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Wedge stand breitbeinig und mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf dem Kommandantenplatz der Yavin. Seine Gefechtsstation war etwas erhöht und durch eine Art Schranke vom Rest der Brücke abgetrennt. Die Mon-Calamari-Sternkreuzer boten wesentlich mehr Komfort als die Schiffe, auf denen er zu Anfang seiner Karriere gedient hatte. Diese neuen Kreuzer waren im Gegensatz zu den früheren Modellen, bei denen es sich im wesentlichen um modifizierte Jachten gehandelt hatte, speziell für ihren militärischen Einsatzzweck gebaut. Die neuen Schiffe verfügten über runde Kommandozentralen in der Schiffsmitte, durchsichtige Kuppeln, die einen Überblick über das gesamte Weltraumpanorama erlaubten, mit Laufgängen von einer Seite zur anderen. Die Laufgänge bestanden aus dünnem Gitterwerk und behinderten so auch den Blick nach unten kaum.

Obwohl es sich um eine Konstruktion seiner Leute handelte, hatte sich Admiral Ackbar gegen diese neueren Modelle ausgesprochen, weil er der Ansicht war, daß sie es Angreifern erleichterten, das Kommandozentrum zu finden. Wedge jedoch mochte diese Schiffe. Sie vermittelten ihm dasselbe Gefühl, das er als Jägerpilot gehabt hatte, das Gefühl, nur durch eine dünne Haut von der unendlichen Weite des Weltraums getrennt zu sein.

Außerdem verschaffte ihm diese Bauweise eine einmalige Perspektive und erinnerte ihn immer wieder daran, daß bei Weltraumschlachten, im Gegensatz zu planetengebundenen Kampfhandlungen, Angriffe von allen Seiten kommen konnten: von oben, unten, hinten oder von der Seite. Viele Kommandanten vergaßen das, wenn sie einmal ein paar Jahre nicht mehr im Cockpit eines Jägers gesessen hatten.

Und die Zeit, da Wedge nur sich selbst verantwortlich war, lag nun schon zu lange zurück.

Manchmal vermißte er diese fernen Tage.

»General, soeben hat eine Flotte von Schiffen die Planetenoberfläche verlassen«, meldete der Lieutenant auf der Ebene unter ihm.

»Halten Sie mich auf dem laufenden«, befahl Wedge.

»Ich glaube, wir sollten die Droiden reaktivieren, Sir«, sagte Sela, seine Stellvertreterin, eine hagere, stets nervös wirkende Frau, die sich auf Coruscant als Adjutantin unschätzbare Verdienste erworben hatte.

Als Kommandantin eines Flottenverbandes würde sie sich erst noch bewähren müssen.

»Wir können ohne sie kämpfen«, erwiderte Wedge.

»Ich bitte um Nachsicht, aber unsere Versorgungsstationen sind ohne die Droiden unterbesetzt.«

Wedge nickte. »Präsidentin Organa Solo hat uns unter erheblichem Aufwand vor dem Einsatz der Droiden gewarnt. Ich denke, wir sollten ihrer Empfehlung folgen.«

»Präsidentin Organa Solo ist nicht die Befehlshaberin der Flotte«, sagte Sela.

Wedge überlegte, ob er ihr diesen Bruch der militärischen Etikette durchgehen lassen sollte. Schließlich entschied er sich für die sanfte Tour. »Präsidentin Organa Solo hat mehr Soldaten in die Schlacht geführt, als Sie je gesehen haben, Major. Ich habe über die Jahre gelernt, ihre Empfehlungen zu achten.«

Sela seufzte. Sie hatte den Verweis verstanden. »Ja, Sir.«

»Falls Sie freilich Mittel und Wege finden sollten, Major, um die Dienste der Droiden zu nutzen, ohne sie zu reaktivieren oder wichtiges Personal dafür abzuziehen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«

Sela lächelte und nickte. »Ja, Sir.« Sie drehte sich um und eilte über  den  Laufgang  davon,  als  hätte  er  sie  mit  seinem  Befehl zu

etwas aufgefordert, was sie ohnehin schon lange vorgehabt hatte.

»Sir«, sagte Ginbotham, ein Hig. Er war ein schlanker blauer Alien, dessen Fähigkeiten als Pilot weithin berühmt waren. »Diese Schiffe bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu.«

»Mit wie hoher Geschwindigkeit?« wollte Wedge wissen.

»Wesentlich schneller als alles, was wir haben, Sir.«

»Sie kommen mir bekannt vor«, sagte Ean, ein Mon Calamari. »Ich glaube, es sind imperiale Schiffe.«

»Was?« fragte Wedge. »Wie ist das möglich?«

»Die Bauweise, Sir. Das sind Sternzerstörer der Victory-Klasse, modifizierte imperiale Konstruktion.«

»Diese Schiffe?« fragte Wedge, dem diese Neuigkeit ganz und gar nicht behagte. Er hatte schon früher gegen Sternzerstörer der Victory-Klasse gekämpft. Sie hatten ihre Schwachstellen, aber diese Schwachstellen waren schwer zu knacken. »Wie viele sind es denn?«

»Drei nach meiner Zählung, Sir«, antwortete Ean. »Und ein kleines Kontingent TIE-Jäger. Allerdings ist irgendwas seltsam an diesen Jägern.«

»Finden Sie heraus, was es ist«, wies Wedge ihn an. »Sagen Sie Sela Bescheid, daß wir dort draußen A-Flügler brauchen, und zwar schnell.«

Wedge atmete tief durch. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte eine zusammengewürfelte Flotte aus Schiffen unterschiedlicher Herkunft erwartet, ein paar umgebaute Jachten vielleicht, aber keine Sternzerstörer - und nicht so viele.

