30

Ein loses Bünde! aus Chips, angekohlten Drähten und Metallstücken prasselte auf 3PO herunter. Das Gewicht aktivierte die Sensoren in seiner Brust. Sie leuchteten auf und warnten, daß die Last entfernt werden mußte, wollte er ernsthafte Beschädigungen vermeiden.

»R2?« 3POs Stimme klang gedämpft.

Aber kein vertrautes Piepsen antwortete ihm. R2 hatte nicht einmal bemerkt, daß 3PO ein Mißgeschick widerfahren war. R2 zirpte leise auf der anderen Seite des Gangs vor sich hin und wühlte mit all seinen Manipulatorarmen in einem Schutthaufen herum.

»R2! Hallo, R2!«

Endlich antwortete R2 mit einem schrillen Pfiff.

»Nicht erst in einem Augenblick! fetzt! Siehst du nicht, daß ich hier feststecke?«

R2 trillerte. Dann rollte er auf 3PO zu, wobei er sich vorsichtig bewegte, um herabgestürzten Trümmern auszuweichen.

Eine Tür öffnete sich, und R2s Kuppelkopf fuhr herum.

»Schnell, R2!« 3PO war allem Anschein nach nicht imstande, sich allein zu befreien.

Ein Kloperianer schob sich in den Raum. Er trug die Uniform eines Wächters.

Plötzlich ging R2s Zirpen in ein ergebenes Winseln über. Der Kloperianer musterte den Schutthaufen mit mürrischer Miene.

»R2!«

R2 winselte.

Der Kloperianer grunzte und fegte dann den Schutt von 3PO. Der setzte sich auf. »Das wurde auch langsam Zeit ...«

Als er den Kloperianer entdeckte, verstummte er.

»Was machst du hier?« fragte der Kloperianer. »Hier ist der Zutritt verboten.«

»Ich - äh - ich konnte mich nicht mehr bewegen«, stammelte 3PO.

»Ja, das habe ich bemerkt. Aber vorher. Wie bist du hier reingekommen?«

»Ich bin ihm gefolgt.«

R2 schnarrte.

»Irgend etwas hier drinnen schien sein Interesse geweckt zu haben. Als ich ihn danach fragte, hat er gesagt, er habe etwas oder jemanden gesehen, und da dachte ich, wir sollten das untersuchen. Wir haben doch sicherlich nichts Unrechtes getan?«

Der Kloperianer verschränkte vier seiner Tentakel über der grauen Brust. Dann setzte er eine finstere Miene auf, was den ohnehin zahlreichen Falten in seinem Gesicht hundert weitere hinzufügte. »Der Zutritt ist hier verboten, weil es gefährlich ist. Nicht einmal ich sollte hier reinkommen. Fühlende könnten hier den Tod finden. Aber da du ja ein Droide bist, macht das wahrscheinlich nichts. Es sei denn, ich werde getötet. Also verschwindet jetzt einfach von hier!«

»Mit dem größten Vergnügen, Sir«, entgegnete 3PO. »Mit dem größten Vergnügen.«

Er wischte die letzten Schuttreste von seinem goldfarbenen Körper, richtete sich auf und zockelte davon. »Komm mit, R2!«

R2 pfiff.

»Was es auch sein mag, es wird warten müssen«, antwortete 3PO. »Der freundliche Kloperianer hier hat gesagt, daß wir gehen müssen, und deshalb werden wir gehen. Schluß mit diesem heroischen Unsinn. Überlaß das Master Luke und Mistress Leia.«

R2 piepste nachhaltig.

»Ja, ja, du hast ja recht. Droiden können auch Helden sein, aber nicht, wenn sie den Anweisungen eines Kloperianers nicht gehorchen.«

R2 zirpte und schnarrte.

»Ich würde vorschlagen, du sparst dir diese Ausdrücke auf, bis wir unter uns sind«, flüsterte 3PO. »Erinnerst du dich noch an unseren letzten Zusammenstoß mit einem Kloperianer?«

»Alles klar?« erkundigte sich der Kloperianer. Er schickte sich an, ihnen zu folgen.

