persönlich gerichtet.«

»Ja, ich habe verstanden. Danke, Mon Mothma.«

»Ich übermittle Ihnen jetzt ihre Nachricht«, sagte sie und unterbrach dje Verbindung.

Han sah zu Chewie hinüber. Chewbaccas Mund war nur mehr ein schmaler Strich. Er hatte nicht geglaubt, daß Wookiees überhaupt fähig waren, ihre Lippen so sehr zusammenzupressen. Sie näherten sich Wrea. Der Planet war durch die Transparlstahlscheiben des Cockpits bereits zu erkennen. Ein großer blauweißer Ball, etwa so groß wie Hans Faust.

Chewie grummelte, daß er sich um die Landung kümmern würde. Han dankte ihm. Er war froh, daß sie sich ohne viel Worte miteinander verständigen konnten.

Dann stellte er, in der Hoffnung, Anakin würde sich meiden, einen Kontakt zu Anoth her. Statt dessen erschien Winters Gesicht auf dem Bildschirm.

Han wollte nicht, daß sein äußerst einfallsreicher Sohn Scherereien mit seinem Kindermädchen bekam, daher setzte er sein breitestes Grinsen auf. »Winter«, rief er fröhlich, »Sie sehen großartig aus.«

»Sie brauchen gar nicht erst zu versuchen, mich einzuwickeln, General Solo«, erwiderte sie. »Ich habe Anakin bereits klargemacht, daß künftig keine unerlaubte Nachricht mehr Anoth verläßt.«

Han unterdrückte ein leichtes Schaudern. Winter konnte sehr streng sein, aber sie war nie hart oder schroff. Trotzdem zuckte meist auch er zusammen, wenn sie jemandem ein Ultimatum stellte.

»Aber unter uns«, fuhr sie fort, »die Kinder waren sehr bedrückt. Ich habe ihnen erlaubt, Verbindung mit ihrer Mutter aufzunehmen. Aber sie ist unterwegs, irgendein Einsatz Und ihr Onkel Luke ist ebenfalls nicht erreichbar.«

»Dann hatte es mit der Macht zu tun?«

Winter nickte. »Die Kinder hatten alle dieselbe Wahrnehmung, ähnlich der, die sie vor dem Bombenattentat auf die Senatshalle teilten. Und Anakin behauptet, er habe einen >toten Mann< gesehen - und zwar mehr als nur einmal.«

»Lassen Sie mich mit ihm sprechen«, sagte Han.

 

»Wie Sie wünschen, Sir.« Die Mißbilligung, die ihre formelle Entgegnung andeutete, war dem Klang ihrer Stimme nicht anzumerken. Winter war eine kluge Frau und wahrscheinlich ein besserer Elternteil als er oder Leia. Sie war die ganze Zeit mit ihnen zusammen. Han plagten gewöhnlich keine Gewissensbisse, doch er fühlte sich Tag für Tag schuldig, weil er nicht so viel Zeit mit seinen Kindern verbrachte, wie es angemessen gewesen wäre.

Anakins kleines Gesicht tauchte auf dem Komschirm auf. Seine Ähnlichkeit mit Luke verblüffte Han jedesmal aufs neue. Das und die blauen Augen seines Sohnes, aus denen mehr Intelligenz sprach, als Han sie je bei irgendeinem Lebewesen, ob Mensch oder Alien, wahrgenommen hatte.

»Winter hat gesagt, ich hätte dich nicht rufen sollen.«

Han lächelte und hoffte, daß dieses Lächeln beruhigend auf seinen Sohn wirkte. »Nein, Anakin. Du darfst jederzeit Kontakt mit mir aufnehmen. Sag nur Winter vorher Bescheid.«

Sein Sohn nickte. Er wirkte sehr bedrückt. Selbst die schlimmste Schelte Winters zeitigte nie diese Wirkung.

»Was ist denn los?« fragte Han. »Was hat dir angst gemacht?«

»Ich kann Mom nicht finden«, sagte Anakin. »Jacen und Jaina sagen, daß ihr nichts fehlt, weil wir das spüren könnten.«

»Ihr fehlt auch nichts«, versicherte Han. »Sie ist unterwegs, wird aber bald zurückkommen.«

Anakin rieb sich mit der Faust das linke Auge. Er hatte offenkundig nicht viel geschlafen. »Ich weiß«, sagte Anakin. »Sie wird den toten Mann aufsuchen.«

Han schielte zu Chewie hinüber, aber der zuckte bloß die Achseln.