Dieser Kueller verfügte über ausgebildetes militärisches Personal und die wohl kampfstärksten Schiffe, die es in der Galaxis gab. Wie hatte er sich all das beschaffen können? Und in so kurzer Zeit?

Und woher kam das Gefühl, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung war, das ihn einfach nicht losließ?

Wedge hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Er gab Anweisung, nach Einsatzplan 2-B vorzugehen, und hatte den Befehl in der nächsten Sekunde beinahe wieder zurückgezogen. Irgend etwas stimmte hier nicht. Wenn er nur wüßte, was.

»Holen Sie Sela in die Kommandozentrale zurück. Und dann will ich General Ceousa sprechen«, ordnete er an.

»Wir brechen die Kommunikationsstille, Sir?« fragte Ean.

Wedge nickte. Er mußte wissen, ob Ceousas Instrumente dasselbe Geschwader mit Kurs auf sie anzeigte oder ob Kueller irgendwelche technologischen Manipulationen vorgenommen hatte. Leias Nachricht, die sie mit seinen Leuten geschickt hatte, enthielt den Hinweis, daß Kueller die Droiden manipuliert hatte. Vielleicht konnte er auch die Scanner beeinflussen.

Trotzdem mußte Wedge sich auf eine Weltraumschlacht mit all ihren Konsequenzen vorbereiten.

Zum ersten Mal seit Jahren verspürte er Nervosität.

Er haßte Überraschungen.

Seine gesamte militärische Streitmacht jagte durch den Weltraum. Einige tausend Soldaten und Bodenpersonal. Er hatte nie damit gerechnet, sie einsetzen zu müssen.

Aber Kueller war vorbereitet. Allem, was er zu Yanne gesagt hatte, zum Trotz hatte er Pläne für alle denkbaren Eventualitäten vorbereitet. Er war lediglich überrascht darüber, daß seine Waffe nicht funktioniert hatte. Zum ersten Mal hatte sie nicht die Wirkung gezeigt, für die sie entwickelt worden war. Die falschen Opfer waren gestorben; die Droiden hatten ihren Bestimmungsort nicht erreicht.

Dafür würde Brakiss bezahlen.

Später.

Jetzt mußte Kueller sich ganz auf die Schlacht konzentrieren.

Die Nähe Leia Organa Solos irritierte ihn. Er hatte deutlich gespürt, wie ihr Schiff in die Atmosphäre eingedrungen war, hatte sich aber seitdem nicht mehr um sie gekümmert. Sie würde nicht schwer zu finden sein. Ihre Jedi-Kräfte ließen sie hell strahlen wie ein Signalfeuer.

Er würde sich ihrer annehmen, sobald er ihre Flotte besiegt hatte.

Fast wünschte er sich, jetzt bei seinen Leuten zu sein.

Fast.

Aber er kannte die Risiken sehr wohl, die dieses Begehren mit sich brachte. Und Risiken konnte er jetzt,, so kurz vor dem Ziel, nicht mehr eingehen.

Was auch immer dort draußen im Weltraum geschah, hatte viel weniger zu bedeuten als sein Sieg über Skywalker und seine Schwester. Sobald die beiden aus dem Weg geräumt waren, würde die Galaxis ihm gehören. Dann würde es nur noch Augenblicke dauern, und jede Gefahr für ihn wäre gebannt.

Wenn Brakiss ihn nicht erneut verraten hatte.

»Sir«, sagte Gant, sein neuer Berater. »Commander Bur möchte wissen, ob Sie das Kommando übernehmen.«

Kueller lächelte. Seine Leute wußten nie, was er vorhatte. »Sagen Sie Commander Bur, daß ich volles Vertrauen in seine Fähigkeiten habe. Und daß ich ihn genau beobachten werde.«

»Ja, Sir«, nickte Gant.

Das sollte seinen Helfern Warnung genug sein. Sie wußten, daß Kueller jedes Versagen hart bestrafte. Wenn sein Lieblingskommandant ihn auch nur in die Nähe des Randes einer Niederlage brachte, so würde dieser Kommandant sterben. Kueller würde nie im traditionellen Sinn eine Flotte lenken. Er hatte oft das Gefühl gehabt, daß Führer, die sich mit der banalen Frage befaßten, wer wen erschoß, stets die Schlacht verloren. Aber er würde - so gut es eben ging - von Almania aus führen. Für ihn zählte einzig und allein, daß die Schlacht in seinem Sinne verlief.

Wer dabei überlebte, war ihm gleichgültig, solange kein Angehöriger der Neuen Republik auf Almania landete.

Niemand. Mit Ausnahme von Leia Organa Solo natürlich.