»Ausgezeichnet, Sir. ausgezeichnet. Ich versuche nur, diese Astromecheinheit dazu zu bewegen, daß sie mir folgt. Er behauptet hartnäckig, daß es hier ein Problem gibt.«

»Ganz recht, und dieses Problem besteht darin, daß diesem Gebäude bald einstürzt«, sagte der Kloperianer, »zumindest dieser Abschnitt. Ich sage das diesen Ermittlern jedesmal, wenn sie hier rumschnüffeln, aber sie hören nicht auf mich.«

»Ermittler?« wollte 3PO wissen. »Haben die sich mit dem Bombenattentat befaßt?«

»Womit denn sonst?« fragte der Kloperianer zurück. »Sie arbeiten in der Senatshalle, die jeden Augenblick einstürzen kann. Es gibt sogar Risse im Dach. Es würde mich nicht wundern, wenn ich abends meine Schicht antrete, und ein paar von denen sind tot, weil ihnen das Dach auf den Kopf gefallen ist.«

»Sie meinen, die haben die Vorhalle nie untersucht?«

»Bei dem Tempo, mit dem die arbeiten, werden die nie über das Eingangsportal hinauskommen. Wenigstens nicht zu meinen Lebzeiten, und vielleicht erlebt ihr das auch nicht mehr.« Dann lachte der Kloperianer, ein quietschendes, beinahe Übelkeit erregendes Geräusch.

Er war ihnen den ganzen Weg gefolgt. Als sie draußen angelangt waren, wollte er hinter ihnen schließen, was von dem großen Portal übriggeblieben war. »Ihr solltet jetzt schnell zu euren Besitzern zurückkehren, ehe ich euch als verschwunden melde. Das ist, wie ihr wißt, die übliche Methode bei unbeaufsichtigt herumstreunenden Droiden.«

»Vielleicht auf Kloper«, murrte 3PO, »aber nicht auf Coruscant.«

»Deine Dateien wurden in letzter Zeit anscheinend nicht aktualisiert, Protokolldroide. Zur Zeit herrscht abends eine allgemeine Ausgangssperre, auch für Droiden. Seit dem

Bombenattentat hat sich hier einiges geändert, das kann ich dir sagen. Früher konnte man den Leuten einmal vertrauen, wenigstens denen, die nicht mit dem Imperium in Verbindung standen. Aber jetzt nicht mehr. Ein solches Attentat auf die Regierung! Ich bin wirklich froh, daß es am Tage passiert ist. Wenn das während meiner Schicht geschehen wäre ...«

»... wäre bestimmt niemand getötet worden«, fiel ihm 3PO ins Wort.

R2 gab leise glucksende Piepstöne von sich.

Der Kloperianer blinzelte ihn aus seinen Fischaugen an und löste dann zwei seiner vier verschränkten Tentakel voneinander. »Was du da sagst, hat was für sich, Droide, tatsächlich, ja. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ihr Logikkreise habt und ich nicht. Ich habe wieder einmal nur an mich gedacht. Das werfen mir meine Frauen auch immer vor.«

»Das kann ich mir vorstellen«, erklärte 3PO. »Äh, vielen Dank, daß Sie mich gerettet haben. Mein Kollege hatte nicht einmal bemerkt, daß ich in Schwierigkeiten geraten war.«

»Er war viel zu sehr damit beschäftigt, Teile zu sammeln« meinte der Kloperianer. »Denk bloß nicht, daß ich das nicht bemerkt habe. Ich mag ja keine Logikkreise haben, aber ich kriege es mit, wenn ein Droide für Schmuggler arbeitet. Das nächste Mal kommt ihr mir nicht mehr so leicht davon, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Wir arbeiten nicht für Schmuggler«, setzte 3PO an, aber R2 unterbrach ihn mit einem langgezogenen Pfeifen. 3PO funkelte ihn an. R2 pfiff erneut. »Also wirklich, R2 ...«

»Mir ist egal, für wen ihr arbeitet«, meinte der Kloperianer. »Das mußte nur mal gesagt werden. Laßt euch nie wieder hier blicken. Wenigstens nicht in meiner Schicht.«

»Oh, keine Sorge«, versicherte 3PO. »Das tun wir ganz bestimmt nicht. Komm jetzt, R2.« Er legte die Hand auf R2s runden Kopf und schob den Droiden nach vorn. Sie überquerten die Absperrung zur Straße. Der Kloperianer sah ihnen vom Portal her nach. »Ich wußte nichts von einer Ausgangssperre, du, R2?«

R2 piepste, dann trillerte er und schloß mit einem langgezogenen Schnarren.

