9

Der Boden des Wandschranks, in dem der Kloperianer die Droiden verstaut hatte, war aus Permabeton, die Wände und die Decke aus Metall. Die Wände waren völlig glatt und schmucklos, und die Tür wies an der Innenseite nicht einmal einen Griff auf. Nachdem der Kloperianer die Tür geschlossen hatte, war es stockfinster geworden. R2 gab einen leisen Pfiff von sich.

»Da hast du recht, R2«, flüsterte 3PO. »Ich kann auch Schritte hören. Und sie kommen auf uns zu.«

Das Computerschloß an der Außenseite der Tür klickte, dann war ein Piepsen zu hören. Als die Tür sich öffnete, fiel Licht in den Wandschrank. Ein anderer Kloperianer als jener, der sie ihrer Freiheit beraubt hatte, stand draußen; in einem seiner Tentakel hielt er ein Auftragsformular, in einem anderen einen Codeschlüssel.

»Oh, dem Erbauer sei Dank-, rief 3PO. »Ich bin C-3PO, und das hier ist mein Partner R2-D2. Wir gehören Präsidentin Leia Organa Solo, der Staatschefin, und ihrem Bruder, dem Jedi-Ritter Luke Skywalker. Man hat uns zu Unrecht hier eingekerkert ...«

»Ihr habt euch unberechtigt Zugang verschafft«, sagte der Kloperianer.

»Im Gegenteil«, widersprach ihm 3PO. »Wir ...«

»Ist mir ganz gleich«, fiel ihm der Kloperianer ins Wort. »Wenn es nach mir ginge, würde ich euch mit den anderen Uraltdroiden ins Recycling stecken. Aber wir haben eure Seriennummern überprüft und festgestellt, daß ihr die seid, die ihr zu sein behauptet. Wenn ihr das nächste Mal hierherkommt, müssen uns eure Besitzer vorher offiziell davon verständigen. Es geht einfach nicht, daß sich irgendwelche alten Droiden hier herumtreiben. Dies ist ein gefährlicher Bereich, und einige meiner Helfer neigen zu übertriebenem Eifer. Sie könnten euch für Schrott halten und zerlegen, um Ersatzteile zu gewinnen.«

»Ersatzteile!« erregte sich 3PO. »Ich kann Ihnen versichern, mein Herr, wir sind keineswegs Schrott. Mein Kollege und ich könnten sogar als ...«

»Du bist ein Protokolldroide und wenigstens drei Modellzyklen alt, und der andere ist ein Astromechdroide und sechzehn Modellzyklen alt. Wenn ihr zu unserem Team hier gehören würdet, würden wir euch ganz sicher recyceln.«

R2 gab ein Schnarren von sich.

»Aber so, wie die Dinge liegen, dürft ihr den X-Flügler sehen. Aber danach müßt ihr verschwinden.« Der Kloperianer überkreuzte zwei Tentakel. »Folgt mir!«

3PO beeilte sich, aus dem Wandschrank zu steigen, R2 folgte dicht hinter ihm. Der Kloperianer setzte sich in Bewegung und schlängelte mit hohem Tempo davon. 3PO blieb ein paar Schritte zurück, damit der Kloperianer ihn nicht hören konnte.

»Jetzt siehst du es, R2, ich habe dir gleich gesagt, daß die uns nicht länger festhalten, sobald sie wissen, wer wir sind.«

R2 zwitscherte.

»Nun, mir kommt das gar nicht komisch vor«, sagte 3PO.

R2 piepste vor sich hin.

»Also schön«, räumte 3PO ein. »Ich gebe ja zu, die hätten unsere Seriennummern auch schneller überprüfen können. Aber jedenfalls haben sie es getan, R2, das mußt du doch zugeben. Aber das hier hätte natürlich auch ziemlich unangenehm enden können, das räume ich ein. Recyceln! Und ich dachte immer, daß der Schrotthaufen für alte Droiden bloß eine Legende ist.«

R2s Halbkugelkopf drehte sich unablässig hin und her, die darin eingebaute winzige Holokamera flackerte. Er zeichnete alles auf.

»Ich glaube nicht, daß du die Erlaubnis ...«

R2 piepste so laut, daß der Kloperianer sich umdrehte.

»Gibt es Probleme?« fragte er.