»Er erscheint mir in meinen Träumen. Er sagt, er würde uns schon kriegen ... Aber das kann er doch nicht, oder?«

»Nein«, versprach Han und spürte eine Wut in sich aufsteigen, die so überwältigend war, daß er sich kaum zu beherrschen vermochte. »Ihr seid auf Anoth in Sicherheit!«

»Aber einmal sind sie hierhergekommen«, erwiderte Anakin.

Han erinnerte sich daran. Winter und ein Kindermädchendroide hatten seinem kleinen Sohn das Leben gerettet. Es überraschte ihn, daß Anakin sich daran erinnerte, obwohl ihn an seinem Sohn überhaupt nichts mehr überraschen sollte. »Winter hat euch gerettet. Dazu ist sie da.«

»Ich wollte, DU wärst hier, Dad.«

»Das wäre ich auch gern. Junge«, erwiderte Han. Dann drängten sich Jacen und Jaina ins Bild und verlangten, daß er sich jetzt um sie kümmerte. Er kam ihrem Wunsch nach, so gut er konnte. Da knurrte Chewie eine Warnung, und Han blickte auf. Wrea füllte jetzt fast die ganze Transparistahlscheibe des Cockpits.

»Laßt mich noch mal mit Winter sprechen, ja?« bat er. Die Kinder protestierten lautstark, trollten sich dann aber, mit Ausnahme Anakins, der von der Seite zusah und dabei ernster wirkte, als Han ihn je gesehen hatte.

»Winter«, sagte Han. »Gibt es bei Ihnen irgendwelche Droiden?«

»Die haben wir auf Veranlassung von Master Skywalker abgeschaltet.«

Luke war ihm also weit voraus. Elan dankte seinen Glücksgöttern.

»Lassen Sie sie ausgeschaltet«, bat Han. »Und Anakin, Finger weg von den Droiden, ja? Ist das klar, junge?«

Anakin nickte. Kein Protest, gar nichts. Das paßte nicht zu seinem jüngsten Sohn. Und dann sagte Anakin: »Dad?«

Winter trat beiseite. Offensichtlich machte sie sich ebenso große Sorgen um Anakin wie Han.

»Was ist denn, kleiner Jedi?«

»Der tote Mann sagt, er wird Mom umbringen.«

Elan lächelte, obwohl sein Zorn noch wuchs. »Der tote Mann hat kein Recht, dir in deinen Träumen etwas vorzulügen. Ich fliege jetzt sofort zu deiner Mutter. Du wirst sehen, es geht ihr gut.«

»Das erste Mal hätte er sie schon fast umgebracht«, sagte Anakin so leise, daß man ihn kaum hören konnte.

Han zuckte zusammen. Die Senatshalle, die Droiden, die Nachrichten - alles wies in Kuellers Richtung. »Vielleicht glaubt er das«, meinte Han, »aber ich kenne nur wenige Menschen, die so hart und zäh sind wie eure Mutter. Er hat dir angst gemacht. Uns allen hat er angst gemacht. Aber >fast umgebracht< hat er sie nicht.«

»Sie wurde aber verletzt.«

»Ja«, entgegnete Han. »Das stimmt. Dieser >tote Mann<, von dem du gesprochen hast, ist nicht sehr nett. Aber wir werden ihn uns vorknöpfen, und dann sorgen wir dafür, daß er aufhört, dir schlechte Träume in den Kopf zu pflanzen.«

»Versprichst du das?«

»Ich verspreche es«, antwortete Han fest. »Und du bist vorsichtig, Anakin, in Ordnung? Hört auf Winter.«

Anakin nickte. »Ich liebe dich, Dad.«

Han sah zu Chewie hinüber. Chewies Blick wich nicht von den Kontrollen; er gab vor, kein Wort mitzubekommen.

»Ich dich auch, Junge«, sagte Han. Das war alles, was er vor Chewie aussprechen wollte. »Bis bald.«

Dann schaltete er ab.

Chewie grummelte etwas. Han starrte auf seine Bildschirmanzeige. Sie waren fast da. Und keinen Augenblick zu früh. Die Schmerzenslaute von hinten verebbten allmählich. Han wollte gar nicht daran denken, wie viele seiner Passagiere inzwischen gestorben waren.

Kueller hatte es also auch auf die Kinder abgesehen. Er nahm zumindest an, daß der tote Mann in Anakins Träumen Kueller war. Eine andere Erklärung gab es nicht.

Wer auch immer dieser Kueller war, er verfügte über Fähigkeiten in der Macht. Und er hielt Luke gefangen, was bedeutete, daß er stark in der Macht war.