»Mir gefällt das auch nicht«, sagte 3PO, »aber ich denke, wir sollten jetzt nach Hause zurückkehren.«

R2 ließ seinen Kopf hin und her kreisen, seine persönliche Version einer Verneinung. Er streckte einen Manipulatorarm aus und zeigte 3PO vier weitere Sprengkapseln.

»R2!« stöhnte 3PO auf. Dann senkte er die Stimme: »Wenn man uns damit erwischt, wird man dir und Master Cole ganz bestimmt wieder Sabotage vorwerfen.«

R2 schnarrte abermals.

»Mir ist egal, ob sie kleiner sind. Sie sind trotzdem Beweismaterial, oder nicht?«

R2 trillerte.

»Ich glaube, das ist der beste Vorschlag, den du seit heute morgen gemacht hast«, erwiderte 3PO. »Wir wollen Mistress Leia suchen. Sie wird uns helfen. Und in Zukunft unterbrichst du mich gefälligst nicht, wenn ich ihren Namen nennen will. Wenn wir das gleich beim ersten Mal getan hätten, als wir auf Kloperianer trafen, wären uns einige Scherereien erspart geblieben.«

R2 schnaubte verächtlich.

»Und rede nicht so mit mir. Du bist auf deine alten Tage richtig vulgär geworden. Das ist ja noch schlimmer als damals auf Tatooine.«

R2 trillerte indigniert.

»Ja, ich weiß. Du warst im Einsatz. Aber jetzt bist du nicht im Einsatz, oder? Du versuchst bloß, dich wichtig zu machen. Weil es dich beunruhigt, daß Master Luke dich nicht mehr für die Navigation seines X-Flüglers braucht.«

R2 piepste leise.

»Es gibt keinerlei Garantie dafür, daß in allen X-Flüglern eine Sprengkapsel versteckt ist«, sagte 3PO. »Ich bin sicher, Master Luke nimmt sich eine neue Maschine, wenn er zurückkommt. Es heißt, daß die neuen X-Flügler viel besser sind.«

R2 winselte.

3PO blieb stehen. »>Wenn er zurückkommt<? Was soll das heißen?«

R2 trillerte eine Erklärung.

»Oh«, machte 3PO. »Ich verstehe. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber du glaubst doch nicht, daß Master Luke einen. X-Flügler mit einer Sprengkapsel nehmen würde? Er würde das doch merken, oder?«

R2 gab einen Klagelaut von sich.

»Du lieber Himmel«, seufzte 3PO. »Das ist ja ein noch größerer Schlamassel, als ich gedacht hatte.«

Seiner Schätzung nach hatte Lando fast einen ganzen Tag lang Wasser getreten. In Wirklichkeit gab es jedoch keine Möglichkeit, die verstrichene Zeit zu bestimmen. Er konnte nur danach urteilen, wie oft Nandreeson aß. Und Nandreeson aß häufig. Hier eine süße Fliege, dort einen Mundvoll Mücken und dann wieder eine Müllschnepfe als Leckerbissen zwischendurch. Lando hatte nie eine solche Menge ekelerregender Nahrung gesehen, aber er benutzte Nandreesons Nahrungsaufnahme als Zeitmaß, einfach um sich zu beschäftigen.

Und das mußte er. Wassertreten war anstrengend. Aber es erforderte keinerlei Geistesgegenwart.

Sein Bewußtsein hatte sich schon vor einer Weile dem Thema Überleben zugewandt; seine Konzentration war von seinen Gliedmaßen zu seinem Magen gewandert und hatte sich schließlich ganz seinem verzweifelten Schlafbedürfnis zugewandt. Er ließ sich nicht oft treiben, weil er Angst davor hatte, einzuschlafen. Und doch mußte er ausruhen. Wenn er sich auf dem Rücken treiben ließ, zählte er die Watumbafledermäuse an der Decke. Sie waren grau, ständig in Bewegung und stellten eine echte Herausforderung an seine Wachsamkeit dar. Seiner Schätzung nach waren es etwa dreihundertfünfzig, aber die Insektenpopulation im Raum strafte dieses Ergebnis Lügen. Watumbafledermäuse ernährten sich von Algen und Felsstaub, und sie waren Wirte für verschiedene parasitäre Insekten, darunter die Parfimücken, die in der Nähe der Decke schwärmten. Aber wenn es dreihundertfünfzig Watumbafledermäuse waren, dann müßte die Höhle eigentlich schwarz von Parfimücken sein.