3PO sah R2 an. »Nein, keine Probleme«, antwortete 3PO. »Überhaupt keine Probleme.« Und dann legte er die Hand schwer auf R2s Kopf. Das Klirren von Metall auf Metall hallte durch den Hangar.

Sie passierten Dutzende von X-Flüglern in verschiedenen Stadien des Zusammenbaus. Durch die offenen Hangarschotts waren demontierte Y-Flügler und A-Flügler zu erkennen; und in einem letzten Hangar standen metallisch glitzernde neue Fahrzeuge, an denen Reinigungsdroiden arbeiteten, um das schimmernde Metall auf Hochglanz zu polieren.

Schließlich blieben sie stehen. Der Kloperianer deutete auf einen weitgehend zerlegten, ziemlich mitgenommenen und verschrammten X-Flügler.

R2 stöhnte.

3PO marschierte auf die Überreste des X-Flüglers zu. »Oh, du meine Güte«, jammerte er. »Master Luke verläßt sich auf diese Maschine.«

»In zwei Tagen ist sie wieder zusammengebaut«, versicherte ihm der Kloperianer.

R2 pfiff und piepste.

»Mein Kollege hier will wissen, warum sie überhaupt demontiert werden mußte.«

»Anweisung«, erklärte der Kloperianer knapp. »Diese alten X-Flügler haben viel zu viele Macken, als daß man sie unentwegt durch die Galaxis fliegen lassen könnte, ohne sie gelegentlich zu überholen.«

R2 trillerte.

»Mein Kollege meint, das Schiff habe sich in perfektem Zustand befunden.«

»Nun, da täuscht er sich eben«, widersprach der Kloperianer. »Eine komplette Generalinspektion ist durch Amateurpflege nicht zu ersetzen.«

R2 schrillte.

»R2!« wies ihn 3PO zurecht. »Tut mir leid, Sir. Der X-Flügler hat ihm sehr nahegestanden. Er fürchtet, daß Sie ihn dauerhaft beschädigt haben.«

»Ich habe ihn nicht einmal berührt«, versetzte der Kloperianer. »Jetzt, wo ihr ihn gesehen habt, könnt ihr eurem Master über seinen Zustand berichten. Dort ist der Ausgang.«

3PO nickte. »Komm, R2. Wir müssen mit Master Luke sprechen.«

R2 gab einen trillernden Seufzer von sich. Er trat neben den X-Flügler und beugte sich gefährlich nah heran.

»R2!« tadelte 3PO. »Wir haben genug gesehen.«

»Vielleicht solltest du eurem Master sagen, daß er den Gedächtnisspeicher dieser Astromecheinheit säubern läßt. Die R2-Einheit ist ohnehin schon veraltet und wird in Hinblick auf die neuesten Änderungen im Schiffsbau in ein paar Monaten völlig überholt sein.«

Aus R2s linker, dem Kloperianer abgewandten Seite schob sich ein zylindrischer Manipulatorarm.

»Ich werde Master Luke ganz sicherlich darüber informieren«, sagte 3PO. »Diese kleine R2-Einheit hat praktisch von dem Tag an, an dem er sie gekauft hat, nichts als Ärger gemacht.«

»Das war bei allen so«, pflichtete ihm der Kloperianer bei. »Und jetzt verschwindet, ihr beiden, ehe ich euch selbst hinausschaffe!«

»Ja, Sir! Komm, R2!«

R2s Arm fuhr wieder ein. Er klappte sein drittes Rad aus und rollte auf den Ausgang zu.

»Vielen Dank, Sir, daß Sie uns den X-Flügler gezeigt haben«, sagte 3PO und hastete dann hinter R2 her. »Ich werde unserem Master ganz sicher von Ihnen berichten ...« Als die Tür zum Wartungsbereich sich hinter ihnen geschlossen hatte, blieb er stehen. R2 gab einen langen jämmerlichen Klageton von sich.

»Ich glaube, da übertreibst du. Der X-Flügler ist nicht tot - lediglich demontiert.« 3PO eilte den Gang hinunter.

R2 rollte piepsend neben ihm her.

»Sein Speicher wurde gelöscht? Aber Master Luke hat doch ausdrücklich angeordnet, daß das Gedächtnis des X-Flüglers nicht angetastet werden darf.«

R2 piepste zustimmend.

»Aber das heißt doch nicht, daß hier eine Verschwörung im Gange ist, R2. Organische Geschöpfe können sich irren.«

R2 pfiff und schrillte.