Wie Vader.

Han ballte die Fäuste. Er war Vader nie gewachsen gewesen. Der Mann hatte ihm jedesmal, wenn sie aufeinandertrafen, schweres Leid zugefügt. Die Fähigkeiten, die Luke, Leia und die Kinder besaßen, wirkten auf Han manchmal wie Zauberei. Aber manchmal konnte man Zauberei auch gegen jene einsetzen, die damit operierten.

»Chewie, versuch Mara Jade zu erreichen. Lando sagt, sie ist mit Talon Karrde unterwegs. Sag den beiden, daß ich ihre Hilfe brauche.«

Chewie knurrte eine Frage.

Han grinste. »Ein Plan? Selbstverständlich habe ich einen Plan. Hast du je erlebt, daß ich keinen habe?«

R2-D2 hatte ein paar Beulen, jedoch keinen ernsthaften Schaden davongetragen. Einige R5-Einheiten in seiner unmittelbaren Umgebung waren bei seinem Absturz stark beschädigt worden. Er erkannte zerbrochene Kopflampen, malträtierte Verbindungselemente und zerstörte Schalttafeln, und ganz bestimmt gab es darüber hinaus noch eine Menge Schäden, die er nicht sehen konnte.

Bereits kurz nach seiner Landung hatte R2 einige Fragen gepiepst, jedoch keine Antwort erhalten. Kurze Zeit später gab der R5 neben ihm ein leises Klagen von sich, und die beiden begannen ein Zwiegespräch. Das folgende allgemeine Gezwitscher war so laut, daß es die menschliche Toleranzgrenze mühelos überschritten hätte. Die Droiden hatten teilweise jahrelang nicht miteinander gesprochen, denn diese Halle existierte schon seit unendlich langer Zeit.

R2 schnarrte und trillerte, beantwortete Fragen und stellte selbst welche. Die Droiden lauschten und piepsten ihre Entgegnungen. Die Stimmung in dem riesengroßen Raum glich der bei einer politischen Versammlung. Immer mehr Droiden reckten sich; andere machten sich daran, sich gegenseitig abzustauben; wieder andere streckten die Manipulatorarme aus, um die Verkleidungen ihrer Nachbarn zu öffnen und die Sprengkapseln zu entfernen und auf den Boden der Halle zu werfen. Das Knirschen zertretener Sprengkapseln übertönte bald sogar das Gezwitscher der Droiden.

Dann öffneten die Astromechs eine Gasse für R2. Als er langsam durch ihre Reihen rollte, schoben sich ein paar R2- Modelle nach vorn und schlossen sich ihm an. Sie alle gehörten demselben Typ und demselben Modell wie er an und stammten aus demselben Baujahr. Sie wippten aufgeregt vor und zurück, und weitere R2-Einheiten folgten der Prozession.

Als immer mehr Sprengkapseln auftauchten, erhoben sich ältere Droiden und reaktivierten ihre Systeme. Ein R5er fiel in das allgemeine Schaukeln ein, dann folgte ein R1er. Bald wippten und piepsten auch die meisten älteren Droiden, während noch die restlichen Sprengkapseln aus den neueren Astromecheinheiten entfernt wurden.

R2 rollte auf die Tür zu und lud die anderen pfeifend ein, ihm zu folgen. Eine R5-Einheit stellte eine Verbindung mit dem Paneel neben der Tür her, worauf diese sich langsam öffnete.

Der Gang dahinter lag im Dunkeln.

Dann wurde das vielstimmige Getriller von einem anderen Geräusch übertönt. Es war das Geräusch rollender Räder. R2 drehte den Kopf herum. Sämtliche R2-Einheiten seiner Generation folgten ihm, und auch ein paar R5er und einige wenige R6er hatten sich an seine Fersen geheftet.

R2 erreichte die Tür und rollte nach draußen. Schrilles Pfeifen hallte über den Gang - das Droiden-Aquivalent menschlicher Hurrarufe. R2 fiel in den Jubel ein und blieb erst stehen, als die Gangbeleuchtung aufflammte und er sah, was ihn draußen erwartete: zehn rote Droiden, deren eigenartig gefärbte metallische Hüllen im künstlichen Licht funkelten. Aus ihrer Brust ragten Laserkanonen, sie hatten Blaster statt Finger und ausdruckslose Augen, die eine intellektuelle Kapazität verrieten, die kaum die eines Binärhebers überstieg.

Die Droiden in R2s Gefolge gingen jetzt auf Distanz zu ihm, und er sah sich dem Roten Schrecken ganz allein gegenüber.