Vielleicht hatte Nandreeson sie bereits alle verzehrt.

Landes Arme fühlten sich an, als wären sie länger und schwerer geworden; seine Beine schmerzten, und die Lunge brannte bei jedem Atemzug. Und Hunger hatte er auch. Wenigstens war das Wasser, obwohl ekelerregend, frisch genug, um trinkbar zu sein: kein Salz, das ihn vergiften konnte, und auch keine anderen Mineralien, die den Durst noch verstärkt hätten. Das Wasser würde ihn am Leben erhalten, bis ihm ein Plan eingefallen war.

Er dachte über die Watumbafledermäuse nach, über irgend etwas, das mit Watumbafledermäusen, Glottalphibs und Süßfliegen zu tun hatte, etwas, woran er sich nicht mehr richtig erinnern konnte.

Aber es würde ihm schon noch einfallen.

Zwei Glottalphibs bewachten den Tümpel, seit die Reks ihn hineingeworfen hatten. Nandreeson verbrachte einen Großteil seiner Zeit an dessen Rand, verschwand aber gelegentlich, um seinen Geschäften nachzugehen. Lando sah darin ein gutes Zeichen. Wenn Nandreeson wirklich glaubte, daß er bald starb, würde er seine Geschäfte vor seinen Augen abwickeln, Aber Nandreesons Zweifel daran reichten aus, um ihn hin und wieder eine andere Höhle aufsuchen zu lassen. Und diese Zweifel verliehen Lando Zuversicht.

Lando tauchte einmal mehr den Kopf unter Wasser. Die Wärme des Tümpels machte ihn müde, also versuchte er auf diese Weise, wach zu bleiben. Beim Auftauchen kühlte er dann jedesmal ein wenig ab. Er ließ sich wieder auf dem Rücken treiben. Die Glottalphibs beobachteten jede seiner Bewegungen.

Wenn Nandreeson ihn bewachen ließ, konnte das nur bedeuten, daß sein Vorhaben, Lando in diesem Tümpel ertrinken zu sehen, nicht narrensicher war. Es mußte noch einen anderen Weg aus dem Pfuhl geben, außer den Stufen in der Nähe von Nandreesons Couch. Oder Nandreeson glaubte, daß Lando einen Weg finden würde, seine Wachen zu überwältigen und zu entkommen. Vielleicht war Nandreeson während all der Jahre zu der Überzeugung gelangt, daß Lando ein gefährlicherer Gegner war, als er in der Vergangenheit geglaubt hatte.

Lando enttäuschte ungern jemanden. Er würde sich Nandreesons Befürchtungen würdig erweisen müssen, würdig, den Haß des Verbrechers über all die Jahre hinweg wachgehalten zu haben.

Wenn ihm nur ein Fluchtplan einfallen würde.

Er döste, spürte, wie sein Körper langsam in den Schlaf glitt. Er wälzte sich zur Seite, tauchte in die stinkende Flüssigkeit ein. Sie schockierte ihn schon lange nicht mehr. Die Erschöpfung forderte ihren Tribut.

Lando war ein gesunder Mann von guter körperlicher Verfassung. Aber in einem Punkt hatte Nandreeson recht: Menschliche Wesen waren nicht dafür bestimmt, lange Zeit im Wasser zu existieren, ganz besonders nicht ohne Nahrung und ohne Schlaf.

Schließlich würde Lando das Bewußtsein verlieren, unter die Wasseroberfläche sinken und ertrinken. Kein besonders ruhmreicher Tod. Nicht einmal besonders aufregend. Aber zutiefst befriedigend für Nandreeson.

Lando wälzte sich wieder auf den Rücken. Die Watumbafledermäuse wuselten durcheinander. Er mußte sich konzentrieren.

Er mußte jetzt rasch eine Lösung finden.

Oder er würde sterben.