»Na schön«, meinte 3PO. »Du kannst glauben, was du willst. Aber das mußt du Master Luke selbst sagen. Ich will mit solchen Phantasievorstellungen nichts zu tun haben.«

R2 grunzte.

»Still!« wies 3PO ihn an, als sie den Hangar verließen und den oberen Teil der Dockanlage erreichten. »Ich werde Mistress Leia von der Einstellung jenes Geschöpfs informieren. Wenn man uns wegen einer solchen Banalität eingesperrt hat, dann stell dir einmal vor, was mit Droiden passieren könnte, die keine so prominenten Besitzer haben. Es ist eine Schande. So etwas sollte auf Coruscant einfach nicht zulässig sein.«

R2 zwitscherte.

»Ich denke keineswegs nur an mich«, widersprach 3PO.

»Wenn ich nur an mich denken würde, hätte ich dann andere Droiden erwähnt?«

Leia war damit beschäftigt, ihr langes, glänzendes Haar zu bürsten; ihre geheilten Hände wirkten in dem weichen Licht vollkommen. Das war der letzten Sitzung im Bactatank zuzuschreiben. Sie würde jetzt keine Beschwerden mehr haben.

Han saß auf der Bettkante und wünschte, sie würde ihn ansehen. Aber sie hatte in dem Augenblick nach der Bürste gegriffen, als ihr Gespräch ernst geworden war.

»Schau, Liebes. Ich werde doch nur eine Woche fort sein.«

»Wir stecken hier mitten in einer Krise, Han.« Unentwegt bürstete sie ihr Haar. »Und du willst weg und mit deinen Kumpels spielen.«

»Ich will nicht spielen, Leia. Ich glaube, Jarril ist aus einem bestimmten Grund zu mir gekommen.«

»Sicher ist er das. So, wie du mir eure Unterhaltung geschildert hast, konnte er einfach nicht verstehen, was aus dem Draufgänger Han Solo geworden ist «

Han erhob sich abrupt. »Ich denke, daß Jarrils Besuch mit all dem in Verbindung steht.«

»Da bin ich anderer Meinung.«

Han kauerte sich neben Leia nieder. Sie hörte auf, ihr Haar zu bürsten, und legte beide Hände in den Schoß. Die Verletzungen, die sie erlitten hatte, hatten in ihrem Gesicht keinerlei Spuren hinterlassen; sie sah nur noch blaß und ein wenig abgehärmt aus.

Han legte seine Hände über die ihren. Ihre Haut war kalt, sie zitterte. Dies war die Zeit, ehrlich zueinander zu sein - das galt für beide.

»Leia«, hob er an, »ich bin hier nutzlos.«

»Nein«, widersprach sie und sah auf seine Hände, die die ihren beschirmten. »Du bist niemals nutzlos, Han.«

Er legte den Kopf an ihre Schulter, spürte die seidige Weichheit ihrer Haare an seiner Stirn, roch ihr dezentes Parfüm. Er wußte nicht, wie er ihr etwas erklären sollte, das sie gewöhnlich auch ohne Worte verstand. Er war ein Mann der Tat. Er mußte handeln.

Dann seufzte sie. »Du willst deinen Beitrag leisten.«

Han nickte.

»Und auf Coruscant gibt es nichts, was du tun könntest.«

Er ging in die Hocke. Dabei ließ er ihre Hände nicht los, sondern erhöhte noch den sanften Druck. Die Borsten ihrer Haarbürste stachen in seine Fingerspitzen. »Ich habe bereits getan, was ich tun konnte, Leia. Ich bin Jarrils Spur nachgegangen. Er hat Coruscant mit der letzten Welle von Schiffen verlassen, kurz bevor die große Verwirrung ausbrach. Und dann, als die Schilde geöffnet wurden, um Luke einzulassen, ist er entkommen. Allem Anschein nach hat Jarril außer mir mit niemandem gesprochen. Außer mir kannte er hier auch niemanden.«

»Vielleicht hatte er überhaupt nichts mit dem Anschlag zu tun.«

Han nickte. »Kann sein. Für den Fall gehen deine Ermittler allen möglichen Hinweisen nach.«

»Und wenn ein weiterer Anschlag verübt wird, Han?«

»Das ist bis jetzt nicht geschehen. Ich habe seit Tagen darauf gewartet, aber es ist nichts passiert.«

»Das ist doch eigenartig, oder nicht?« überlegte Leia. »Ich finde es jedenfalls sehr eigenartig.«

»Ich auch.«

Sie sah ihn lächelnd an, mit jenem schiefen Lächeln, das sich bei ihr immer dann einstellte, wenn sie wußte, daß sie sich jetzt eigentlich mit ihm streiten sollte, aber es einfach nicht übers Herz brachte.

»Wenn du mich hier brauchst, bleibe ich«, sagte Han.

Leia schüttelte den Kopf. »Ich brauche niemanden, du großer Affe.«

»Das weiß ich, Euer Gnaden«, grinste er. Dann wurde er wieder ernst. »Aber ich meine das wirklich so. Wenn du mich brauchst ...«

»Wir sind viel besser, wenn wir als Team arbeiten, Han.«

Auch das wußte er. Er hatte die ganze Zeit versucht, genau das auszudrücken.

»Meine einzige Sorge gilt den Kindern.« Sie entzog ihm eine ihrer Hände und legte die Bürste auf den Frisiertisch. »Was ist, wenn der nächste Anschlag gegen sie gerichtet ist?

Was ist. wenn R'yet recht hat? Wenn das Attentat mir oder meiner Familie galt?«

»Wenn es dir galt, dann war es als Warnung gedacht«, erwiderte Han.

»Wie Jarrils Besuch.«

Er nickte.

»Winter sagt, der Stützpunkt auf Anoth ist wieder aufgebaut. Vielleicht sollten wir die Kinder mit ihr dorthin schicken.«

»Ein Besuch an dem Ort, wo sie ihre frühe Kindheit verbracht haben?« Han richtete sich auf. »Hältst du es denn ohne sie aus, Leia? Ich werde nicht da sein und die Kinder auch nicht, und du mußt dich ganz allein um die politische Krise kümmern.«

Sie atmete tief durch. Ihre Gesichtszüge verrieten ihm, welcher Kampf sich in ihr abspielte. Er wußte, wie wichtig die Familie ihr war, welche Stütze sie ihr bedeutete.

»Ich werde besser arbeiten können, wenn ich weiß, daß alle in Sicherheit sind«, sagte sie schließlich.

»Deshalb möchtest du wohl auch, daß ich bleibe, nicht wahr?«

Sie sah ihn nicht an. Er schob ihr Haar beiseite und küßte sie auf den Nacken.

»Ich kann für mich selbst sorgen, Prinzessin.«

»Ich weiß«, entgegnete Leia und wich seinem Blick weiter aus.

»Du bist diejenige, die am meisten in Gefahr schwebt. Vielleicht solltest du mit Winter und den Kindern nach Anoth gehen.«

Jetzt blickte sie auf, sah ihn endlich an. »Das kann ich nicht. Ich habe hier Verpflichtungen. Ich muß dieselben Risiken auf mich nehmen wie der Rest der Regierung.«

Das wußte er. Er mußte ebenfalls Risiken eingehen. Ihn zu schützen und ihn zu zwingen, auf Coruscant zu bleiben, wäre ebenso schlimm, als wenn er Leia zwingen würde, nach Anoth zu gehen.

Er wartete, sah zu, wie ihre Miene sich veränderte, als ihr dämmerte, was er getan hatte.

»Du hast mich manipuliert«, sagte sie.

Han nickte.

Sie stand auf, schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich. Sie hatte während der letzten Tage abgenommen und fühlte sich zart und zerbrechlich an. Er hielt sie an sich gedrückt und wußte, daß in ihrer schlanken Gestalt mehr Kraft schlummerte, als er je besitzen würde. Er mußte auf ihre Fähigkeiten vertrauen, so wie sie den seinen vertrauen mußte.

»Wünschst du dir nicht, daß wir nur ein einziges Mal so ruhig und zufrieden leben könnten wie normale Menschen?« Ihre Stimme war ganz leise, beinahe ein Flüstern.

»Nein«, sagte er. Er trat einen halben Schritt zurück, gerade weit genug, um ihr Gesicht betrachten zu können. »Weil wir uns dann nämlich nie begegnet wären, Euer Hoheit.«

Leia lachte, und er küßte sie. Lang und voller Hingabe.

Als würde er sie nie wieder küssen können.